Der Tag beginnt zu einer direkt unmenschlich frühen Zeit. Zuerst begrüßt der Hund von gegenüber wieder den neuen Tag (und ich nehme eigentlich mehr an, dass er Krach macht, weil er zum „Rudel“ ins Haus will, anstatt vor der Tür sein Dasein zu fristen), dann wird mal wieder das Auto sauber gemacht, diesmal von innen mit dem Staubsauger. Und dann um halb Sieben beginnt auch noch jemand mit Klavierübungen! Wenn ich versuche, die Geräuschquelle zu orten, drängt sich mir der Verdacht auf, dass auch diese dritte frühmorgendliche Unverschämtheit aus dem Haus unseres wenig sozial anmutenden Nachbarn gegenüber herübertönt. Der Hund kann ja nichts dafür, aber um diese Zeit Klavier zu spielen, dass man es in der ganzen Straße (50 m lang) hören kann, ist eine Frechheit.
Ich „reserviere“ mir in der Frühe um halb Neun einen Platz im Center und fahre um 09:40 ins GEO, um neue CDs auszuleihen. Ich lasse mir dort das „25:00 Uhr System“ erklären.
Der Rechnungstag endet nachts um 01:00, was bedeutet, dass man ausgeliehene Sachen bis um Ein Uhr zurückbringen kann und nicht bis Mitternacht da sein muss. Im Gegenzug heißt das aber auch, dass man nach Mitternacht keine Sachen für den neuen Tag ausleihen kann, weil ja der alte noch gültig ist. Der neue Tag beginnt erst am Morgen um Zehn, und in meiner Situation finde ich das reichlich unpraktisch, weil ich so eine Menge Zeit verliere. Wie dem auch sei, ich nehme heute eine bunte Mischung aus „Kishidan“, „Drifters“ und „Yoshida Kyôdai“ mit. Bei den „Drifters“ muss man sich an den Stil erst gewöhnen, aber sie sind wirklich lustig – sofern man ein grundlegendes Verständnis der japanischen Sprache hat, was bedeutet, dass ich zuhause niemanden dafür werde erwärmen können. Nein, Trier ist nicht „Zuhause“. Trier ist eine eigene, in sich geschlossene Dimension von seltsamen Leuten, denen man auch verrücktes Material andrehen kann, sofern es aus Japan kommt. Man muss auf jeden Fall verstehen, was die „Drifters“ sagen oder singen, sonst geht der Hauptteil vom Spaß verloren. Ich muss auch noch daran arbeiten. Ich setze mich wieder ins Center und lasse die CDs einlesen und zu MP3s verwursten.
Am frühen Abend wollte ich eigentlich zu einem Shamisen-Konzert von Shibutani-sensei gehen, aber ich stelle fest, dass ich früher hätte dran sein müssen. Zum Beispiel hätte ich das Werbeplakat besser lesen sollen. Darauf ist zu lesen, dass die Vorbestellung der Karten dringend empfohlen sei, umso mehr, weil die Anzahl der Zuhörer auf 100 Personen beschränkt sein würde. Der derzeit beste Spieler Japans hat keine Probleme damit, 100 Leute „zu seinem Ruhme“ zu versammeln, auch nicht im letzten Provinzwinkel Japans, und schon gar nicht, wenn dieser Provinzwinkel seine Heimatstadt ist. Keine Chance für mich. Direkt amüsiert war ich aber von seiner Ankunft in dem kleinen Hotel, die ich miterleben durfte. Japaner fahren ja wirklich gerne mit dem Auto, wenn der Weg weiter als 500 m ist, also dachte ich eigentlich, er würde mit einem Wagen vorfahren. Stattdessen kommt er zu Fuß daher gelatscht, mit seiner Frau im Schlepptau, beide in Yukata gekleidet, und der Herr Sohn, in westlicher Kleidung und tendenziell so beleibt wie sein Vater, schleppt den Koffer mit dem Instrument. Wirklich ein amüsanter Anblick.
Ich überlege eine Weile, was ich tun soll. Ich fahre ins Daiei, in den „Daisô 100 Yen Shop“, um genau zu sein, und kaufe eine stabile Papprolle, um meine Poster und den SailorMoon Kalender darin zu verschicken (oder zu transportieren). Dann kehre ich nach Hause zurück und höre CDs, während ich auf dem Futon liege. Ich habe alle eingelesen, aber noch nicht angehört. Allerdings muss ich währenddessen eingenickt sein, da ich von der heimgekehrten Melanie plötzlich geweckt werde. Ich bin auch irgendwie schrecklich müde. Das liegt wohl nicht unwesentlich daran, dass ab heute Morgen um 04:30 kaum noch ans Schlafen zu denken war. Wir sehen uns dennoch zwei Episoden der Serie „InuYasha“ an, die ersten beiden Episoden überhaupt. Ich wollte mir schon länger mal ein Bild von dieser Serie machen.[1] Ich habe hier und da eine Episode im Fernsehen gesehen, aber das sagt einem natürlich reichlich wenig, wenn man die Entstehungsgeschichte nicht kennt, und japanische Animeserien sind in den meisten Fällen darauf ausgelegt, dass sich eine fortlaufende Geschichte entfaltet – anders als viele amerikanische (Zeichentrick-) Serien, die man auch in willkürlicher Reihenfolge ansehen kann, ohne einer größeren Verwirrung wegen des Inhalts anheim zu fallen, weil eine fortlaufende Storyline für gewöhnlich nicht gegeben ist.
Außerdem erfahre ich im Laufe des Abends, wie der Tag meiner beiden Mitbewohnerinnen so gelaufen ist, und der schien ziemlich filmreif – zumindest für die versteckte Kamera, wäre sie da gewesen. Geplant war, für Ricci ein Fahrrad aus dem Haufen an der Uni zu besorgen, um ihr die Reisen durchs Stadtgebiet angenehmer zu machen und die Buskosten bei Null zu halten. Der Abend sollte dann mit „Shrek 2“ im örtlichen Kino enden. Der Start lief auch gut. Es wurden zwei brauchbare Fahrräder gefunden, zum Cycland geschoben, mit Luft versorgt, und sie fuhren zum Einkaufen ins Ito Yôkadô. Aus dem Laden wieder heraus stellten sie allerdings fest, dass jemand die frisch besorgten alten Mühlen geklaut hatte – alle beide. Also mussten sie in der Hitze des Tages zu Fuß zur Uni zurücklaufen und neue Fahrräder besorgen. Die brauchten natürlich ebenfalls Luft, also wurden auch diese beiden zum Cycland geschoben. Dass man auf halber Strecke, quasi in Steinwurfweite zur Uni, bei „Bicycle Saitô“ ebenfalls Luft pumpen kann, ist Melanie offenbar völlig entgangen. Wie es scheint, hat sie die Existenz des Ladens bis heute nicht wahrgenommen, obwohl sie bestimmt bereits mehr als tausendmal daran vorbeigekommen ist. Wie dem auch sei, die beiden standen also am Cycland und pumpten Luft, als sich das Ventil von Riccis Reifen mit einem Pfeifen verabschiedete. Ein neues Rad musste her. Die Tour zur Uni war ein weiteres Mal fällig, noch einmal musste ein altes Fahrrad von seiner Absperrvorrichtung „befreit“ werden, und natürlich kam man um eine weitere Tour zum Cycland nicht herum. Der Mann im Fahrradladen dürfte nicht schlecht gestaunt haben, als dieselben beiden Leute bereits zum dritten Mal mit einem neuen Satz Fahrrädern angerückt kamen. Ob er allerdings überhaupt bemerkt hat, dass die Zwei immer neue Räder hatten, sei dahingestellt. Wegen all dieser Schwierigkeiten und der impliziten Fußmärsche, die sich wegen der auf Grund der Wetterverhältnisse immer weiter sinkenden Ausdauer der beiden Damen immer länger hinzogen, war es dann zu spät geworden, um noch pünktlich im Kino zu sein. Der Film würde also später angesehen werden müssen. Ich muss annehmen, dass die beiden noch müder sind als ich.
Melanie hat sich übrigens – wenn mies läuft, dann richtig – bei der Gelegenheit, aus dem überwucherten Fahrradhaufen immer weitere Drahtesel zu bergen, die Hose, von der sie gehofft hat, sie würde wenigstens die letzten paar Tage noch überstehen, nicht nur schmutzig gemacht, sondern auch gleich zerrissen.
[1] Der Manga ist von Takahashi Rumiko, das heißt, das Konzept geht nicht über coole Charaktere und ihre Konflikte hinaus, das Traumpaar kommt wegen allerlei Empfindlichkeiten und Missverständnissen nicht zusammen, und wenn die Geldkuh irgendwann totgemolken ist, wird schnell ein Schluss gebastelt.
Ich verbringe den Morgen im Center – abgesehen von einem Ausflug zum GEO, um mich mit weiteren CDs einzudecken. Um etwa 13:00 fahre ich dann zum Bahnhof, um gemeinsam mit Melanie unseren Besuch in Empfang zu nehmen: Ricci kommt heute aus Tokyo zu uns hoch. Melanie ist schon eine Weile länger am Bahnhof als ich, aber sie ist mir im ersten Moment entgangen, weil sie im Warteraum gesessen hat – der hat eine Klimaanlage. Realistisch betrachtet: Nachdem ich „Hallo Ricci!“ gesagt habe, verschwinde ich auch gleich wieder ins Center. Meine ganzen Sachen liegen noch dort (mehrere Leute haben ihre Sachen über Nacht im Center gelagert, um sich für den Umzug gestern Abend umziehen zu können) und ich will die geliehenen CDs heute noch eingelesen bekommen. Ich schreibe noch meine Post, lasse das Forum aber sein, um nicht zu spät nach Hause zu kommen.
Wir essen Nudelsalat. Melanie hat ihn gemacht, weil es sich erstens um ein kühles Essen handelt und weil Ricci zweitens kein Fleisch mehr essen möchte. So sei es denn. Aber der Kontrast ist lustig, wenn man bedenkt, dass unsere Freundin Heidi, die Veganerin, in Japan zum Fleisch „bekehrt“ worden ist. Aber es soll jeder essen, wie es ihm am besten passt. Ich brauche hin und wieder Fleisch und tauge daher nicht zum Hindu.[1] Ein paar Tage werde ich aber wohl ohne auskommen. Schade ist nur, dass dadurch ein paar Läden ausfallen, in denen wir hätten gemeinsam essen können. Was mich daran erinnert, dass wir keinen Reis mehr haben. Aber so kurz vor Schluss will ich auch keinen neuen Sack mehr kaufen. Aber es gibt auch genug Nudeln zu kaufen, die lassen sich besser portionieren.
Um 23:30 fahre ich ins GEO und bringe die CDs zurück. Ich sehe mich ein wenig im Laden um und finde den „Hello Kitty“ Anime. Ich hätte nicht gedacht, dass ich ihn tatsächlich mal sehen würde, also von außen, heißt das. Wie es scheint, handelt es sich um die Neuversion, und nicht um das Original von 1976. Hayashibara Megumi spricht die Hauptrolle, und die Frau ist erst seit Ende der Achtziger eine große Nummer im Geschäft.
[1] Vegetarismus wird vom Hindu nicht gefordert, Fleischgenuss gilt wegen des Tötungsakts jedoch als unrein.
Am Morgen fasse ich mal wieder verschiedene Dinge in Worte. Erstens wären da ein paar Hausaufgaben für Ogasawara-sensei, und zweitens muss ich für Kuramata-sensei auch noch eine kurze Abhandlung über Reis schreiben. Ich nehme mir „Webster’s Dictionary Online“ zu Hilfe und schreibe einen Text über das Wort „Rice“ – also nicht direkt über die Pflanze und ihre kulturellen Verwicklungen mit verschiedenen Völkern dieser Welt, sondern über das Wort, das Morphem, „Rice“. Das in erster Linie, weil sonst keiner auf eine solche Idee gekommen sein dürfte. Allerdings darf ich kurze Zeit später feststellen, dass die Arbeit für heute noch nicht fällig ist, weil der entsprechende Unterricht heute nicht stattfindet. Aber die Arbeit ist damit getan.
Ich hole mir bei Kondô-sensei mein nächstes Vortragsthema ab. Ich habe einen zweiten Vortrag erhalten, und das auf kuriose Art und Weise. Wegen der großen Hitze dieser Tage stehen die Türen der Unterrichtsräume fast grundsätzlich offen. Am Mittwoch waren wir gerade dabei, den Unterricht zu beenden und ich war mit meinen Gedanken bereits ganz wo anders, als Kazu draußen vor der Tür vorbeiging, mich sah und winkte. Ich winkte zurück – just in dem Moment, wo Kondô-sensei fragt, wer denn bereit sei, den Vortrag für die kommende Woche zu übernehmen. Ein klarer Fall von schlechtem Timing, aber ich sehe bald, dass die Angelegenheit nicht kompliziert wird. Es geht um die Zinspolitik der US-Zentralbank, böhmische Dörfer für mich, aber ich sollte wohl in der Lage sein, einen englischen Zeitungstext von vier Seiten zusammenzufassen.
Ich gehe in die Bibliothek und erledige dort die üblichen Arbeiten. Aber ich mache auch eine interessante Entdeckung: Man kann die ersten Episoden der Animeserie „Atashin’chi“ bei Animesuki.com mit Untertiteln runterladen. Das würde ich eine gute Nachricht nennen. Das würde mir ermöglichen, die Geschichten erstmals auch im Detail zu verstehen und ich kann jedem empfehlen, mal einen Blick darauf zu werfen.
Weiterhin zeigt mir ein genauerer Blick auf die Homepages der „SailorMoon“ Darstellerinnen, dass die „großen“ fünf ihr jetziges Taschengeld auf nicht viel andere Art und Weise verdienen als ihre „kleine“ Kollegin Koike Rina, über die ich letztlich erst ein paar Takte geschrieben habe. Der Unterschied liegt natürlich darin, dass die Senshi-Darstellerinnen fünf bis sieben Jahre älter sind, und immerhin haben sie keine fragwürdigen Videos gemacht. Und einzig Komatsu Ayaka, die die SailorVenus spielt, ist in einem größeren Film zu sehen, der den englischen Titel „Bayside Shakedown 2“ trägt. Ich fühle mich direkt versucht, den Film auszuleihen, um mal zu sehen, was sie zu tun hat. Ich rechne damit, dass sie eine entführte Schülerin spielt und zwei Sätze Text sagen darf. Dennoch… auch die Aufmachung des Plakats macht den Film interessant. Sawai Miyû, die Darstellerin der Usagi, ist auch in irgendeiner TV-Serie zu sehen, aber deren Name ist mir in diesem Moment wieder entfallen.
Den Morgen verbringe ich damit, den Eintrag für den gestrigen Tag zu machen. In die Bibliothek komme ich daher erst gegen 13:00 und muss dann auch noch eine Weile warten, bis ein Rechner frei wird. Dann sehe ich zu, dass ich im Schnellverfahren was geschrieben und gelesen bekomme, weil die Zeit leider knapp ist, und vor lauter Lauter vergesse ich dabei, eine Mail an meinen alten Kameraden Mihel zu schreiben, der ja heute Geburtstag hat.
Nachdem die Bibliothek dann wieder geschlossen hat, fahre ich ins Ito Yôkadô und bestelle mir die japanische DVD Version des „Streetfighter II Animated Movie“, und das in erster Linie, um eine Version mit Originalmusik heranzukommen, obwohl ich überhaupt nicht zu den entsetzten, eingefleischten Fans gehöre, die sagen, dass der amerikanische (Metal) Soundtrack ja so furchtbar sei. Der US Soundtrack, der völlig anders als der japanische ist, hat eben so ziemlich genau meinen Geschmack an Musik getroffen. Ich habe kurz vor meiner Abreise nach Japan im vergangenen Spätsommer noch die deutsche Version bei Melanies Bruder gesehen und mir daher überlegt, mir auch die japanische zuzulegen.
Melanie wollte auch noch drei leere Videokassetten haben, die ich allerdings erst im zweiten Anlauf kaufe, weil ich bereits wieder ein Stockwerk nach unten gefahren bin, als mir wieder einfällt, dass da ja noch was war. Ich verzichte auf weitere Umwege, weil es nach Regen aussieht. Der Himmel ist bewölkt und offiziell ist ja Regenzeit, also will ich kein Risiko eingehen. Nur zum Einkaufen gehe ich noch. Erst in den Beny Mart, weil ich ja was zu trinken brauche, und dann in den Sunday, weil wir keine Mülltüten mehr haben. Kaum bin ich zurück und zur Tür herein, eröffnet mir Melanie, dass ich sofort wieder gehen könne, um die Einkäufe für das Essen für den Ausflug morgen zu besorgen.
Nach Anbruch der Dunkelheit kann ich vom Balkon aus kleine Feuerwerke beobachten, die ein paar Hundert Meter weiter in den Himmel geschossen werden. Dann und wann zwei bis drei kleine Raketen, heißt das. Und etwa eine Stunde später beginnt es tatsächlich zu regnen.
Zuerst muss ich mal wieder Vokabeln lernen und einen Text vorbereiten, der als Hausaufgabe präsentierbar ist. Auf dem Weg nach draußen treffe ich dann SangSu, der den Müllplan studiert und außerdem heute Geburtstag hat, aber um diese Zeit denke ich noch nicht daran.
Ogasawara-sensei lässt uns heute über die Vorteile von Groß- und Kleinfamilien und über „traditionelle“ Auszugstermine aus der elterlichen Wohnung diskutieren. Ich habe eine Koreanerin und einen Chinesen mit am Tisch sitzen, also ist mir von vorneherein klar, dass die meine „separatistischen Tendenzen“ nicht recht nachvollziehen können werden. MiSong, die Koreanerin, sagt, dass sie sich eine große Familie wünsche, weil sie ein Einzelkind sei und sich immer Geschwister gewünscht habe. Ich muss in Anbetracht meiner persönlichen Erfahrungen über das Argument ein wenig lächeln und lasse mir kurz durch den Kopf gehen, was der „armen“ MiSong da alles entgangen ist! Dr. Chen „Dragon“, der Chinese, spricht sich natürlich für eine Großfamilie aus, weil das der Altersversorgung der Großeltern zuträglich sei. Das wundert mich dann doch aus zwei Gründen. Brüsten sich nicht gerade sozialistische Staaten (also z.B. die Volksrepublik China) mit ihren sozialen Errungenschaften? Ich gewinne den Eindruck, dass das Thema „Altersversorgung“ in China ein wenig altertümlich behandelt wird – dabei dachte ich bisher, in China sei die „Ein-Kind-Familie“ Gesetz. Chen sagt, man verliere lediglich finanzielle Vorteile, wenn man mehr als ein Kind zeuge, aber es werde nicht strafrechtlich verfolgt. Deshalb wachse die chinesische Bevölkerung trotz der jahrzehntelangen Politik der Geburtenkontrolle.
Kuramata-sensei geht mit uns in die Abteilung für Hauswirtschaftslehre (das kann man tatsächlich studieren), wo üblicherweise nach idealen Diäten, Ernährungsplänen, Kinder- und Seniorennahrung geforscht wird. Am Eingang treffe ich schon auf die erste Schwierigkeit. Eigentlich zieht man aus hygienischen Gründen die Schuhe aus und Latschen an, und damit habe ich theoretisch kein Problem. Das praktische Problem allerdings sind die zur Verfügung stehenden Latschen, die sind mir nämlich ein paar Nummern zu klein. Ich erkläre, dass ich auch ohne alles klarkäme, aber man erklärt mir, dass in einer Küche gefährliche Dinge auf den Boden fallen (oder durch Aufprall auf den Boden entstehen) könnten, also dürfe ich meine Schuhe ruhig anbehalten. Die Lehrerin (ihr Alter ist für mich nicht bestimmbar) und ihre drei Doktorandinnen haben also den ganzen Tag wenig anderes zu tun, als zu kochen (und zu essen). Trotz der dazu gehörenden Theorie der Ernährungswissenschaften möchte ich das ein interessantes Studium nennen. Heute gibt es aber ein ganz einfaches Programm für uns. Wir erleben eine Vorführung, wie heutzutage Mochi gemacht werden und was man dazu alles braucht. Man braucht allerdings nicht wirklich viel. In erster Linie braucht man natürlich Reis, aber es handelt sich dabei nicht um den Reis, den man üblicherweise kocht und isst. Dieser Reis hier ist besonders klebrig, damit die Masse auch zusammenhält. Traditionell wird der Reis in einem Pott gestampft, indem man ihn mit einem großen Hammer aus Holz bearbeitet. Aber die Mochi-Köchin von heute wirft den Reis ganz einfach in eine Maschine, die Reiskocher und –stampfer in einem ist. Die Maschine hat in ihrem Inneren den Kochtopf, in den man, wie üblich, nur den Reis und Wasser tut, aber sobald der Reis gekocht ist, springt der Deckel auf und ein Metallrotor am Boden des Topfes setzt sich, ganz ähnlich einem Mixer, in Bewegung. Egal, wie oft man es bereits erlebt hat, man erschrickt, wenn der Deckel plötzlich aufspringt und das Gerät, wegen des Rotors, beginnt, seltsame Geräusche zu machen und auf der Ablage herumzuhüpfen.
Nach einigen Minuten sind die Reiskörner völlig in einer homogenen Masse aus mürbem Reis aufgegangen (mit der man wohl auch Tapeten an Wände kleben könnte) und werden auf ein mit Mehl bestäubtes Tablett geschüttet. Obwohl „schütten“ nicht das passende Wort ist, weil es sich um eine zähe Masse und nicht um etwas auch nur annähernd Flüssiges handelt.
Alles, was man dann noch zu tun hat, ist essen. Der Einfachheit halber formt man einen Ball aus einem Stück der Masse, feuchtet ihn an und wälzt ihn in süßem Sojabohnenmehl (grün) oder in einer Paste aus süßen Bohnen (dunkelbraun), die Melanie so verabscheut. Ich ziehe das süße Mehl aber ebenfalls vor. Wir versuchen uns auch daran, die Bohnenpaste in das Innere eines Reisballs zu bekommen, aber das Ergebnis ist dürftig. Natürlich ist es einfach, den Reis flach zu drücken, eine Mulde zu formen und dann die Paste hinein zu tun, aber das schwierige daran ist, einen glatten Ball daraus zu formen, dem man von außen nicht ansieht, dass etwas drin ist! Nach zwei Experimenten reicht mir das und ich gehe wieder zum einfachen Essen über.
Mochi-Reisteig sättigt überraschend schnell, müssen wir feststellen, und wir kriegen sogar noch einen zweiten Haufen angeboten. Irena „rettet“ uns da ein bisschen, weil sie noch eine Sprachprüfung hatte und verspätet zu uns kommt. Sie hat von dem ersten Reisteig noch nichts gegessen und noch mehr Platz für den Rest, als das bei uns anderen der Fall ist. Der zweite Teig ist allerdings lila. Und das ist Absicht. Es handelt sich um eine spezielle Reissorte, die eben lila ist und einen kräftigeren Geschmack besitzt, als der normale, weiße Reis. Und weil die hier anwesenden Damen die Füllfähigkeit ihrer Vorführung deutlich unterschätzt haben, bekommen wir auch noch einen Eintopf aus Kartoffeln, Fleisch und Gemüse präsentiert, dem ich geschmacklich anmerke, dass die vier Damen Übung im Zubereiten von Speisen haben. Wirklich hervorragend. Am Ende bin ich pappsatt und eigentlich müsste man mich aus dem Raum rausrollen.
Nach dieser Erfahrung verbringe ich meine Zeit reichlich untätig im Center, weil ich kaum Motivation verspüre, mich zu bewegen. Das Wetter ist so richtig schwül-warm und man fühlt sich von der Luft beinahe erdrückt, ganz zu schweigen von dem Sättigungsgefühl, das in mir wohnt. SongMin macht zu dieser Zeit die Runde und informiert die üblichen Leute, dass bei SangSu heute Abend eine Geburtstagsparty steigen werde, und zwar ab Neun. Dass es eine Überraschung für ihn werden soll, erfahre ich erst später.
Kurz danach gehe ich in die Bibliothek und schaue mir den „Candy Candy“ Film an. Technisch betrachtet ist deutlich zu erkennen, dass es sich dabei um einen Zusammenschnitt aus Schlüsselepisoden handelt, da die Handlung viel zu schnell vor sich geht und auffällig Details fehlen. Völlig hirnrissig erscheint es da, diese Serie, die immerhin 115 Episoden hat, in gerade mal 25 Minuten (!) zu quetschen (also auf die Länge einer Episode)! Wer hat sich das ausgedacht? Man braucht allerdings schon ein dickes Fell, um diese gerade mal 25 Minuten zu überleben. Ich habe schon lange nichts mehr gesehen, was so schmalzig war! Da wird mit so richtig klassischen, althergebrachten Schablonen gearbeitet: Candy ist ein Waisenkind und kommt schließlich im Alter von 12 Jahren zu einer reichen Witwe (?). Allerdings nicht als Tochter, sondern als Hausangestellte! Die Dame des Hauses hat bereits zwei Kinder in Candys Alter, einen Sohn und eine Tochter, der Candy als persönliches Zimmermädchen dienen soll. Natürlich sind die beiden die widerlichsten, hochnäsigsten, verzogensten und unausstehlichsten Gören (mit überdies sadistischen Tendenzen), die man sich vorstellen kann. Sie tragen ein besonders starkes Klassenbewusstsein zur Schau. Man muss sie einfach hassen. Candy vergießt also viele Krokodilstränen, bis sie schließlich die „Nachbarn“ kennen lernt – drei Jungs, die mit ihrer Großmutter auf dem nächsten Landhaus leben. Die drei sind das exakte Gegenteil von Candys Arbeitgebern und natürlich betritt hier der romantische Aspekt die Bühne, und der ausgewählte Junge sieht nicht weniger wie ein „Vorzeige-Arier“ aus als Candy selbst. Ja, und nachdem Candy also 15 Minuten lang unter ihrer „Familie“ gelitten hat, lernt sie auf einer abendlichen Gesellschaft ihren Schwarm kennen und der Film ist vorbei. Das Werk ist durch die Kompression so abgedreht, dass ich die Datei wohl behalten werde. Man kann es allerdings keinem zeigen, ohne unweigerlich in Folge starker Hirnblutungen des Zuschauers wegen fahrlässiger Tötung im Gefängnis zu landen. Auf die Serie kann ich gut verzichten… der Schnelldurchlauf hier reicht völlig aus.
Um 20:30 bin ich dann zuhause und mache mich fertig, um runter zu SangSu zu gehen. Beim zweiten Nachdenken kommt mir der Gedanke, dass es vielleicht keine gute Idee ist, SangSu mit einem Besuch zu überraschen… man bedenke die Unordnung, der normalerweise in seinem Zimmer herrscht. Als erstes treffen zwei Koreanerinnen ein, SûJin und KiJong, die wir vom Balkon aus ankommen sehen, worauf es zwei Stockwerke unter uns deutlich lauter wird. Melanies Interpretation: „Die haben ihn in seinem Saustall überrascht und jetzt ist er sauer!“ Ich teile diese Meinung nicht, obwohl ich (wie sie) kein Koreanisch verstehe und nur den Tonfall interpretieren kann. Dennoch zieht Melanie es vor, auf die Straße zu gehen und einen Augenblick lang an seinem Fenster zu lauschen (wie komm ich mir denn da vor???), um die Lage zu peilen, bevor wir endgültig reingehen. Wie ich mir dachte, ist die Situation da drinnen nicht gespannt, also gehen wir hinein. Nachdem etwa die Hälfte der erwarteten Leute angekommen ist, wird sein Zimmer bereits recht eng, also bieten wir an, die Party in unser Apartment zu verlegen. Wir machen allerdings vorher selbst noch ein wenig sauber, um dem Ganzen das Prädikat „grob gereinigt“ geben zu können, und legen den Teppich in das Tatami-Zimmer, damit die Reismatten nicht mit irgendwas getränkt werden, was ich Abends nicht in der Nase haben möchte, wenn ich mich hinlege. Es werden einige Leute, wie sich bald herausstellt. Ii, Wiirit, Nan, SongMin, SûJin, KiJong, noch zwei Koreanerinnen, deren Namen ich nicht kenne, Valérie, Chris, Misi, Eve, Irena, Melanie und ich. Alex, MinJi, Jû, Izham und Baqr (der allerdings öfters „Abu“ gerufen wird), sowie Mélanie sind nicht da. Ich nehme an, dass sie nicht zur rechten Zeit im Center waren. BiRei aber war da und ist trotzdem nicht gekommen. Sehr schade eigentlich.
Unsere Nachbarn werden den Abend wohl so schnell nicht vergessen. Ich bin der Meinung, dass wir nicht außergewöhnlich laut waren, aber wir waren auch nicht leise. Und ausgerechnet der Trottel von gegenüber ruft seinen Unmut zu unserem Balkon herüber! Dabei muss gerade der die Klappe halten – er, der mitten in der Nacht mit laufendem Motor (seines Geländewagens) mit seinem Kumpel (der in seinem eigenen laufenden Wagen sitzt) tratschen muss; er, mit seinem zu Sonnenaufgang kläffenden Hund (der selbst natürlich nichts dafür kann, also verzeihe ich dem Hund); er, der auch schon mal morgens um fünf Uhr laut plätschernd sein Auto waschen muss und dabi auch vor dem röhrenden Staubsauger für den Dreck im Fußraum nicht zurückschreckt; er, aus dessen Haus zu den ungewöhnlichsten Zeiten der Klang von Klavierübungen erschallt; er, der zu jeder Tages- und Nachtzeit ungeniert seinen Schleim aus seinem Raucherhals würgt und hustet und laut auf die Straße ausspuckt! Nein, der hat bei mir kein Beschwerderecht, und bei allem Respekt: Er kann mich mal kreuzweise.
SangSu ist am Ende wieder leicht angetrunken und man macht sich über sein rotes Gesicht und seine roten Ohren lustig. Aber Wiirit scheint ziemlich hin zu sein, er erinnert vom Gesichtsausdruck her ein bisschen an einen abgehobenen Guru im Rausch der Sinne oder so. Ich habe ein Foto davon gemacht. Er hat sogar Probleme, gerade zu sitzen.
Um 00:45 verlagert sich die Party (für etwa eine Stunde) wieder nach unten in SangSus Apartment, nachdem ein Teil der Leute wohl gegangen ist. Einige gehen langsam und reden laut auf der Straße. Vor allem der lachende Misi ist bestimmt kilometerweit zu hören. Ich ziehe es allerdings vor, schlafen zu gehen, während Melanie den Rest des Festes ebenfalls noch erleben will.
Nachdem wir also zu Fuß zur Universität gegangen sind, verbringe ich den Morgen vor den Computern im Center. Schließlich erscheint auch Mei, die auf eigene Faust nicht mit „CDex“ und „Nero“ zurechtgekommen ist und um weitere Hilfe bei der Konvertierung ihrer CDs bittet. Aber sie wolle es selbst machen und ich solle nur dann eingreifen, wenn sie nicht weiterwisse. Sehr löblich, gute Einstellung. Der oder die eine oder andere könnte sich davon eine Scheibe abschneiden. Aber Probleme hat sie eigentlich nur mit dem Nero Cover Designer. Das Nero Brennprogramm selbst ist eines der einfachsten Programme überhaupt. Daher bekommt sie ihre CD weitgehend alleine hin. Ich brenne dann selbst noch zwei CDs mit den „Anime Trance“ Stücken drauf und schenke sie Eve, als Dankeschön, dass sie meinen für sie sicherlich nicht sehr spannenden Kampfbericht korrigiert. Der Rest sei ihr Projekt fürs Wochenende, sagt sie.
Bei Kuramata-sensei bekommen wir heute einen Vortrag über Klimageschichte gehalten, also darüber, wie sich das globale Klima in den vergangenen Jahrtausenden so entwickelt hat und woher man darüber Bescheid weiß. Man kann aus dem Eis der Pole, aus Ablagerungen am Boden von Seen und aus Baumringen so einiges erfahren. Im Übrigen berichtet auch dieser Doktor hier von einer „Mini-Eiszeit“, die im frühen 16. Jh. begonnen und bis etwa 1850 angehalten habe. Nach dem Ende dieser kühlen Periode sei die globale Temperatur beständig gestiegen und dies ginge eher zufällig mit der industriellen Entwicklung auf dem Planeten einher. Mit anderen Worten: Die globale Erwärmung hänge nur zum Teil mit dem menschlich verursachten Ausstoß von Treibhausgasen zusammen. Wir könnten tun, was wir wollen – auch wenn wir den Ausstoß von Kohlendioxid auf ein Minimum oder gar Null reduzieren, könnten wir das weitere Abschmelzen der Polkappen nur verzögern, aber nicht verhindern. Einige Leute werden nasse Füße bekommen, da der Meeresspiegel, laut Aussage unseres Vortragenden hier, in den kommenden Jahrzehnten um 50 bis 70 Meter steigen werde, nur der Zeitplan sei noch nicht sicher. Ein Blick auf die Karte Japans offenbart mir, dass die komplette Tsugaru-Ebene überflutet wird und gerade die südlichsten Teile von Hirosaki könnten als Küstenflecken noch trocken aus dem Meer herausragen. Auf der Ostseite der Berge wird es nicht besser aussehen, Hachinohe und die Ebene darum herum werden überflutet, weiter nördlich wird die Landspitze um Mutsu zur Insel. Ich frage den Doktor nach der Kantô-Ebene, die sich landeinwärts hinter Tokyo erstreckt. Er sagt, das Gelände werde wohl bis zum Landkreis Gunma im Meer versinken. Wenn man sich die Landkarte anschaut, wird man feststellen, dass Gunma dort anfängt, wo die Kantô-Ebene, bedingt durch Berge, aufhört. Das ganze Gelände wird schlicht und ergreifend absaufen und ein Grossteil der Reisebenen Japans wird unter der Meeresoberfläche verschwinden.
Nach dem Unterricht versuche ich, einen Platz in der Bibliothek zu bekommen, aber der Laden ist voll. Das Semesterende naht und Abschlussarbeiten werden verfasst. Also hier alles beim Alten. Ich gehe ins Center zurück und beginne dort mit dem Schreiben meines Tagesberichtes. Dann kann ich die historischen Daten zwar nicht sofort eintragen, aber immerhin ist der Bericht dann schon geschrieben. Um 17:30 gehe ich wieder, schwinge mich auf mein Rad und mache mich daran, Melanie vor dem Kino zu treffen – wir werden uns den dritten „Harry Potter“ ansehen. Allerdings gehen wir zuerst in den Sushi Shôgun zum Essen. Ich war nur ein paar Wochen nicht hier und merke beim ersten Stück sofort, wie sehr ich den Laden vermisst habe. Ich sollte öfters hingehen. Ich glaube nämlich nicht, dass ich in Deutschland zwei mit Fisch belegte Reisröllchen so schnell wieder für umgerechnet 75 Cent bekommen werde.
Was den Film betrifft, so merkt man, dass da ein anderer Regisseur am Werk war, die Stimmung ist anders als in den ersten beiden Filmen. Alles in allem ein weiterer netter Streifen aus der Reihe, dem immer noch etwas fehlt, um richtig gut zu sein. Der Verschleiß von Lehrern aus dem Fachgebiet „Abwehr gegen böse Künste“ hält an; es handelt sich wohl um einen „running gag“, dass mit denen immer irgendwas nicht in Ordnung ist, seien sie Verbündete des Bösen, Scharlatane oder Werwölfe. Bin schon beinahe gespannt, was für eine Macke der nächste hat. Die „Dementoren“ kommen mir irgendwie wie Ringgeister vor, was ihr Äußeres und ihre Geräusche betrifft, und Harry selbst kommt so langsam rüber wie Anakin Skywalker. Er entwickelt eine impulsive Ungeduld im Umgang mit seiner „Macht“, und dass er für die dunkle ebenso wie für die helle Seite, repräsentiert durch die Häuser Slytherin und Gryffindor, geeignet ist, muss ich nicht extra hervorheben.
Wir fahren nach Hause und ich will schlafen, aber kaum liege ich im Bett, klingelt es an der Tür. Die E.A.V. hat für diese Situation geschrieben: „… es sind die Nachbarn, besoffen, mit einer Kiste Bier.“ Nun gut, es ist ein Nachbar, nämlich SangSu. Besoffen ist er nicht, aber Bier hat er dabei. Der größte Teil meiner Sake-Flasche geht normalerweise fürs Kochen drauf, und allein trinken ist nicht mein Ding, also nehme ich die Gelegenheit wahr. Melanie, in Feierlaune (der Film hat ihr gefallen, wie es scheint), läuft zum Hotspar und besorgt ein paar Flaschen „Two Dogs“, weil ich Sake trinke und kein Bier mag, und sie weder Sake noch Bier ausstehen kann, was SangSu in schönster Regelmäßigkeit vergisst. Während Melanie also noch weg ist, geht SangSu runter in seine Wohnung und holt seinen Laptop hoch, weil er uns „Azumanga Daiô“ zeigen will.
Vielleicht liegt es daran, dass ich anderthalb Meter vom Bildschirm weg sitze, dass mir die auflösungsbedingte Unschärfe, die ich am Unirechner beobachten durfte, nicht so auffällt. Ich möchte feststellen, dass es sich um eine ganz hervorragende Serie handelt, auch wenn es sich um eine Ansammlung von kurzen Einzelepisoden zu handeln scheint, die nur einen lockeren Zusammenhang besitzen. Aber das Konzept funktioniert ja auch bei „Atashin’chi“, sogar ganz hervorragend. Außerdem muss ich Drehbuch und Regie ein Lob aussprechen (und natürlich den Sprechern) für die klar verständliche Sprache, die in den seltensten Fällen mal wirklich schnell wird und auch nicht mit wilden Dialekten und Slangs zu Gange ist. Die Charaktere sind sehr sympathisch und die Designs ansprechend, dazu gefällt mir der Humor, also was will ich mehr? Ich frage mich allerdings, ob es in der Serie auch männliche Charaktere in tragenden Rollen gibt.[1] Ich revanchiere mich für die Vorführung und drücke ihm die ersten drei Episoden von „Gash Bell“ in die Hand, um sie gleich im Anschluss ins Laufwerk zu schieben. Die Serie kommt auch gut an. Wichtig ist schon mal, dass die Serie auch Melanie gefällt – eine Kombination, die selten zu Stande kommt. Eine Episode „One Piece“ sehen wir uns auch noch an, aber es handelt sich wohl um eine fortgeschrittene Staffel und die Handlung erklärt sich mir nicht von alleine, weil man die vorhergehenden Episoden gesehen haben muss, um sie zu verstehen, also verstärkt sich mein Drang, „One Piece“ zu sehen, nicht. Natürlich dauert der Tag auf diese Art und Weise entsprechend lang und ich muss den Plan aufgeben, um zehn Uhr morgens an der Bibliothek zu sein.
[1] Es gibt einen männlichen Lehrer. Aber es heißt auch, dass die Darstellung eines Schülers, die in einer der ersten Szenen des ersten Bandes zu sehen war, in einer späteren Ausgabe des Manga durch die Darstellung einer Schülerin ersetzt wurde, um das Gesamtkonzept nicht zu stören.
Der Morgen danach… aber abgesehen von einem ungeheuren Durst bin ich völlig in Ordnung und zumindest halbwegs ausgeschlafen. Aber heute kommt nichts Kompliziertes auf mich zu und Kater gibt es bei mir keinen, bestenfalls dann, wenn ich mich bewusstlos trinke, und das mache ich bestimmt so schnell nicht wieder…[1]
Melanie ist der Meinung, dass BiRei und Mei heute vorbeikommen wollen (sollen), aber ich weiß sehr wohl, dass ich die beiden für Sonntag eingeladen habe, weil ich ja dachte, die KIWA Party sei heute, und nicht bereits gestern. Ich gehe also ganz beruhigt in die Bibliothek und bleibe dort wie üblich bis zum Nachmittag.
Ich fahre anschließend ins Ito Yôkadô und besorge mir den neuen „Bôbobo“ Soundtrack, „Kirai Tune“ von FREENOTE, und außerdem bestelle ich „Lune“ (frz.: „Mond“) von Orikasa Fumiko. Ich weiß von der CD noch nicht einmal, ob es sich um eine Maxi oder um ein Album handelt, aber eigentlich ist das nicht so wichtig. Ich mag die Stimme dieser Frau, da kann kaum was schiefgehen, also ist das finanzielle Risiko im Falle des Kaufs eines Albums relativ gering. Ich würde schon gerne wissen, wie Fumiko singt, die unter anderem Mikan in „Atashin’chi“ und Pacifica in „Scrapped Princess“ ihre Stimme geliehen hat, und ich bin der Meinung, dass diese beiden Rollen sehr gute Leistungen waren, bzw. sind.
Leider vergesse ich bei der Gelegenheit, Videokassetten zu kaufen, die ich ja brauche, um für Volker die Go Sendung am Sonntag, sprich morgen, aufzunehmen. Das fällt mir leider erst ein, als ich fast wieder zuhause bin, also werde ich morgen früh noch mal einen kleinen Ausflug zum Kaufhaus machen. Ein bisschen Bewegung tut ja ganz gut.
Und leider komme ich am Abend nicht dazu, mir „SailorMoon“ anzusehen, weil Melanie den „Sky High“ Film ausgeliehen hat. Im Vergleich zur Serie ist der Film eine Enttäuschung, weil er, wie alle Filme von Kitamura Ryûhei, Kämpfe beinhaltet und eben nicht alle Darsteller (Shaku Yumiko!) zum Kämpfen ausgebildet sind. Dem entsprechend wurde die Geschwindigkeit der Choreografie heruntergeschraubt, was dem Werk irgendwie das übliche Kitamura-Flair raubt. Da geht viel Spannung verloren. Shaku Yumiko ist eine hübsche junge Frau, die für ihre ruhige, ja melancholische Rolle in der „Sky High“ TV-Serie wie geschaffen ist, und ich würde sie jederzeit für die Rolle der SailorPluto vorschlagen, sollte „SailorMoon“ jemals dieses Stadium erreichen. Aber eine Actionrolle, mit Schwert und allem drum und dran… das passt dann doch besser zu Ueto Aya als zu Shaku Yumiko. Aber immerhin war es sehr interessant, zu erfahren, wie die Izuko, die Wächterin des Tors der Wut, die man in der Serie sieht (gespielt eben von Shaku Yumiko), zu ihrem „Job“ gekommen ist: Da ist also ein Mann, der aufgrund welcher Umstände auch immer, seine geliebte Freundin (oder Frau) verloren hat, aber er hat sie in einem besonderen Apparat konserviert und plant, sie im Bündnis mit einer Dämonin wiederzubeleben. Hierzu sammelt er Herzen junger Frauen, sechs Stück braucht er, und zwar Herzen solcher Frauen, die potentielle Torwächterinnen sind. Da es in den „Sky High“ Geschichten ja darum geht, dass getötete Personen ihrem Mörder nachspüren und diesen eventuell zur Strecke bringen, versammelt sich auf diese Art und Weise ein Quartett junger Frauen, die natürlich weitere Morde verhindern wollen, aber zwei von ihnen werden bei einem Versuch, das fünfte Opfer zu retten, von der Dämonin niedergemacht, deren verfluchtes Schwert wohl in der Lage ist, Seelen zu töten. Daraufhin liefert sich die Torwächterin einen Kampf mit der Dämonin, verliert aber und gibt ihre Kräfte an die neue Izuko weiter. Und so weiter, und so fort, bis denn das Gute gesiegt hat… ich will wirklich nicht mehr Platz und Zeit für den Film opfern, obwohl ich die TV-Serie wirklich empfehlen kann.
Ich gehe um 19:00 in die Bibliothek und gehe meiner üblichen Arbeit (?) nach. Das Wetter nähert sich der Grenze der Unerträglichkeit… es ist warm (und es erscheint mir vermutlich wärmer, als es tatsächlich ist) und die Luftfeuchtigkeit hält sich nicht weit unter der 100 % Marke. Es regnet auch, und ich würde das einen „stärkeren Nieselregen“ nennen, nicht mehr, aber die Lufttemperatur sinkt nicht. Es regnet widerlich lauwarmes Wasser vom Himmel und allein der Luftzug der eigenen Fortbewegung verschafft Kühlung, weil die Haut ja ständig feucht ist. Sobald man aber stehen bleibt, stürzt einem das Wasser aus allen Poren. Der Supermarkt ist das krasse Gegenteil. In dem Gebäude sind es 20 Grad Celsius mit geringer Luftfeuchtigkeit – man kommt von draußen herein und fühlt sich sofort wie in einem Kühlschrank. Ich hätte nicht gedacht, dass 20 Grad mal so wenig sein könnten. Und sobald man wieder nach draußen geht, läuft man wie gegen eine Wand aus wabernder Feuchtigkeit, die einen umhüllt. Mehr gibt es da heute nicht zu sagen… wäre da nicht die Episode SailorMoon, die ich gesehen habe und die den Fan der Animeserie in basses Erstaunen (oder Entsetzen?) versetzt (die Unwissenden aber kalt lassen dürfte).
Aha, Usagi weiß also nichts von der Tatsache Minako = SailorVenus, weil ihr das tatsächlich keiner gesagt hat. Die anderen drei haben entschieden, die Information für sich zu behalten, damit Usagi nicht auf dumme Gedanken kommt… welche auch immer. Bei ihr gibt es in dieser Hinsicht ja kein Limit. Möglicherweise hätte ihr die Tatsache, ihren Lieblingsshowstar im Team zu haben, den Kopf verdreht. Ihre Ansprüche sind ja nicht hoch. Minako ist nach dem Blackout während ihres Konzerts im Krankenhaus gelandet. Rei besucht sie und der Kernpunkt des Gesprächs ist der, dass Minako wohl noch ca. zwei bis drei Monate zu leben hat und sich eigentlich schon aufgegeben hat, weil auch die Erfolgschancen einer Operation angeblich bei nahezu Null liegen. (In der Pause wird Werbung für ein PS2 Spiel gezeigt, das „MagnaCarta“ heißt. Ich frage mich, wie viele von den Leuten, die diese Werbung gemacht haben oder für die diese Werbung gemacht wurde, eine Ahnung haben, was dieser Begriff eigentlich bedeutet…) Aber zum Ende erscheint Minako dann doch. Königin Beryll stellt sich den Senshi persönlich, aber weil es noch zu früh für den Showdown der Serie ist, lässt sie die vier Generäle erscheinen und droht, sie alle zu töten, sollte Endymion (Mamoru) nicht gefügig sein und ihr folgen. Die Waffen der vier richten sich also am ferngesteuerten Arm gegen ihre Besitzer und Kunzyte ist wieder die Nummer Eins, wenn es um das Schneiden verständnisloser Gesichter geht. Mamoru will natürlich nicht, dass seine ehemaligen Getreuen so schändlich gemordet werden, also macht er ein paar zögerliche Schritte auf Beryll zu. Usagi gefällt das natürlich gar nicht und wir erleben die seltsamste und unerwartetste Transformation, die keinem Fan der Animeserie je in den Sinn gekommen wäre. SailorMoon mit Terminator-Blick: „Du wirst Deine Finger von ihm lassen!“ Beryll greift ihre leuchtende Gestalt mit einem explodierenden Blitz an („I love the smell of fresh Nape in the Morning“), der die Senshi wieder mal fliegen lässt (markant: laszives Wälzen auf dem Boden mit Schmutz im Gesicht), aber SailorMoon steht wie der Fels in der Brandung und verzieht keine Miene, was bei der Königin offenbar eine gewisse Besorgnis auslöst. Ein Schwert erscheint in Usagis Hand – ein Schwert, verehrte Fans! Es ist zwar offensichtlich aus Plastik und von Bandai hergestellt, aber es ist ein Schwert, was den krassesten Bruch mit der Vorlage darstellt, die ich bisher gesehen habe. Nicht, weil die Manga- und Anime-SailorMoon kein Schwert gehabt hätte, sondern eben, weil sie eines hatte (während sie mit Galaxia zu Gange war) und sich weigerte, es zu benutzen, weil Gewalt ja nur mehr Gewalt hervorruft. Wie dem auch sei, SailorMoon hat also ein Schwert und wird mit Energiesalven bombardiert, die sie, ohne das Gesicht zu verziehen, mit eben diesem Schwert lässig beiseite wischt, worauf die Ladungen im Umland explodieren. Die Königin schiebt mittlerweile Panik und stößt allerhand Drohungen aus, unter anderem die alte Leier, die vier Generäle zu töten, worauf sich Nephlyte, der gar nicht weiß, wie ihm geschieht, mit seinem Schwert durchbohrt und leblos zu Boden geht. (Ich will nicht sagen „tot“, weil er zu der Sorte Leuten gehört, die dauernd wiedergeboren werden). Das schockiert Mamoru dann doch sehr und er sorgt dafür, dass Usagi aus dem Terminatormodus in ihre ursprüngliche Form zurückkehrt, bevor sich noch andere den Bauch aufschlitzen. SailorMoon verwandelt sich also in Usagi zurück, die auch gleich das Bewusstsein verliert.
Wer hat hier denn am Rad gedreht? Eine SailorMoon, die über Leichen geht, um die Bösen zu besiegen? Das hat sogar noch das Schwert übertroffen! Was auch immer das hier sein soll, aber „SailorMoon“ ist das nicht mehr. Aber andererseits… sie sieht mit diesem Gesicht viel schnuckeliger aus… auf jeden Fall besser als mit ihrem Dauergrinsen wie ein Kind, dem man einen übergroßen Schokohasen zu Ostern geschenkt hat, auch wenn die Klamotten, die man ihr für diese Transformation verpasst hat, aussehen, als hätte sie den Lolitashop um die Ecke in Harajuku während des Schlussverkaufs ausgeraubt.
Ich habe endlich „Azumanga Daiô“, den Anime, in die Hände bekommen. Allerdings fehlt die Episode 16 und die Nummer 25 scheint beschädigt, sie lässt sich nicht abspielen. Mal sehen, ob die Serie dennoch den Aufwand wert ist. Wenn SangSu mir das vorher gesagt hätte, wäre ich nicht so hinterher gewesen.
Ich erhalte Post von Katsuki-sensei. Sie fasst meine Entwarnung mit Beruhigung auf, weiß aber gar nicht, um was es geht, weil die Firewall der Universität meine Mail in den SPAM-Ordner abgelegt und sie meine Mail mitsamt dem Müll gelöscht hat. Ich informiere sie also kurz über die Lage.
Nach dem Unterricht gehe ich in die Bibliothek und schreibe Post.
Ich sehe mir am Ende noch die erste Episode von „Konjiki no Gash Bell“ an und bin sehr zufrieden. Wenn die Serie so bleibt, muss ich sie ganz haben. Leicht gesagt! Mir stehen derzeit 30 Episoden zur Verfügung, aber die Serie hat auf jeden Fall mehr als 52 und läuft immer noch im japanischen Fernsehen![1] Ich verstehe jetzt auch endlich, um was es dabei geht. Ich hatte aus dem Durchblättern des Manga (diese telefonbuchdicke Anthologie, die ich im Papierabfall eines der Büros hier gefunden habe) geschlossen, dass es sich bei den kleinen Humanoiden um Roboter oder Androiden handele – immerhin sind sie sehr stark und haben verschiedene Arten von übernatürlichen Kräften.
Zunächst einmal handelt es sich bei der blonden Hauptfigur um einen Jungen, nicht um ein Mädchen. Er trägt nur reichlich ungewöhnliche Klamotten… einen schwarzen Überwurf, beinahe ein Poncho, könnte man sagen, eben mit Ärmeln… sieht also aus wie ein Kleid. Aber die geschlechtlichen Fakten des Kleinen werden auch gleich in den ersten Minuten klargestellt. Die Darstellung ist simplifiziert, aber gleich eine Großaufnahme.
Und die Kleinen sind Dämonen. Gash Bell hat kleine Hörner, wie es sich für japanische Dämonen gehört. Er trägt, wie alle seiner Art, ein Buch bei sich, in dem Begriffe stehen, die die Elementarattacken auslösen (das ist keine spezifische Eigenart japanischer Dämonen). Um diese Begriffe laut vorzulesen, brauchen diese Dämonen einen Begleiter, für gewöhnlich einen Menschen, wie es scheint.
Gash Bell wurde verwundet von einem japanischen Wissenschaftler in England gefunden und auskuriert. Er scheint auch immer noch einen Schaden zu haben, da er sich nicht daran erinnern kann, wenn er einen Angriff ausführt („Warum sieht Dein Zimmer so verwüstet aus?“).
Der Wissenschaftler schickt ihn zu seinem Sohn nach Japan, weil der zwar hyperintelligent ist, aber keine Freunde hat, weil er die meisten Menschen für schlichten Abfall hält. Der einzige Mensch, der ihn offenbar mag, ist der Klassentrottel, ein Mädchen, dem er offenbar einmal Mathematik verständlich gemacht hat. Sie ist wirklich nicht sehr helle, aber sehr warmherzig. Interessanterweise heißt sie „Mizuno“ und ich möchte wetten, dass es sich um eine Anspielung auf Mizuno Ami, das Genie unter den SailorSenshi, handelt.[2]
[2] Zehn Jahre später hatte ich knapp 30 Episoden gesehen und die Serie weggeworfen – es handelt sich um einen typischen Shônen Anime, in dem es um nicht viel mehr als immer neue Kämpfe mit immer stärkeren Techniken geht.
Ich stehe um 07:15 auf, weil ich vermeiden möchte, wieder bis zum kommenden Freitagabend warten zu müssen, um die „SailorMoon“ Episode vom Samstag sehen zu können. Es kommt jeden Abend was anderes, und weil ich inzwischen früher schlafen gehe, habe ich nicht mehr so viel Zeit, das TV-Programm zu verfolgen. „Ogami“ läuft derzeit fünfmal die Woche… mittags wird die Episode aufgezeichnet und abends angesehen… das ist zu viel. Die Serie ist cool, aber sie kostet so zuviel Zeit. Wird gestrichen. Und ich will „SailorMoon“ in Zukunft aus Zeitgründen wieder „live“ sehen.
Sieht aus, aus würde sich die Episode heute in erster Linie mit Makoto/Jupiter beschäftigen. Makoto erklärt sich bereit, für den am Arm verletzten Motoki zu kochen und landet mit ihm im Kino. Nachdem es ihm in der vergangenen Episode nicht gelungen ist, sie in „Finding Kame“ („Findet die Schildkröte!“, um dem deutschen Titel der Anspielung nahe zu kommen) zu schleppen, schafft er es diesmal, sie zu „Kame Fighter“ zu überreden (meiner Meinung nach eine Anspielung auf „Street Fighter“ oder vielleicht „Kamen Rider“, eine der unzähligen schlechten, aber auch erfolgreichsten und langlebigsten japanischen Superheldenserien). Und dann erklärt sie dem todunglücklichen Motoki, dass aus ihnen nichts werden könne. Die Gründe haben sich seit der Zeit der Animeserie offenbar nicht geändert, kurz: Sie ist ein Tomboy (sie findet sich ganz und gar nicht weiblich) und hat Komplexe deswegen. Motoki zieht ab („So gründlich hat mir noch niemand eine Abfuhr erteilt.“), worauf Makoto von einer Handvoll Yôma angegriffen wird. Es entspinnt sich die übliche Vorführung in Gelenkbeweglichkeit und sie muss auch was einstecken. Aber der Ausgang bleibt natürlich wenig spannend. Und nachdem der Feind (mit Unterstützung der übrigen Senshi) dann in die ewigen Jagdgründe eingegangen ist, sieht sie passend zur heutigen Gelegenheit auch ein, dass man alleine ja doch nur mehr Probleme hat, klarzukommen (und zeigt dabei mit dem metaphorischen Ellenbogen auf die eher zufällig anwesende SailorVenus, um den unfeinen Zeigefinger zu vermeiden). Mittlerweile hilft Zoisyte dem Gedächtnis von Nephlyte auf die Sprünge, indem er Mamoru gleich vor Ort erscheinen lässt – und wenige Augenblicke später nennt auch Nephlyte ihn „Master Endymion“.
„SailorMoon“ Merchandising wird übrigens immer toller! Es gibt inzwischen nicht nur die Klamotten zu kaufen (für Vierjährige), sondern auch noch die Haartracht – und die sieht aus wie der Skalp eines gelben Langohrdackels, falls es einen solchen gibt.
Ich bekomme zufällig auch wieder eine „Pokemon“ Werbung zu Gesicht, und die macht mir das folgende lebhaft deutlich: „Pokemon“ lebt! Und es erfreut sich offenbar immer noch ungebrochener Beliebtheit, während „Digimon“ so unsichtbar ist, als habe es nie existiert. Kaum Merchandising, keine Werbung, nichts. Mir scheint, dass die Serie in den USA und in Deutschland viel erfolgreicher ist, als in ihrem Ursprungsland. Offenbar haben die japanischen Animefans „Digimon“ hier nicht nur als Plagiat erkannt, sondern auch gleich als solches von der Programmliste gebürstet.
Überdies ist zu hören, dass Deutschland hier inzwischen als „Zweites Animeparadies“ bekannt geworden ist. Das deutsche Fernsehprogramm scheint einen Ruf bis nach Japan zu genießen, und die deutsche Fangemeinde ruft ständig nach mehr. Natürlich kommen Lobeshymnen dieser speziellen Art auf das deutsche Vaterland nur von eingefleischten (japanischen) Fans der animierten Filmkunst; die ganze übrige (japanische) Bevölkerung ist bass erstaunt, wenn man ihnen erzählt, dass man „SailorMoon“ und „DragonBall“ in Deutschland kenne, und diese Serien sogar übersetzt worden seien.
Ich fahre in die Stadt, um mich nach einem Memorystick umzusehen und darf vor dem Kaufhaus eine halbe Stunde warten, weil der Laden erst gegen zehn Uhr aufmacht. Und dafür werde ich auch noch herb enttäuscht. Das Daiei hat überhaupt keine Elektronikabteilung mehr, seit der Pächter „Laox“ zu Gunsten des 100 Yen Shops „Daisô“ zugemacht hat, und im Ito Yôkadô gibt es kein Computerzubehör. Dass es noch das „Denkodô“ gibt, das auf solche Dinge spezialisiert ist, habe ich in dem entscheidenden Moment natürlich völlig vergessen und Melanie erinnert mich daran, als ich wieder zuhause bin. Stattdessen fahre ich erst einmal ziellos durch die Innenstadt, in der Hoffnung, vielleicht einen kleinen Computerladen zu finden, wie sie in Deutschland relativ häufig sind, aber auch da ist nichts zu finden. Reine Zeitverschwendung, weiter zu suchen. Ich gehe also ins „Game and Game“ in der Nähe vom Bahnhof. Ich wollte schon seit letztem Herbst wissen, was man da drinnen so alles spielen kann.
Da wäre zunächst der übliche Taikô-Automat. Vor dem Automaten sind zwei japanische Trommeln angebracht (in japanerfreundlicher Höhe, d.h. ein bisschen niedrig für meinen Geschmack), die man mit den vorhandenen Holzklöppeln bearbeiten muss. Auf dem Bildschirm liest man ab, in welchem Takt man auf die Trommeln zu schlagen hat (indem man für jeden Schlag eine optische Aufforderung erhält). Das Angebot an Melodievorgaben ist großzügig.
Weiter hinten befindet sich ein „Time Crisis 3“ Automat, der hier nur 100 Yen pro Spiel kostet, und nicht 200, wie im Ito Yôkadô. Wahrscheinlich ist er deshalb dort so schnell wieder verschwunden. Und hier hat man zwei Monitore, was bedeutet, dass der Handlungsablauf anders ist – die beiden Spieler trennen sich auch schon mal und nehmen den Gegner in die Zange. Weiter links befindet sich auch ein Shooter zur Serie „Lupin III.“, mit einer Walther P38 (was sonst?) Spielpistole aus Plastik.
Daneben wiederum stehen zwei Boxautomaten, deren Schlagflächen schon ziemlich mitgenommen aussehen. Ui, die Dinger sind von 1994 und zeigen irgendein Superhelden-Setting, anders als im Ito Yôkadô, wo das Setting der Anime „Ashita no Joe“ ist. Und da oben ist eine Kamera angebracht… wofür? Das kann man bald auf dem Bildschirm sehen: Es erscheint eine grobe Kopfform auf dem Bildschirm und da soll man seinen Schädel ranhalten, bis die beiden Objekte deckungsgleich sind. Dann macht die Kamera ein Bild, verzerrt und verfärbt das Gesicht und setzt es auf die Hälse der Gegner! Wenn man also jemanden nicht ausstehen kann, bringt man ein entsprechend großes Foto mit, hält es vor die Kamera und drischt dann lustig drauf los.
Den Rest der Geräte im unteren Stockwerk kenne ich bereits – bis auf den „legendären“ Angel-Automaten von SEGA, den ich bisher nur aus einschlägigen Zeitschriften kannte, in denen Leute über Japan-Erlebnisse schreiben. Es gibt ihn also immer noch… und man angelt damit auch tatsächlich. Dort, was sonstwo der Joystick, bzw. das Joypad, angebracht ist, befindet sich hier der Griff einer Angel, und man sollte sich vorher die Erklärungen auf dem Bildschirm ansehen, um zu verstehen, wie Hochseeangeln à la SEGA überhaupt funktioniert. Aus dem Griffstück ragt eine Spule heraus und der dazu gehörende Faden verschwindet in einer Öffnung unterhalb des Monitors. Man muss allerdings nicht warten, bis nach drei Stunden endlich mal ein Fisch angebissen hat, der Fisch kommt sofort. Das Spiel besteht aus der richtigen Handhabung der Angelegenheit. Am unteren Bildschirmrand befindet sich ein Balken, der länger und rot, bzw. kürzer und blau wird, und stellt die Kraft dar, die gerade auf der Leine lastet – und die Leine zieht tatsächlich recht kräftig, man langweilt sich also nicht. Wenn die Leiste rot wird, muss man Schnur geben, sonst reißt die (virtuelle)Leine, wenn die Leiste blau wird, muss man anziehen, sonst verliert der Fisch den Haken.
Im Obergeschoss findet man weitere Automaten. Da sind natürlich die obligatorischen Kampfspiele, die meisten davon 2D, aber mit sehr guter grafischer Qualität. Auch zwei Pferderennen sind vorhanden, aber diese hier ohne die Modellrennbahn; man verfolgt das Rennen nur auf großen Bildschirmen.
Es gibt Einarmige Banditen und natürlich auch Pachinko, dazu die üblichen Münzspiele, wo man Münzen vor einen Schieber wirft und hofft, dass mehr herausgeschoben werden, als man hineinwirft. Aber hier befinden sich vor allem interessante Fahrsimulatoren. Der Anime „Initial D“ hat natürlich einen Simulator hervorgebracht… in der Ecke steht ein „F-Zero“ (Super NES) Nachfolger, der allerdings so weit vom Original entfernt ist, dass mich das Spiel mehr an „WipeOut“ erinnert. Aber die Maschine ist cool, mit dem schaukelndem Cockpit, den Pedalen und der futuristischen Lenkvorrichtung. Daneben aber steht das, was mich am meisten interessiert. Das Spiel heißt „Tokyo Wars“ und bietet die Möglichkeit, mit vier Leuten gleichzeitig unterwegs zu sein – in modernen Kampfpanzern, in den Straßen von Tokyo. Grüne Panzer gegen weiße Panzer. Sieht interessant aus… vielleicht sollte ich mir mal zwei oder drei Leute suchen, um eine Runde zu fahren. Allerdings kann ich auch nicht erkennen, ob man nur miteinander oder auch gegeneinander spielen kann. Nur miteinander wäre ja schlicht langweilig und kaum mehr als eine Versuchsfahrt wert.
Ich kehre zur Universität zurück, es ist inzwischen elf Uhr. Ich schreibe zwei Berichte und gehe dann um kurz vor Zwei zu dem verabredeten Treffpunkt der Teilnehmer des Erdbebenexperiments, für das Alex in den letzten Tagen kräftig die Werbetrommel gerührt hat. Und damit fängt der eigentliche Tagesbericht erst an!
Man hat einen speziellen LKW kommen lassen, in dem man, jeweils in Paaren, ein Gefühl für Erdbeben bis Stärke 7 bekommen soll. Der Zufall hat mir die Chinesin ReiGen als „Partnerin“ zugeteilt. Sie sieht meines Erachtens unglaublich gut aus, aber allein deshalb ein Bild von ihr zu machen und es in das Poster einzubinden, wäre falsch. Wenn ich mehr kommunikativen Kontakt mit ihr bekomme, werde ich sie auch in meine Porträtsammlung aufnehmen, alles andere wäre sexistisch. Aber zurück zu unserem Simulator: Der Boden der Ladefläche kann mittels einer Hydraulik ganz heftig bewegt werden. Allerdings soll man während der Vorführung auf dem Boden sitzen, was dem Ganzen ja wieder einen Teil des Reizes nimmt – schließlich sitze ich die meiste Zeit auf einem Stuhl. Interessant ist das Gerüttel schon, aber eigentlich ist das Ding hier nur ein Spielzeug. Es ist zu klein für effektive Übungen und taugt vielleicht als Attraktion für ahnungslose Ausländer und Grundschüler. Man hat es also für die Ausländer hergefahren, und das kostet die Fakultät auch umgerechnet 1200 E. An dem Experiment nehmen nur Ausländer teil, also Nicht-Japaner, weil es bei dem Gesamtexperiment darum geht, wie verständlich die japanischen Radiodurchsagen für Ausländer sind. Da fängt der Unsinn auch schon an: Man will ein leicht verständliches Japanisch finden, anstatt für Ausländer ganz einfach Durchsagen auf Englisch zu machen.
Nach der „Erdbebenerfahrung“ wird je eine Sechsergruppe in einen Warteraum geführt. Als ich den Simulator verlasse, will mir einer der Betreuer meinen Rucksack reichen, hebt sich daran aber fast einen Bruch. Ich hebe ihn lieber selbst auf und bedanke mich für seine Mühen. Im Warteraum bekommt man ein Getränk und Kekse und sieht eine kurze Vorführung mit Bildern aus Kobe. Danach wird man einzeln zum Experiment geführt, in einen präparierten Raum also, ich bin der vorletzte in meiner Gruppe. Ich erhalte eine „Begleiterin“, die mir einen Schrittzahlmesser an den Gürtel hängt. Man soll erst den Radiodurchsagen zuhören und tun, was man vom Sprecher gesagt bekommt. Im Raum befinden sich der Versuchsleiter und eine Protokollantin, die natürlich eigentlich gar nicht da sind (Annahme Üb halt).
Die Situation (laut Faltblatt, das man vorher bekommt): Morgens um 07:00, gerade aufgestanden, wird man von einem Erdbeben überrascht. Gegenüber von dem Tisch, an dem ich stehe, fällt effektvoll und dramatisch ein Regal aus Pappe um und die leeren Dosen scheppern auf den Boden. Ich bin zuerst gar nicht in der Lage, das mit dem Experiment in Verbindung zu bringen, weil natürlich nichts wackelt und auch keiner ruft: „ERDBEBEN! JETZT!“. Stattdessen ertönt eine ruhige Stimme aus dem Radio, die mich auffordert, mich unter den Tisch zu legen, um mich vor Trümmern von der Zimmerdecke zu schützen. Ich wackele selbst ein bisschen herum wie bei einem Erdbeben und fühle mich augenblicklich wie auf einem alten „Star Trek“ Filmset. Dann soll ich Haus- oder Straßenschuhe anziehen. Und dann heißt es, das Erdbeben sei vorbei und ich solle unter dem Tisch hervorkommen. Was ist das für eine Reihenfolge? Ich glaube, ich ziehe lieber dann meine Schuhe an, wenn das Erdbeben vorbei ist, und nicht, wenn alles noch wackelt, bzw. greife die Schuhe auf dem Weg zum Tisch. Dann soll ich meinen Helm anziehen und nachsehen, ob das Gas abgeschaltet ist. Aha… an der Garderobe hängt ein Helm… so ein Zufall! In meinem Apartment habe ich keinen Helm. Wer hat überhaupt einen Helm zuhause? (Ha! Ich habe einen zuhause – in Gersheim, auf dem Regal im Keller!) Und ich soll sehen, ob das Gas ausgeschaltet ist? Kein Problem, ich kümmere mich darum, muss mich aber fragen, ob bei einem echten Erdbeben nicht sowieso gleich das ganze Gestänge aus der Wand raus bricht und das Gas im Raum verteilt.
„Überprüfen Sie, ob die Fenster offen sind!“ fordert mich das Radio auf. Exakt so formuliert – auf Japanisch natürlich. Ich denke: „Was heißt das jetzt?“ Was hat man mir in der Grundschule beigebracht? Bei Erdbeben kommt es oft zu Bränden. Was tut man da? Möglichst keine Fenster und Türen aufmachen, damit das Feuer keine Luft erhält. Ich interpretiere die Aufforderung also falsch und vergewissere mich, dass die Fenster geschlossen sind, indem ich theatralisch dranklopfe. Später erzählt man mir dann, dass die Fenster geöffnet werden sollen, damit die Feuerwehr schnell Löschwasser reinspritzen kann. So einen Unsinn habe ich ja lange nicht gehört! Wenn’s in dem betreffenden Raum brennt, platzen die Scheiben mit hoher Wahrscheinlichkeit (ganz zu schweigen von den Auswirkungen der Erschütterungen selbst), und im Zweifelsfall wird die Feuerwehr die Fenster selbst zerstören können, und sei es mit Trümmern, von denen es dann bestimmt genug gibt.
Dann soll man den Rucksack (ein bereitgestellter, ebenfalls an der Garderobe gelagert, nicht mein eigener) und das kleine Radio (liegt auf dem Tisch) nehmen und sich gemäß (nie zuvor gesehenem) Fluchtplan zum Rettungsplatz begeben. Der Rucksack ist mir zu klein, also schnalle ich ihn nicht auf den Rücken, sondern behalte ihn in der Hand (ist natürlich ein Fehler, weil man über Trümmer stürzen könnte) und stopfe das Radio hinein. Klarer Gedanke: Zuerst mal aus dem Gebäude flüchten, bevor es über mir zusammenstürzt, und dann höre ich mir im (kleinen) Radio an, was ich beachten muss – wo gibt es Kleidung, Nahrung und Notunterkunft, oder vielleicht auch einen Arzt? Dazu heißt es später, dass man bereits auf dem Weg nach draußen das Radio angeschaltet haben sollte. Der Mann im (großen) Radio sagt „Stellen Sie die Apfelwelle ein!“ Das ist ein lokaler Regionalsender, der offenbar eine Immunität gegen Erdbebenschäden besitzt, weil man hier ganz natürlich davon ausgeht, dass er nicht ausgefallen ist. Aber auf welcher Frequenz? Das wird entweder nicht gesagt oder ich habe es beim Wandern durch den Raum nicht mitbekommen. Ich nehme mal letzteres an, denn so katastrophal kann der Katastrophenschutz hier dann doch nicht sein.
Der Fluchtplan besteht erst mal aus fünf oder sechs Zeilen japanischen Textes. Ja, bin ich denn blöd? Ich will schnell aus dem Haus raus, und nicht erst die Höhen und Tiefen japanischer Schriftzeichen und Grammatik analysieren! Ich versuche, das Wichtigste zu erfassen. Da ist ein Bild… aha, das ist schon mal gut. Es stellt ein Viereck dar, unten ist eine bunte Fläche, da steht „Sie sind hier!“ Oben rechts befindet sich ein weiteres Feld, da steht „Fluchtpunkt“ und darüber steht geschrieben, halb im Text versteckt, aber dennoch groß, „3. Stock“. Am linken Rand des Vierecks ist dann noch ein weiteres Feld, daran steht „Fahrstuhl“. Ich nehme also an, dass das Viereck das Gebäude ist. Aber… von meiner Position aus betrachtet, ist der Fahrstuhl rechts den Gang runter und nicht links. Ist das ein Test, in dem man sich die Karte verkehrt herum vorstellen muss? Oder hat irgendein Idiot den Plan falsch gezeichnet? Ich stehe dreißig Sekunden lang wie der Ochse am Berg in der Gegend rum und versuche, aus dem Plan schlau zu werden. Ein paar Pfeile auf dem Papier, um den Weg zu markieren, wären sehr hilfreich gewesen!
Ich entscheide mich dann dafür, den Plan als falschrum zu betrachten, gehe aus der Tür und wende mich nach links. Eine Studentin (die tatsächlich meinen eigenen Rucksack mit dem schweren Zeug drin geschultert hat) folgt mir, um meinen Fluchtweg mit einer Kamera festzuhalten. Ich folge also 30 m weit dem Gang nach links und komme ins Treppenhaus. Ich überlege nur eine halbe Sekunde. Ich erinnere mich daran, dass auf dem Plan die Rede vom dritten Stock war… aber das kann gar nicht sein! Welcher Trottel flieht bei Erdbeben oder Feuer denn die Treppe hoch? Ich folge dem natürlichsten Gedanken und gehe die Treppe runter. Ich passiere dabei einen Stuhl mit (japanischer) Aufschrift, beachte ihn aber nicht weiter – im Notfall würde ich es auch nicht tun, ich will schließlich raus hier. Ich folge im Sturmschritt den „Notausgang“ Schildern, wie man das halt so macht; die Assistentin (vielleicht 1,50 m) keucht hinterher – aber die Notausgänge sind alle zu. Die sind an Wochenenden grundsätzlich abgeschlossen. Was ist denn das für ein Blödsinn? Ich mache also ein Fenster auf und mache Anstalten, hinauszuklettern, aber dann verkündet die Kamerafrau „Übung Ende“. Und führt mich tatsächlich in den dritten Stock! Im dritten Stock liegt tatsächlich der designierte Fluchtpunkt! Haben die von Psychologie denn gar keine Ahnung? Haben die von überhaupt irgendwas Ahnung? Auf dem genannten Stuhl steht übrigens geschrieben, dass der Keller nicht zum zur Verfügung stehenden Gelände gehört – aber ich kann, in Eile, keinen japanischen Text so schnell lesen, wie ich gehe!
Zur Ermittlung der zurückgelegten Entfernung soll ich zehn Schritte weit gehen. Ich frage extra nach: „Soll ich so gehen wie eben?“„Aber natürlich!“ Also stürme ich los und komme etwa neun Meter weit, was deutlich weiter ist, als mit der Bodenmarkierung vorgesehen. Der Mann mit der Messlatte staunt. Er fragt meine Begleiterin, ob das so stimme. Sie nickt. Dann soll ich einen Fragebogen ausfüllen, in dem ich meine Beweggründe für dieses oder jenes Verhalten darlegen soll – kundenfreundlich in englischer Sprache. Ich äußere mich (für japanische Begriffe) recht ungehalten über die unsinnige Karte, was den Zeichner (ein Doktorand aus Indien) zu einem „Aha!“ Erlebnis führt, weswegen er sich mit der flachen Hand an die Stirn fasst. Das Viereck auf dem Plan ist nicht etwa das Gebäude – es ist ein Innenhof! Der Gang im Gebäude stellt die Außenseite des imaginären Wohnblocks dar, und man verlässt den „Sie sind hier!“ Punkt nicht aus dem Viereck heraus, sondern in das Viereck hinein! Darauf muss man erst mal kommen! Ich glaube, die Jungs werden die Karte in Zukunft anders machen.
„Warum sind Sie in den Keller gelaufen, wenn doch auf dem Plan steht, dass Sie in den dritten Stock laufen sollen?“ fragt mich einer der Übungsleiter. „Weil man Gebäude verlässt, indem man die Treppe hinunter-, und nicht hinaufsteigt!“ „Ich verstehe…“ Der andere Deutsche habe genau das gleiche gesagt, erzählt er. „Der andere Deutsche“ kann nur Marc sein, und der hat die japanische Beschriftung des Plans garantiert besser verstanden als ich. Außerdem ist auch der Chinese (also ein geborener Kanjispezialist), der vor mir dran war, die Treppe runter gelaufen. Das sollte dem Team zu denken geben und die Fluchtpunkte in Zukunft realistischer anlegen. Schließlich muss ich noch einen kurzen Sprachtest machen, der meiner Mittelstufe entspricht. Oder „entsprechen soll“. Da werden Ausdrucksformen und Begriffe abgefragt, die ich noch nie gehört habe (und auch da sagt mir Marc später das Gleiche, was mich doch beruhigt). Als Geschenk erhält jeder ein Taschenradio, sogar mit Digitalanzeige, Uhr und Wecker und einem speziellen Aufdruck, der den Namen des Experiments wiedergibt. Ich werde von einem Helfer aus dem Gebäude geführt, auf einem Umweg, damit ich nicht mit anderen Probanten zusammenpralle. BiRei gehört ebenfalls zu den freiwilligen Helfern, und weil sie so verloren vor dem Gebäude herumsteht, bleibe ich noch eine Weile und leiste ihr Gesellschaft.
Es scheint, dass zeitgleich eine Veranstaltung für Studenten im letzten Studienjahr stattgefunden hat. Um etwa 17:30 ergießt sich eine Masse von mindestens 100 jungen Männern und Frauen im Geschäftsanzug (!) aus der Mensa und defiliert an uns vorbei. BiRei macht sich über die Jungs lustig. „Da, schau Dir an, wie klein die alle sind! Die sind kaum größer als ich. Und wie die rumlaufen! Die sehen doch total weibisch aus mit ihren Umhängetaschen am Arm!“ Ich grinse still vor mich hin. Immerhin können die Jungs für ihre Größe nichts. Aber BiReis Idealbild von einem Mann ist nicht schwer zu erraten. Solche, wie die da, gebe es auch in China, sagt sie. Ich glaube, „männliche“ Männer sind in Japan (prozentual) ebenso häufig wie in China, klammert man aus, dass in China zehnmal mehr Menschen (und damit „männliche“ Männer) leben.
Es erscheinen auch immer wieder Mitglieder des Forschungsteams, die meine Darbietung sehr amüsant fanden. Auch die Protokollantin, offenbar Kettenraucherin, kommt zu uns nach draußen, nachdem das Experiment für heute beendet ist. Ich frage sie, warum man neben den Informationsblättern für Mülltrennung nicht auch welche mit Informationen zum Verhalten bei Erdbeben im Rathaus oder (als Student) an der Universität erhalte. Ein A5-Blatt könne wohl nicht so teuer sein? Und dann legt sie los mit einer fünfminütigen Erklärung, von der ich nicht genug verstehe, um auch nur ansatzweise zu wissen, was sie da gerade gesagt hat. Sie redet eine Spur zu schnell für meine Ohren, und nach dieser Informationsflut pocht mir der Schädel. MinJi kommt vorbei, sie trägt eine große Tüte mit Essen. Sie gehört ebenfalls zu den Helfern und bringt einen Teil des Essens für die „Afterparty“, das gesellige Beisammensein nach der Arbeit, das um 18:30 beginnen soll. Ich könne auch daran teilnehmen, es sei genug für alle da, sagt die Protokollantin, die übrigens 21 Jahre alt ist und wie Anfang Dreißig aussieht. Ich lehne das Angebot dankend ab, Melanie wartet zuhause. MinJi schließt sich der Einladung an. Sie zupft mich am Ärmel, sieht mich an und sagt: „Komm, wir essen zusammen, wir essen zusammen!“ Da bricht mir doch der Schweiß aus! Mal unter Männern gesagt: Wenn MinJi Dich mit ihren hübschen Äuglein auffordernd anschaut und Dich mit der ihr eigenen Art um etwas bittet, dann sagst Du nicht einfach so Nein. Ich tue es aber trotzdem und sehe zu, dass ich wegkomme, bevor ich umkippe. Ich flüchte sogar zuerst in die falsche Richtung, obwohl mein Fahrrad unter der Treppe der Bibliothek steht. Natürlich bereue ich das (ein ganz kleines bisschen), aber ich glaube, es war richtig so. Ich war ja schon überrascht (ist das das richtige Wort?) genug, als sie eingangs sagte, sie wolle meine Augen anfassen, weil ihr die Farbe so gut gefalle. Da kam ich mir schon vor wie im Schnellkochtopf. Ich fahre also nach Hause und gehe mit Melanie zum Essen. SangSu hört uns beim Hinausgehen auf dem Gang reden und zeigt uns stolz die Sommerklamotten, die er sich heute gekauft hat. Sehen gut aus. Ich glaube, ich will auch so ein Hemd. Aber ich habe Hunger (und damit noch weniger Sinn für Ästhetik als sonst) und wir radeln los. Ich bestelle mir gebratene Leberstücke mit Sojasprossen und Reis, dazu Misosuppe. Ich wusste nicht, dass man Leber so gut machen kann… zuhause kann ich Leber essen, auch mit Genuss, aber danach braucht es erst mal eine Zeitlang keine mehr zu geben. Das hier scheint mir beinahe was Anderes zu sein. Die Leber kaut sich sehr angenehm und schmeckt dezenter nach Leber, als ich das gewohnt bin. Wir beenden den Tag später mit den Anime, die wir in den letzten Tagen aufgenommen haben.
Ich gehe zuerst in der Bibliothek meinem üblichen Tun nach, abgesehen davon, dass ich mir für Combat Mission ein virtuelles Testgelände anlege, das helfen soll, Material- oder Taktikfragen zu beantworten. Um 17:00 fahre ich mit Melanie ins Naisu Dô und sehe mir erstmals das obere Stockwerk mit den Spielen und Konsolen an, weil man mich letztens gebeten hat, mich nach einem SEGA Saturn umzusehen. Ich finde auch ein gebrauchtes Stück für 5000 Yen und schreibe es für die Rückfrage in mein Notizbuch.
Um etwa halb Sieben fahre ich dann wieder nach Hause und lese den Pokemon Manga weiter. Dort vollzieht sich beim Wechsel vom siebten zum achten Kapitel ein krasser Stilwandel: Kasumi/Misty wechselt ihre Haarfarbe von schwarz auf orange/rot (wie man es aus der TV-Serie kennt), und weil niemand eine Bemerkung dazu macht, muss ich annehmen, dass dies den Normalzustand darstellen soll, als wäre es nie anders gewesen. Des Weiteren bedecken ihre Hosen neuerdings (zumindest teilweise) ihre Oberschenkel (und werden damit ihrer Bezeichnung endlich gerecht) und ihre bislang großzügig angelegte Weiblichkeit in Form einer etwas übertriebenen Oberweite wurde auf ein vernünftiges Maß reduziert. Auch ansonsten wurden die Reize der weiblichen Charaktere zurückgenommen, sieht man von Musashi/Jesse ab, die immer noch sehr *ähem* aussieht. Aber die ist ja auch ein „böses Mädchen“, und die dürfen offenbar nach „Verderbtheit“ aussehen. Inwiefern die Sprache entschärft wurde, kann ich noch nicht sagen.
Ich habe den starken Verdacht, dass der Kurswechsel möglicherweise auf Protest von Müttern zurückzuführen ist, die sich irgendwann – zu Recht! – gefragt haben, was ihre Kinder da zu lesen und vor allem zu sehen bekommen.[1] Im sechsten und siebten Kapitel (das obligatorische Onsen[2]-Kapitel) befinden sich ein paar Darstellungen, die dem Fass durchaus den Boden ausgeschlagen haben könnten.
[1] „Dengeki Pikachu“ ist ein Dôjinshi, der mit der offiziellen Produktreihe nichts zu tun hat, die hier aufgeführten Gedanken sind also hinfällig.
Melanie hat sich gestern Abend, mit technischer Unterstützung unseres ungarischen Bekannten, ein neues Fahrrad besorgt und wir entschließen uns dazu, heute ins Kino zu gehen, um den „Shin-chan“ Film „Kasukabe Boys“ anzusehen. Am Sonntag, morgen, läuft die letzte Vorstellung. Es handelt sich dabei, grob gesagt, um eine Western-Parodie, in der Klaus Kinski und (ein recht junger) John Wayne (als die Bösen) ebenso auftreten, wie auch Yul Brunner und der Rest der Glorreichen Sieben. Shinnosuke landet mit seinen Freunden beim Spielen in einem alten Kino, in dem zwar niemand anwesend ist, wo aber trotzdem, reichlich unscharf, eine Szene aus einer typischen Western-Wüste auf dem Bildschirm gezeigt wird. Er geht zwischendurch auf die Toilette und als er zurückkommt, sind die anderen vier verschwunden. Er geht nach Hause, aber es stellt sich bald heraus, dass seine Freunde nicht nach Hause gegangen sind. Die komplette Familie macht sich also auf den Weg, das alte Kino zu besuchen – was natürlich dazu führt, dass sie in dem (namenlosen) Film landen…
Wüste. Eine Bahnlinie. Eine klassische Westernstadt. John Wayne und seine Gehilfen lassen die Dorfbewohner für sich arbeiten. Shinnosukes Freund Kazama hat sich der Gang auch inzwischen angeschlossen (er ist der Sheriff geworden) und gibt vor, sich nicht mehr an Shinnosuke zu erinnern. Masao (in der Rolle des unterdrückten Mexikaners) erzählt dasselbe. Nene lebt mit Masao zusammen und Bô ist der einsame Indianer, der in seinem Tipi am Rand eines Canyons wohnt. Es scheint, dass die Stadt voller Leute ist, die hier eigentlich nicht hingehören und wieder aus dem Film raus müssen – aber je mehr Zeit man in „Justice City“ (so der Name der Stadt) verbringt, desto mehr vergisst man von seinem alten Leben. Des Weiteren steht in dieser Welt die Zeit still. Das heißt, hier ist immer „High Noon“, 12 Uhr mittags. Shinnosuke geht dazu über, den Zeitverlauf daran zu messen, wie häufig der örtliche Erfinder und Bastler (sicherlich auch eine Parodiegestalt, die ich aber nicht erkenne, möglicherweise Steve McQueen) als Strafe für sein freidenkerisches Tun hinter einem Pferd durch die Straßen geschleift wird. Die Bösen haben natürlich ein Interesse daran, dass die Zeit stehen bleibt, denn ein Film, in dem jemand ungerechterweise uneingeschränkte Macht ausübt, kann nur ein „Happy End“ haben – was sich natürlich zu ihren Ungunsten auswirken würde. Als die Leute sich dann zusammentun, um gegen ihr Joch zu protestieren, vergeht endlich etwas Zeit und die Sonne neigt sich ein Stück gegen den Horizont. Zum Schluss gibt es dann wieder eine Verfolgungsjagd, diesmal Pferd, bzw. Ford, gegen Eisenbahn, und schließlich Eisenbahn gegen „MechaWayne“ (ein großer Roboter), der von John persönlich gesteuert wird und von den zu Superhelden mutierten Kindern zu Fall gebracht werden muss. Natürlich kommt, was kommen muss, nämlich das Happy End, und alle landen wieder in dem kleinen Kinosaal, wo alles angefangen hat.
Ich finde es sehr bedauerlich, dass in diesem Film „echte“ Gewalt zum Einsatz kommt. In „Das Imperium der Erwachsenen schlägt zurück“ waren die Bösen mit Spielzeugwaffen ausgerüstet und niemand wurde verletzt. In „Yakiniku Lord“ (oder „- Road“) gab es zwar einen Kampf am Ende, aber dabei handelte es sich um ein sehr lustig choreographiertes Handgemenge, dessen Schwerpunkt eindeutig auf Humor lag. Aber in „Kasukabe Boys“ schießen die Bösen mit Revolvern, es gibt Verletzte unter den Bewohnern, und Shin-chan und seine Mutter werden von John Wayne mit einer Peitsche bewusstlos geschlagen – ich glaub’, ich spinne! Von allem, was ich von Shin-chan bisher gesehen habe, ist das hier am wenigsten für das nicht erwachsene Publikum geeignet, das hier im Kinosaal so vier bis sieben Jahre alt sein dürfte. Bedauerlich ist eigentlich auch, dass die Kinder die Anspielungen auf klassische Western überhaupt nicht verstehen können. Wer von denen kennt denn Klaus Kinski? Oder gar Yul Brunner? Letzterer ist schon seit 1985 tot. Da war so mancher Elternteil erst so alt wie die anwesenden Kinder heute! Und dann: Welch Aufhebens wurde in der TV-Werbung für diesen Film um die Präsenz der japanischen Gruppe „No Plan“ gemacht! Dabei waren die Jungs nur in einer einzigen Szene zu sehen, einer sagte einen Satz und damit war der Fall gegessen. Sie haben dann das Schlusslied gesungen, das „Yume Biyori“ von Shimatani Hitomi (einem Doraemon Schlusslied) irgendwie nicht ganz unähnlich ist.
Dann trennen sich unsere Wege – Melanie fährt ins Book Off und ich in die Bibliothek. Ich mache allerdings noch einen Zwischenstopp in der Mazdavertretung und frage dort nach einer Fernbedienung für ein Pioneer Radio, die man am Lenkrad befestigen kann. Ich weiß nicht, wozu das gut ist, aber Kai will so was haben. Hätte ich dabei „Gran Tourismo“ besser im Hinterkopf gehabt, hätte ich zwei Gesprächszeilen bei dem Dialog mit dem Angestellten vermeiden können. „Für welches Auto?“ fragt der. Ich bin verwirrt. „Ist das wichtig? Für den Mazda MX5.“ „MX5? Ah so, Roadster. Für welche Radiomarke?“ „Es handelt sich um Pioneer.“ Ich bin mir nicht zu 100 % sicher, ob das noch stimmt, aber ich glaube, Kai kommt gar nichts anderes ins Haus (so lange er es sich Bohse noch nicht leisten kann…). Aber einen bestimmten Typ kann ich leider nicht nennen, weil ich keine Ahnung von Autoradios habe. Der Angestellte wirft einen Blick in den Katalog und meint dann: „Für Stereoradios werden keine Fernbedienungen geliefert.“ Ich weiß, dass Kai bereits eine Fernbedienung hat, also muss ich dann daraus schlussfolgern, dass es sich bei seinem Modell um kein Stereo-Radio handelt? Kai war mit Informationen leider nicht sehr großzügig, entgegen seinem sonst üblichen Perfektionismus in solchen Dingen. Ich sage dem Angestellten also, dass ich nachfragen werde und verabschiede mich bis zum nächsten Mal. In der Bibliothek gehe ich meinen üblichen Tätigkeiten nach, aber mein Newsletter wird bis 17:00 nicht fertig.
Danach gehe ich mit Melanie essen, und zwar – endlich – in das Lokal des Shamisen-Meisters Daijô Kazuo. Eine sehr gemütliche Atmosphäre herrscht dort, und vor allem erweist sich die Dame des Hauses als sehr gesprächig, und sie lacht gerne. Sie ist sehr erheiternd auf ihre Weise. Ich frage sie, was denn die Spezialität des Hauses sei. „Eigentlich haben wir keine Spezialität“, sagt sie, empfiehlt aber „Tonkatsu Ramen“. Na, dann immer her damit. „Wir hatten schon früher einen Deutschen zu Gast“, erzählt sie, „das war Professor Höffgen. Er hat jeden Tag hier gegessen – bis er 1985 geheiratet hat. Ab dann ist er leider nicht mehr regelmäßig gekommen.“ Seit 1980 habe der Professor hier zu Mittag gespeist, erzählt sie weiter. Und sie erzählt offenbar gerne, interessanterweise ohne etwas zu erwischen, was mich langweilen würde. Sie vergisst darüber sogar, unsere Bestellungen zu bearbeiten, bis sie sich schließlich, nach etwa zehn kommunikativen Minuten, über sich selbst ein wenig erschreckt, besinnt und meint: „Oh, Ihr seid sicher hungrig – ich sollte mich endlich um Euer Essen kümmern.“ Aber es ist mir nicht wirklich aufgefallen, „dass da was fehlt“. Auf so sympathische Art und Weise ist mein Essen noch nie herausgezögert worden. Aber wir werden durch den Geschmack großzügig entschädigt – ich will hier auf jeden Fall noch einmal essen. Auch Daijô-san ist da und ich frage ihn, wo oder wie man den Soundtrack zu „Nitabô“ kaufen könne. Er ist sich nicht sicher und fragt seinen Sohn. „Es gibt keinen zu kaufen“, sagt der. AAAAAAAAAAAAAAAAAAARGH! Wieder ein Traum meines Daseins dahin!
Wir fahren schließlich nach Hause. Melanie überfährt eine rote Ampel, weil die Straße frei ist und sie nicht warten will. Ich halte an und reagiere mit einer resignierenden Geste. Eine Großmutter am Straßenrand lacht vergnügt darüber.
Zuhause sehen wir uns „Kozure Ogami“ an und ich lese weiter in meinem „Pokemon“ Manga, dessen unterschwellige (sagte ich eben unterschwellige???) Sexualisierung mir hier und da die Sprache verschlägt – wie prüde erscheint mir da der Anime! Ich hege den Verdacht, das Ono Toshihiro einen Teil der existierenden Hentai Dôjinshi selbst unter einem Pseudonym zeichnet… seine Freude am Zeichnen üppiger weiblicher Formen ist unübersehbar.[1] Natürlich ist diese Vermutung an den Haaren herbeigezogen, aber ganz unwahrscheinlich ist es auch nicht – immerhin sind die (metaphorischen!) Haare vorhanden. Da befindet sich zum Beispiel auf dem Innenumschlag ein reichlich unbekleideter Shigeru/Gary. Der ist ein männlicher Charakter, ja, aber seine Körpermitte wird nur von einer vor ihm stehenden Figur verhüllt und ein Pfeil, der auf die private Gegend deutet, ist mit dem Kommentar versehen: „Er trägt eine Unterhose!“ Soll heißen: „Nein, er ist nicht nackt!“, aber der Eindruck wird erweckt. Weiterhin befindet sich auf Seite 9 des zweiten Bandes eine Stadtstraßenszene, gesehen aus der Vogelflugperspektive, und in einem der Fenster ist „Spielzeug“ zu sehen, dass definitiv nicht für Kinder ist. Auf Seite 47 im selben Band ist Kasumi/Misty dargestellt, und ihre Kleidung zeigt mehr, als sie verbirgt. Die Amerikaner haben die Zensur zwar auf die Spitze getrieben, aber ich komme zu dem Schluss, dass der Manga in seiner Originalversion nicht für Kinder geeignet ist. Wenn ich einen guten Tag habe, würde ich sagen „Geeignet für Leser ab 13 Jahren“, aber nicht weniger. Ich bin natürlich nicht so scheinheilig, zu behaupten, dass mich persönlich das sehr stören würde, aber ich bin auch alt genug und dieser Manga verfehlt eindeutig das offizielle Zielpublikum.
[1] „Dengeki Pikachu“ IST ein Dôjinshi und dessen Schöpfer Ono hat zur offiziellen Produktreihe keine lizenzrechtliche Beziehung.
Wir haben uns einen guten Tag ausgesucht, um die Ruinen von Sannai Maruyama in Aomori zu sehen. Die Sonne scheint vom blauen Himmel, wenn auch der kräftige Wind ein wenig kühl ist. Und beinahe hätte ich den Abfahrtstermin verpasst, weil ich in mein Schrifttum so versunken war. Melanie holt mich im 12:31 aus der Bibliothek und ich mache mich im Dauerlauf auf den Weg zum Bus. Die Fahrt dauert eine Stunde bei einer Entfernung von ca. 50 km. Ich nutze die Zeit, um das Handout von Hugosson zum Thema NGOs, NPOs usw. zu lesen. Es handelt sich um einen Auszug aus seiner Doktorarbeit und die Angelegenheit liest sich dem entsprechend „spannend“. Die Angelegenheit ist sogar doppelt langweilig, weil mich eingehendere Wirtschaftsstudien nicht die Bohne interessieren. Das letzte Drittel braucht genauso viel Zeit wie die vorangegangenen Abschnitte zusammen, weil ich mich kaum noch konzentrieren kann und die Erläuterungen dreimal lesen muss, um sie zu verstehen. Ich gleite oft genug nur noch mit den Augen über die Zeilen, sehe die Wörter, erfasse aber den Sinngehalt nicht mehr.
Wir kommen dann endlich an und man weist uns einen älteren Herrn als Führer zu. Es handelt sich um einen freiwilligen Helfer, direkt passend zu meinem Text eben, der über ein überraschend gutes Englisch verfügt. Man kann schnell erkennen, dass die Reste des Stadions, das hier errichtet werden sollte, zum Fund der Siedlung geführt hat und auf den Luftaufnahmen noch zu sehen war, längst entfernt worden sind. Und das, was man hier von der 7000 Jahre alten Anlage besichtigen kann, ist eigentlich nur ein geringer Teil dessen, was tatsächlich vorhanden ist. Man hat vor ein paar Jahren alles ausgegraben, analysiert und erfasst und anschließend wieder eingegraben, um das Material vor dem Einfluss von Wind und Wetter zu schützen. In Europa hätte man wohl alles offen gelassen und die Anlage überdacht.
Die Größe der Siedlung ist dabei der Umstand, der es notwendig machte, die Geschichtsbücher umzuschreiben. So war man bisher davon ausgegangen, dass die Dörfer der damaligen Jäger- und Sammlerkultur nicht mehr als einige Dutzend Menschen beherbergt haben dürften, weil es noch nicht möglich war, Nahrungsmittel effektiv zu lagern oder überhaupt anzubauen. Damals gab es noch keinen Reisanbau – womit der Besuch dieses Freilichtmuseums streng genommen das Thema des Seminars verfehlt. Die Ausgrabungen haben aber aufgezeigt, dass hier etwa 500 Menschen zur gleichen Zeit gelebt haben. Die Müllhalden der damaligen Bewohner legen Zeugnis darüber ab, dass die Gewässer fischreich genug waren, um eine solche Anzahl von Menschen zu ernähren und auch noch weitgehend auf das Jagen verzichten zu lassen. Man findet kaum Überreste von Landtieren in den Abfallhaufen, und das, obwohl die Siedlung etwa 1400 Jahre lang bestanden haben dürfte, bis ein globaler Klimaumschwung zu einer Abkühlung führte, die die Winter strenger machte und die Küste nach und nach auf ihren jetzigen Stand einige Kilometer weiter nördlich verlagerte. Der Meeresspiegel sank um fünf Meter, und 80 % dessen, was heute die Stadt Aomori ist, wurde damals vom Wasser erst freigegeben. Trotz der an sich großzügigen Natur war die Kindersterblichkeit hoch, die Angaben schwanken zwischen 60 und 80 %. Kinder bis zu drei Jahren wurden übrigens in speziellen Tongefäßen beerdigt. Nach zwei Jahren grub man sie wieder aus, säuberte die Gebeine und beerdigte sie aufs neue, während Erwachsene in Erdkuhlen gelegt wurden und ein paar Beigaben erhielten, dann aber nicht mehr „bearbeitet“ wurden.
Interessant ist auch der etwa 20 m hohe Turm. Er besteht aus zwei „Stockwerken“ (ohne Leiter oder ähnliches allerdings) an vier dicken Baumstämmen. Es handelt sich natürlich um eine Rekonstruktion; der eigentliche Fundplatz befindet sich einige Meter weiter in einem der kleinen Gebäude, die die wichtigsten Stücke oder Fundstellen vor Umwelteinflüssen schützen. Das Original, bzw. die Vorstellung davon, sorgt bei Archäologen gewissermaßen für schlaflose Nächte, weil erstens Baumstämme dieser Größe in Japan sehr selten waren und sind (das Rohmaterial für die Replik stammt aus Sibirien), weil zweitens das damalige Werkzeug kaum zugelassen haben dürfte, solche Stämme zu bearbeiten, und weil drittens niemand eine Vorstellung davon hat, wie die Stämme aufgerichtet worden sein könnten. Schließlich handelt es sich um mehrere Tonnen Holz. Eines dagegen ist sicher: Es handelte sich nicht um einen Wachturm im kriegerischen Sinne. Es scheint sehr friedlich zugegangen zu sein in dieser Gegend. Keiner der Knochenfunde weist Spuren von Waffengewalt auf. Man geht davon aus, dass es sich um eine weit sichtbare, künstliche Landmarke gehandelt hat. Das senkrechte Aufrichten von kleineren Konstrukten jedoch scheint bereits kein Problem gewesen zu sein: In dem kleinen Museumsgebäude entdecke ich ein einfaches, aber nichtsdestotrotz effektives Senkblei – ein Stein von ca. 500 g an einer Schnur aus Flechten. Zum Schluss werden noch ein paar Gruppenfotos gemacht und ich sehe mir vor der Rückfahrt noch einen kurzen Werbefilm über die Anlage an.
Man hat von dem Gelände übrigens einen sehr schönen Ausblick auf den Berg Hakkôda („Acht-Affen-Feld“). Unser Führer erzählt uns auch eine interessante Geschichte dazu, von der Kashima-sensei sagt, sie sei in Japan sehr bekannt. Im Winter des Jahres 1903 (er sagte eigentlich „zwei Jahre vor dem Krieg mit Russland“, aber ich will von meinen Lesern nicht zu viel verlangen) hatte das örtliche Regiment auf dem Berg den Winterkampf geübt und dabei 100 Mann durch Wettereinflüsse verloren.
Zurück in Hirosaki will Melanie eigentlich mit mir ins Kino, um „Crayon Shin-chan: Kasukabe Boys“ anzusehen, aber leider hat ausgerechnet heute jemand ihr Fahrrad geklaut – das Rad, das sie sich für 5000 Yen gekauft hat, anstatt sich eines aus den Haufen alter Räder zu nehmen, wie ich ihr geraten habe. Absperren stellt halt eine Unbequemlichkeit dar und kostet Zeit. Und Bequemlichkeit kostet Fahrräder. Wenn jemand mein Fahrrad klaut, bin ich zwar nicht begeistert, aber mir geht dadurch finanziell nichts verloren. Während sie sich dann (zusammen mit Misi, der scheinbar immer das passende Werkzeug dabei hat) auf die Suche nach Ersatz macht, besuche ich Yukiyo an ihrem Arbeitsplatz – im Schnapsladen – gegenüber vom Maruesu Supermarkt. Ich bin ja bereits seit längerer Zeit auf der Suche nach einem trüb-weißen Sake, dessen Existenz bisher von allen verneint worden war, die ich gefragt hatte, auch von Leuten mit Japan-Erfahrung und auch Japanern. Aber Yukiyo hat ihn für mich gefunden. Das Zeug heißt „Nigori Sake“ (= „trüber Sake“, einfacher geht’s nicht) und ist bestimmt nicht jedermanns Ding. Man muss das Getränk schütteln, um die staubartigen Bestandteile aufzuwirbeln. Man spürt die Schwebeteilchen auch deutlich auf der Zunge beim Trinken. Schmeckt stärker als gewöhnlicher Sake (bei gleichem Alkoholgehalt), und der Geschmack ist meiner Meinung nach auch gar nicht schlecht – nur der Geruch ist unhaltbar. Ich bleibe lieber bei Standard-Sake. Ich nehme an, dass diese Art von Sake nicht vollständig vergoren oder gesiebt wurde.
Ich besorge mir im Maruesu eine Kundenkarte, weil es dort öfter preisreduziertes Brot gibt, als das im Beny Mart der Fall ist, und weil ich sie endlich entdecke, kaufe ich auch eine Dose „Fire – Gold Rush“ (das ist Dosenkaffee). Dann gehe ich in die Bibliothek und schreibe meine Post. Als ich fertig bin, um kurz vor Acht, fahre ich noch ins Naisu Dô und kaufe ein „Tenchi Muyô“ Artbook mit Produktionsskizzen drin. Ich setze die Fahrt fort und gehe ins Ito Yôkadô. Dort kaufe ich ein weiteres Artbook – mein erstes neues – das aus Teilen von „Dai Undôkai“, „El Hazard“, „Pretty Sammy“ und „Tenchi Muyô“ zusammengesetzt ist. Darunter befindet sich auch ein Crossover Manga „Dai Undoukai Vs. Pretty Sammy“. Ich stelle später beim Lesen (ja: Lesen!) fest, dass es sich hierbei weniger um ein Artbook als eher um eine Sammlung kurzer Mangastrips handelt. Mir scheint, dass es sich bei den kurzen, farbigen Szenen um Beigaben der Laserdisks handelt, aber es sind auch viele wohl „unabhängige“ in Schwarzweiß dabei. Und eine kleine CD-ROM ist auch drin. Aber da ist wohl nur das gleiche drauf, was schon im Buch drin ist. Ich sollte mir das bei Gelegenheit ansehen. Wenn ich mal Zeit habe… hahaha, Zeit! „Spässle g’macht, Witzle g’risse“, wie mein badensischer Kamerad Jordan immer zu sagen pflegte. Die Tenchi Manga scheinen übrigens so schlecht gar nicht zu sein – man muss sie nur lesen können, weil viel von dem dargestellten Humor auf Sprache und nicht auf Bildern beruht. Und ich finde eine Übersetzung, die den Humor auch ohne Kenntnisse der japanischen Sprache rüberbringt, stellenweise unmachbar. Beispiel?
Aeka (außerirdischer Herkunft) fragt: „Was ist Hanabi?“ (Hanabi = Feuerwerk) Ryôko (auch nicht „von hier“) scheuert ihr eine und Aeka sieht Sterne. Tenchi: „Nein, Ryôko, das ist Hibana, nicht Hanabi!“ (Hibana = Funken)
Der Witz, der aus der simplen Verdrehung der beiden Kanji „Hi“ („Feuer“) und „Hana“ („Blume“) herrührt, kann nicht 1:1 übersetzt werden, die japanischen Begriffe müssen drin bleiben – sonst müsste der Text radikal verändert werden. Übrigens ist dieser Witz, im Rahmen der Geschichte um Tenchi, eigentlich nicht zulässig, weil man auf der Heimatwelt von Aeka erstens ebenfalls Japanisch redet und zweitens auch Feuerwerke kennt. In dem Tenchi Film „Manatsu no Eve“ wird ein solches gezeigt. Das Lesen der Manga dauert länger als bei „Pokemon“ oder „Bôbobo“, weil hier nämlich keine Hilfszeichen gegeben sind, die mir die Lesung verraten und ein schnelles Nachschlagen möglich machen würden. Zum Glück sind die Namen der Personen derart kompliziert geschrieben, dass man sie schnell lesen lernt – sie schreiben zu lernen, würde allerdings eine ziemliche Mühe bedeuten.
Es wirkt, als ob das Wetter den verpassten Sonnenschein der vergangenen Tage komplett nachholen will. Ich packe meinen Pullover in den Rucksack und mache die Arme der Armeejacke kurz. Ich fahre gegen 11 Uhr zur Bibliothek, in der Hoffnung, dass sie geöffnet hat, aber ich finde sie verschlossen vor. Dafür sind auf dem Campus gar seltsame Gestalten zu sehen. Hier befinden sich schätzungsweise 50 Cosplayer in verschiedenen Kostümen, von denen ich die meisten nicht erkennen kann, auch Verkleidungen weiblicher Charaktere sind zu sehen, ungeachtet der Tatsache, dass hier nur Männer um die 20 versammelt sind. Und sie sammeln sich in einem Kreis um eine Taikô-Trommel von 50 Zentimetern Durchmesser und ihren Trommler. Daneben stehen zwei Bannerträger, auf deren Fahnen der Name einer Oberschule geschrieben steht. Dann schlägt der Trommler einen gemächlichen Takt, einer der Fahnenträger stellt mit grölender Stimme irgendeine mir unverständliche Aussage in den Raum, die von der Truppe enthusiastisch bejaht wird. Dann tun sie etwas, was man als „Singen“ bezeichnen könnte und beenden das Lied mit einem dreifachen „Banzai!“ („Banzai“ heißt übrigens „10000 Jahre“ und die, soweit mir bekannt, beziehen sich das auf das Lebensalter, das man dem Tenno wünscht.) Dann formt sich der Kreis zu einer Kolonne um, mit dem Trommler, den Fahnen und einer Handkarre mit ca. zehn Litern Sake an der Spitze. Dann beginnen sie, immer wieder denselben Satz zu intonieren, laut und unmelodisch, und verlassen den Campus wie eine Prozession.[1]
Es gibt noch ein paar weitere Leute, die heute auf offene Türen gehofft hatten, und während die Kolonne mit den grölenden Kostümierten abzieht, winke ich mir eine junge Frau her (wen oder was auch sonst) und frage sie, was es damit auf sich habe. Sie wisse das auch nicht, sagt sie, aber einen Zusammenhang mit dem heutigen Feiertag, Midori no Hi, gebe es wohl nicht. Die Litanei des Zuges kann sie zwar wiederholen, aber der Informationsgehalt ist ihr völlig unklar. Für mich klingt das wie eine Mischung von Spanisch und Japanisch. Möglicherweise eine Art Insiderjargon.
Ich verlasse den Campus ebenfalls und fahre in die Stadt, an der Kolonne vorbei, zum Ito Yôkadô. Dort bestelle ich die „Final Fantasy VII Piano Collection“ für Sebastian und es heißt, ich solle am 15.05. noch einmal vorbeikommen, weil die kommende Golden Week alle Vorgänge dieser Art gewissermaßen auf Eis lege und es zu Verzögerungen komme. Ich finde auch den „Area 88“ Soundtrack, aber den lasse ich liegen, weil er von dem Intro nur die „TV Size“ Version enthält – und die ist mir ein bisschen zu kurz. Ich will die Vollversion, und dafür brauche ich entweder die Single-Version des Soundtracks oder aber die CD der „Angels“, die das Stück gespielt haben. Beim Suchen in der Kategorie „A folgende“ (was in Japan I, U, E und O einschließt, die Gründe erläutere ich gerne jedem, der fragt) finde ich leider die „Angels“ nicht. Dafür aber zwei frisch gelieferte Singles von „e.mu“. Das sollte ich bei nächster Gelegenheit mal Anna schreiben.
Da es sonst nichts Interessantes gibt, fahre ich gleich weiter, ins Book Off, und kaufe mir den „Pokemon“ Manga, der hier „Dengeki Pikachû“ heißt – „Donnerschock Pikachû“ würde man bei uns (in Pokemon-Kreisen) wohl sagen, auch wenn „Dengeki“ m.E. mehr auf „Elektroschock“ hinausläuft. Von dem Manga sind nur drei Bände (seit 1997) erschienen, und ich kann mir (noch) nicht erklären, warum das so ist.[2] Die TV-Serie hat über 500 Episoden hervorgebracht und erfreut sich immer noch so großer Beliebtheit beim jungen Publikum, dass derzeit ein weiterer Film in die japanischen Kinos kommt.
Dann statte ich dem Cub Center einen Besuch ab und stelle dabei fest, dass die Auswahl von Dosenkaffee in diesem großen Markt kleiner ist als im bedeutend kleineren BenyMart bei mir um die Ecke (obwohl sie zum gleichen Konsortium gehören). Ich brauche eine Kaffeedose der Marke „Gold Rush“ aus der Serie „Fire“. Im Fernsehen läuft Werbung für das Produkt, aber ich habe es noch nirgendwo gesehen.
Ich fahre Richtung Sakurano und sehe mir den „Dainamu Freizeitpark“ an, der mir wegen des auffälligen Schilds an der Straße eben aufgefallen ist. Eine nähere Untersuchung ergibt allerdings, dass es sich dabei lediglich um eine unspektakuläre und ordinäre Pachinko-Halle handelt.
Wenn ich schon in der Nähe bin, kann ich auch das „SEGA Center“ in Augenschein nehmen, nachdem man mich kürzlich gefragt hat, ob ich einen „SEGA Saturn“ besorgen könne. Aber es handelt sich bei dem entdeckten Laden nicht um eine SEGA-Verkaufsstelle, sondern um eine Spielhalle, mit den üblichen Fahr-, Schieß- und Kampfautomaten. Auch MahJong kann man am Automaten spielen, und ich frage mich, warum diese Idioten hier nicht einfach ein Brett mit den Spielsteinen kaufen und mit Freunden spielen, anstatt ständig den Automaten neu zu füttern. Und die Halle riecht wirklich abstoßend nach Zigarettenrauch. Die Toilette im Vergleich riecht nach einer (chemisch erzeugten) Zitronenpresserei, und das empfinde ich als wesentlich angenehmer. Das untere Stockwerk ist frei für alle Altersgruppen, aber in den ersten Stock darf man nur als Erwachsener. Dort befinden sich die ganzen Glücksspiele. Ich will nicht im Einzelnen darauf eingehen, aber die beiden „Pferderennen“ sind interessant – von einem technischen Standpunkt aus betrachtet.
Der erste Automat ist voll elektronisch. Ein großer Bildschirm hängt an der Wand, etwa 200 x 100 cm groß, auf dem das Rennen zu sehen ist, in aktueller Konsolenqualität, untermalt von der Stimme eines passionierten Kommentators aus den Lautsprechern. Das Publikum dürfte komplett jünger als dreißig Jahre sein. Vor dem Bildschirm stehen zehn Monitorterminals mit Stühlen, von denen im Moment sieben besetzt sind. Auf dem kleinen Monitor nun kann man Informationen bezüglich des eigenen, virtuellen Rennstalls abrufen; man kann sein Pferd offenbar auf unterschiedliche Art und Weise füttern und pflegen, und wenn man das virtuelle Pferd (über den Touchscreen) streichelt, reagiert es darauf. Man kann hier offenbar einige individuelle Faktoren in das Rennen mit einbringen.
Der zweite Automat, am anderen Ende des eigentlich kleinen Raumes, ist nicht für „Züchter“, sondern für Zocker. Auch hier befindet sich ein Bildschirm mit den gleichen Ausmaßen wie gegenüber, aber die Anlage hat auch einen auffälligen mechanischen Teil. Da steht also ein Tisch, der ebenso groß wie der Bildschirm ist, und auf diesem Tisch befindet sich eine Modellanlage einer Pferderennbahn. Auf dieser Modellbahn stehen kleine Pferde mit noch kleineren Reitern an einer Startlinie. Acht Spieler können gleichzeitig spielen, und dazu sind wieder kleine Monitore in den Tisch eingebaut, mit denen die Spieler ihre Wetten abschließen können, ohne allerdings Einfluss auf die virtuellen Tiere auszuüben. Den Wetteinsatz entrichtet man in Form von Spielmünzen, die man in einen Einwurfschlitz neben dem Monitor einwirft. Wenn das Rennen schließlich startet, kann man sich aussuchen, ob man die zeitgemäß wirklich gute Computergrafik auf dem Monitor betrachtet oder aber den kleinen Modellpferden zusieht, die, von Magneten unter der Oberfläche gesteuert, über die grüne Bahn ziehen – und zwar auf exakt die gleiche Art und Weise, wie es die auf dem Monitor tun, der Vorgang und das Ergebnis sind völlig identisch, unabhängig von dem verwendeten Medium. Hier findet der Bildschirm allerdings keine Beachtung. Die Aufmerksamkeit der vier Spieler, einer davon immerhin um die 50, richtet sich voll und ganz auf die Modellbahn. Man kann hier natürlich kein Geld gewinnen, sondern nur die genannten Spielmünzen, von denen man je eine für 10 Yen kaufen kann. Ob man das Spielgeld am Ende vom Tag, sofern man etwas gewonnen hat, nicht doch an einem verschwiegenen Plätzchen gegen Bargeld umtauschen kann, ist eine andere Frage.
Dann fahre ich durch das Gassengewirr in Richtung Westen und lande, eher zufällig, vor der hiesigen Mazda-Vertretung. Aber ich halte mich nicht auf, sondern bemühe mich nur darum, einen Zusammenhang zu anderen Wegpunkten herzustellen, damit ich wieder herfinde. Ich fahre wieder in den kleinen Park, der sich so unweit meiner Wohnung befindet, wo ich eine halbe Stunde herumsitze und drei Jungs bei ihren wenig erfolgreichen Versuchen, einen Bumerang zu bedienen, zusehe. Aber der Wind wird recht frisch und die Gemütlichkeit des sonnigen Nachmittags geht verloren.
Ich fahre also nach Hause, lese im Latour und nehme mir den ersten Band des „Pokemon“ Manga vor. Der Zeichner beweist seinen Hang zu weichen Formen, die im Anime leider völlig verloren gegangen sind. Aber was heißt „verloren gegangen“? Soweit mir bekannt, war der Ursprung das Spiel von Nintendo, dann wurde ein Anime daraus und dann erst kam der Manga auf den Markt. Ich kann mich auch irren, aber das ist die Reihenfolge, die ich vage im Hinterkopf habe. Auf jeden Fall zeigen sich die Vorlieben des Zeichners an den recht üppigen weiblichen Formen – schlank, aber sonst gut ausgestattet –, die sich deutlich von den kantigen und direkt spartanischen Formen des Anime abheben. Kasumi/Misty zeigt sich während des Kampfes gegen Satoshi/Ash sehr freizügig in einer Art Badeanzug, der, im Einklang mit ihrer deutlich übertriebenen Oberweite, so gar nicht zu ihren angegebenen 12 Jahren passen will. Und ansonsten trägt sie sehr knappe Hotpants. Na denn…[3]
[1] Möglicherweise Absolventen derselben Schule, bereits im Studentenalter.
[2] Erklärung: Es handelt sich nicht um den Pokemon Manga, sondern nur um einen (und inoffiziellen) Pokemon Manga.
[3] Es handelt sich auch nur um einen inoffiziellen Manga, einen Dôjinshi, der ohne Lizenzbeziehung zum offiziellen Merchandising existiert.
Heute Morgen scheint die Sonne zwar durch die Wolken, aber im Verlauf des Tages soll es möglicherweise noch regnen – mit einer Wahrscheinlichkeit von 10 %.
Yamazakis Stunde bleibt heute der einzige Unterricht für mich und er verläuft in den gewohnten Bahnen, abgesehen davon, dass wir neuerdings für die Beantwortung der Fragen aus seinen Hörspielen extra Blätter zum Ausfüllen ausgeteilt bekommen – reine Materialverschwendung! Lustig ist allerdings sein Versuch, einen Umstand am Beispiel eines Mannes zu erklären, der sich gerade aufhängt, mitsamt der ihm eigenen Körpersprache. Allerdings habe ich nicht verstanden oder bereits wieder vergessen, was uns der Künstler damit sagen wollte.
Nach dem Unterricht gehe ich ins Center und sehe meine Post durch. Ich entleere auch mal wieder meine Kamera und treffe Yôko wieder. Yôko? Moment mal, wer ist Yôko? Ich verüble ihr nicht, dass sie wegen meiner Frage etwas enttäuscht ist. Ich habe sie im Januar einmal getroffen, als sie gerade aus Neuseeland zurück war und habe ihr erfrischend gutes Englisch bewundert. Allerdings hat sich dieser Umstand nicht in meinem Tagebuch niedergeschlagen, also habe ich es vergessen. Warum habe ich bei der Gelegenheit heute nicht gleich ein Bild von ihr gemacht? Weiß der Geier…
Das ist auch etwa der Zeitpunkt, zu dem Melanie das Foto mit den Krankenschwestern entdeckt: „Dominik!? Was ist denn das für ein Bild??“
Gleich darauf finde ich auch Yui im Center vor und wir verabreden, uns am folgenden Montag um diese Zeit hier zu treffen. Danach gehe ich in die Bibliothek und beschäftige mich dort bis etwa 17:00, dann gehe ich in die Sporthalle. Kurz darauf kommen auch wieder ein paar Volleyballerinnen vorbei und spielen mit den kleinen Gewichten, aber das letzte Drittel meiner Zeit bin ich allein in dem Raum.
Als ich nach Hause gehe, durchquere ich auf dem Weg zu meinem Fahrrad wie üblich das Ingenieursgebäude und finde auf einem Zeitschriftenstapel eine der telefonbuchdicken Mangasammlungen, in denen jede Woche je ein Kapitel verschiedener Serien erscheint. Die Aufmachung ist „Gush Bell“… dann kann ich ja mal reinschauen. Ich kann anhand dieses einen Kapitels nicht sagen, ob der Manga ernst oder bekloppt ist… die kleinen Mädchen mit den kugelrunden Köpfen und den übergroßen Augen sind auf jeden Fall extrem stark und ich nehme bislang an, dass es sich um Androiden handelt.[1] Es scheint hier eine Art Endkampf stattzufinden, so wie die Protagonisten hier zusammengedroschen werden. Einer muss sogar wiederbelebt werden.
Ich gehe nach Hause und wir sehen uns „Atashin’chi“ an, von dem ich nun endlich weiß, was es bedeutet: „Atashi“ ist eine weibliche Selbstbezeichnung, „Ich“ sagen wir im Deutschen einfach, und der Anhang „n’chi“ steht für „no Uchi“, was komplett „Atashi no Uchi“ wäre, und „mein Haus“ = „meine Familie“ bedeutet.
Außerdem komme ich endlich dazu, die „SailorMoon“ Episode vom Samstag zu sehen. Das Mädchen mit den blauen Haaren ist tatsächlich Luna – nennt mich „Gott“! Allerdings folgt sie einem alten und augenfälligen „SailorMoon“ Syndrom: Wenn sie sich verwandelt, tauscht sie ihr Hirn aus. Im Falle von Usagi zu SailorMoon ist das gut, weil Usagi sowieso keine nennenswerten Kapazitäten in der Birne hat, aber Luna folgt dem Beispiel von Mamoru und tauscht ihr Gehirn während der Verwandlung gegen ein aufgeweichtes Milchbrötchen. Man könnte doch auch mal ein Fansub einer Animeepisode machen, in der Tuxedo Kamen mal wieder irgendwo runterspringt und dann sagt: „Ich bin der Schrecken, der die Nacht durchflattert… ich bin der freche Nachbar, der Deine Rosenbeete plündert…“ Wie dem auch sei… die Katze Luna ist ultra-rational und eine Quelle der Vernunft, die sich weniger von Emotionen leiten lässt. Wenn sie jedoch als Mensch auftritt, verhält sie sich viel mehr wie eine Katze (um dem Catgirl-Klischee zu entsprechen, denke ich). Sie hat Angst vor Hunden (die in meine Hand passen) und läuft im Zeitraffer davon, und im Toys’R’Us (einer der Sponsoren) kommt sie nicht umhin, einer Anzahl herumrollender Bälle hinterher zu springen. Also bitte!
EvilMerkur hat beim letzten Mal wohl ein bisschen zu viel vom positiven Licht der Prinzessin abbekommen und nähert sich in Folge dessen wieder ihrem langweiligen Normalzustand an, lädt aber Usagi zu einem Kampf ein. Und natürlich brät sie ihr eins über und SailorMoon muss von (der menschlichen) Luna gerettet werden. EvilMerkur gerät ins Hintertreffen; Kunzyte kommt ihr zu Hilfe und kümmert sich um Luna. Sie ist schnell und er kann sie nicht erwischen, daher ist er sichtlich genervt. Er macht ein Gesicht wie ein Vater, der mit dem unbändigen Verhalten seiner Tochter überfordert ist. Es ist das Beste an der gesamten Episode. Schließlich trifft er sie doch und beendet damit ihre Verwandlung. Er kommt so gerade noch rechtzeitig, um die endgültige Bekehrung EvilMerkus zum Guten zu verhindern. Sie langt also mit dem Eisschwert noch mal so richtig hin und zerbricht damit den Mondstab, worauf SailorMoon bewusstlos (aber ohne einen Kratzer) zu Boden sinkt. EvilMerkur erkennt bei diesem Anblick ihr böses Tun und beweint ihre Tat, offenbar bekehrt.
Um neun Uhr läuft „Mito Kômon“ – das ist die Sendung, die ich irgendwann einmal als „Thai Ginseng unterwegs“ bezeichnet habe. Natürlich sehe ich mir das weiter an… man muss diesen Mann hin und wieder onkelhaft lachen hören, das macht den ganzen Tag besser. Heute bietet er sich, zum Entsetzen seiner Begleiter, einem geizigen Geldverleiher als Yôjimbô (Leibwächter) an, ohne, dass ich den geäußerten Grund verstanden hätte. Wohl, um diesem eine Lektion erteilen zu können. Es ist lustig, ihn als ungelenken Geldeintreiber zu sehen und wie er den Geizhals dabei ausbremst. Natürlich lacht er am Ende wieder auf die ihm eigene Art und Weise und die Leute fallen massenweise vor ihm in den Staub, wenn sein linker Heinrich das Wappen auspackt. Ich frage mich, ob sich die Serie eigentlich selbst noch ernst nimmt. Aber selbst wenn nicht, macht mir dieser Umstand das Ansehen nur angenehmer.
Den Rest des Tages verbringe ich mit meinem Tagebuch. Vokabeln lerne ich morgen früh, da ich ja erst um 14:20 Unterricht habe. Die Zeit sollte reichen.
[1] Entgegen dem missverständlichen Charakterdesign handelt es sich bei den meisten der gemeinten Charaktere um Jungs, und auch nicht um Androiden, sondern um eine Art von Dämonen.
Die Testergebnisse hängen aus und erzählen mir, was ich auch vorher bereits wusste. Gleicher Level, gleiche Lehrer, Mittelstufe A. Die Organisation hat sich aber scheinbar geändert. Es gibt inzwischen auch einen „gehobenen“ Grundkurs. Mélanie Mathieu ist noch unter uns, Valérie hat den Test nicht mitgeschrieben, also wird sie es auch noch sein, ebenso Yannick (den ich seit einigen Tagen aber nicht mehr gesehen habe). Irena ist in die Oberstufe, Nan in die gehobene Mittelstufe aufgestiegen. Die chinesischen Namen kann ich nicht identifizieren, da ich die Schreibungen nicht erkenne. Aber ich werde früh genug erfahren, wer noch da ist und wer die Stufe gewechselt hat.
Ich gehe ins Center und rede einige Minuten mit Marc, bevor ihn irgendwelche Aufgaben der Organisation der Welcome Party am 16. April rufen. Ich rede auch noch ein paar Sätze mit Nim (sie sieht dünner aus, streitet das aber ab) und gehe dann in die Bibliothek. Aber auch dort bleibe ich nicht lange. Ich sehe nach meiner Post, finde, was ich suche, schreibe noch was ins Forum und verlege dann in den Computerraum, um mir die erste Handlungssequenz meines Gefechts gegen Frank anzusehen. Natürlich ist noch nichts los, und ich schreibe exakt das in meinen Spielbericht. Dann wende ich mich meinem Newsletter zu und schreibe bis zum Datum des 28. März, womit ich nur noch einen Rückstand von zwei Wochen habe. Ich sehe mir die Episoden 02 bis 04 von „Gunslinger Girl“ an und komme zu der Meinung, einen guten Griff getan zu haben.
Um 18:50 mache ich mich auf den Weg in die Sporthalle und bleibe dort bis 19:55. Dann fahre ich in den Beny Mart, weil ich noch was zu trinken brauche und will dann nach Hause. Zumindest ist das mein abwegiger Plan. Mir kommen nämlich zwei Eingebungen auf einmal: Als ich auf halbem Wege nach Hause auf die Uhr sehen will, stelle ich fest, dass ich sie im Umkleideraum habe liegen lassen, alle beide, und das wiederum bringt mich zu der Erleuchtung, dass ich mein Fahrrad aus unerfindlichen Gründen vor dem Supermarkt vergessen habe. Also… im Sturmschritt zum Supermarkt und mit überhöhter Geschwindigkeit zur Sporthalle zurück, wo ich alles noch an seinem Platz vorfinde. Um 20:30 komme ich dann endgültig zuhause an.
Wir schauen uns alles an, was wir innerhalb der vergangenen sieben Tage mangels Zeit auf Video aufnehmen mussten. Das wäre dann „Pretty Cure“, „Gokusen“ (der Anime), „Nadia“ und „SailorMoon“. Ich bin sehr erfreut darüber, dass NHK den Gainax-Anime „Fushigi no Umi no Nadia“ sendet. Ich kann die Serie zwar wahrscheinlich nicht komplett sehen, aber immerhin einmal die wichtigsten Originalstimmen hören. Und die sind sehr entspannend im Vergleich zu der deutschen Synchro. Nichts gegen Beate Pfeiffer, die Frau ist nett (ich habe ein paar Mails mit ihr ausgetauscht) und außerdem Saarländerin aus Neunkirchen, aber an ihre Stimme in dieser Hauptrolle musste ich mich erst gewöhnen, bevor ich Gefallen an der deutschen Version finden konnte – und das, bevor ich die japanische überhaupt kannte.
Die „SailorMoon“ Episode ist die von letzter Woche. Diesen Samstag kommt keine Folge, wegen irgendeinem bedeutenden Sportereignis. Die wichtigsten Dinge der Episode sind zunächst Mamorus Abreise nach London (nicht nach Amerika), wo er eigentlich mit Hina (seiner Verlobten) zusammen studieren wollte, aber sie sagt im letzten Moment ab. Und es gibt je einen Power-Up Gegenstand für jede der SailorSenshi. Das Ding sieht aus wie ChibiUsas „Kuhglocke“, nur ohne die Glocke – eben nur der Griff davon in Form eines (Plastik-) Reifs (grob in Sternform). Die Vorschau auf die nächste Woche zeigt eine Elfjährige im Senshikostüm, deren Name nicht verraten wird, und der paranoide Fan denkt sofort an ChibiUsa, aber eigentlich ist klar, dass es sich hier mit den dunkelblauen Haaren, den Katzenohren und dem Katzenschwanz nur um eine humanoide Luna handeln kann.
Ich stehe um 08:30 auf, mache mich fertig und fahre zur Uni. Meine Winterjacke kann ich heute beruhigt zuhause lassen. Außerdem ist mir nicht danach, ins Center zu gehen, deswegen setze ich mich ohne Umwege in den Computerraum und schreibe meine Berichte – fünf an der Zahl werden es heute.
Dann kümmere ich mich um meine Post: Ah, Hans-Jott-K hat seine Adresse innerhalb Karlsruhes geändert. Frank schreibt mir, dass er bereit sei, und ich ihm meinen ersten Zug schicken könne. Aha… eigentlich habe ich das bereits vor Tagen gemacht. Ist da technisch etwas schief gegangen oder hat er das System nicht verstanden? Ich packe also meinen Spielzug erneut in einen Mailanhang und erläutere noch einmal das Procedere, um beiden Möglichkeiten gerecht zu werden. Ich hoffe, dass meine Erklärung schlüssig ist.
Schließlich gehe ich ins Animetric Forum, erhöhe die Zahl meiner Einträge und habe dann bis um Fünf noch eine Stunde Zeit. Ich sehe mir die Episoden Nummer 5 und 6 der Serie „Area 88“ an. Der Soundtrack ist übrigens von Vincent de Moor – aber das sollte bestenfalls Fans des Genres was sagen, wenn überhaupt. Ich mag die Serie immer noch. Die grafische Qualität ist hervorragend und die Luftkämpfe finde ich sehr gut animiert. Wer auch immer die Serie ins Leben gerufen hat, muss ein großer Fan von militärischen Jets sein, daran besteht für mich kein Zweifel. Natürlich hat der Realismus etwas gelitten, und ich meine dabei nicht die Machbarkeit irgendwelcher Stunts in der Luft bei Mach 2. „Area 88“ ist der Name der Basis einer fliegenden Söldnerstaffel im Dienste eines sich im Bürgerkrieg befindlichen, ungenannten Staates im Nahen Osten, deren Piloten alle mit privaten Maschinen auf eigene Kosten fliegen und Geld für zerstörte Ziele erhalten. Die Piloten müssen entweder einen Zeitvertrag erfüllen oder sich mit dem Geld, das sie verdient haben, aus dem Vertrag freikaufen. Allerdings stelle ich mir die Versorgungslage einer Basis, auf der jeder Pilot eine andere Maschine fliegt, etwas schwierig vor – jeder Pilot braucht dann individuelle Ersatzteile. Diese Staffel jedenfalls schießt Dutzende von gegnerischen Maschinen ab, und das wundert mich wenig, weil eine Luftwaffe keine große Zukunft hat, wenn sie mit alten MiG-15 gegen moderne Typen wie Harrier, F-14, F-15, F-16, Phantom II oder Mirage antritt.
Um 17:05 setze ich mich auf mein Fahrrad und düse mit Höchstgeschwindigkeit im 18. Gang die Hauptstraße hinunter, um zum Ito Yôkadô zu kommen. Ich gehe geradewegs in die CD Abteilung und greife zielsicher heraus, was ich suche: Den Soundtrack von „Kaiketsu Zorori“. Gerade gestern Abend habe ich erfahren, dass es die CD ab heute zu kaufen gibt. Unter den sonstigen Neuzugängen finde ich auch Soundtracks zu „SailorMoon“, einer davon mit dem abschreckend wirkenden Aufdruck „DJ Moon“. Es ist aber tatsächlich die Sammlung der Original Hintergrundmusik der Serie und keine wilden Technoversionen. Kostet 3000 Yen… das ist mir zu teuer. Die Hintergrundtitel interessieren mich auch eigentlich wenig. Ich bin mehr an Gesang interessiert. Und den gibt’s auch – für insgesamt 5000 Yen. Jede einzelne der fünf Senshi hat, in bester japanisch-kapitalistischer Tradition, ihr eigenes „Character Album“ bekommen, auf dem jeweils zwei Lieder zu finden sind (nur Aino Minako hat drei). Die sind für mich aber auch nur dann interessant, wenn die Darstellerinnen selbst singen, und das kann ich auf den ersten Blick nicht feststellen. Ich nehme also die „Zorori“ CD mit, und der Verkäufer zeigt mir auch extra noch einmal den Preis, damit ich ihn auch nicht vergesse, bis ich ihn drei Sekunden später auf der Kasse wiedersehe. Aber natürlich habe ich nichts dagegen, dass man mir den Preis zeigt, um festzustellen, ob ich nicht vielleicht doch noch meine Meinung ändern möchte und die Scheibe nicht kaufe. Aber ich bin bereit, die 1300 Yen zu investieren. Als Zusatz zur Erstauflage gibt es eine Zorori-Pappmaske, die man ausschneiden und sich um den Kopf schnallen kann. Des Weiteren gibt es einen gefalteten Bogen Papier mit einzelnen Bildern aus dem Intro und dem Extro zum Ausschneiden, um ein Daumenkino daraus zu basteln. Davon habe ich zwar nichts, aber ich werde es in mein Archiv packen. Natürlich enthält die CD auch wieder Karaoketitel, für die ich keine Verwendung habe, aber immerhin habe ich sowohl das Intro- als auch das Endlied auf einer CD bekommen. Das ist selten, aber die Musik wurde auch nicht von irgendeiner greifbaren Band gespielt. Das Intro wird von dem Sprecher Zororis selbst gesungen (Yamadera Kôichi!) und auch das Endlied scheint marketingtechnisch eher uninteressant. Ein hübsches, aber wenig publikumstaugliches Liedchen, das niemals in einer Hitparade landen würde. Aber es gefällt mir – und darauf kommt es an.
Ich gehe anschließend in den 100-Yen-Shop im Daiei und kaufe eine Packung salziger Cracker, vergleichbar mit „TUC“. Aber die Dosen mit dem halben Liter Milchkaffee gibt es nicht mehr. Ich muss annehmen, dass diese Läden zum Teil auf sehr kurzfristige Angebote reagieren, und demnach könnte ich von Glück sprechen, wenn ich jemals wieder eine solche Dose überhaupt zu Gesicht bekomme. Na ja, vielleicht sind die Dinger auch einfach nur heute ausverkauft, weil noch mehr Leute auf den Geschmack gekommen sind.
Abends sehen wir uns „28 Days After“ an – „28 Tage danach“. Es ist die Geschichte eines Mannes, der nach einiger Zeit im Koma im Krankenhaus wieder zu sich kommt und London menschenleer vorfindet. Es stellt sich heraus, dass alle entweder von einer Epidemie dahingerafft oder evakuiert worden sind – wohin auch immer, weil scheinbar alle Ortschaften verlassen sind. Nur die Infizierten sind noch da, und die stürzen sich wie wahnsinnig auf alle Gesunden. Es sind keine „klassischen“ Zombies = Untote, sondern Leute, die sich eine Art Tollwut eingefangen haben – das heißt, sie leben im klinischen Sinne, und das wiederum heißt, dass sie Nahrung und Wasser brauchen (das zu sich zu nehmen sie geistig scheinbar nicht in der Lage sind), und einer der Pläne besteht darin, sie einfach auszuhungern. Der Schluss des Films ist schon beinahe ein Scherz. Nach dem Abspann geht der Film nämlich gewissermaßen weiter und man sieht einen alternativen Schluss. Hätte Melanie nicht die Werbung nach dem Film sehen wollen, wäre uns der „Anhang“ nie aufgefallen. Ich frage mich, wie viele Prozent der Zuschauer den alternativen Schluss gesehen haben, wenn er in jeder nationalen Version so versteckt wird.
Ein paar Fragen lässt das Schauspiel offen: Warum ist das Krankenhaus leer – ohne zumindest ein paar Leute, die ebenfalls nicht transportfähig sind? Unser Komaheld war ja wohl nicht der einzige, den man nicht mitnehmen und nur mit Hilfe von Maschinen am Leben erhalten konnte. Dann würde mich natürlich auch interessieren, warum die Infizierten sich nicht gegenseitig angreifen? Warum veranlassen Hunger und Durst sie nicht dazu, den Inhalt der Supermärkte oder sich gegenseitig zu essen? Andererseits: Nach spätestens einer Woche ohne Wasser ist ein Mensch wohl reichlich handlungsunfähig, und wenn die Seuche nach 28 Tagen noch nicht ausgestorben ist, müssen wohl einige Exemplare auf die Idee gekommen sein, mal einen Schluck aus der Themse zu nehmen – oder aber es sind immer rechtzeitig neue Leute infiziert worden. Und warum kann Jim, der Mann aus dem Krankenhaus, nach längerer Bettlägerigkeit, auch wenn es sich nur um einige Tage handelte, einfach so, aus dem Koma raus und hoch, aufstehen, ohne einen Kreislaufzusammenbruch zu erleiden und sogar sofort richtig gut rennen?[1]
Trotz solcher Unklarheiten ist der Film ganz gut. Enthält ein paar interessante Elemente. Zum Beispiel, dass die Zombies (man kann die Infizierten wohl durchaus so nennen) rennen können. Klassisch wäre ein Pulk von entsetzlich anzusehenden Gestalten, die sich langsam, aber stetig auf der Suche nach lebendem Fleisch und Gehirn nach vorne bewegen. Interessant finde ich auch, dass die Inkubationszeit nur ein paar Sekunden beträgt. Der ebenso klassische Verwundete, der seine Infektion verbirgt oder nichts davon weiß und irgendwann „unerwartet“ zuschlägt, fällt also flach. Ansonsten werden aber sehr klassische Verfahren angewendet, wenn es um die Erzeugung von Spannung geht, also Musikeinspielungen oder bestimmte Kameraeinstellungen. Wenn man aber ein bisschen was von Raimi oder Romero gesehen hat, weiß man, was kommt und wann man damit zu rechnen hat. Das senkt zwar ein wenig die Spannung, aber Wiedererkennungseffekt und ein wenig Erinnerung „an alte Horrorzeiten“ tragen sehr zum Wohlbefinden des Zuschauers bei. Mein letzter Punkt: Der Film spielt in England und ich stelle fest, dass ich Probleme habe, Britisches Englisch zu verstehen. Ich bin Amerikanisches Englisch gewöhnt und die Umstellung meiner Ohren geht nicht so flüssig, wie ich das gerne hätte. Vor allem die dargestellten Soldaten reden einen ungewohnten Dialekt.
[1] Als ich selbst nach einer Operation und ein paar Tagen Bettruhe aufgestanden bin, wurde mir nach zwei Schritten schwarz vor Augen und der Pfleger musste mich auffangen.
Das Wetter hat sich deutlich gebessert, dennoch sehe ich davon ab, einen Ausflug mit dem Fahrrad zu machen. Ich würde ja zwangsläufig wieder irgendwo in der Wildnis landen und vom Scheitel bis zur Sohle mit Schlamm bedeckt werden.
Wir sehen uns die erste Kassette der „Atashin’chi“ Sammlung der Videothek an, also die ganz frühen Episoden, und die beschäftigen uns etwa zwei Stunden lang. Es ist auffällig, dass die Stimmen der Figuren zu Beginn anders klangen, vor allem die der Mutter, die später etwas schriller geworden ist. In diesen ersten Episoden ist es viel einfacher, zu hören, dass dieselbe Frau auch JunJun in der „SailorMoon SuperS“ Staffel gesprochen hat.
Zwischendurch muss auch mal wieder ein Korb Wäsche gewaschen werden und es zeigt sich, dass es besser gewesen wäre, das weiße Frotteehandtuch unter der dunklen Wäsche nicht zu übersehen. Meine beiden T-Shirts muss ich noch einmal mitwaschen, weil ich die Fussel mit der Kleiderbürste allein nicht herauskriege, und ich will mich nicht stundenlang daran versuchen, die störenden Fussel mit den Fingernägeln abzukratzen.
Dann schaue ich „Zorori“ von heute morgen an und verschiebe „Pretty Cure“ auf später. Wir sehen uns nämlich „Moon Child“ an. Dabei handelt es sich um einen Film, in dem Hyde und Gackt die Hauptrollen spielen – mit zwei der erfolgreichsten Sänger in Japan. Die Sache fängt ganz cool an – scheint eine Art Actionfilm zu werden, mit dicken Knarren und einem Vampir = Hyde. Der Vampir findet das Straßenkind Shô und nimmt sich seiner an. Doch dann plötzlich wechselt der Film das Genre und ich frage mich, ob vielleicht plötzlich mitten in der Produktion der Regisseur gestorben und durch jemand völlig anderen ersetzt worden ist… denn: Einige Jahre später: Shô, als Erwachsener gespielt von Gackt, hat auf einmal eine eigene Gang und auch noch eine Familie, so richtig mit Frau und Kind. Dann wird seine Gang von der Konkurrenz umgenietet, und sein Bruder wird bei dem Versuch erschossen, den Chef der Konkurrenz zu töten. Und dann wird seine Frau krank… und stirbt… ach Gott, Walter! Nach eben diesem Zeitsprung sitzt sein Freund, der Vampir und Superkämpfer, auch auf einmal in einem fernen Gefängnis und mir ist nicht begreiflich, wie er da hingekommen ist. Aber er büchst natürlich aus, um seinem Freund Shô zu helfen, der auszieht, den Tod seiner Freunde zu rächen. Das Ende des Films ist wieder actionlastiger, als dieser langweilige Durchhänger in der Mitte, aber das rettet die Sache nicht. Der Film fängt wirklich gut an, entwickelt sich dann aber in eine völlig unerwartete und ziemlich langweilige Richtung. Aber es war ganz nett, den Film mal gesehen zu haben.
Es ist ein schöner Tag. Sonne, ein paar Wolken, leichter Wind… natürlich merke ich davon erst was, als ich kurz vor Anbruch der Dunkelheit einkaufen gehe, aber immerhin. Zuerst schlafe ich mal bis Mittag, weil ich das ja die ganze Woche über nicht mache – schließlich muss ich den Newsletter in Schwung halten. Ich bin noch immer fünf Wochen hinter dem aktuellen Datum. Pro Woche kann ich… 20 Berichte schreiben, wenn nichts dazwischenkommt, 37 Berichte fehlen mir bis zum heutigen Tag, das wären also zwei Wochen Arbeit, in denen natürlich wieder 14 Tage in meinen Notizen dazukommen. Mit etwas Glück kann ich das in etwas mehr als einem Monat aufgeholt haben, aber das ist eine eher optimistische Schätzung, weil im April das Sommersemester beginnt und damit eine ganze Stange anderer Arbeiten auf mich zukommt. Mein Lichtblick ist, dass dann aber auch die Bibliothek wieder an Wochenenden geöffnet sein wird, das könnte den Zeitverlust während der Woche kompensieren.
Ich lese den ganzen Tag in „I, Robot“ und werde gegen 19:00 damit fertig. Danach läuft im Fernsehen ein weiterer „Crayon Shin-chan“ Film, wie offenbar üblich mit einem langen Titel, wie schon beim letzten Mal: „Arashi o yobu – Eikô no Yakiniku Roodo“. Auch in diesem Titel wird also ein Sturm gerufen… „Eikô“ ist „Ruhm“ oder „Ehre“, und „Yakiniku“ ist „Brat-/Grillfleisch“, aber „Roodo“ könnte wegen der japanischen Schreibgewohnheiten entweder für „Road“ („Straße“) oder „Lord“ („Herr“) stehen. Ich wage keinen Versuch einer kompletten Übersetzung, weil mir nichts einfallen will, was nicht irgendwie lächerlich oder völlig sinnfrei klingt. Ich hoffe, dass der Film ebenfalls bald als Fansub zu finden ist. Ich würde auch gerne genauer sagen, warum mir der Film gefällt (weil er lustig ist!), aber ich kann die Umstände nicht genauer beschreiben, weil ich den Auftakt des Films nicht gut verstanden habe. Zu Beginn verspricht Misae (die Mutter) der Familie für den Abend ein Yakiniku Essen. Dann bricht ein Auto durch die Mauer vor dem Haus und der Fahrer (er trägt einen weißen Kittel) bittet um Hilfe. Kurze Zeit später wird das Haus von einer Art Sonderkommando gestürmt und Familie Nohara nimmt die Beine in die Hand. Also keine lange Einleitung – „Wir grillen heute Abend!“ und Action! Bald darauf läuft auf allen Kanälen die Meldung, dass die Familie Nohara, inklusive der Kinder und dem Hund, polizeilich gesucht würden und es beginnt eine wilde Jagd nach Aitama. Der Gedanke an das versprochene Essen erhält dabei den Durchhaltewillen aufrecht. Am Strand von Atami kommt es dann zum Showdown und Familie Nohara verprügelt die Verfolger kurzerhand – warum haben sie das nicht schon vorher gemacht? Der Fall scheint sich irgendwie zu klären, denn die einen steigen ins Auto und fahren nach Hause, die anderen steigen in ihre Bell UH-1 und fliegen irgendwohin zum Surfen. Die Erklärung am Ende, über Sinn und Zweck dieser ganzen Aktion, habe ich mangels Vokabular leider nicht verstanden. Wenn ich kein Fansub finde, werde ich den Sinn auch in absehbarer Zeit nicht verstehen.
Sehr schön fand ich die grafischen „Sondereinlagen“. „Shin-chan“ ist für gewöhnlich in einem sehr einfachen Stil gezeichnet, aber diesmal gab es „Fanservice“ in Form von detaillierten Darstellungen der Familienmitglieder in gehobener Zeichenqualität; jeweils nur ein paar Augenblicke, aber dennoch interessant. Warum Shinnosuke allerdings plötzlich blond war, verstehe ich nicht. Es erinnert mich ein bisschen an die „Project A-Ko“ OVA, wo man ein Billardspiel sehen konnte, bei dem die Charaktere so aussahen, wie sie es halt könnten, wenn man das für angebracht gehalten hätte. Die Nebencharaktere sind (in den „Shin-chan“ Filmen) anscheinend grundsätzlich qualitativ besser gezeichnet, als die Hauptpersonen, und ich verstehe nicht, was mir das sagen soll. Vielleicht werden da Leute parodiert, sie ich als Ausländer in Japan nicht erkenne.
Wir schauen uns „Atashin’chi“ an und „SailorMoon“ muss natürlich auch noch rollen. Nachdem Usagi also weiß, was es mit Mamoru auf sich hat, verrät er ihr, dass er auch über sie Bescheid weiß – er hat ihre Verwandlung vor einiger Zeit in einem Spiegelkabinett eher zufällig beobachtet. Hina, Mamorus Verlobte, kommt allmählich dahinter, dass aus ihr und Mamoru nichts wird und ist deshalb natürlich todunglücklich – und wird (ebenso natürlich) von einem Yôma angegriffen. Jupiter und Mars kämpfen gegen den Yôma und Jedyte… und ich habe schon lange keine solche leblose Choreografie mehr gesehen, auch gemessen an den niedrigen „SailorMoon“ Standards. SailorMoon und Kunzyte kommen dazu, Kunzyte schleudert sie zu Boden und Venus muss sie retten. Dann friert der Yôma Venus, Jupiter und Mars ein und Kunzyte bringt EvilMerkur dazu – erst einmal „in Zivil“ (spüre ich da gerade meine Reißzähne wachsen?), damit wir auch die „böse“ Verwandlungssequenz noch einmal bewundern können. Ich habe aber zweimal hinsehen müssen, um Hama Chisaki in dieser „bad girl“ Aufmachung erkennen zu können.
EvilMerkur kämpft daraufhin mit SailorMoon, wirft sie ebenfalls zu Boden und Kunzyte will sie einen Kopf kürzer machen. Aber diesmal wird Usagi stilecht von Tuxedo Kamen gerettet, der stattdessen den Schwerthieb einsteckt – und stirbt! Einen Moment lang dachte ich: „Jetzt läuft sie Amok und macht alle platt!“ Aber nur einen Moment lang, schließlich würde das nicht zu ihrem Charakter passen. Nein, viel besser! Stattdessen erscheint Prinzessin Serenity (Usagis wahres Ich jenseits von SailorMoon) und der Halbmond auf Minakos Stirn verwandelt sich in einen normalen Stirnreif, wie ihn auch die anderen tragen. Angesichts der Entfesselung positiver Energie ergreifen die Bösen die Flucht, die Senshi erkennen die wahre Prinzessin, dass Venus nur die #1 unter den SailorSenshi, aber keinesfalls die Mondprinzessin ist, und machen einen Kniefall, inklusive, wie von mir prophezeit, Venus (wenn auch früher als von mir gedacht).
Sawai Miyû sieht als Serenity ein gutes Stück älter aus; zumindest für meine Augen, die mit Gesichtern eh nicht so klarkommen, ist sie kaum wieder zu erkennen. Für die kommende Episode wird ein Rückblick auf den Untergang des Mondreiches angekündigt… ich bin gespannt. Wie so oft.
Um kurz nach Eins bin ich im Rechenzentrum, aber ich stelle schnell fest, dass nichts geht. Die Verbindung zum Internet ist nicht existent. Das heißt, nach drei Minuten ist die GMX Startseite zwar aufgebaut, aber nach fünf weiteren Minuten mache ich das Explorerfenster zu, weil ich nicht ewig warten will, bis mein Login bestätigt ist. Ich beschäftige mich also offline mit dem Schreiben meiner Berichte. Versenden kann ich sie auch später noch. Ich schreibe über den Zeitraum vom 10. bis zum 14.02., aber mit dem letzten Werk werde ich nicht mehr fertig, weil das Gebäude ab heute (bis zum 05. April) bereits ab 17:00 schließt. Der Wachmann macht mich darauf aufmerksam. Ich habe den Aushang zwar gelesen und verstanden, aber wieder vergessen. Das ist ja ganz toll. Mir gehen also pro Tag drei bis vier Stunden Zeit zum Schreiben verloren. Die könnte ich mit Lesen füllen – mir scheint, ich werde noch mehr Bücher kaufen müssen, sollte mein derzeitiger Stapel nicht reichen.
Aber der Tag ist noch jung. Ich fahre ins Book Off, um die bestellten CDs von Kuraki Mai zu kaufen. Für mich selbst finde ich zumindest nichts von dem, was ich suche. Dafür finde ich andere Sachen. Da wäre zum Beispiel eine Lösungshilfe für „Diablo“ von 1997. Kostenpunkt: 105 Yen = 80 Cent. Ich blättere das Heft schnell durch und finde genügend Informationen, die zumindest nicht uninteressant sind. Da sind Tabellen mit den Werten der Gegner, Waffen, Tränke und Zauber, Charakterbeschreibungen, und alle Dialog- und Buchtexte aus dem Spiel, in Englisch und Japanisch. Das ist für mich das Beste daran, weil ich schon vor langer Zeit geplant hatte, diese (englischen) Sprachsequenzen mal auf Band aufzunehmen, weil es sich ganz einfach cool anhört. Ich bin aber leider nie dazu gekommen… und leider habe ich auch nur eine Playstation Version… von der PC Version kann man bestimmt die einzelnen Dateien auf eine CD brennen. Ich warte ab. Interessant in dem Heft ist auch ein Kapitel mit „Dialoganweisungen“ für japanische Spieler, die online mit anderen Spielern in aller Welt kommunizieren wollen oder müssen. Beim Durchblättern fällt mir zum Beispiel ein kurzes Verzeichnis der gängigen Abkürzungen für Chat-Kommunikation auf.
Des Weiteren kaufe ich das „Eve“ Artbook von „Shin Seiki Evangelion“ für 315 Yen, zum Verkauf. Ich habe bereits eine eigene Ausgabe. Warum ich das „Adam“ Artbook dann nicht auch gleich gekauft habe, ist mir im Nachhinein nicht klar. Ich finde auch zwei Spielhilfen für „Bust a Groove“, aber ich finde keinen Sinn darin, mir eine Hilfe für ein Spiel zu kaufen, das ich mit links durchspiele und dessen versteckte Charaktere mit gänzlich bekannt sind.
Nach Anbruch der Dunkelheit mache ich mich auf den Heimweg und gehe in den Beny Mart, weil ich was zu trinken brauche. Aber Boco ist ausverkauft. Oder aus dem Angebot gestrichen worden – an der üblichen Stelle befindet sich ein Getränk (ebenfalls von Coca Cola Japan) mit dem Namen „Tadas“, das zwar die gleiche, trüb-weiße Farbe aufweist, aber nach Apfel schmeckt, und das nicht besonders gut. Wenn es kein Boco mehr gibt, dann steige ich kurzerhand auf Aquarius um, weil es mir ebenfalls schmeckt, aber nur genauso viel kostet wie Boco. Wenn ich bedenke… in Deutschland würde ich niemals nie auf die Idee kommen, Aquarius zu trinken – das ist viel zu teuer! Vor allem, weil ich mehr als zwei Liter am Tag brauche. Und wenn ich schon mal hier bin… ich brauche eine neue Packung Fleischstreifen für mein Frühstück, und Ketchup (als Gewürz) für die dazugehörige Soße.
Wieder zuhause, sehe ich „Mujin Wakusei Survive!“ und bewundere die Idee der Drehbuchschreiber, auf einer offensichtlich tropischen Insel Winter mit Schnee einkehren zu lassen. Offenbar herrschen auf anderen Planeten zwangsläufig ganz andere Gesetze der Botanik. Aber auch die Zoologie folgt dort ihren eigenen Bahnen… da existiert auch ein riesiges, elefantenähnliches Vieh, das beim Spazieren durch den Urwald grundsätzlich eine Schneise von umgeknickten Bäumen hinterlässt – warum stehen da überhaupt noch intakte Bäume? Außerdem gibt es davon bislang nur ein Exemplar – es gibt bestimmt ein tolles Fremdwort für „selbstbefruchtend“, aber das fällt mir nicht ein. Man setze ein Fragezeichen dahinter.[1]
Später läuft eine Englisch-Lernsendung mit Shaku Yumiko (die Hauptdarstellerin aus „Sky High“), und allein deshalb sind wir auf die Idee gekommen, die Show anzusehen. Heute werden Leute gefragt, wie man am effektivsten Englisch lernen könne. Man beachte die Auswahl: Arnold Schwarzenegger empfiehlt, viel zu lesen und viele Filme in englischer Sprache anzusehen. Regelmäßiges Nachschlagen von Vokabeln erweitere zwangsläufig den Wortschatz. Sylvester Stallone sagt, man solle am besten mit Singen beginnen. Keine Popsongs, sondern Kinderreime, die exakt diesen Zweck erfüllen: Der Sprechapparat gewöhnt sich so, aufbauend auf einer sehr einfachen Basis, an die Sprachlaute und man trainiert auf diese Art und Weise die Artikulation. Jackie Chan sagt, man solle viel reden, also mit Leuten kommunizieren, so könne man sich stückweise verbessern, weil auch jemand da sei, der korrigierend eingreifen könne. Er sagt weiterhin, dass er in seinen Filmen zwar versuche, betont deutlich zu sprechen, dass er aber sonst am Set einfach „Jackie-Chan-Englisch“ rede – womit die Chinatown-Variante wohl einen Namen bekommen hätte. Ich verstehe, dass man Arnold und Jackie (als Ausländer) gefragt hat – aber Stallone? Dann doch eher Prochnow. Aber immerhin kann man gut fahren, indem man die vorgestellten Methoden kombiniert. Und weil es mir noch nicht spät genug ist, beginne ich mit dem vierten (und letzten verfügbaren) „Erdsee“ Roman.
[1] Wie man später herausfinden kann, handelt es sich bei dem Kälteeinbruch um eine Fehlfunktion der Terraformungsanlage, und es gibt auch noch eine kleine Herde dieser „Elefanten“. Das Einzeltier hatte sich nur verlaufen und den Rückweg nicht mehr gefunden.
Ich stehe um Zehn auf und lese „Erdsee“. Um 14:00 mache ich mich mit Melanie auf den Weg ins Daiei. In der dortigen Gemeinschaftshalle wird um 15:10 der Film „Nitabô“ gezeigt. Der Anime handelt von einem Shamisen-Meister im 19. Jahrhundert; ich wollte ihn unbedingt sehen und heute ist der letzte Tag.
Wir sind um 14:30 an Ort und Stelle und haben noch ein bisschen Zeit, die wir in der Spieleabteilung verbringen. Melanie spielt ein Spiel, bei dem man auf einer Art Heimtrainer sitzt und mit den Pedalen den Propeller des Fluggerätes antreibt, das man vor sich auf dem Bildschirm sehen kann. Aufgabe des Spielers ist es, riesige Luftballons durch Berührung zum Platzen zu bringen, und natürlich arbeitet man dabei gegen die Zeit. Zwei Mädchen, um die 13 vielleicht, sitzen daneben (sie warten darauf, dass ihre Purikura Fotos ausgedruckt werden) und amüsieren sich darüber. Ihren Kommentaren entnehme ich, dass sie dieses Spiel gerne gespielt haben.
Ich habe Hunger, also gehen wir noch in den Supermarkt im Keller und ich kaufe ein Paket Sandwichbrot.
Es wird schließlich Zeit und wir gehen zur Gemeinschaftshalle. 1300 Yen soll eine Karte kosten. Vorbestellung wäre billiger gewesen. Hier befinden sich vornehmlich Leute über 40 und die Kinder, die mitgebracht wurden, aber wen wundert das? Für die Altersgruppe dazwischen ist Shamisenmusik wahrscheinlich viel zu uncool. Ha, die wissen nicht, was sie verpassen! Ich krame den Geldbeutel heraus. Alle anderen Leute scheinen bereits eine Karte zu haben, also greife ich einen der „Platzanweiser“ heraus und frage ihn, wie wir an eine Karte kämen. Er weist uns zu einem Tisch am Eingang. Er nimmt zwei Karten aus dem Abreißblock und sagt: „Für Sie beide zusammen nur 2000 Yen – ein kleiner Service.“ Oha, dann umso lieber. Da sagen wir nicht nein und bedanken uns dafür. Daijô-san, der die Biografie geschrieben hat, auf der der Film beruht, ist ebenfalls da und erläutert die Handlung kurz. Ein Mitarbeiter der Produktionsfirma sagt ebenfalls ein paar Worte und dankt allen Beteiligten. Ich hätte etwas solches für die Premiere erwartet, aber nicht für die letzte Vorstellung. Mir gefällt die Idee, obwohl ich vielleicht 10 % von dem verstanden habe, was die beiden Herren tatsächlich gesagt haben.
Eine Vorführung dieser Art bleibt natürlich nicht ohne Begegnungen. Zuerst wäre da eine der Familien aus dem „Happy Hippo Club“, genauer die Familie mit den niedlichen Zwillingstöchtern, denen ich die Bezeichnung „otokorashii Dominik“ zu verdanken habe. Die beiden Mädchen kichern, als ich winke. Mikami weist mich bei der Gelegenheit darauf hin, wer noch hier erscheinen wird, aber das dauert noch ein paar Minuten. Zunächst erscheint eine Dame auf dem Stuhl neben mir, die mich auf Englisch anspricht. Sie will mit dem Reden auch gar nicht mehr aufhören, scheint mir, bis sie mir eröffnet, dass sie mich kenne, bzw. mich bereits getroffen habe. Aha? Ich grübele, aber mein Gedächtnis für Gesichter ist schlecht wie eh und je. Ja, sie sei die Lehrerin von der Seiai Oberschule gewesen, die ich damals (am „Judgment Day“) gebeten habe, ein Gruppenfoto der Juroren zu machen (aus dem leider nichts wurde, weil die verdammte Kamera voll war). Dann erst fällt es mir wie Schuppen von den Augen und ich entschuldige mich für mein schwaches Gedächtnis. Schließlich klopft mir die von Mikami angekündigte Yûmiko auf die Schulter. Sie ist mit ihrer Mutter Eiko hier. Ich bin angenehm überrascht, wenn ich das angesichts der Ankündigung noch so sagen kann.
Oh… und der Film ist gut. Vor allem gefällt mir der Soundtrack und Shamisenmusik allgemein gefällt mir immer besser. Tsugaru Shamisen, um genau zu sein – HiroDai verpflichtet. Ich bin sicher, dass auch Oliver was daran haben könnte, und sei es von einem rein spieltechnischen Standpunkt aus betrachtet. Die grafische Qualität ist hervorragend, die Geschichte wird in sehr schönen Bildern erzählt, die nach meinem Empfinden einer Ghibli-Produktion durchaus das Wasser reichen kann. Die Handlung ist auch nicht das, was man „Main Stream“ nennen könnte – es geht um einen blinden Musiker, da ist nicht viel Action zu erwarten. Zuletzt sprechen die dargestellten Personen ein sehr klares, deutliches Japanisch und man versteht sie sehr gut. Zumindest habe ich von den Dialogen deutlich mehr verstanden, als von dem, was die zwei Kommentatoren vor Beginn des Films erläutert haben. Mit anderen Worten: Ich will den Film haben.
Gleich nach der Vorführung kommt Jin Eiko zu mir und fragt, ob ich nicht Lust hätte, mit ihnen ein kleines Konzert zu besuchen, an dem auch Yûtarô mitwirke. Ich überlege zuerst, ob ich das Angebot annehmen soll oder nicht, aber dann frage ich mich, ob ich denn bescheuert sei – was gibt es da zu überlegen? Ja, wir sind dabei. Wir haben wirklich nichts Besseres vor. Unsere Fahrräder sollen wir einfach am Haus der Familie abstellen, von da aus würden wir dann mit dem Auto mitgenommen. Genau das machen wir und erhalten jeder ein Crèpe aus eigener Produktion mit Vanilleeisfüllung als „Reiseproviant“. Besten Dank. Sogar ich muss zugeben, dass das Produkt gut ist. Mein Vater allerdings hätte mich wohl in den Kofferraum gesperrt, wenn ich je versucht hätte, in seinem Auto ein Eis zu essen.
Wir gehen in die Halle, wo Essen verboten ist, also wende ich das „englische Transportverfahren“ auf mein verbliebenes Brot an – ich stopfe es unter meine Jacke.[1] Zur großen Belustigung von Jin Eiko. Wir verpassen nur die ersten Minuten. Es handelt sich auch nicht wirklich um ein „homogenes“ Konzert, sondern um eine Veranstaltung, in der mehrere Gruppen auftreten. Alles Kinder bis 14 Jahre, und gespielt wird auf Keyboards des Sponsors – Yamaha. Gespielt wird unter anderem „Unter dem Meer“ aus dem Disneyfilm „Arielle“, die Star Wars Symphonie (Episode IV), Titel von SMAP, und und und. Das Alter der Interpreten steigt im Laufe der Vorstellung, das heißt, Yûtarô und seine Gruppe spielen als letzte. Und ganz am Ende dürfen alle gemeinsam zur Freude der Eltern noch was singen. Ich beglückwünsche Yûtarô zu seiner Leistung und frage ihn, wie er sich fühle. Er sagt, er habe noch ganz heftiges Herzklopfen.
Und weil der frühe Abend so schön ist, werden wir auch noch zum Essen eingeladen. Wir essen in einem traditionell eingerichteten Haus – ohne Stühle. Als Vorspeise bekommen wir Tempura und frittierte Garnelenschwänze, danach gibt es Sushi, eine Platte für jeden, von denen ich allerdings drei esse, weil Jin Eiko ja bekanntlich auf Grund ihrer Familienvorgeschichte keinen Fisch mehr sehen kann und Melanie bereits satt ist. Das Hauptgericht sind Soba Nudeln, kalt. Zum Nachtisch gibt es Eis – und zwar Soba Eis! Es schmeckt irgendwie auf sanfte Art und Weise nach Nuss.
Um kurz nach Neun fahren wir zum Haus der Familie Jin zurück und von dort aus mit dem Fahrrad nach Hause, trotz des mehrfachen Angebots, mit dem Auto nach Hause gefahren zu werden. Aber es ist ja nun wirklich nicht kalt und wir sind schon des Öfteren nach Anbruch der Dunkelheit unterwegs gewesen. Ich werde morgen eine Mail schreiben, in der ich mich ausführlich bedanken kann.
Zuhause sehen wir noch „Tetsuwan Dash“, eine der Shows der Band TOKIO. Und die haben heute niemand geringeren als Jackie Chan zu Gast. Und das nicht zum ersten Mal, wie ich aus den Gesprächen entnehmen kann. Nebenbei sei erwähnt, dass Jackie Chan in Japan einen größeren Volksauflauf von Autogrammjägern verursacht als die einheimische Band TOKIO, deren Gesichter in Japan doch auch jeder kennt. TOKIO fährt hier natürlich keine gesittete Talkshow – hier wird ein Wettkampf veranstaltet. Aufgabe ist es, ein Souvenir aus Hakone zu besorgen – jeder ein anderes – und an einen vorher festgelegten Ort zu bringen. Mit maximal 3000 Schritten.[2] Dazu erhalten alle Teilnehmer einen Schrittzähler. Jedes öffentliche (!) Fortbewegungsmittel ist erlaubt, mit Ausnahme eines Taxis. Das heißt, die Jungs müssen erst einmal nach Hakone kommen und dort ihr Souvenir finden, indem sie Leute fragen. Um die Beschränkung der Schrittzahl weniger hart zu machen, erhält jeder einen Hartschalenkoffer mit Rädern. Matsuoka hat das Souvenir als erster besorgt, aber er scheitert 2,5 m vor dem Ziel. Jackie kommt als dritter an, aber auch er hat 7,5 m vor der Ziellinie seinen letzten Schritt verbraucht. Jetzt würde ich natürlich gerne den Namen des Siegers nennen, aber ich habe ihn mir nicht gemerkt.
Danach sehe ich noch „Pretty Cure“ und „Zorori“ an, und ich stelle heute den endgültigen Anachronismus jener Welt fest – da gibt es nämlich Automobile und mit Motoren betriebene Luxusliner. Über den mechanischen Drachen der ersten Episode habe ich „hinweggesehen“ und dachte, die moderne Technik sei aus rein humoristischen Gründen eingefügt worden, aber jetzt, wo die damals entführte Prinzessin und ihr Prinz mit einem Chevrolet Cabrio in die Flitterwochen fahren, muss ich die Lage wohl anerkennen. Was nicht heißt, dass ich mir das nicht weiter ansehen werde… Zorori ist immer noch lustig.
[1] Die Bezeichnung geht auf meinen ersten Englandausflug im Schulrahmen anno 1991 zurück. Ohne Rucksack war ich gezwungen, mir gegebene Lunchpakete in meine Jacke zu stopfen. Da viele meiner MitschülerInnen diese Lunchpakete abscheulich fanden, hatte ich immer ein halbes Dutzend davon auf diese Art und Weise bei mir, um sie im Laufe des jeweiligen Tagesausflugs zu verzehren.
[2] Hakone liegt über 80 km südöstlich vom Stadtzentrum von Tokyo entfernt.
Ich ziehe am Morgen meine Schuhe an, um zur Uni zu fahren, und ich sehe, dass ich es nicht mehr viel länger aufschieben kann: Ich brauche neue Schnürsenkel. Es kann sich nur noch um Tage handeln, bis mein rechter Schnürsenkel reißt. Es sei ihm gegönnt, in Rente zu gehen… fünf Jahre sind eine gute Lebensdauer. Vielleicht hätte ich vorsichtshalber die völlig intakten Schnürsenkel meines nicht mehr ganz so intakten Paars Stiefel aus Deutschland mitbringen sollen, für einen solchen Fall… aber dafür ist es zu spät, ich brauche Schnürsenkel jetzt, und die werden wohl nicht die Welt kosten. Ich setze mich auf mein Fahrrad und besuche den 100-Yen-Shop. Aber dort gibt es keine Schnürsenkel. Ich rolle also den Hügel 100 m weit wieder hinunter und gehe ins Sunday Home Center. Aber auch da gibt es keine Schnürsenkel. Eine Angestellte sagt, ich solle in Richtung Westen fahren und das Kaufhaus „Yasuhara“ (offenbar eine Art GLOBUS) aufsuchen, da gebe es sicherlich Schnürsenkel. Ich fahre in die angegebene Richtung und komme beim örtlichen Max Value vorbei. Warum sollte ich nicht auch da fragen? Ich betrete den Supermarkt und bekomme eine kleine Tüte Erdnüsse geschenkt. Aber dieser Supermarkt verkauft Nahrungsmittel und Küchenbedarf, keine Schnürsenkel. Ich verlasse den Laden durch eine andere Tür wieder und bekomme noch eine Tüte Erdnüsse geschenkt.
Ahaaa… aber neben dem Max Value befindet sich ein Schuhladen. Da gibt es garantiert das, was ich suche. Ich gehe also in das Schuhgeschäft und mache der Verkäuferin klar, was ich gerne hätte. Sie zeigt mir ein Sammelsurium von Schnürsenkeln, aber natürlich sind die meisten zu kurz. Sie sagt, auf die Art von Stiefeln, wie ich sie trage, sei ihr Laden nicht ausgelegt. Ich nehme mir dennoch das längste Paar in schwarz heraus, 140 cm lang. Ich weiß nicht, ob das reicht; ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, wie lange Schnürsenkel für den „Kampfschuh, BW“ sein müssen. Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden. Ich kaufe die Schnürsenkel für 340 Yen, entferne den alten und fädele den neuen ein. Die 140 cm reichen genau – und „genau“ heißt, dass ich das Band nicht, wie gewohnt, noch einmal um den Schaft wickeln kann, bevor ich sie zubinde. Aber ich kann sie zubinden und die Schlaufen in die Seite des Stiefels stopfen, damit sie nicht aufgehen. Und das ist auch notwendig, weil es die Schnürsenkel nämlich nur aus Polyester gibt. Das heißt, die Oberfläche des Materials ist so glatt, dass der Knoten sich nicht selbst halten kann; wenn ich die Schlaufen nicht in den Stiefel stopfen würde, hätte ich dauernd offene Schnürsenkel. Wer hat sich diesen Mist bloß ausgedacht? Schnürsenkel, die nicht zuhalten – warum nicht auch Bücher verkaufen, die aus lauter losen Seiten bestehen? Weil es unpraktisch ist! Aber was soll’s… diese Plastikdinger verschaffen mir auf jeden Fall genug Zeit, mir ordentliche Schnürsenkel zu suchen.
Ich fahre zur Uni. Ich habe noch immer Misis Memorystick, also gehe ich ins Center, um ihn möglicherweise zurückgeben zu können, aber der Ungar ist um diese Zeit natürlich noch nicht da. Stattdessen unterhalte ich mich ein bisschen mit BiRei, die immer noch, allein, in den Shimoda Heights I wohnt. Sie wollte, wie Mei, in das Frauenwohnheim umziehen, aber BiRei erhält ein Stipendium und deshalb bleibt ihr das Wohnheim verwehrt. SongMin taucht ebenfalls auf und ich mache endlich ein „offizielles“ Bild von ihr für mein Poster mit den Gesichtern. Ich will auch von Jû eines machen, der plötzlich aus dem Boden gewachsen zu sein scheint, aber er möchte das lieber verschieben, weil er eine Verletzung an der Nase hat und deshalb nach seinem Ermessen wohl zu unschön aussieht. Das existierende Foto, das ich während des Essens im Bunpuku gemacht habe, sei doch gut genug, sagt er. Ich sage, es sei zu dunkel. Ich werde ihn später noch einmal fragen.
Ich verlasse das Center, um in den Computerraum zu gehen und stelle fest, dass in meinem Hinterreifen keine Luft mehr ist. Ich schiebe das Fahrrad also 300 m weit zu „Saitô Bicycle“ und pumpe den Reifen wieder auf. Ich höre kein Geräusch, das mir einen Schaden verraten würde, also war es vielleicht irgendein Scherzkeks, der mir die Luft rausgelassen hat. Ich fahre ans Physikgebäude und die Luft ist immer noch drin.
Ich schreibe vier Berichte. Und dann ist das Internet plötzlich nicht mehr zu erreichen. Ich nutze die „Pause“ und sehe mir die Anime an, die ich letztlich gebrannt habe und die dritte Episode der „Taiho shichau zo!“ Realserie. Ich gelange im Anschluss daran zu der Erkenntnis, dass „Comic Party Revolution“ zwar ganz nett ist, aber auch nicht wirklich interessant, das gleiche gilt für „Android Ana Maico“. Aber „Airmaster“ gefällt mir nach der zweiten Episode schon besser als nach der ersten, also werde ich mir den Rest auch noch besorgen. „Miyuki“ werde ich auf jeden Fall haben wollen – es handelt sich dabei nämlich um die„Miyuki“ Serie, die Anfang der Neunziger auch auf TELE 5 gelaufen ist. Leider war ich damals viel zu ignorant, um die Qualitäten der Serie zu erkennen, bevor TELE 5 den Betrieb eingestellt hat. Es handelt sich, schlicht gesagt, um eine Liebeskomödie um einen Jungen, der ein Mädchen namens Miyuki liebt und eine Schwester mit dem gleichen Namen hat. Ich dachte eigentlich, die Serie hieße „Daburu Miyuki“ („Double Miyuki“), deshalb war ich von dem Titel etwas überrascht.
Zwischendurch kommt Misi hereingeschneit und ich gebe ihm seinen Datenspeicher wieder. Er sieht sich „Airmaster“ und „Mezzo DSA“ an. Bei „Mezzo DSA“ handelt es sich offenbar um das Nachfolgeprodukt von „Mezzo Forte“, mit dem Unterschied, dass „DSA“ ohne… explizite sexuelle Darstellungen auskommt und ich finde das auch ganz gut so. Ansonsten, so scheint mir, ist das gleiche Set an Charakteren vertreten.
Um Acht gehe ich nach Hause. Und ich gehe tatsächlich, weil ich nämlich meinen Hinterreifen platt vorfinde. Also offenbar doch ein Schaden, den ich mir während der „Schnürsenkel Odyssee“ zugezogen habe. Ich werde mir wohl in den nächsten Tagen ein neues, gebrauchtes Fahrrad besorgen müssen. Das hier ist nicht mehr zu retten. Wenn das Fahrrad Schnellspanner hätte, könnte ich kurzerhand den Reifen austauschen, aber ich brauche leider Werkzeug, das ich nicht habe, und die Schrauben sind auch angerostet. Hmpf… die Gangschaltung ist eh hinüber, ich kann nur noch in einem Gang fahren, und das auch nur, weil ich die vordere Zahnradeinstellung mit einer kleinen Metallstange fixiert habe. Außerdem knackt das Rad ganz verdächtig, wenn ich in die Pedale trete. Nein, dieses Stück geht in Rente. Ich lasse es vorerst hier stehen, bis ich es dahin zurückbringe, wo ich es gefunden habe. Um 21:00 läuft „Spy Kids 2“ im Fernsehen, aber ich sehe nicht viel hin, weil ich immer noch „Erdsee“ lese. Erst um 23:15 lege ich das Buch weg – heute läuft die leider vorerst letzte Episode von „Skyhigh 2“.
Ich gehe um 11:00 in den Computerraum, und… ja, das Übliche. Volker hat bereits geantwortet und macht Tamara keine Hoffnung auf ein Praktikum in Japan. Unbezahlte Praktika seien schon extrem schwer zu bekommen, sagt er, und das auch nur mit guten Beziehungen zu den richtigen Stellen – die ich nicht habe.
Es erreicht mich auch eine CD Bestellung im Wert von 150 E. So weit ich das auf die Schnelle feststellen kann, sind alle Titel käuflich zu erwerben, und die 150 E kann ich vorstrecken – die Quelle ist verlässlich. Allerdings wird das meine Pläne, mir eine Gakuran zu besorgen, weiter zurückwerfen (um einen ganzen Monat), da mir das Geld zwar ersetzt wird, das aber auf mein fernes deutsches Konto, das Geld wird mir daher in Japan fehlen. Ich schätze, ich werde das Geld dann für meinen Semesterbeitrag aufwenden, und der hat größere Bedeutung als was zum Anziehen.
Ich schaue mir die erste Episode von „Gunslinger Girl“ an. Der Titel klingt furchtbar, ich dachte zuerst an eine Art Wildwest-Szenario, aber es geht um was Anderes, was in der folgenden Beschreibung wahrscheinlich nicht weniger abschreckend wirkt: Da existiert eine Regierungsorganisation (?) in Italien, die kleine Mädchen, Waisenkinder, möglichst jung und Opfer von Verbrechen oder Unfällen (alle diese Bedingungen müssen zutreffen), für tot erklären und zu Cyborgs umbauen lässt, um sie als Sonderkommandos gegen böse Buben einzusetzen. Weil die Mädchen so harmlos aussehen, sind sie nicht verdächtig und werden vom Feind nicht als gefährlich eingestuft – zumindest so lange, bis sie ihre Sturmgewehre aus dem Geigenkoffer holen und aufräumen. Ich sagte ja, es klingt nicht besonders toll. Die genannte Organisation instrumentalisiert also die Kinder, macht sie zu Maschinen und vergisst dabei die Tatsache, dass es sich dennoch um Kinder handelt. Nur wenige der Trainer, von denen jedes Mädchen einen hat, sehen ein, dass dieses Konzept inakzeptable ethisch-moralische Mängel aufweist und sträuben sich dagegen.
Mehr kann ich derzeit nicht darüber sagen, aber ich würde gerne sehen, wie die Geschichte weitergeht und wohin sie führt. Im Forum wird die Serie jedenfalls hoch gelobt, und das in erster Linie wegen der Storyelemente, nicht wegen des Konzepts „Girls with Guns“. Bis ich damit fertig bin, ist es kurz vor Neun und der Wachmann bittet mich höflich, Schluss zu machen.
Morgens fahre ich ins Book Off, um mich nach bestellten CDs umzusehen. Der Wind ist zeitweise recht kräftig und an vielen Abstellplätzen sieht man reihenweise umgewehte Fahrräder. Ich stelle mein Fahrrad entsprechend sicher auf, aber die Tüte, die die Trockenheit meines Sattels garantieren soll, fliegt während meines Aufenthaltes auf und davon. Ich sollte in Zukunft einen Knoten machen, um zu vermeiden, dass ich die Gegend so mit Müll verunstalte. Immerhin regnet es heute nicht, von daher komme ich ohne Tüte aus, bis ich im Supermarkt die nächste erhalte.
Ich kaufe den „Trigun“ OST „The first Donuts“, „Kenka Banchô“ von Miyamura Yûko und ein „Final Fantasy VII“ Lösungsheft für mich. Zum Verkaufen nehme ich mir ein „Weisskreuz“ Artbook und etwas, das ich zuerst für eine Anthologie von (no hentai) EVA Dôjinshi halte – es wird sich jedoch (nach dem Kauf) herausstellen, dass dieses katalogförmige Buch das Original ist – bis zum Kapitel Nummer 29, heißt das. Der „Shin Seiki Evangelion“ Manga ist nicht abgeschlossen, glaube ich. Warum also bringt jemand eine Anthologie heraus??? Ich bezweifle außerdem, dass ich das Buch je wieder loswerde… aber immerhin habe ich jetzt Gelegenheit, den Manga als Vergleich zum Anime zu lesen. Die Unterschiede fallen ja bereits im ersten Kapitel auf… Für alle anderen bestellten Artikel mache ich erst einmal Notizen darüber, was überhaupt verfügbar ist und werde nachfragen, ob das so genehm sei. Oha, ich sehe da auch einen „Final Fantasy Tactics“ OST herumstehen… aber er kostet 3880 Yen. Nee, lieber nicht. Wenn ich mir je eine Gakuran leisten können will, muss ich eisern sparen.
Ich kehre zur Universität zurück und bleibe bis um Acht. Um etwa 17:00 kommt Misi, setzt sich auf einen Stuhl neben mir, und wird just in diesem Moment vom „York Cultural Center“ angerufen. Man bittet um meine Telefonnummer. Misi drückt mir das Telefon in die Hand und ich versuche, der Dame klar zu machen, dass mein Telefon seit neuestem gar nicht mehr funktioniert und sie mit der Nummer daher überhaupt nichts anfangen könne. Nein, ich kenne die Telefonnummer leider nicht auswendig. Wozu auch? Meine Argumentation stößt auf taube Ohren, oder aber meine Telefon-losigkeit ist derart außerhalb jeder japanischen Vorstellungskraft, dass man meine Aussage darüber schlicht nicht ernst nimmt. Aber gut, ich will nicht so sein. Morgen findet der Unterricht statt, dann bringe ich die Telefonnummer gerne mit. „Hm… in Ordnung. Aber kommen Sie auf jeden Fall und rufen Sie an, wenn irgendwas dazwischenkommen sollte!“ Aber eine Nummer, die ich anrufen kann, für den unwahrscheinlichen Fall, dass mir etwas dazwischenkommt, erhalte ich nicht. Macht nichts, ich könnte Misi danach fragen, aber ich sehe die Notwendigkeit nicht und lasse es sein. Zuhause sehe ich mir die Lektion für morgen an und lese die vorherige und die nachfolgende gleich mit, nur für den Fall, dass es nötig sein sollte. Es könnte ja sein, dass ausnahmsweise einmal jemand Fragen zur letzten Lektion stellt, und es kann auch nicht schaden, wenn ich ansage, um was es in der nachfolgenden geht. Das „York Cultural Center“ liegt übrigens im siebten Stock des Gebäudes, in dem sich auch das Kaufhaus Ito Yôkadô befindet. Man hat von da oben einen netten Ausblick auf die Stadt.
Abends höre ich mir die „Trigun“ CD an… die einzig brauchbaren Lieder sind „H.T.“ und „Kaze wa Mirai ni fuku“, die übrigen sind unbedeutende Hintergrundmusik. Die werde ich nicht behalten. Go, go, Power E-Bay… Die CD von Miyamura Yûko werde ich allerdings behalten. Denn wie ich bereits sagte: Die Frau kann nicht wirklich gut singen, aber ich mag ihre Stimme. Eigentlich paradox.
Das Schaltjahr macht sich bemerkbar. Wie? Indem ich feststelle, dass meine Fünf-Euro-Zwiebel, die sich Digitaluhr nennt, keine Option für das Verstellen des Datums besitzt!
Heute ist Schnee angesagt. Viele kleine und feine Schneeflocken rieseln aus den Wolken, als ich bereits anfing zu hoffen, mit dem Schnee sei es jetzt vorbei. Und morgen soll es nicht besser werden.
Ich verbringe den Tag mit dem Lesen in meinem neuen Buch „Dogs of War“, während Melanie in die Stadt fährt, um allerlei Bastelmaterial zu kaufen – für die bereits erwähnten Papierhemden im Miniformat, die letztendlich die Verzierung eines Papier-Pappe-Rahmens werden sollen. In den Rahmen selbst kann man dann nach Wunsch allerlei Nachrichten einfügen, die dem Besucher an der Tür eine gewisse Ahnung von der Machbarkeit irgendwelcher Ideen für Aktivitäten mit der Person geben sollen, die hinter der Tür wohnt. Melanie bereitet also „Herzlich willkommen“, „Betreten verboten“ oder „Gernots müssen draußen bleiben!“ vor. Das Präsent richtet sich an Ricci, und den Insiderwitz erkläre ich jetzt nicht.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit gehe ich Getränke kaufen und im Anschluss in die Videothek, weil ich „Jin Roh“ ausleihen möchte. Auf halbem Weg dahin, die Einkäufe habe ich bereits hinter mir, kommt mir Melanie entgegen. In der Annahme, ich ginge gerade einkaufen, bittet sie mich, auf sie zu warten und ich schlage vor, dass sie zur Videothek kommen soll, wenn sie ihr Zeug abgelegt hat.
Es gibt natürlich nur eine Version des Videos, das ich haben will – Original ohne Untertitel. Üblicherweise – bei „einfachen“ Filmen, soll das heißen – stört mich das nicht so sehr, weil ich im Notfall anhand von Bildern und/oder Kontext auf die Dialoge schließen kann, aber bei „Jin Roh“ ist das ein bisschen anders. Der Film hat eine gewisse philosophische Tiefe und man muss die Dialoge verstehen, um auf das schließen zu können, was damit gemeint ist. Dennoch nehme ich den Film mit. Ich habe ihn schon einmal gesehen, vor viereinhalb Jahren in Koblenz, um genau zu sein. Ich denke, ich werde mich im Laufe des Films an genügend Sachen erinnern, die mir das Verständnis des Films ermöglichen. Um 22:00 fangen wir an, den Film zu sehen und bringen ihn pünktlich vor dem Datumswechsel wieder zurück.
Zuvor allerdings testen wir die Kopierfähigkeit des Videos – und es geht! Ich bin erstaunt, dass das Videoband über keinen Kopierschutz verfügt. In Deutschland ist das Standard. In Japan gibt es offenbar nur eine relativ geringe Anzahl von kopiergeschützten Videos. Jetzt könnte ich mich hier natürlich zum Dauerkopierer machen, aber ich glaube, ich verzichte darauf. Erstens halte ich das Kopieren von Videos für unangebracht und zweitens bin ich jemand, der Filme kauft, wenn sie gut sind. Gute Filme sind ihr Geld normalerweise wert. Wenn ich einen Film in der Hand halte, und der Preis ist mir zu hoch, dann heißt das entweder, dass ich sparen muss, um den Film zu bekommen, oder aber, dass der Film nicht so gut ist, dass ich die betreffende Summe bezahlen würde. Ganz zu schweigen davon, dass mir das Konzept des Videobandes nicht mehr zusagt.[1] Melanie lässt sich eine eigene Mitgliedskarte machen, und das dauert zwanzig Minuten. In dieser Zeit sehen wir uns die Regale mit den Serien an und versuchen herauszufiltern, was uns gefallen könnte.
[1] Entgegen des Eindrucks, den ich bisher gemacht habe, kaufe ich auch Spiele, Musik und Serien, die mir gefallen, sobald ich das Geld dafür habe.
Wir sehen uns heute eine Episode der Realserie „Good Luck“, zwei Episoden des Anime „Tsuki-hime“, und jeweils vier Episoden der Anime „Prince of Tennis“ und „DNAngel“ an.
Bei „Good Luck“ handelt es sich um eine Realserie, deren Protagonist ein junger Kopilot bei einer japanischen Fluggesellschaft ist. Er sieht gut aus und die Stewardessen bemühen sich um seine Gunst, aber das lässt ihn kalt. Der Rest ist nach einem noch einfacheren Muster gestrickt und ich prophezeie: Am Ende der Serie wird er sich gegen seinen starrsinnigen und überpeniblen Vorgesetzten durchgesetzt, die Pilotenveteranen von seinen Fähigkeiten überzeugt haben, und mit der gut aussehenden Mechanikerin (Shibasaki Kô) zusammenkommen, die ihn gleich zu Beginn heftig angeschnauzt hat. Noch mehr? Ich rate, dass der Vorgesetzte deshalb so penibel ist, weil er einmal leichtsinnig gehandelt hat, wobei wahrscheinlich Menschenleben zumindest gefährdet wurden. Und ich rate weiterhin, dass die Mechanikerin diesen Job deshalb gewählt hat, weil ein ihr nahe stehender Verwandter wegen eines Wartungsfehlers der Bodencrew sein Leben verloren hat. Ich bin davon überzeugt, nicht mehr als eine Episode sehen zu müssen, um das zu wissen. Und das liegt nicht daran, dass ich vielleicht ein helles Köpfchen wäre, sondern daran, dass die Serien alle ein ähnliches Strickmuster haben und Gesten und Bemerkungen immer so schrecklich offensichtlich sind, wenn man ein wenig Erfahrung mit solchen Serien hat. „Good Luck“ interessiert mich nicht. Auch das Charisma eines Takenaka Naoto (Hauptdarsteller in dem bereits ansatzweise beschriebenen Drama „Lion Seinsei“) und die reizende Shibasaki Kô retten die Serie nicht.
„Tsuki-hime“ wird von vielen Leuten gelobt, in alle himmlischen Höhen, zumindest von so ziemlich jedem, der sich im Animetric Forum tummelt (und die Serie auch gesehen hat). Und die Serie ist auch nicht so schrecklich durchsichtig wie die eben erwähnte Realserie (das macht Animeserien im Schnitt besser als Realserien). Aber ich finde „Tsuki-hime“ irgendwie… uninteressant. Ich finde in der Serie keine Charaktere, die ich sympathisch finden kann, und das ist für mich eine wichtige Voraussetzung, wenn es darum geht, zu beschließen, ob ich etwas weiterhin ansehe oder nicht. Die haben alle irgendwelche dunklen Geheimnisse, was an sich nichts Übles ist, aber die Stimmung ist so derart melancholisch, dass mir der Spaß vergeht. Der Held der Geschichte (nennen wir ihn mal so, obwohl er es nicht verdient) hat hin und wieder Aussetzer, in denen er irgendwelche Leute mit seinem (zumindest nicht kleinen) Taschenmesser in Stücke schneidet. Na hurra. Und er sieht irgendwelche Linien… als Kind noch erhält er von einer geheimnisvollen jungen Frau eine Brille, die diese Linien vor seinen Augen verbirgt und ihm ein „normales“ Bild seiner Umgebung vermittelt.
Ich ziehe später Informationen ein und erfahre, dass diese Linien die Schwachstellen physischer Körper darstellen, seien es leblose Gegenstände, Humanoide, Tiere oder Pflanzen. Ich sage deshalb „Humanoide“, weil in dieser Serie Vampire und andere Nicht-Menschen auftreten, die für gewöhnlich nicht gerade leicht zu töten sind. Unser so genannter Held hat den Drang entwickelt, die sich ihm offenbarenden Schwachpunkte physischer Objekte zu zerschneiden, auch wenn es sich dabei um Menschen handelt. Aber er ist sich dieser Taten nicht voll bewusst und wacht morgens auf – die Spuren sind auf geheimnisvolle Art und Weise beseitigt – und hat das Gefühl, einen Albtraum gehabt zu haben. Eines Tages gerät er an einen weiblichen Vampir, den er flugs filettiert, zu ihrem eigenen Erstaunen. Aber sie kommt ja wieder und spricht ihn darauf an, wie er es wohl geschafft haben mag, sie in 17 Einzelteile zu zerlegen (und nennt ihm jedes einzelne Stück Schaschlik). Das Geheimnis wird zu diesem frühen Zeitpunkt natürlich noch nicht gelöst. Jetzt werde ich im Forum garantiert gelöchert, der Serie eine Chance zu geben. Vielleicht tue ich das noch, ir-gend-wann.
Bei „Prince of Tennis“ geht es ganz bestimmt nicht um Fußball. Da folgt ein Match auf das andere, mit irren und utopischen Spezialattacken und Taktiken. Mehr gibt es da nicht. Da wird nur Tennis gespielt, habe ich den Eindruck. Nebenbei gibt es ein paar Minuten sonstiger Handlung pro Folge, wenn nicht gerade ein wichtiges Spiel ansteht, das sich dann schon mal über mehr als eine Episode hinziehen kann. Der aufmerksame Leser fragt sich an dieser Stelle natürlich, warum ich mir dann „Ace o nerae!“ ansehe? Da geht es auch nur um Tennis (wenn auch mit etwas mehr Handlung zwischen Training und Spiel)! Aber einfache Fragen haben einfache Antworten: Man nehme ein Bild von Echizen Ryôma in die eine und ein Bild von Ueto Aya in die andere Hand, betrachte die Bilder sorgfältig und bedenke dabei, dass ich ein männlicher Fernsehzuschauer bin. Da liegt die Antwort wirklich auf der Hand.
Gegen acht Uhr fährt Melanie los um zu sehen, ob das „Ramen auf Rädern“ an seinem Platz vor der Mittelschule steht. Ja, der kleine LKW steht da und wir ziehen los. Leider ist der Wagen zum gegebenen Zeitpunkt gerade besetzt und wir müssen warten, bis die Gäste gegangen sind. Einer ist immer noch drinnen, aber der Platz reicht jetzt auch für uns vier. Wir sitzen dann einige Minuten am Tisch, ohne dass etwas passiert. Da es hier nur ein Gericht gibt, nämlich ganz normale Ramen in Suppe mit Fleisch und Lauch, gehen wir einen Moment davon aus, dass man das Essen nicht extra zu bestellen brauche. Natürlich ist das eine Fehlannahme. Es gibt zwar nur ein Gericht, aber man kann es modifizieren lassen, indem man ein Reisbällchen dazu möchte, oder vielleicht eine doppelte Portion Fleisch. Schließlich durchschaue ich das Procedere, zeige dem Wirt mit dem feschen weißen Handtuch um den Kopf vier Finger und sage „Onegai shimasu!“, worauf die Küche in Bewegung gerät. Ich bin wie üblich sehr zufrieden mit dem Essen, und Melanie ebenso. Über Ricci kann ich keine Aussage machen, aber Ronald schien, untertrieben ausgedrückt, wenig begeistert, weil die Nudelsuppe seines Erachtens etwas fett gewesen sei. Natürlich kann man einwerfen, dass er offenbar nichts gegen fettiges Essen bei „Kentucky Fried Chicken“ habe, aber zu seiner Verteidigung: Das ist eine andere Art von Fettigkeit. Auf der Nudelsuppe hier sieht man große Fettaugen, und die sind nicht jedermanns Sache, gerade bei Rinderfett.
Wir kehren nach Hause zurück und sehen uns die ersten vier Folgen von „DNAngel“ an. Ich würde es eine „Magical-Girl-Serie mit männlicher Hauptrolle“ nennen. Im Grunde genommen sieht man hier das männliche Gegenstück zu „Kamikaze Kaitô Jeanne“. Auch hier verwandelt sich der Held in einen Meisterdieb (genetisches Familienerbe) und er kündigt seine Diebstähle ebenfalls vorher an. Er hat Flügel wie ein Engel (nur halt schwarz) und trickst die in Hundertschaften angetretene Polizeitruppe aus. Dennoch… ich möchte noch mehr davon sehen. Der Soundtrack gefällt mir sehr gut und die Charaktere sind sehr sympathisch. Außerdem habe ich auch von „Kamikaze Kaitô Jeanne“ nicht so schrecklich viel gesehen.
Strahlender Sonnenschein am Morgen durch unsere Balkontür macht das Weiterschlafen unter den sich aufheizenden Bettdecken unmöglich, also stehen wir auf. Es ist Samstag und wir haben „SailorMoon“ aufgenommen, aber wir stellen fest, dass 10 Minuten am Ende fehlen, weil das Band nicht lange genug war. Ich verschwende daher keine Zeit damit, mir den Anfang anzusehen, auch, weil die Bildqualität schreiend schlecht ist. Daher findet sich hier keine Zusammenfassung der Episode. Melanie fasst deswegen den Plan, demnächst einen externen Videorekorder zu leihen, schließlich habe sich Angela ihre Waschmaschine ebenfalls nur geliehen. Aber ich halte das für unrealistisch. Eine Waschmaschine ist ein großes und teures Gerät, dessen Verleih sich lohnen könnte, weil nicht jeder die Mittel hat, sich eine eigene zu kaufen. Ein Videorekorder dagegen ist ein kleines Gerät, das sich jeder, der nicht gerade arm ist, leisten kann.
Wir sehen uns acht Episoden von „Scrapped Princess“ an und ich sehe, dass auch dies eine Serie ist, die ich haben möchte. Das nicht zuletzt deshalb, weil mir die Stimme der Hauptdarstellerin gut gefällt. Es handelt sich um Orikasa Fumiko, die der Mikan aus „Atashin’chi“ schon ihre Stimme leiht – und auch Prinzessin Else in „Zorori“ (und das hat Melanie aus „Zorori“ herausgehört, was mich in arges Erstaunen versetzt hat). Leider sind nur acht Episoden vorrätig, aber Ricci hat die übrigen 16 in Tokyo in sicherer Verwahrung. Was mich sonst an der Serie reizt, ist das Setting, das mich an „Final Fantasy“ erinnert, wie es früher einmal war: Eine reine Fantasy-Welt mit Rittern und Magiern und Barden und all dem romantischen Zeug, hinter der eine vergessene Hochtechnologie steht. Es fallen Begriffe wie „DNA“ und „Programm“ und dergleichen, die dem normalen Einwohner einer solchen Welt natürlich nichts sagen. Aber lustig sind vor allem die Namen. Da heißen Leute u.a. „Mauser“, „Galil“, „Barrett“, „Steyr“ oder „Socom“, und eines der Pferde heißt „Dragunov“. Für die Unwissenden:
Mauser ist eine deutsche Waffenfirma in Oberndorf
Galil ist die Bezeichnung eines israelischen Sturmgewehrs
Barret ist ein Waffenproduzent in den USA
Steyr ist ein Waffenhersteller in Österreich
Socom ist die H&K Mk 23 Pistole, die in den USA hergestellt wird
Dragunov ist ein russisches Scharfschützengewehr
Die Serie handelt von Pacifica, die wohl eine verstoßene Prinzessin ist, die fast jeder gerne tot sehen möchte, weil geweissagt wurde, dass sie das Ende der Welt einläuten werde (oder etwas ähnlich Apokalyptisches). Dabei ist sie ein nettes Mädchen und tut keiner Fliege etwas zu Leide. Wahrscheinlich ist hier eine Verschwörung am Werk, die die wahre Prophezeiung unterschlagen (oder die gegebene falsch interpretiert) hat, weil dadurch ihre Machtbasis untergraben wird… aber das ist nach den ersten acht Episoden noch nicht annähernd klar. Pacifica wird begleitet von zwei sympathischen Militärmagiern, Bruder und Schwester, die für ihre Sicherheit sorgen, und gerade die Schwester hinterlässt in ihrer Fürsorge des Öfteren Trümmer und rauchende Ruinen, wie mir scheint.
Nachdem wir uns dann mehrere Stunden mit den „Humor“ Ordnern unserer Computer vergnügt haben (ich habe meine komplette, wenn auch kleine, Festplatte auf CD-ROM dabei), sehen wir zum Schluss noch „Karakuri Zôshi Ayatsuri Sakon“ – das, was man für gewöhnlich kurz „Ayatsuri Sakon“ nennt.
Heute Morgen also noch eine Stunde bei Yamazaki-sensei… und dieser Gedanke geht mir so langsam durch den Kopf, dass ich jede einzelne Silbe bewusst erfassen und mit Missbilligung strafen kann.
Und wieder einmal sind Melanie und ich die einzigen Anwesenden… zunächst! Nach zehn Minuten kommt Valérie dazu. Und noch einmal 20 Minuten später trifft sogar Chin ein! Das ist der Chinese (Arzt, Mitte 30), der sich bisher um jeden einzelnen Kanji-Test herumgedrückt hat. Hui, vier Leute! Am Schluss bekommen wir unsere Klausuren zurück und mein Pegel liegt bei 60 %. Ein Rekord in diesem Semester (in Bezug auf Japanischklausuren). Natürlich sind 60 % arm – aber wenige Minuten vor dem echten Ferienbeginn will ich darüber nicht weiter nachdenken.
Ich gehe in die Bibliothek und finde gleich drei lange Mails auf einmal vor – von Sebastian, Kai und Kati. Kati schreibt über ihre Ferien, die anderen haben wichtigere Belange. Dann muss Kati leider warten. Ich schreibe selbst noch drei Mails und schon zeigt die Uhr nach Zwei. Ich gehe schnell ins Center und verpacke zwei Bücher, die ich per E-Bay verkauft habe und nach Deutschland schicken will. Dann kommt FanFan ins Center, sieht und begrüßt mich.
Was ich da täte, möchte sie wissen. Ei, ich verpacke Bücher, die ich nach Deutschland schicken will. Ob sie sie mal sehen dürfe? Die Gedanken, die innerhalb einer halben Sekunde in meinem Kopf erwägt wurden, hier in Kürze: Wenn ich ihr verbiete, die Bücher zu sehen, ist das erstens hochgradig verdächtig und zweitens könnte sie beleidigt sein. Wenn ich ihr die Bücher zeige, werde ich ihr ebenfalls in Zukunft verdächtig sein… aber wenn ich offen bin, kann ich meinen Ruf eher wieder hinbiegen, weil sie weiß, woran sie ist. Hm, in Ordnung… aber sie solle nicht erschrecken. Sie tut es trotzdem. Sie nimmt den ersten Band, den sie greifen kann, in die Hand, mit dem Titel „EVA Hot“ und sieht Hoshino Ruri (aus „Nadescio“) in eindeutiger Stellung. Wenige Sekunden später entschwindet sie ohne weiteren Kommentar. Ich packe also weiter ein.
Und als ob FanFan nicht gereicht hätte, kommen als nächstes BiRei und Mei mit fröhlichen Gesichtern auf mich zu. Aha, die nächsten. Das Spiel beginnt von vorn. Was ich denn da täte, möchten sie wissen. Ich denke erst gar nicht und drücke Mei „EVA Hot“ in die Hand. Ein Moment Stille. Aber immerhin laufen die beiden nicht gleich weg. Mei macht Witze über meinen Extraverdienst. Soll sie. Gefällt mir besser als Weglaufen. Die beiden wollen kommenden Monat ins Frauenwohnheim umziehen und ich frage sie, wie es mit einer Umzugsparty wäre. Ja, BiRei zumindest hat nichts dagegen, Mei überhört die Frage und schweigt dazu. Sie blättert lieber in „EVA Hot“ mit dem Bild von Hoshino Ruri drauf. Jetzt mache ich die Witze („Was ist? Hast Du Gefallen daran gefunden?“), aber das prallt von ihr ab wie Wasser von einer gewachsten Karosserie. Ich denke an den Film „Feuerwalze“ mit Chuck Norris (Zitat): „Was wird er schon tun? Er ist Chinese, und Chinesen lächeln…“ Mei tut genau das angesichts meiner Bemerkung. Schließlich bringe ich die Bücher zur Post, und bis ich zuhause bin, ist es schon 14:30. Aber Melanie reagiert darauf gelassener, als ich erwartet hätte.
Unser heutiges Programm besteht aus der zweiten Hälfte der „GTO“ Serie, nur unterbrochen von einem Besuch im „Bunpuku“ Ramen-Laden. Zuletzt sehen wir uns noch eine Episode von „Chrno Crusade“ an. Ja, der Name ist richtig geschrieben. Da fehlt tatsächlich das erste „o“ in der Rômaji Schreibung. Nehmen wir also an, dass es sich um Absicht handelt. Die Serie ist auch ganz hervorragend gezeichnet, gute Arbeit, aber auf eine niedliche Variante von „Warrior Nun Areala“ (nicht totzukriegende Leser der „AnimaniA“ werden das wahrscheinlich kennen) kann ich gut verzichten. Da ist eine junge Nonne mit reichlich reizfreier Unterwäsche, die im New York des Jahres 1928 unter Dämonen aufräumt. Natürlich erfüllt sie alle Klischees, die man so braucht, um eine niedliche Heldin zu basteln. Ich nenne hier nur den klassischen Vorgang „Zu schnell zu viel essen, sich verschlucken, blau anlaufen, sich dreimal auf das Brustbein klopfen, mit Wasser nachspülen“. Ich hab das auch schon probiert (bevor ich blau angelaufen bin allerdings), aber es hat nichts gebracht, mir auf das Brustbein zu schlagen (außer dem üblichen dumpfen Trommelgeräusch). Der Brocken bewegt sich erst, wenn man ihn wegspült. Begleitet wird die Nonne von einem nicht minder niedlichen, (zum Guten übergetretenen?) dämonischen Gehilfen mit der körperlichen Erscheinung eines schätzungsweise 16-jährigen Jungen, dem die Vorgesetzten der Kampfnonne natürlich wenig Vertrauen entgegenbringen. Ich bin sicher, dass er noch eine zwiespältige Rolle spielen und am Schluss an der Vernichtung des Bösen großen Anteil haben wird. Der Inhalt offenbart sich dem Erfahrenen also eigentlich bereits nach der ersten Episode. Die restliche Handlung ist mir zu offensichtlich… mir reicht eine Episode.
Die Nonne heißt übrigens, ja, tatsächlich, „Rosette“. Natürlich ist mir bewusst, dass es sich dabei um ein architektonisches Merkmal gotischer Kirchen handelt (dieses grob runde Fenster an der Frontseite heißt im kunsthistorischen Fachjargon so) und dass ihr Name höchstwahrscheinlich deshalb ausgesucht wurde – von einem arglosen Japaner, der die populärste Bedeutung des Begriffs wahrscheinlich nicht kennt. Dennoch finde ich das Wort als Namen für eine Frau reichlich unpassend. „Uhura“ ist als Frauenname richtig harmlos dagegen.
Um 08:50 bin ich wach genug, um aufzustehen, nachdem mich bereits einige Zeit vorher ein lautes Donnergrollen unwiderruflich aus dem Schlaf gerissen hat. Dann kann ich ja meinen Tagebucheintrag über den gestrigen Tag nachholen. Etwa um 12:30 gehe ich mit Ronald zur Bibliothek. Aber… die ist zu! Dicht! Verschlossen! Warum? In mir dämmert der Verdacht, dass die Bibliothek während der Semesterferien an Wochenenden nicht öffnet. Das wäre ja mal was… denn es bedeutet, dass mir zwei Siebtel der zum Schreiben verfügbaren Zeit flöten gehen. Ich werde in 100 Jahren nicht mit meinem Tagebuch fertig. Dabei wollte ich mich darum bemühen, möglichst nur zwei oder drei Tage hinterher zu hängen. Schon wieder zerschellt ein Plan an der Realität. Natürlich wäre es einfacher, lediglich eine Wochenzusammenfassung zu schreiben… aber das entspräche nicht dem, was ich selbst haben will. Ich werde einfach schreiben, wenn ich Zeit dazu habe.
Wir gehen also wieder zurück und gehen auch in den Supermarkt. Ich brauche Boco, Melanie und Ricci brauchen Milch, Ronald braucht Pepsi Light. Aber die ist ausverkauft – das Getränk ist derzeit „Angebot des Monats“ für 157 Yen (ca. 1,20 E) pro Flasche. Kein Wunder, dass da gehamstert wird.
Das abendliche Fernsehprogramm besteht aus „Gravitation“ und „Hana yori Dango“, letzteres nicht in der Animeversion. Wenn ich das richtig sehe, handelt es sich hierbei um die taiwanesische Live-Action Variante mit dem Titel „Meteor Garden“. Wie dem auch sei, ich hasse diese Serie und alle ihre Charaktere bereits nach zwei Episoden, und ich muss mir schwer überlegen, ob ich den Versuch wagen soll, mir die Animeserie anzusehen. Ich weiß nicht, ob meine Meinung nur auf den Charakteren beruht, oder ob ich die Schauspieler noch zusätzlich unsympathisch finde. Ich mag ihre Hackfressen nicht. Außerdem habe ich von Haus aus was gegen Feindseligkeiten und Intrigen in der Schule oder sonst wo, vor allem dann, wenn reiche Jugendliche auf diese Art und Weise ihr Reich-Sein ausleben.
Während Melanie zum Einkaufen weg ist, führe ich Ricci und Ronald die erste Episode von „Bôbobo“ vor – mit dem erwarteten Ergebnis… aber es diente nach diesem taiwanesischen TV-Müll meiner eigenen Entspannung.
Heute ist Freitag und wir müssen wieder früh raus, weil Ogasawara-sensei eine Nachholstunde angesetzt hat. Wir sollen die Klausuren vom Wochenanfang zurückbekommen. Und, hurra, ich komme auf 58 %. Kein Grund zum Feiern, aber immerhin ist das besser als das letzte Mal. Außerdem sind heute nur vier Leute anwesend: Die Lehrerin selbst, die Chinesin Chong, Melanie und ich. Wie es scheint, werden Sondertermine gerne von mindestens zwei Dritteln des Kurses „vergessen“. Und zur Entspannung spielen wir im Anschluss ein Spiel, für das wir per Zufall kleine Papierzettel zugewiesen bekommen, auf denen Begriffe stehen, die wir erklären sollen, während der Rest der Anwesenden raten soll, was wir da erklären. Ich erkläre „Zahnbürste“, „Zahnpasta“, „Tageszeitung“ und „Mikrowelle“.[1]
Nach dem Unterricht arbeite ich die notwendigste Post ab, bringe ein Buch zu derselben und gehe dann nach Hause. Wir sehen uns im Laufe des Tages noch mehr Episoden an, darunter weitere Teile von „Fumoffu!“. Die Rugby-Episode muss der absolute Höhepunkt sein, weil ich mir keine Steigerung mehr vorstellen kann. Ich leide Schmerzen und weine Tränen vor Lachen.
Des Weiteren sehen wir Teile von „Ayatsuri Sakon“, wo es um einen Puppenspieler und seine Marionette geht, die „zusammen“ Kriminalfälle lösen. Ob der Puppenspieler, Sakon, einfach nur eine glatt gespaltene Persönlichkeit oder ob die Puppe, Ukon, ein Eigenleben hat, ist mir nicht klar geworden.[2] Auf jeden Fall verfährt auch diese Serie nach dem Prinzip, den Zuschauer völlig im Dunkeln zu lassen, was die Aufklärung betrifft und den Protagonisten am Ende einen aufklärenden Monolog führen zu lassen, was ich persönlich bedauere. Man erhält als Zuschauer keine Gelegenheit, sich selbst fundierte Gedanken zu machen, es erleichtert lediglich die Arbeit der Drehbuchautoren (da sie am Ende behaupten können, was immer sie wollen). Aber ansonsten ist die Serie empfehlenswert, die Zeichenqualität ist hervorragend und die Stimmung ist sehr passend inszeniert, zum Teil sehr düster, um genau zu sein. Zuletzt sehen wir ein paar Episoden der „Gravitation“ TV-Serie an. Der doch als homoerotisch zu bezeichnende Inhalt ist nicht ganz mein Ding, aber die Charaktere sind zum Teil sehr sympathisch und lustig. Ich würde damit keinen Platz in meinem kleinen Regal verschwenden wollen, aber anschauen hat sich auf jeden Fall gelohnt.
[1] Die ersten beiden Begriffe kann ich leicht umschreiben, weil ich mir Details aus dem Werbefernsehen gemerkt habe.
[2] „Ukon“ und „Sakon“ sind übrigens die Bezeichnungen der beiden Bäume, die rechts bzw. links vom Eingang des Kaiserpalastes in Kyoto stehen.
Die letzte Klausur des Semesters erwartet uns. Sie kommt mir besser zu bewältigen vor als die vorherige, aber… warum ist es bloß immer das letzte Drittel einer Arbeit, das meinen Karren in den Dreck schieben muss?
Danach findet heute kein Unterricht mehr statt. Aber noch ist das Semester nicht vorbei. Wir haben noch eine Stunde bei Ogasawara-sensei vor uns, morgen. Ich sehe nach meiner Post und in „mein“ Forum, aber viel steht nicht an, also bin ich zeitig wieder daheim. Entsprechend der Tatsache, dass jetzt vier Leute in unserem Apartment wohnen, muss öfters Wäsche gewaschen werden, das heißt: Heute, jetzt sofort, und morgen gleich wieder.
Am Nachmittag fahren wir mit dem üblichen Bus zum Ito Yôkadô, steigen dort in den 100-Yen-Bus um und fahren zum „Cub Center“, einem „GLOBUS“ ähnlichen Verbrauchermarkt, das sich fast genau gegenüber vom Book Off befindet. Es schneit wieder stark, und der Schnee ist nass. Die Bürgersteige neben der Hauptstraße sind nicht geräumt und wir müssen uns auf kleinen Trampelpfaden fortbewegen, die nicht nur glatt, sondern zum Teil auch noch sehr abenteuerlich mit Eistrümmern „verziert“ sind, die vom Räumdienst von der Straße entfernt wurden. Man kommt sich vor wie in den Bergen! Und das ist ausnahmsweise kein Lob an die Landschaft.
Was die anderen drei im Book Off kaufen, habe ich mir nicht gemerkt, ich jedenfalls nehme die CD „Fuwari“ von Hayashibara Megumi mit, und das für 750 Yen. Billiger werde ich sie kaum bekommen. Zwischendurch muss ich aber auch kurz in das nebenan befindliche Restaurant eilen, um eine Toilette aufzusuchen… Boco ist da fast so gut wie Pfirsich-Eistee von Solevita! Danach suche ich für Freunde nach dem Hörspiel zur Manga-Reihe „Skip Beat!“ und nach dem Album „ID“ von Aikawa Nanase. Leider sind die Titel nicht verfügbar. Es sind aber noch zwei oder drei Läden übrig, in denen ich nach gebrauchten CDs fragen kann. Wir verlassen den Laden erst bei Anbruch der Dunkelheit und kehren nach Hause zurück.
Wir fangen an, die Serien, die Ricci mitgebracht hat, anzusehen, und die erste Nummer ist „Full Metal Panic – Fumoffu!“. Ich lache mir einen Ast und bin bemüht, nicht vom Stuhl zu fallen. Hinterher tut mir der Kopf weh vor Lachen. „Full Metal Panic“ war schon eine hervorragende Serie mit Humoreinlagen, die meinen Geschmack ziemlich genau trafen, nicht zuletzt, weil ich Teile meiner Persönlichkeit in der männlichen Hauptfigur Sagara Sôsuke wiedererkenne. „Fumoffu!“ ist eine Art Zugabe. Es geht dabei nicht darum, irgendeine Handlung aus der ursprünglichen Serie weiterzuführen, oder etwa eine eigene, neue, auf die Beine zu stellen. Die paar Episoden sind locker zusammengemischt und der rote Faden fehlt ihnen. Es geht wohl nur darum, das Verhältnis von Sôsuke und Chidori weiter auszuschmücken und den übertriebenen, militärisch-rationalen Unsinn von Sôsuke noch stärker zu betonen. Man könnte die „Fumoffu!“ Episoden wahrscheinlich ganz unauffällig in die Hauptserie einfügen, ohne dass es einem Uneingeweihten auffallen würde.
Wir sehen uns dann abends „Ace o nerae“ an, was, wie ich vermutet habe, von unserem Besuch natürlich nicht mit allzu viel Ernst betrachtet wird. Das wäre auch fehl am Platze, auch wenn die Serie möglicherweise durchaus ernst gemeint ist. Aber der Schmalz darin reizt doch immer wieder zu zwanglosen Kommentaren. Von „Doll House“ können wir nur noch die letzte halbe Stunde sehen, weil sich die Sendezeit aufgrund des Fußballspiels Japan-Malaysia verschoben hat.
Über Nacht hat es 10 cm Neuschnee gegeben und der Himmel am Morgen ist strahlend blau. Die Aussicht aus der Balkontür ist sehr schön, aber ich muss davon ausgehen, dass es knochig kalt ist. Der erste Schritt vor die Haustür bestätigt diesen Verdacht. Und natürlich ist es glatt. Also vorsichtig gehen.
Yamazaki-sensei arbeitet heute mit uns Übungsblätter durch, nachdem wir gestern mit dem Lehrbuch fertig geworden sind. Ich hätte mir gewünscht, dass er vielleicht die wichtigsten Inhalte noch einmal wiederholt, angesichts der Klausur kommende Woche. Mit Anteilen aus der ersten Semesterhälfte, aber mit Schwerpunkt auf der zweiten, sagt er. Das kann ja heiter werden.
Die Endphase des Semesters beginnt dann heute mit der ersten Abschlussarbeit, der Kultur-Klausur. Ich empfinde sie als nicht wirklich schwer, aber Essay-Aufgaben waren noch nie mein Ding, weil ich nie sicher bin, ob ich den Punkt auch treffe. Hinzu kommt, dass ich eigentlich zu gut gelaunt bin. Das ist mir verdächtig, weil ich mir den Zustand nicht erklären kann. Vielleicht ein Ausdruck von Nervosität. Einige meiner Formulierungen lassen sogar ein gewisses Maß an Ironie erkennen. Aber schließlich geht es unter anderem um die Verbreitung des Christentums in Japan – wie könnte ich da ernst bleiben? Ich schreibe abschließend einen Vermerk darunter, in dem ich Sawada-sensei bitte, doch auch meinen Stil zu kommentieren. Es sind noch zwei Minuten bis zum Schlussgong. Ich nutze damit die Zeit und den Raum (eine Doppelstunde und zwei Seiten Papier im Format A3) optimal aus, ohne Eile, aber auch ohne zu wissen, ob das nun gut oder schlecht war.
Nach der Arbeit mache ich einen elektronischen Abstecher ins Forum von Animetric.com. Bis heute habe ich 16 Episoden der irren Serie „Oruchûban Ebichû“ gesammelt, und hier finde ich den Hinweis, dass es insgesamt 27 davon gibt. Oder „geben soll“. Na hurra. Ich habe keine Idee, wo ich den Rest auch noch herbekommen könnte. Elf der Episoden sind also offenbar nie von den FanSub Teams bearbeitet worden… eigentlich schade. Immerhin handele es sich dabei, so ist da zu lesen, um eine Reihe von einzelnen Episoden, die untereinander nur einen lockeren Zusammenhang haben und nicht wirklich auf eine Art Ende hinzuarbeiten scheinen. Also werde ich vorerst damit leben können.
Ich verständige mich anschließend schriftlich mit Ricci, um ihr, wie auch Melanie, mitzuteilen, was sie alles für die Dauer ihres Besuchs bitte mitbringen soll. In erster Linie geht es dabei um TV-Serien, aber ich möchte auch Zugriff auf die Unzahl ihrer Musiktitel (4000?) erhalten, die sich auf ihrer Festplatte befinden.
Am späten Nachmittag sehe ich eher zufällig meine verehrte Tutorin wieder, die sich dafür entschuldigt, den letzten Termin vergessen zu haben. Aber so ernst nehme ich diesen Zwischenfall nun wirklich nicht, da ich inzwischen alleine ausgetüftelt habe, wie das mit dem Bankautomaten funktioniert. Ich hoffe nur, mir das alles bis zum nächsten Mal merken zu können.
Die morgige Klausur verhindert leider, dass ich den TV-Abend voll nutzen kann. Bis auf „Mujin Wakusei Survive!“ („Überleben auf einem unbewohnten Planeten!“) muss alles aufgenommen werden. Und ich finde es übertrieben, die Serie so zu nennen, weil sich die Handlung lediglich auf einer kleiner Insel abspielt, die offenbar mitten in einem riesigen Ozean liegt. Und die Insel ist so klein, dass die gestrandeten Kinder sie zu Fuß binnen eines Tages von Süden nach Norden durchqueren können, inklusive Klettertour.
Ich muss noch ein paar Fakten über die hiesige Kultur auswendig lernen, um in der kommenden Klausur auch etwas präsentieren zu können, also gehe ich nicht in die Bibliothek. Außerdem muss auch hier noch was getan werden. Das übliche Wäschewaschen gehört dazu.
Wir haben am Morgen ein paar Animeserien aufgenommen, die uns nichts sagten, um mal zu sehen, was davon zu halten ist. Da wäre „Tantei Gakuen Q“, also „Detektivschule Q“. Die Grafik ist gut – wirklich. Aber meines Erachtens handelt es sich dabei um einen „Meitantei (Detektiv) Conan“ Klon: Ein Team von Schülern löst Kriminalfälle, hin und wieder muss auch eine/r von ihnen gerettet werden und gegen Schluss hält der Anführer einen ewig langen Monolog, in dem er die Tat herleitet, das Warum und Weshalb und vor allem auch das Wie, und wie man dem bösen Täter denn nun auf die Schliche gekommen sei. Das muss nicht sein. Außerdem läuft die Serie ja bereits seit einer Weile und es macht wenig Sinn, sich in die laufende Handlung zu schalten. Obwohl ich eher annehme, dass die Reihenfolge der Episoden völlig unwichtig und die Folgen so in sich geschlossen sind, dass alles, was man verpasst haben kann, die Vorstellung der Charaktere gewesen sein dürfte.
Und was ist das hier… „Duel Masters“? Der Name verheißt schon nichts Gutes. Und siehe da, wie ich mir dachte geht es um – tadaa! – Duelle mit Spielkarten! Eine Merchandisingserie für Jungs, die darauf abzielt, ein Kartenspiel zu vermarkten. Als ob es davon nicht bereits genug gäbe. Das Original war schon Schrott.
Aber es gibt auch eine neue Serie für Mädchen: „Futari wa Purikyua“ heißt sie. „Purikyua“ ist japanisch kurz für (engl.) „pretty cure“, also „hübsche Heilung“. „Futari“ sagt aus, dass es sich um zwei Personen handelt. Und die Serie sprüht vor Originalität! Oh Himmel… hier wurde das Genre „Mahô Shôjo“ („Magical Girls“, also weibliche Helden, die sich verwandeln und die Welt retten) mit „Yû Gi Ô“ verschmolzen. Wir haben hier zwei Mädchen, die eine intelligent und analytisch, die andere sportlich und impulsiv, die sich mit Hilfe von Karten – ja: schon wieder Karten! – in Kämpferinnen für das Gute verwandeln, indem sie diese durch ein Lesegerät ziehen, das sie immer mit sich führen. Die Verwandlungssequenz der beiden ist fast zwei Minuten lang – und sie läuft jedes Mal! Böse Dämonen fahren in technische Gegenstände, saugen Leuten Energie ab und die beiden Mädels machen sie wieder ’putt. Alles wie gehabt. Aber die Bösen haben einen gewissen Coolnessfaktor, weswegen ich mir das Programm zumindest sporadisch ansehen werde. Außerdem geht der Regisseur die Angelegenheit ein wenig parodistisch an, warum also nicht. Natürlich rollt die Werbung gleich von Anfang an mit, und man kann die Karten und Lesegeräte mit den passenden Gürteltaschen kaufen. Wenn man die Karten einliest, erscheint auf dem Display ein eher sinnfreier Text, der wohl eine Art Tagesmotto ausgeben soll.[1]
Mein persönlicher Lichtblick ist „Kaiketsu Zorori“. Das Titellied gefällt mir. Es wird nie in den Top 100 landen, und es wird vom Sprecher Zororis (das ist der Name des Protagonisten) selbst gesungen. Wenn ich den Namen im Abspann richtig lese, handelt es sich bei dieser Person um keinen geringeren als Yamadera Kôichi! Nicht-Eingeweihte kennen den natürlich nicht, und das ist ja auch in Ordnung. Animefans müssten zumindest ins Grübeln gekommen sein, aber Liebhaber der Serie „Cowboy Bebop“ müssen sich in Grund und Boden schämen, wenn sie den Mann nicht vom Namen her kennen: Yamadera Kôichi ist die Stimme von Spike Spiegel. Wenn ich mir jetzt vorstelle, wie Spike „Hassuru! Hassuru!“ singt, muss ich schon fast lachen.
Na, wie dem auch sei. „Kaiketsu Zorori“ ist recht offensichtlich für Kinder gemacht, mit Tiercharakteren. Das Setting ist – wie soll ich sagen? – „romantisiert euro-japanisch“. Man stelle sich also mal einen rollenden Nudelsuppenverkäufer in Rothenburg o.d.T. vor, wie er eine Holzkarre mit Töpfen und japanischer Aufschrift auf den Marktplatz stellt. Natürlich ist das Ganze in der fantastischen Welt der Märchen und Sagen angesiedelt. Es gibt Könige und Prinzessinnen, Ritter und Drachen, Magier und umherziehende Abenteurer. Zorori, der Held, ist ein solcher. Er ist ein Fuchs, und diese Metapher sagt im Westen und im Osten etwa das gleiche aus. Er freundet sich mit den Kindern Ishishi und Noshishi (der Japanologe kann anhand dieser Namen erraten, dass es sich bei den beiden um Wildschweine = „Inoshishi“ handelt) an, indem er die bereits erwähnte Rollkarre mit den Suppentöpfen klaut und im Schweinsgalopp aus der Stadt verschwindet, um sich zusammen mit den beiden Brüdern den Bauch vollzuschlagen. Er trägt in dieser sehr europäisch anmutenden Welt ein Ronin-Kostüm mit japanischem Strohhut, Umhang und Strohsandalen, wie man das von wandernden, herrenlosen Samurai quaasi gewohnt ist. Aber wenn er sich als Held in Szene setzen will, dann reißt er sich das in einem Ruck vom Leib und erscheint als Zorro, mit spanischem Hut, Augenmaske, Umhang und Degen. Beim Saltosprung vom Balkon verschätzt er sich in der Höhe aber auch schon mal um zwei Meter. Einer der wenigen Helden, die beim Angeben auf die Schnauze fallen. Ich mag ihn.
Natürlich drängt es ihn nach Reichtum, Macht und hübschen Frauen, und er tut so einiges, um das zu erreichen. So bastelt er z.B. einen mechanischen Drachen (man beachte das Setting!), den er mit seinen beiden neu gefundenen Schülern steuert, um eine Prinzessin zu entführen. Er will dann als Retter auftreten, die Prinzessin heiraten und das halbe Königreich als Belohnung erhalten, wie es ja Brauch gewesen zu sein scheint. Den eigentlichen Ritter lässt er von den verkleideten Ferkeln mit irgendwelchen toll aussehenden, aber völlig nutzlosen Gegenständen ausrüsten und eignet sich dessen Rüstung selbst an, bevor… bevor er den Ritter mit… mit einem riesigen Reisbällchen überrollen lassen will. Ich lache mich schief. Natürlich schlägt sein Plan fehl, womit er sich in die Reihe der sympathischen Antihelden neben dem Kater Sylvester und dem genialen Kojoten einreihen dürfte. Auch hiervon gibt es sofort Merchandising – „Zorori“ Schlafanzüge!
[1] Pretty Cure wurde eine meiner Lieblingsserien, oder genauer: Die erste und die zweite Staffel, in denen Honoka und Nagisa die Hauptrollen sind. Pretty Cure wurde allerdings auch ein nie endendes Medienmonster – es kommt etwa jedes Jahr eine neue Staffel heraus, in der Regel mit neuen Protagonistinnen, die sich alle im gleichen Handlungsuniversum aufhalten, weswegen es mehrere „All Stars“ Filme zur Serie gibt, in denen alle bisherigen magischen Mädchen gleichzeitig auftreten. Zu meiner Überraschung gibt auch „Otona PreCure“ Staffeln, in denen die Protagonistinnen eben keine Schülerinnen, sondern erwachsene junge Frauen sind. Leider finde ich keine Gelegenheit, etwas davon zu sehen.
Minako gibt sich endlich als SailorVenus zu erkennen (wenn auch nur Rei gegenüber), und sie hat die übelste Verwandlungssequenz von allen! Da hat jemand bei der Planung ein bisschen übertrieben. Ein bisschen viel Pathos schwingt da mit. Außerdem sieht ihr Gesicht im Profil nicht sonderlich gut aus. Gut, das Gesicht sieht auch von vorne nicht wirklich überzeugend aus. Minako sieht offenbar ständig bekifft aus. Sogar Ami sieht besser aus, wenn auch bürgerlich-braver. Ich will Venus immerhin zu Gute halten, dass sie für die Rolle die richtige Ausstrahlung hat. Zumindest nach meinem Empfinden, will ich vorsichtig ergänzen. Hm… Minako kniet wirklich sehr inbrünstig vor dem Altar. Aber Japaner denken sich ja wenig bei Religion – es kann ja nicht schaden, noch ein paar weitere Gottheiten mit zu verehren. Leider hat der Christengott da eine Ausschlussklausel… egal. Wie es der Zufall will, liegt Reis Mutter just auf dem kleinen Friedhof vor der Kirchentür – daher die spätere Enthüllung, weil Rei ja zufällig zur rechten Zeit am rechten Ort erscheint.
Ich werde endlich mit meinem Bericht über den 31.12.2003 fertig – was war das für ein Kampf! Ich habe an dem Tag wohl wirklich genug für eine ganze Woche erlebt.
Am Nachmittag gehen wir ins Ito Yôkadô, weil ich den „Bôbobo“ Soundtrack kaufen will. „Shiawase“ von Money Lover finde ich, aber „Wild Challenger“ von JINDOU bleibt verschollen. Ja, der sei gerade ausverkauft. Ich solle einfach nächste Woche noch einmal vorbeikommen, am Montag komme die nächste Lieferung. Melanie kauft den Soundtrack von „Ô-oku“. Das ist die Bezeichnung für den innersten Teil des Palastes des Shôguns, wo die Frauen wohnen. „Oku“ heißt „innen“ und deswegen nennt man Ehefrauen allgemein auch „Oku-san“ – das ist eben die Person, die im Haus ist, bzw. bleibt. Der Soundtrack ist ganz nett, aber ich finde ihn irgendwie unpassend. Das Hauptthema wird mit Akkordeon gespielt und hört sich mehr an wie aus einem Drama um eine Pariser Theatertruppe.
Derzeit scheinen „Tom & Jerry“ auf einem Höhenflug in Japan zu sein. DVD und VHS Sammlungen werden angeboten, und es läuft sogar ein „endloses“ Band vor der Multimedia-Abteilung. Ich bleibe gerne stehen und sehe ein bisschen zu. Ich stelle fest, dass auch in Japan gewisse Stellen synchronisiert wurden, aber zum Glück wurde auf einen Hintergrundsprecher verzichtet. Spike, der Hund, und Nibbles, die kleine Maus, haben auch im Originalton Text und der wurde natürlich japanisch vertont. Leider wurden auch verschiedene Lautäußerungen neu vertont, und das finde ich weniger reizend. Seltsamerweise aber nicht alle, also bin ich mir nicht sicher, was das Studio sich dabei gedacht hat. Auf jeden Fall freue ich mich sehr, dass die „Tom & Jerry“ Cartoons endlich käuflich zu erwerben sind. Ich habe schon lange darauf gewartet. So ungefähr… knapp 20 Jahre. Jetzt bleibt natürlich zu hoffen, dass das nicht auf Japan beschränkt bleibt.
Nachdem wir bei den CDs fertig sind, landen wir eher zufällig in der Manga-Abteilung, weil ich eine „Bôbobo“ Büste dort gesehen habe. Der Manga liegt komplett zum Verkauf aus. Ich kaufe mal Band 1. Die Serie ist von 2001, wie ich im Innenteil lese… und dies hier ist die 17. Auflage? Wow, scheint sich gut verkauft zu haben – sonst gäbe es wohl auch den Anime nicht.
Wir gehen ins „Skylark“ zum Essen. Es ist nicht ganz so gut wie das „Saizeriya“ in Tokyo, aber ich bin zufrieden, auch mit den Preisen. Die Pizza schmeckt, sie hat 25 cm Durchmesser und man bekommt sie für umgerechnet etwa 3,60 E. In Japan ist das ein sehr entspannender Preis. Ich probiere auch einen Hamburger. Er ist besser als bei McDonald’s und größer. Aber ich stelle dennoch fest, dass Hamburger einfach nicht etwas sind, was ich öfters essen will. Bemerkung am Rande: „Hamburger“ sind in Japan generell das, was sie auch überall auf der Welt sind, aber es gibt auch etwas, das nennt sich „Hamburg“ – dabei handelt es sich um Hackbraten!
Der „Bôbobo“ Manga erweist sich als lustig und vor allem als anfängerfreundlich. Alle Kanji sind mit ihren Lesungen versehen, so dass man nicht erst suchen muss, wie man den Krempel liest, bevor man zum Verständnis der Bedeutung schreiten kann. Außerdem sind Kanji in Manga allgemein auch oft genug so klein, dass das ungeübte Auge nur einen Farbklecks oder chaotische Linien sieht. Ganz zu schweigen von den Eigenkreationen mancher Autoren. Ich glaube, ich werde mir irgendwann die ganze Reihe kaufen – das sind 11 Bände. „Irgendwann“ bedeutet allerdings, dass es nicht mehr während meines diesjährigen Aufenthaltes sein wird.[1]
[1] Dies geschah aber nie und ich habe im Laufe der Jahre auch das Interesse verloren.
Wegen der Schneemassen, die heute Morgen vom Himmel fallen, wird der Gang zur Uni wieder zur Rutschpartie, aber im Gegensatz zu Melanie schaffe ich es, ohne Bodenkontakt anzukommen.
Der Unterricht läuft wie immer vor sich hin und in unserem Buddhismus-Seminar erfahren wir, dass es eine Abschlussklausur und eine Hausarbeit geben wird. Aber Prof. Philips sagt, dass ihm zwei bis drei gründlich durchdachte Seiten völlig genügen würden. Das ist doch was… denn wenn ich meine Kommentare zusammenfasse, die ich in den letzten Wochen über das Thema niedergeschrieben habe, kann ich damit schon ein kleines Buch füllen, und den Rest kann ich dann noch mit der Beschreibung der grundlegenden Begriffe auffüllen. Ich glaube, ich lasse die Lebensdaten von Siddharta Gautama und meine Kommentare zu seinem Leben einfach weg, dann passt das schon. Meine einzige Sorge ist wieder der Schluss der Arbeit. Ich muss ja zu einer Art Schlussfolgerung kommen, oder überhaupt eine Art Schlusskommentar verfassen. Aber da fällt mir wohl schon noch was ein.
Wegen technischer Grundsatzfragen besuche ich Philips nach dem Unterricht in seinem Büro und schaffe es tatsächlich, zwei Stunden zu bleiben. Allerdings muss ich zugeben, dass ich das „Betriebsverhältnis“ etwas geölt habe. Philips redet gerne über Afrika, er kommt eher früher als später auf dieses Thema und ich muss nur eine oder zwei Fragen stellen, um Geschichten aus Nigeria zu hören und seine Homepage vorgeführt zu bekommen, auf der man unter anderem eine Bildergalerie vorfindet. Auf diesen Bildern sieht man einen wesentlich jüngeren Prof. Philips, mit Farbe im Haar und ohne Bürobauch, auf seiner Expedition in Westafrika. Ich muss allerdings kein Interesse an der Geschichte und den Kulturen Afrikas heucheln, falls das jemand meint. Ich interessiere mich tatsächlich, wenn auch relativ oberflächlich, für diese Dinge.
Außerdem war er in der Lage, mir ein afrikanisches Restaurant zu empfehlen, für das ich noch nicht einmal nach Tokyo fahren muss. Das Restaurant befindet sich in Akita, und man serviert dort – ich höre die Witze bis nach Japan – äthiopische Küche. Jetzt kann ich äthiopische Küche natürlich überhaupt nicht von nigerianischer unterscheiden (von der ich nur weiß, dass sie sehr fleischhaltig sein soll, wie mein nigerianischer Bekannter Bede sagt), aber ich möchte es mir nicht entgehen lassen, afrikanisch zu essen. Mal sehen, wann ich nach Akita komme.
Danach gehe ich in die Bibliothek, sehe nach meiner Post und schreibe an meiner Hausarbeit. Das Animetric Forum versorge ich mit einer Sammlung von japanischen Zähleinheitsbegriffen, und bei E-Bay werden zwei weitere Artikel eingestellt.
Ich komme relativ spät nach Hause und natürlich habe ich beim Einkaufen wieder die Mandarinen vergessen. Trotz des daher „akuten Vitaminmangels“ genieße ich das Essen, das Melanie gekocht hat. Fleischröllchen mit… Füllung. Fast eine Art Roulade. Leider erweisen sich die Pilze in der Füllung als ein wenig zäh… man kann sie natürlich essen, allerdings ich glaube nicht, dass es geplant ist, dass man die Dinger beim ersten Bissen komplett mit rauszieht. Aber der Gesamtgeschmack ist sehr gut. Das möchte ich noch einmal essen. Ich habe allerdings keine Ahnung, was man mit diesen Pilzen machen muss, damit man sie auf Anhieb abbeißen kann.
Wir können uns endlich… nein: Ich kann mir endlich die Bôbobo Episode von der letzten Woche ansehen (Melanie bekommt davon eher innere Blutungen), und die Serie erweist sich weiterhin als unterhaltsamer Nonsens – schon beinahe Nihilismus. In der Serie wird dauernd gekämpft (nach einem Muster, wie man es in DragonBall schon gesehen haben mag: der Held zieht von einem Gegner zum nächsten), aber die Figuren machen so viel Unsinn nebenher, dass überhaupt keine Spannung darüber aufkommt, wie denn der Kampf ausgehen könnte. Man vergisst ihn beinahe vollkommen. Aber Bôbobo hat für mich andere Qualitäten, es ist gerade das Chaos in der Handlung (Handlung?), das den Reiz für mich ausmacht. Hey, und morgen erscheint der offizielle Soundtrack! Das heißt, das Titel- und das Endlied, natürlich auf getrennten Singles für jeweils 1000 Yen. Dann muss ich ja bei nächster Gelegenheit gleich mal einkaufen gehen.
Heute lacht die Sonne wieder, und damit beginnt die sechste Schneeschmelze des laufenden Winters. Wegen der Schneefälle in letzter Zeit gibt es auch einiges zu schippen, und die Leute kippen den geräumten Schnee für gewöhnlich in die kleinen Bäche, die sich offen durch das gesamte Stadtgebiet ziehen. Anderswo hätte man diese Bäche wohl zubetoniert und unterirdisch laufen lassen, aber nicht hier im Norden. Die Einschnitte finden im Winter ihren wahren Verwendungszweck als Schneeendlager. Zum Teil sind die Vertiefungen gar nicht mehr zu erkennen. Im Gegenteil: Wo sich vor kurzem noch der Bach entlang schlängelte, und das etwa einen Meter unterhalb der Straße, befindet sich jetzt eine Hügelkette aus Schnee, etwa zwei Meter hoch.
Am Abend wird ein so genanntes „Special“ der Serie „Mujin Wakusei Survive“ gesendet („Überleben auf einem unbewohnten Planeten“), was ich mir aufnehmen lasse. Als ich aber endlich nach Hause komme und das Band laufen lasse, stelle ich fest, dass es sich dabei um einen dieser unnötigen Rückblicke, eine Zusammenfassung der vergangenen Episoden, also lediglich um „Szenenrecycling“, handelt. Ich habe das bisherige Geschehen noch ganz gut im Kopf, also wäre es reine Zeitverschwendung, mir das anzusehen. Abgehakt. Aber zu meiner großen Freude wird die Animeserie „Montana“ in den kommenden Wochen wiederholt. Natsukashii! Der volle Titel der Serie lautet übrigens „Bôken Kôkû Gaisha Montana“, übersetzt etwa „Abenteuerfluggesellschaft Montana“. Wobei „Montana“ der Vorname des Protagonisten ist. Ein Abenteurer mit Hut und Lederjacke. Und sein Vetter heißt Henry. Ein Archäologe mit Hut und Lederjacke. Und „Jones“ ist ihr Familienname.
… bei genauerer Überlegung und unter Zuhilfenahme meines bisherigen Tagebuchs fällt mir ein, dass ich im vergangenen Oktober bereits davon berichtet habe, dass „Montana“ hier im Fernsehen läuft.
Melanie kauft im Sunday Home Center eine weitere Pfanne. Erstens brauchen wir eine (je nachdem, was wir essen wollen) und zweitens sind die Dinger gerade im Angebot, für etwa die Hälfte des Originalpreises. Und wir brauchen die Pfanne auch aus dem gleichen Grund, aus dem wir auch die ausklappbare Matratze kaufen, die ebenfalls dieser Tage im Preis reduziert sind: Wir werden demnächst Besuch bekommen, und es soll ja niemand auf den Reisstrohmatten schlafen müssen.
Heute läuft, endlich nach der Neujahrsunterbrechung, die erste SailorMoon Episode des neuen Jahres. Und das Jahr fängt gar nicht gut an. Meine Hoffnungen, die Serie könnte in großem Stil Eigenleben entwickeln, zerschlagen sich weitgehend. Ja, Kunzyte hat Usagi/SailorMoon zwar mit einem Yôma „infiziert“ und im Anschluss sogar vom Krankenbett entführt, aber statt mal so richtig Amok zu laufen, ihre Senshi aufzumischen oder sonstiges Unheil zu stiften, liegt sie im Negaversum einfach nur rum – schlafend auf einer Art Steinbett. Merkur kommt zwar, sie zu retten, bald gefolgt von den übrigen Senshi und Tuxedo Kamen, aber Usagi heilt sich im Prinzip selbst. Bäh, wie einfallslos. Ich fühlte mich ein bisschen an die Geschichte von Rasputin erinnert, dem man genug Gift ins Essen getan hatte, um damit zehn Elefanten niederzustrecken, der aber darauf nur herzhaft rülpsen musste – es ist anzunehmen, dass sein ständiger Alkoholmissbrauch ihn quasi gerettet hat. Aber gut, Usagi rülpst nicht. Sie macht die Augen auf, gähnt, und ist wieder bester Dinge, als sei nichts geschehen. Kunzytes Gesicht war einfach toll.
Venus hat sich noch immer nicht zu der Truppe bequemt und so langsam frage ich mich, welche dramatischen Ereignisse sie dazu bewegen könnten, sich den anderen so richtig anzuschließen. Ich fürchte: Es wird der Endkampf sein. Komatsu Ayaka scheint die leichteste Rolle zu haben, gemessen an ihrer Bildschirmpräsenz. Aber dafür rennt sie auch rum, als hätte sie an der Uhu-Tube geschnüffelt. Mit abgestreckten Armen, als sei sie der Meinung, fliegen zu können, wenn sie schnell genug läuft. Es ist jedes Mal aufs Neue lustig.
Ich bin müde, also schlafe ich weiter, bis 12:00. Vorher war da kein Wachwerden.
Ich will in der Bibliothek aber auch noch mindestens einen Bericht schreiben, also mache ich mich baldigst mit Melanie zusammen auf den Weg. Das heutige Wetter muss ich als „warm“ bezeichnen. Man spürt die Sonne richtig auf der Haut. Nach 500 Metern verstaue ich Schal und Handschuhe wieder im Rucksack, weil ich merke, dass es sonst nicht mehr lange dauern wird, bis ich in Schweiß ausbreche. Ja, wo ist er denn, der harte Hirosaki-Winter, der angeblich Mitte November anfangen und bis Mitte März andauern soll? Wo sind die unglaublichen Minustemperaturen, die man mir prophezeit hat? Wo sind die Berge von Schnee? Bis jetzt haben sich Frost, Schnee und Eis noch nicht länger als drei Tage am Stück halten können. Und die angekündigten „zwei bis sechs Meter Schnee“ habe ich bis dato nur in Form von Abraumhalden gesehen. Ich erinnere mich an härtere Winter in Deutschland. Ich gehe derzeit davon aus, dass der Winter in Hirosaki generell nicht härter ist als in Deutschland, dass aber diese Legende von Leuten, die möglicherweise nicht sonderlich winterfest sind, mehr oder minder absichtlich gepflegt und von Generation zu Generation weitergegeben wird. Vor zwanzig Jahren sei der Winter viel härter gewesen, heißt es, unter anderem von Professor Vesterhoven. Ja, das ist mir klar. Vor zwanzig Jahren war auch Winter in Deutschland noch richtiger Winter. Was interessiert mich die Wetterlage in Japan von anno 1983/84? Ich bin jetzt da. Ich wollte hier mal einen richtig extrem verschneiten, sibirisch kalten Winter erleben und werde bisher herb enttäuscht.
Enttäuscht bin ich auch von der Bibliothek. Die nutzt nämlich den Feiertag am Montag, um übers Wochenende Urlaub zu machen. Also wieder kein Bericht heute. Wir gehen stattdessen in die Stadt. Dort gibt es einen Laden, wo man gegen Entgelt eine oder mehrere Stunden im Internet surfen kann. Ein Internetcafé möchte ich es nicht nennen. Es ist ein Laden, der gebrauchte Manga, CDs und sogar Schallplatten verkauft und zwei Quadratmeter für Internetnutzer frei gemacht hat. Im hintersten Eckchen von dem Laden kann man auch Videospiele spielen und, wie sollte es anders sein, Sammelkarten tauschen oder die entsprechenden Kartenspiele spielen. Der Preis für eine Stunde Internet liegt bei 200 Yen, also etwa 1,50 E. Und man bekommt ein Getränk umsonst dazu. Ich erinnere mich, dass Mitte der Neunziger Jahre eine halbe Stunde im Karstadt (Saarbrücken) mal 5 DM gekostet hat, ohne irgendwelchen Service. Melanie kauft eine Stunde und erlaubt mir, schnell meine Post durchzugehen. Den Rest der Zeit verbringe ich damit, den Laden nach brauchbarem Material zu durchsuchen.
Das Angebot an CDs von Tomoyasu Hotei (er hat sowohl den Antagonisten in „Samurai Fiction“ als auch den dazu gehörenden Soundtrack gespielt) und TWO MIX gefällt mir, aber was mir nicht gefällt, sind die Preise. Aber ich kaufe zwei Soundtracks von „Yû Yû Hakusho“, in erster Linie, weil Ogata Megumi mit von der Partie ist und in zweiter Linie, weil man die bestimmt auch wieder mit Gewinn verkaufen kann. 900 Yen pro CD sind annehmbar als Einkaufspreis. Hm… aber bei dem Zustand der Plastikhülle hätte ich das gleiche Produkt im Book Off wahrscheinlich für die Hälfte bekommen. Da wäre zum einen „Karaoke Battle Royal“ und „Music Battle 2“. Die Karaoke CD ist ein Doppelpack. Auf der ersten CD befinden sich die Originallieder, auf der zweiten CD die Instrumentalversionen. Das Booklet präsentiert alle Songtexte, die Titel sogar in lateinischer Umschrift. Leider stellt sich am Abend heraus, dass beide Produkte nicht genug zu bieten haben, als dass ich sie behalten wollte, also werden sie für den Verkauf vorgemerkt.[1]
Der Laden hat aber, wie ich feststelle, wirklich altes Material. Ich sehe in einer Ecke Kartonstapel und Ausstellungsmodelle von „Sega Saturn“, „Super NES“, alte GameBoys aus der ersten Produktionsreihe (1989) und „Playstation“ Konsolen, daneben ebenso altes Zubehör – zum Beispiel die Bazooka für das Super NES, von der ich bisher angenommen hatte, ihre Existenz sei nur ein Gerücht.
Es gibt also auch GameBoys und Gameboy Pocket Modelle. Hm… jetzt habe ich bereits seit Monaten das „SailorMoon R“ Spiel in meiner Schublade rumliegen und möchte es ausprobieren… aber die Color GameBoys sind mir zu teuer, die alten sind mir zu schlecht (und sie brauchen vier Batterien) und für die Pocket GameBoys brauche ich spezielle, kleinere Batterien – also verwerfe ich den Gedanken wieder.
Schließlich finde ich auch Artbooks, aber das Angebot ist schwach, und der Zustand ist fragwürdig. Zuletzt gibt es hier eine ganze Wand mit alten Schallplatten und LDs, und gerade Schallplatten sind etwas, das jemand, der jünger als 20 Jahre ist, bestenfalls noch vom Hörensagen kennt, wenn er nicht mal beim Aufräumen des Dachbodens zufällig auf eine verstaubte Kiste der Eltern oder Großeltern gestoßen ist. Aber die Titel, die hier herumliegen, sagen mir alle nichts, obwohl die Mehrzahl nicht japanischen Ursprungs ist.
Weil sonst nichts mehr da ist, sehe ich mir die alten Manga eben auch noch an. Und ich werde nach wenigen Sekunden fündig. Ich finde einen SailorMoon Anime-Manga. Also nicht einen Band der ursprünglichen Manga, sondern einen Band der Veröffentlichung, die die Geschichte anhand von Bildern aus der Animeserie nacherzählt, mit Sprechblasen und so. Und wie es der Zufall will, handelt es sich um einen ganz besonderen Band. „Besonders“ deshalb, weil er mir etwas über die Originalfassung verrät, was ich schon lange habe wissen wollen. Es handelt sich um Band #8, und das Kapitel, bzw. die Episode, behandelt den Tod von Zoisyte. In der deutschen Version der Serie nun sagt er im Angesicht des Todes an dieser Stelle: „Kunzyte… lass mich in Schönheit sterben…“, worauf Kunzyte die Illusion einer Blumenwiese mit rieselnden Rosenblättern erzeugt, um ihm den Wunsch zu erfüllen.[2]
So (ha!), jetzt gibt es in der japanischen Version natürlich auch diese Blumen und die Blütenblätter, aber Zoisyte sagt: „Kunzyte-sama… anata no Ude no naka ni shinitai…“ Für alle die, die des Japanischen nicht mächtig sind: „Verehrter Kunzyte… ich möchte in Deinen Armen sterben…“ Man beachte den feinen Unterschied. Die Blumen waren also nur nettes Beiwerk und Kunzytes höchsteigene Idee. Ich sehe aber von einem Kauf ab. So wichtig ist es nun auch wieder nicht, und es reicht mir, zu wissen, was ich wissen wollte.
Wir gehen schließlich wieder. Und es hat wieder zu schneien begonnen. Mal sehen, wie lange es diesmal hält. Es schneit nicht einmal eine Stunde lang, und obwohl es in manchen Augenblicken ziemlich kräftig vom Himmel schneit, reicht der Schneefall nicht einmal aus, um als Verzierung für die freigeschmolzenen Stellen zu dienen. Auf dem Rückweg nach Nakano gehe ich ins kleine Naisu Dô und kaufe die HK MP5. Sie hält von nahem betrachtet, wirklich nicht viel her, aber eigentlich will ich, sobald das Wetter es zulässt, nur ein paar Bilder davon machen und sie dann verkaufen. Wohl kaum nach Deutschland. Den Einkauf der Getränke will ich auf später verschieben, vor allem, weil ich jetzt ein relativ großes Paket mit mir rumschleppe. Nicht schwer, aber sperrig. Und was würden Kunden und Belegschaft wohl davon halten, wenn ich mit einer Maschinenpistole im Gepäck in den Supermarkt marschiere?
Zuhause stopfe ich eine dreifache Portion Reis in mich hinein und sehe mir „Sazae-san“, „Crayon Shin-chan“ und natürlich „Bobobôbo Bôbobo“ an. Ich bewundere immer wieder die Eigenschaft dieser Serie, einen Aufbau wie „DragonBall“ zu haben (die Gruppe kämpft sich von einem Gegner zum nächsten), aber nicht einen Moment lang eine Art Spannung aufkommen zu lassen, wie man sie von dieser Art von Geschichte eigentlich erwarten sollte. Bôbobo und Donpachi machen im Angesicht ihrer Gegner so viel Unsinn, dass man völlig vergisst, dass da eigentlich gerade ein Kampf stattfindet, oder eher „stattfinden sollte“. Diese Kämpfe gehen ganz schnell vonstatten, ohne einen Zweifel daran zu lassen, wer am Ende gewinnen wird – nämlich der Nasenhaarfighter Bôbobo.
Um etwa 21:00 gehe ich dann einkaufen und kehre danach vor den Fernseher zurück. Ich bin mir allmählich ganz sicher, dass Azama Miyû, die die Rolle der SailorJupiter bekommen hat, Werbung für ADSL-Flatrate Internetanschlüsse macht. Für den Werbeclip hat man ihr, warum auch immer, einen Schnurrbart in ihr hübsches Gesicht geklebt, und ich habe eigentlich kein Talent dafür, mir Gesichter zu merken. Aber die Stimme aus der Werbung versichert mir mehr und mehr, dass sie es sein muss. Jetzt frage ich mich natürlich, was Azama Miyû bereits so bekannt gemacht hat, dass sie in der Werbung gelandet ist. Japanische Werbung baut sehr auf bekannten Gesichtern aus Film und Fernsehen auf. Ich glaube kaum, dass ihre „unglaubliche“ Leistung in der Werbung ihr genügend Referenzen verschafft haben, um in der SailorMoon Serie eine der Hauptrollen zu spielen. Oder umgekehrt. Ihre offizielle Homepage ist leider nicht erreichbar (seit Wochen), also kann ich über den bisherigen Verlauf ihrer Karriere keine Aussage machen.
[1] Kein Mensch wollte das kaufen, YûYû Hakusho ist zu unbekannt.
Und wieder hat es über Nacht geschneit. Und es schneit am Morgen auch gleich weiter. Die Sichtweite beträgt, großzügig geschätzt, etwa 100 Meter. Ich schreibe heute zwei Berichte, weil am 14. und 15. Dezember nicht schrecklich viel los war, und die Einträge für den 16. und 17. Dezember dürften, wenn überhaupt, nicht viel länger werden. Ich gehe auch noch mal ins Center, um die Umschläge der Bücher einzuscannen, die ich verkaufen will. Darunter befindet sich ein Dôjinshi der Animeserie „Tsukihime“, mit dem eindeutig deutschen Titel „Freude“. Auf dem Cover werden ein paar Zeilen aus der „Ode an die Freude“ zitiert. Allein deswegen habe ich den Band gekauft. Erst nachher war mir klar geworden, dass das eine Dummheit gewesen sein dürfte, weil in Deutschland niemand jemals etwas von Tsukihime gehört haben dürfte. Ich hatte es auch nicht, bis ich im „Mandarake“ in Tokyo ein Poster zu Gesicht bekommen hatte, vor drei Wochen etwa. Das mir natürlich nichts über den Inhalt verraten hat. Aber die deutsche Aufschrift auf dem Cover war eben auffällig, und das Cover sah auch sehr dezent aus. Der Inhalt war weniger dezent und sah aus, als würde es sich um eine Reihe von Bleistiftskizzen handeln. Also weg damit… Aber die „Ode an die Freude“ auf einem Hentai Manga anzubringen empfinde sogar ich als pure Blasphemie.
Misi ist natürlich auch an diesem Tag nicht weit und erkundigt sich bei mir, wie E-Bay denn so funktioniere. Ich erkläre es ihm und er ist interessiert. Er sagt, dass es jedoch keine ungarische „Abteilung“ von E-Bay gebe, und ich habe keine Ahnung, wie man es in diesem Fall anstellt, irgendetwas per E-Bay nach Ungarn zu verkaufen. Erst einige Stunden später komme ich auf den Gedanken, dass er ja mit E-Bay.com international handeln kann. Es ist ja vollkommen egal, wohin man sein Zeug verkauft, Hauptsache, man verdient Geld damit und gerät nicht aufgrund von irgendwelchen Zollgesetzen in Schwierigkeiten. Ich glaube auch, dass man zumindest als Verkäufer kein Plastikgeld haben muss. Ich werde das auch im eigenen Interesse mal prüfen.
Zurück in der Bibliothek meldet mir das System, dass ich noch 82 Seiten Papier ausdrucken könne und dass mein Nutzerprofil mit 1,28 Gigabyte zu groß sei – ich solle mich bitte auf 300 MB beschränken. Ja, das ist kein Problem, ich kann meine Musik auch von der CD runter anhören. Also lösche ich die Musik und lande so bei knapp 100 MB, was eigentlich nur meine Worddateien und der WinAmpPlayer ist, hinzu kommen noch ein paar Bilder, aber das ist alles.
Während des ganzen Tages schneit es munter weiter, bis auf ein paar wenige Momente, in denen die Wolken offenbar kurz Luft holen, bevor sie die nächste kalte Ladung rauspusten. Bis zum Abend liegen 20 cm Neuschnee in der Landschaft herum. Melanie freut sich natürlich über den Schnee, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er den Weg nach und von zu Hause gefährlich macht. Auf der Hauptstraße hat sich ein Eispanzer von 2 cm Dicke gebildet, knochenharter, festgefahrener und spiegelglatter Schnee.
Am Abend sehen wir uns eine weitere der in diesen Tagen startenden Serien an. Hier geht es um eine junge und natürlich reichlich unkonventionelle Anwältin, die von den Ryûkyû Inseln (Okinawa und dergleichen) nach Tokyo kommt, um das Erbe ihres Vaters anzutreten. Hm, aber was heißt jung… dem Aussehen nach zu urteilen dürfte die gute Frau schon ein Stück über Dreißig sein, und wenn sie dem japanischen Durchschnitt folgt, dann ist sie noch einmal knapp zehn Jahre älter als sie aussieht.[1] Eine der Hauptrollen ist ein Richter, der wohl ein Freund ihres Vaters war. Itô Shirô heißt der Schauspieler, und er hat bereits in der Serie „Taiho shichau zo!“ („You’re under Arrest“) den Chef des Polizeireviers Bokutô gespielt. Wie es scheint, ist seine Rolle hier ganz ähnlich, vielleicht ein bisschen weniger trottelig. Ich werde die Serie weiterhin ansehen. Sie scheint nicht schlecht zu sein, und etwas juristisches Vokabular kann ja nicht schaden. Wenn jemand einer Brutalität meinerseits zum „Higaisha“[2] fällt, dann bin ich ein „Hannin“[3]. Wenn ich mich erwischen lasse, brauche ich einen „Bengoshi“[4], der aber nicht viel machen kann, wenn es einen „Shônin“[5] gibt.
Kurz nach zehn kommt SangSu vorbei und teilt uns mit, dass es wegen Jûs Umzug eine kleine Feier geben werde. Ah ja, Jû verlässt uns hier ebenfalls in den Shimoda Heights II und zieht in ein kleineres (und daher billigeres) Apartment in den Shimoda Heights I, wo ja auch Misi, Paula, Irena, Valerie, Mei und BiRei wohnen. So sei es denn. Allerdings habe ich bei dem mehr oder minder chaotischen Wortschwall, den SangSu da ablässt, den Verdacht, dass er uns gleich bitten möchte, diese Feierlichkeit bei uns abhalten zu können. Warum auch immer, aber Melanie vermutet das gleiche, bis er dann damit rausrückt, dass die Party bei ihm stattfinden wird. Seine seltsame Argumentation kommt daher, dass er der Meinung ist, dass es bei ihm zu kalt sein dürfte, weil seine Heizung nicht funktioniere. Sie gehe aus und an, wie es dem Gerät beliebe.
Ich sehe mir den Ofen an, und Melanie begleitet uns. Es handelt sich um das gleiche Modell wie unserer, und stelle zuerst fest, dass das Ding auf Styroporblocks gelagert ist. Das heißt, dass bei der leisesten Bewegung sofort der Erdbebenfühler des Geräts reagiert und den Ofen abschaltet. Aber man kann den Ofen auch nicht einfach von den Blöcken herunterheben, weil das Verbindungsrohr, das die Abgase vom Ofen in den Kamin führt, dann nicht lang genug ist! Welcher Idiot hat denn das verbrochen? Des weiteren ist das Thermometer des Ofens kaputt. Es zeigt eine konstante Temperatur von 9 Grad Celsius an, auch als der Raum bereits auf schätzungsweise 25 Grad aufgewärmt ist. Man muss den Ofen also manuell bedienen. „Dauerheizen“ drücken, bis es warm genug ist und abschalten, bis es wieder kühl wird.
Und weil SangSu ein unterhaltsamer (und wohl anhänglicher) Mensch ist, zeigt er uns noch eine Reihe von zum Teil eingescannten Familien- und Privatfotos seit Anfang der Achtziger Jahre, inklusive der Fotos, die er während seines Wehrdienstes gemacht hat. Gegen Mitternacht treibt es mich dann allerdings doch so langsam ins Bett und wir verabschieden uns. Bevor ich allerdings in sanften Schlummer versinken kann, muss ich noch meine Kanjiliste für den nächsten Test fertig schreiben.
[1] Die Darstellerin Takashima Reiko ist Jahrgang 1964, also 40 Jahre alt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung.
Wir stehen um 09:10 auf, weil wir von Familie Jin zum Mittagessen eingeladen worden sind. Zumindest hieß es, um 12:00 sollten wir da sein. Für einen Saarländer klingt das nach Mittagessen. Auf der Straße liegt Schnee, nachdem es gestern Abend zu schneien begonnen hat. Es ist nicht sehr viel, eine dünne, aber geschlossene Schneedecke, und auf jeden Fall genug, um zu Fuß gehen zu müssen. Eine Fahrt mit dem Fahrrad will ich nicht riskieren. Wir müssten also um 11:15 spätestens aufbrechen.
Bis dahin kann ich noch in den „Fushigi no Umi no Nadia“ OST reinhören, den ich gestern gekauft habe. Ich stelle fest, dass man drei Vierteln des Soundtracks anhört, dass die Serie eine GAINAX Produktion ist, das heißt, man hört, dass die Nadia-Musik die Vorstufe zum „Evangelion“ Soundtrack ist, und zwar ganz deutlich. Das ist schade, aber kein Grund für mich, enttäuscht zu sein. Der größte Teil vom Rest besteht aus wirklich brauchbaren Gesangsstücken, obwohl auch darunter welche sind, denen man entweder die „Evangelion“ Verwandtschaft anhört, oder aber, dass die Musik zu den besten „SailorMoon“ Zeiten, also Ende der Achtziger bis Anfang der Neunziger, geschrieben wurde. Gleiche Instrumente, demnach sehr ähnliche Klangelemente, und nur die Melodie unterscheidet sich wirklich von der „Vorlage“. Und natürlich ist die Sängerin eine andere. Aber in den allergrößten Teil der Titel muss ich nur wenige Sekunden hineinhorchen, um zu wissen, dass ich keine Überraschungen erleben werde. Die Unterschiede zum EVA OST sind dafür zu minimal. Ich frage mich ernsthaft, ob ich die CDs behalten soll… im Prinzip könnte ich zwei davon verkaufen.
Wir gehen zeitig los und sind pünktlich bei den Jins, die das Essen in den „alten“ Teil des Hauses verlegt haben, wo wir in einer Räumlichkeit von der Größe von 12 Matten Platz nehmen. Sushanan ist nicht da, und man teilt mir mit, dass ihr „Termin“ erst am 12.01. sei. Die Großeltern sind bedauerlicherweise ebenfalls nicht mit von der Partie, aber ich frage nicht weiter nach. Es wird einiges geboten. Da wäre zum Beispiel ein Topf Oden, dessen Inhalt noch besser schmeckt als der, den ich bei Prof. Fuhrt gegessen habe. Daneben gibt es auch Sushi zum selber rollen. Aber ich bin nicht ganz sicher, ob der Begriff „Sushi“ hier angebracht ist, da bei dem Begriff jeder gleich an kleine Reisröllchen mit Algenumwicklung und eine irgendwie geartete Kernfüllung denkt. Es sind mehr als die üblichen Zutaten vorhanden, darunter Gurken, Krabben, Fischwurst, Schinken, Fischstreifen, usw., aber sie werden in die Nori wie in eine Tüte eingerollt und so mit der Hand gegessen. Und das Ganze hätte auch bequem doppelt so viele Leute satt gemacht.
Während des Essens erfahre ich, dass Jin Eiko (die Gastmutter) keine Fischprodukte mag. Auch solche Japaner soll es geben. Warum dieses? Sie kommt aus einem Dorf bei Hachinohe an der Ostküste von Aomori-ken und ist die Tochter eines… Fischers. Sie wurde in ihrer Kindheit so sehr mit Fisch gefüttert, dass sie keinen mehr sehen kann. Jin Yûtaka (der Vater) macht währenddessen Fotos von dem Ereignis, das ich nicht fotografieren kann, weil meine Kamera voll ist und ich mein Übertragungskabel bei Ronald in Tokyo habe liegen lassen. Dazu macht er auch kurze Videos mit der gleichen Kamera, die er mir via E-Mail zusenden will. Er sagt, er sei Arzt mit Schwerpunkt Nuklearmedizin (Radiologe). Und weil er Nukleartechnik so interessant findet, hat er vor einigen Jahren einmal die Gelegenheit genutzt, ein Atomkraftwerk in der Normandie zu besichtigen, wohl zusammen mit einer Gruppe von entsprechenden anderen Wissenschaftlern. Er findet diese Kraftwerke generell interessant, während ich für ein solches Interesse wenig Verständnis habe. In Deutschland sind AKW nicht sehr beliebt.
Zum Nachtisch, und da musste ich doch ein wenig lachen, gab es eine Tasse Instantkaffee, den das Ehepaar von einem „Ausflug“ nach Korea über Weihnachten mitgebracht hat, in den Milch und Zucker schon eingearbeitet sind. Weiterhin gibt es eine Reihe von japanischen Süßigkeiten, die man zu Neujahr serviert, die so richtig chemisch aussehen, und meiner Meinung nach auch ebenso schmecken. Hm, ja… ich habe schon besseren Kaffee getrunken. Und die Süßigkeiten… ich belasse es bei der Probierportion. Aber ich muss mich im Ablegen meiner diesbezüglichen Ehrlichkeit noch etwas üben. Ich sage, es schmecke „interessant“. Es fällt mir schwer, Dinge zu loben, die nicht meinen Geschmack treffen.
Yûmiko hat offenbar Interesse an einer Vortragsform namens „Rakugo“ gefunden. Oder sie ist daran „interessiert worden“. Ich sagte ja bereits, dass sie einen Sprachfehler hat, und Marc erzählt mir später, dass Rakugo in Japan derzeit ein geschätztes Mittel sei, Sprachfehler auszubügeln und deutliches Sprechen zu lernen. Angeblich machen das viele Kinder und auch Leute vom Fernsehen, die mit Sprechen ihre Brötchen verdienen. Hm, dann würde ich dem lispelnden Nachrichtensprecher von NHK eine solche Kur empfehlen. Warum auch immer Yûmiko zum Rakugo gekommen ist, sie hat in bester japanischer Manier zwei kurze Episoden auswendig gelernt und trägt sie uns vor. Als (noch) Laie bin ich mir nicht sicher, warum diese Vortragsart deutliches Sprechen erleichtern soll, denn wie es scheint, besteht eine Kür daraus, möglichst schnell einen Text herunterzurattern, der voller Wort- und Lautspiele ist und sich daher wohl nur dem Muttersprachler voll eröffnet. Ich verstehe gerade mal 10 % der gesagten Begriffe, verstehe keinerlei Zusammenhänge und weiß auch nach der „übersetzten“ Darlegung des Inhalts immer noch nicht so recht, was ich da eigentlich gerade gehört habe und was daran eigentlich lustig ist. Aber es war eine sehr beeindruckende Darstellung von schnellem Sprechen wie von einem japanischen Eddie Murphy. Yûtarô hält sich wie üblich mit der Interaktion zurück, erscheint mir heute aber wesentlich entspannter als sonst. Immerhin beteiligt er sich an den Gesprächen, und macht nebenher allerlei Unsinn mit seiner Schwester, die Gefallen daran findet, sich von ihm huckepack durch den Raum tragen zu lassen.
Während die Kinder, Melanie und Mutter Eiko bereits zum Spielen übergehen, esse ich noch ein bisschen weiter. Von daher kann ich das Kartenspiel nicht wirklich gut erklären. Auf den Rückseiten der Karten steht jeweils ein Gedicht. Einer der Spieler liest es vor und die übrigen Spieler müssen offenbar die Karte finden, auf der das erste Silbenzeichen des Gedichtes aufgedruckt wurde. Wer am Ende die meisten hat, gewinnt. Aber all das sehe ich nur aus dem Augenwinkel, während ich mit Vater Yûtaka eine Basisdiskussion über Atomstrom führe. Ich stoße erst zu der Spielgruppe, als Yûmiko ein „Hamtarô“ Poster auspackt. Auf der einen Seite ist Hamtarô selbst, auf der anderen Seite ist Ribon-chan abgebildet (man muss die Namen der Hamster nicht wirklich kennen, aber in Japan kennt sie jedes Kind). Aufgabe dieses Spiels ist nun, den Hamstern mit verbundenen Augen Nase, Augen und Mund zu aufzulegen. Natürlich führt das zu den abwegigsten Ergebnissen, vor allem, wenn der Mund, der die Form einer „3“ hat, die auf dem Rücken liegt, auf dem Oberkörper landet und frei heraus als „Oppai“ („Brüste“) bezeichnet wird, oder aber, wenn er im Unterkörperbereich landet und dem entsprechend „Kintama“ („Goldene Bälle“) genannt wird – eine japanische Scherzbezeichnung für nicht schwer zu erratende männliche Körperteile. Das sorgt für Belustigung, aber noch mehr erstaunt mich der offene Umgang mit Begriffen, die, nach meinem Empfinden, in meinem kulturellen Umfeld in den Tabubereich fallen, sofern man sich nicht in einem wirklich intimen Personenkreis befindet. Das ist hier zwar prinzipiell gegeben, Familie ist Familie, aber immerhin befinden sich auch zwei „Außenstehende“ im Raum.
Auch solche Treffen scheinen in Japan kurz zu sein, und wir werden um 15:00 wieder nach Hause gefahren. In Deutschland bleibt Besuch ja grundsätzlich bis mitten in die Nacht, sofern nicht etwas Dringendes dagegenspricht. Die Eltern setzen sich also nach vorn, Melanie und ich sitzen hinten, und die Kinder… ja, die werden auf der Kofferraumfläche des Jeep-artigen Fahrzeugs „gestapelt“.[1] Es sieht lustig aus, aber für sehr sicher halte ich das nicht. Ich habe überhaupt das Gefühl, dass das Benutzen der Sicherheitsgurte in Japan sträflich vernachlässigt wird, auch im Winter, auf vereisten Straßen. Wer die Sicherheitsgurte erfunden hat, dachte sich auch was dabei. Mein Kumpan Kai verwendet auch keinen, weil er nicht im Auto verbrennen will, weil die Gurtschließe sich verkanten oder die Plastikteile diese zuschmelzen können, wie er sagt. Ich glaube, die meisten machen das aus schierer Bequemlichkeit. Zum Abschied bekommen wir eine Tüte Äpfel. Wie erwartet.
Da der Tag noch jung ist, können wir auch noch Wäsche waschen. Ich will mir auch noch mehr von meinen neuen CDs anhören, aber die Batterien wollen nicht mehr. Diese No-Name Batterien haben noch nie viel getaugt… In Deutschland habe ich mal zwei Akkus von Duracell gekauft, die was herzumachen scheinen. Ich gehe also ins Sunday Home Center und kaufe ein paar Markenakkus von Panasonic und hoffe, dass sie ihr Geld wert sind.
[1] „SUV“ war zumindest mir damals noch kein Begriff.
Nach dem Aufstehen arbeiten wir unseren Wäscheberg weiter ab und machen uns gegen 15:00 auf den Weg nach Osten – zum Book Off und ins Kaufhaus „Sakurano“. Das heißt, wir schaffen es noch bis zum Book Off – das Sakurano verschwindet unauffällig hinter der Suchaktion nach Schnäppchen in dem Second Hand Laden. Im Book Off läuft heute außerdem eine Aktion wegen Neujahr, „Hatsu-uri“, „Erster Verkauf (des Jahres)“, nennt sich das und wird in so ziemlich allen bedeutenden Kaufhäusern und Läden durchgeführt. Hätte ich das gewusst, wäre ich nicht von einem Schrein zum anderen getingelt, sondern hätte mich nach Sonderangeboten umgesehen. Die Schreine laufen mir nicht weg, die Neujahrsangebote schon. Aber was soll’s? Ich kümmere mich um das Hier und Jetzt. Die Verkaufsaktion im Laden wird lautlich untermalt von… markiger Marschmusik!? Immer wieder das gleiche Stück, stundenlang. Ich mag Marschmusik, und ich finde auch das laufende Stück gar nicht schlecht, aber diese Tretmühle ist wirklich anstrengend… ich tue also mein Bestes, nicht weiter hinzuhören.
Ich gehe zuerst die Regale mit den DVDs durch und ich bin geschockt. Es zeigt sich, dass es billiger ist, die Anime DVDs in Deutschland im Laden zu kaufen oder in den USA zu bestellen, als sie im Ursprungsland gebraucht zu kaufen! Nee, ohne mich. So nötig habe ich es dann doch nicht. Aber mehrere Soundtracks finden meinen Gefallen und ich verlasse 7040 Yen ärmer und neun CDs reicher den Laden. Und weil heute ja noch Sonderverkaufstag ist, bekomme ich pro 1000 Yen ein Los gutgeschrieben, mit dem man verschiedene Sachen gewinnen kann… u.a. ein Mountainbike, ein Urlaub in einem Ryôkan mit Onsen (= eine japanische Pension mit heißen Quellen zum Baden), eine Digitalkamera oder eine Soundanlage von SONY. Ich trage also meine Daten ein, mache meine Kreuzchen an den gewünschten Preisen und werfe das Los in die Trommel. Die Losaktion findet landesweit in allen Book Off Läden statt, also mache ich mir nicht die geringsten Hoffnungen auf einen Preis. Was wir auf jeden Fall bekommen, sind je eine echt stabile Stofftüte mit „Book Off“ Aufdruck und zwei Tüten Kartoffelchips.
Das Rabattsystem lädt immer wieder zum Einkaufen ein. Fünf Prozent des Warenwertes werden als Bonuspunkte gutgeschrieben und jeder Punkt gibt einen Abzug von 1 Yen auf den nächsten Einkauf, wenn man den Bonusgutschein vorlegt. Meiner Meinung nach ist dieses System verlockender, als wenn man die 5 % einfach vom Kaufpreis subtrahiert. Man erhält den Rabatt nämlich nur, wenn man noch einmal hingeht und was kauft.
Draußen ist es bereits dunkel. Wir vergessen deshalb die Idee mit dem Sakurano wieder und fahren nach Hause.
Zum Schluss noch ein Wort an alle, die auch in Japan den Genuss von Milch nicht vermissen wollen: Vom Kauf der Marke „Teishibô Gyûnyû“ möchte ich dringend abraten. Der Geschmack mag relativ normal erscheinen, aber die Milch riecht wie ein Betriebsunfall bei BASF. Ich rate dazu, möglichst fette Milch zu trinken. Melanie und ich sind hängen geblieben bei Milch der Firma „Morinaga“, die u.a. ganz leicht an dem Aufdruck „4.0 %“ zu erkennen ist. Ja, diese Milch hat tatsächlich vier Prozent Fettgehalt. Und sie schmeckt ganz hervorragend, vergleichbar mit der „Bärenmarke“ Milch in Deutschland. Der Geruch ist immer noch nicht ganz das Wahre, aber deutlich besser als bei dem „Billigprodukt“.
Und vielleicht sollte ich bei dieser Gelegenheit den Begriff „Billigprodukt“ in Bezug auf Milch näher definieren. Die billige Milch, die ich keinem empfehlen möchte, kostet 148 Yen pro Liter. Das sind derzeit etwa 1,10 E. Die Morinaga Milch kostet pro Liter gleich 198 Yen, also ca. 1,50 E. Das würde ich teuer nennen, bedenkt man, was Milch in Europa so kostet. Ich kann auf Milch voll und ganz verzichten, bis auf die ein oder zwei Liter, die ich pro Jahr so trinke. Aber Melanie ist eine leidenschaftliche Kakaotrinkerin, die es sich, angestachelt durch die Tatsache, dass man hier „Nesquik“ kaufen kann, nicht entgehen lässt, immer einen Liter im Kühlschrank stehen zu haben. Allerdings muss ich auch dazu sagen, dass die Milch bereits einige Tage vor Erreichen des Haltbarkeitsdatums reduziert wird. Es ist also keine Seltenheit, die Morinaga schon für 148 bis 168 Yen zu bekommen.