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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

17. Februar 2024

Dienstag, 17.02.2004 – Ich bin enttarnt

Filed under: Japan,Manga/Anime,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Heute Morgen also noch eine Stunde bei Yamazaki-sensei… und dieser Gedanke geht mir so langsam durch den Kopf, dass ich jede einzelne Silbe bewusst erfassen und mit Missbilligung strafen kann.

Und wieder einmal sind Melanie und ich die einzigen Anwesenden… zunächst!
Nach zehn Minuten kommt Valérie dazu. Und noch einmal 20 Minuten später trifft sogar Chin ein! Das ist der Chinese (Arzt, Mitte 30), der sich bisher um jeden einzelnen Kanji-Test herumgedrückt hat. Hui, vier Leute!
Am Schluss bekommen wir unsere Klausuren zurück und mein Pegel liegt bei 60 %. Ein Rekord in diesem Semester (in Bezug auf Japanischklausuren). Natürlich sind 60 % arm – aber wenige Minuten vor dem echten Ferienbeginn will ich darüber nicht weiter nachdenken.

Ich gehe in die Bibliothek und finde gleich drei lange Mails auf einmal vor – von Sebastian, Kai und Kati. Kati schreibt über ihre Ferien, die anderen haben wichtigere Belange. Dann muss Kati leider warten.
Ich schreibe selbst noch drei Mails und schon zeigt die Uhr nach Zwei. Ich gehe schnell ins Center und verpacke zwei Bücher, die ich per E-Bay verkauft habe und nach Deutschland schicken will. Dann kommt FanFan ins Center, sieht und begrüßt mich.

Was ich da täte, möchte sie wissen.
Ei, ich verpacke Bücher, die ich nach Deutschland schicken will.
Ob sie sie mal sehen dürfe?
Die Gedanken, die innerhalb einer halben Sekunde in meinem Kopf erwägt wurden, hier in Kürze: Wenn ich ihr verbiete, die Bücher zu sehen, ist das erstens hochgradig verdächtig und zweitens könnte sie beleidigt sein. Wenn ich ihr die Bücher zeige, werde ich ihr ebenfalls in Zukunft verdächtig sein… aber wenn ich offen bin, kann ich meinen Ruf eher wieder hinbiegen, weil sie weiß, woran sie ist.
Hm, in Ordnung… aber sie solle nicht erschrecken. Sie tut es trotzdem. Sie nimmt den ersten Band, den sie greifen kann, in die Hand, mit dem Titel „EVA Hot“ und sieht Hoshino Ruri (aus „Nadescio“) in eindeutiger Stellung. Wenige Sekunden später entschwindet sie ohne weiteren Kommentar. Ich packe also weiter ein.

Und als ob FanFan nicht gereicht hätte, kommen als nächstes BiRei und Mei mit fröhlichen Gesichtern auf mich zu. Aha, die nächsten. Das Spiel beginnt von vorn.
Was ich denn da täte, möchten sie wissen.
Ich denke erst gar nicht und drücke Mei „EVA Hot“ in die Hand.
Ein Moment Stille.
Aber immerhin laufen die beiden nicht gleich weg. Mei macht Witze über meinen Extraverdienst. Soll sie. Gefällt mir besser als Weglaufen.
Die beiden wollen kommenden Monat ins Frauenwohnheim umziehen und ich frage sie, wie es mit einer Umzugsparty wäre. Ja, BiRei zumindest hat nichts dagegen, Mei überhört die Frage und schweigt dazu. Sie blättert lieber in „EVA Hot“ mit dem Bild von Hoshino Ruri drauf. Jetzt mache ich die Witze („Was ist? Hast Du Gefallen daran gefunden?“), aber das prallt von ihr ab wie Wasser von einer gewachsten Karosserie. Ich denke an den Film „Feuerwalze“ mit Chuck Norris (Zitat):
„Was wird er schon tun? Er ist Chinese, und Chinesen lächeln…“
Mei tut genau das angesichts meiner Bemerkung.
Schließlich bringe ich die Bücher zur Post, und bis ich zuhause bin, ist es schon 14:30. Aber Melanie reagiert darauf gelassener, als ich erwartet hätte.

Unser heutiges Programm besteht aus der zweiten Hälfte der „GTO“ Serie, nur unterbrochen von einem Besuch im „Bunpuku“ Ramen-Laden. Zuletzt sehen wir uns noch eine Episode von „Chrno Crusade“ an. Ja, der Name ist richtig geschrieben. Da fehlt tatsächlich das erste „o“ in der Rômaji Schreibung. Nehmen wir also an, dass es sich um Absicht handelt. Die Serie ist auch ganz hervorragend gezeichnet, gute Arbeit, aber auf eine niedliche Variante von „Warrior Nun Areala“ (nicht totzukriegende Leser der „AnimaniA“ werden das wahrscheinlich kennen) kann ich gut verzichten. Da ist eine junge Nonne mit reichlich reizfreier Unterwäsche, die im New York des Jahres 1928 unter Dämonen aufräumt. Natürlich erfüllt sie alle Klischees, die man so braucht, um eine niedliche Heldin zu basteln. Ich nenne hier nur den klassischen Vorgang „Zu schnell zu viel essen, sich verschlucken, blau anlaufen, sich dreimal auf das Brustbein klopfen, mit Wasser nachspülen“. Ich hab das auch schon probiert (bevor ich blau angelaufen bin allerdings), aber es hat nichts gebracht, mir auf das Brustbein zu schlagen (außer dem üblichen dumpfen Trommelgeräusch). Der Brocken bewegt sich erst, wenn man ihn wegspült. Begleitet wird die Nonne von einem nicht minder niedlichen, (zum Guten übergetretenen?) dämonischen Gehilfen mit der körperlichen Erscheinung eines schätzungsweise 16-jährigen Jungen, dem die Vorgesetzten der Kampfnonne natürlich wenig Vertrauen entgegenbringen. Ich bin sicher, dass er noch eine zwiespältige Rolle spielen und am Schluss an der Vernichtung des Bösen großen Anteil haben wird. Der Inhalt offenbart sich dem Erfahrenen also eigentlich bereits nach der ersten Episode. Die restliche Handlung ist mir zu offensichtlich… mir reicht eine Episode.

Die Nonne heißt übrigens, ja, tatsächlich, „Rosette“. Natürlich ist mir bewusst, dass es sich dabei um ein architektonisches Merkmal gotischer Kirchen handelt (dieses grob runde Fenster an der Frontseite heißt im kunsthistorischen Fachjargon so) und dass ihr Name höchstwahrscheinlich deshalb ausgesucht wurde – von einem arglosen Japaner, der die populärste Bedeutung des Begriffs wahrscheinlich nicht kennt. Dennoch finde ich das Wort als Namen für eine Frau reichlich unpassend. „Uhura“ ist als Frauenname richtig harmlos dagegen.

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