Code Alpha

Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

1. März 2024

Montag, 01.03.2004 – Code Alpha lebt

Filed under: Bücher,Dawning Universe,Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Ich stehe um acht auf, weil ich frühzeitig an den Rechnern im Center sein will. Und als ich dann schließlich davor sitze, habe ich völlig vergessen, was ich so dringendes machen wollte. Ich finde keine Datenpakete, die zu brennen wären. Also schreibe ich kleinere Einträge und versuche mich zu erinnern, aber es gelingt mir nicht. Ich gehe zuerst in die Bibliothek. Kurz nachdem ich sitze und mit meinen Berichten begonnen habe, setzt sich einer neben mich, dem man nicht nur das stark koreanisch gewürzte Mittagessen, sondern auch die morgendliche Sportübung anmerkt. Ich bin einiges gewohnt, aber in dieser Wolke kann ich nicht lange bleiben.

Um 11:30 verlege ich daher in das Physikgebäude und arbeite mit den besseren Rechnern. Dafür sind die Stühle dort das letzte, weil man die Rückenlehne nicht einrasten kann. Wenn ich dort fertig bin und vom Stuhl aufstehe, habe ich Rückenschmerzen. Außerdem wären mir Stühle mit Stoffbezug wie in der Bibliothek lieber. Auf diesem Plastikleder schwitzt einem der Hintern, während die Füße eiskalt werden. Und das liegt daran, dass der Raum nicht auf eine auch nur halbwegs angenehme Temperatur geheizt wird. Und nach zwei Stunden werden auch die Finger steif. Ich räume also meinen Rucksack aus und stelle die Füße hinein. Ja, das ist schon besser. Außerdem ziehe ich Handschuhe an. Nach etwa dreißig Minuten habe ich mich daran gewöhnt und schaffe das Tippen in üblicher Geschwindigkeit.

Ich schreibe Misi an und frage, wie es mit der Weiterführung unserer Schlacht um Gersheim stünde, aber er schreibt mir nur eine Antwort, die eigentlich keine ist. Ich bitte um genauere Angaben und sage, dass ich im Physikgebäude warte, aber er erscheint heute nicht.

Dann nutze ich die Zeit, um ein wenig an meiner „Code Alpha“ Geschichte zu arbeiten, was ich seit 1997 nicht mehr ernsthaft getan habe. Es wird also Zeit. Ich überarbeite die Dialoge komplett, von vorne bis hinten, um ihnen diesen schwülstig-feierlichen Ernst zu nehmen, der mir im Alter von 20 Jahren für eine ernsthafte Geschichte anscheinend angebracht erschienen war. Wenn ich das heute wieder lese, dreht sich mir der Magen um und es verlangt mich nach einer Auflockerung der Atmosphäre. Natürlich schaffe ich das nicht an einem Tag, bzw. in wenigen Stunden. Ich werde noch ein paar Sitzungen dazu brauchen. Und wenn das geschafft ist, kann ich mich um das kümmern, was sich um die Dialoge herum befindet, also Beschreibungen von Orten, Personen und Handlungen. Und wenn das schließlich geschafft ist, kann ich mal darüber nachdenken, weiter in Richtung Ende der Geschichte zu arbeiten. Es kann sich nur noch um Jahrzehnte handeln.

Um 20:00 gehe ich nach Hause. Im Laufe des Tages hat sich eine neue Schneedecke gebildet, nachdem vor zwei Tagen erst die Straßen wieder getrocknet waren.

Melanie hat alles Notwendige aufgenommen, damit ich nichts verpasse. Und nachdem ich gesehen habe, was ich sehen wollte, lese ich weiter in „The Dogs of War“. So weit, wie ich bisher gekommen bin, gefällt mir das Buch schon deutlich besser als „The ODESSA File“. Das könnte nicht zuletzt daran liegen, dass ich Söldnergeschichten mag, und in dieser Hinsicht trifft Forsyth ganz meinen Geschmack. Wer meine Shadowrun Abenteuer kennt, wird wahrscheinlich verstehen, warum. Man muss sich nur eine Portion mehr Hirn hinter diesen Abenteuern vorstellen.

18. Januar 2024

Sonntag, 18.01.2004 – Geburtstagsfeier

Filed under: Dawning Universe,Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Die Bibliothek ist heute wieder voll zugänglich und ich kann wieder einen Bericht schreiben, über den 24. Dezember. Es ist dann zwar noch Zeit übrig, aber nicht genug, um den Bericht zum 25. Dezember noch fertig zu bekommen, also wird der vertagt. Ich arbeite stattdessen nach langer Zeit wieder an „Code Alpha, meinem ureigenen Werk, das ich so lange vernachlässigt habe. Aber die lange Zeit war notwendig, um zu erkennen, dass ich eine Menge Mist geschrieben habe, damals, in den wilden und motivationsreichen Tagen des Jahres 1997. Vor allem die Dialoge sind von einem derart feierlichen Ernst, dass es mir heute Brechreiz verursacht. Ich beginne also, sämtliche Dialoge zu überarbeiten. Das muss natürlicher klingen und nicht nach einer Telenovela. Über weitere Kürzungen und Zusätze kann ich nachdenken, nachdem ich mit diesen pathetischen und gestelzten Gesprächen fertig bin.

BiRei liest währenddessen immer noch an ihrem Schnulzenroman – und schläft dabei ein. Und ich habe keinen Fotoapparat… sehr schade. Was muss ich auch so vergesslich sein! Mei sehe ich kurz beim Verlassen des Hauses um kurz vor fünf.

Nach dem Essen gehen wir zu Misi, wo Paula ihren 25. Geburtstag feiert. Wir sehen wieder 16 Gäste aus 11 Nationen, und SangSu ist und bleibt die größte Spaßquelle. Ich lerne auch Gabriel kennen, der wie Paula aus Chile stammt. Allerdings ist er angehender Musiklehrer und sie Biochemikerin. Urrgh. Sie sollte sich mit Oliver Riffmaster Müller unterhalten, der würde wohl verstehen, von was sie redet. Ich kann ihren Erklärungen nicht sehr gut folgen. Zumal ich wenig Ahnung von dem englischen Vokabular dieser Fachrichtung habe, ihr Englisch nicht das Beste und mein Spanisch nicht vorhanden ist. Paulas Motivation, ausgerechnet in Japan zu studieren, kann ich nicht recht nachvollziehen. Mehr als der Partnerschaftsvertrag ihrer Uni mit der in Hirosaki scheint nicht dahinter zu stecken. Am meisten stört mich in diesem Moment der Raum voller Stimmen, der es notwendig macht, den Lautstärkepegel durch lautes Sprechen noch weiter zu heben. Gabriel hat sich für seine Abschlussarbeit als Thema die japanische Musikpädagogik ausgesucht. Er sei fasziniert davon, wie hoch die musikalische Bildung des durchschnittlichen Japaners ist.

Um 00:30 brechen wir auf, bevor uns SangSu an Ort und Stelle einschläft. Immerhin scheint er zu müde, um sich weiter mit Alkohol zu füllen. Aber er ist bereits in einer sehr lustigen Stimmung, wenn auch nicht ganz so extrem wie das letzte Mal, als wir ihn auf dem Weg nach Hause fast tragen mussten. Uns kommt dabei zu Gute, dass Michiko ebenfalls nach Hause möchte und ein Taxi gerufen hat. Sie hat mehr als zwanzig Minuten zu fahren bei den hier üblichen Geschwindigkeiten, bis sie zuhause ist, und die Fahrt führt quasi direkt an unserer Haustür vorbei. Mir gefällt weder die Idee, mit einem Taxi zu fahren, noch ihr die gesamten Kosten zu überlassen. Aber mit einem munter drauflos schwatzenden SangSu im Gepäck erscheint mir ihr Angebot annehmbar. Der Fahrer hat sich bestimmt gefragt, was für seltsame Gestalten er da in seinen Wagen gelassen hat. Wir liefern SangSu vor seiner Tür ab und er ist durchaus in der Lage, selbst für alles weitere zu sorgen, aber er hat offenbar das starke Bedürfnis, sich militärisch zu verabschieden, als ob ich gerade seine Bude inspiziert und als Saustall bezeichnet hätte. Jetzt fragen sich auch die Nachbarn im Haus, was für Gestalten da unterwegs sein könnten (die Antwort wird ihnen nicht schwerfallen).

Wir wollen ins Bett und heizen zuvor den Schlafraum ein wenig mit, indem wir die Verbindungstür aufmachen und den Ofen heizen lassen. Statt wärmer wird es aber kühler, und nach 15 min stellen wir fest, dass Melanie die Balkontür offengelassen hat, als wir weggegangen sind. Dann kann der Ofen ja lange brennen, bis es warm wird. Bis zum Sommer mindestens, möchte ich annehmen.