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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

26. August 2024

Donnerstag, 26.08.2004 – Das letzte Yakiniku

Filed under: Filme,Japan,Musik,My Life — 42317 @ 7:00

Yui hat mir die E-Mail-Adresse ihres Freundes Daniel gegeben, und Martin „U“ war inzwischen so frei, mir das Lied „Helden der Zeit“ von „Richthofen“ per Mail zuzusenden. Da Daniel gesagt hatte, dass er die Musik von „Rammstein“ möge, habe ich mir gedacht, dass ihm „Richthofen“ auch gefallen könnte. Daniels Besuch ist bereits eine Weile her… aber ich kann ihm die Datei ja ebenfalls per E-Mail schicken. Er hat bei Yahoo immerhin 25 MB freien Platz.

Ich verlasse das Informatikgebäude um kurz nach Fünf. Wir haben ein Tabehôdai für sechs Uhr abgemacht, also habe ich noch Zeit zum Totschlagen. Um 17:25 bin ich dann bei Izham. Er ist zum Zeittotschlagen wie geschaffen. Erstens redet er sowieso gern und zweitens bin ich gestern Abend gegangen, ohne einen neuen Termin für „Combat Mission“ auszumachen. Am Samstag habe er keine Zeit, weil er an dem „Jamboree“ Ausflug zum Towada-See teilnehme. Also halten wir den Montagabend fest, da haben wir sogar „sturmfrei“. Die genannte Andrea ist nämlich nicht „nur“ eine junge Frau, die zufällig an der gleichen Uni studiert, wie Izham, die es zufällig zur gleichen Zeit nach Japan verschlagen hat – die beiden sind verheiratet. Andrea arbeitet also am Montag und wir würden niemanden stören.

Um 18:03 stehe ich dann vor dem „Sunkus“ in Nishihiro, wo Wiirit, Ii und Nan bereits warten. Von den beiden Chinesinnen und Melanie fehlt allerdings noch jede Spur. Die kommen aber nur zwei Minuten später. Wie ich bereits vermutet hatte, ist FanFan, wiederholt entgegen meiner Einladung, nicht erschienen. Das Restaurant heißt „Goemon“ und befindet sich genau vor dem hiesigen Bahnhof, gegenüber vom Skatt Land und dem Bentô-Laden, den ich vor einigen Tagen erwähnt habe. Die Atmosphäre im Inneren ist gediegener als im MooMoo, die Preise sind es auch. Hier gibt es kein Büfett, an dem man sich nimmt, was man möchte (es ist auch kein Platz dafür), sondern man bestellt einen oder mehrere Teller mit Zeug und lässt es sich bringen. Leider werden so automatisch auch Sachen bestellt, die nicht so toll sind und die ich auch nicht bestellt hätte, wenn sie gut wären. So zum Beispiel ein Reisgericht mit einem gewöhnungsbedürftigen Geschmack, das ich so schnell nicht wieder essen möchte. Ich komme nicht von alleine auf die Idee, mir beim Tabehôdai was anderes als Fleisch zu bestellen, dafür ist mir mein Geld zu schade. Ich schaufele den Reis schnell in mich hinein, damit er weg ist – Dinge, die übrig bleiben, muss man nämlich extra bezahlen, Ganz klar: Sonst könnte ja jemand massenweise Zeug bestellen, um nur mal zu probieren, aber der Rest muss dann weggeworfen werden.
Es gibt auch etwas, das eigentlich nur ich esse, nämlich „Hormon“. Das hat nichts mit Hormonen zu tun, sondern, wenn ich das richtig sehe, handelt es sich dabei um mundgerecht klein geschnittenen Darm, den man grillt und isst. Jetzt sage niemand „Igitt!“ (obwohl die rohe Masse aussieht wie schon einmal gegessen). Darm hat schon jeder gegessen, der mal Wurst gegessen hat. Die Darmstücke schmecken gar nicht schlecht. Was aber viele abschreckt, ist wohl der Umstand, dass sie, auch gegrillt, eine schwabbelig-zähe Konsistenz haben, die nicht jedermanns Ding ist. Mir macht das nicht aus, ich kaue eine Weile darauf herum und schlucke es dann am Stück. Die Stücke sind nicht sonderlich groß und man kann sie eh nicht ganz zerkauen.
An „Fleischsoßen“ gibt es hier auch nur dieses Sojasoßen-Präparat. Ich hätte mir, auch wenn es unverschämt klingt, schon etwas Ketchup gewünscht. Zum Grillfleisch ist das wohl nicht verkehrt. Die Sojasoße ist gut, das will ich nicht bestreiten, aber auf Dauer ist sie etwas eintönig.
Der Grill selbst ist deutlich besser als im MooMoo. Im Goemon gibt es nämlich einen Grillrost aus dünnen Metallstäben, während der Grill im MooMoo mehr aus Metallfläche als aus Leerraum zu bestehen scheint, weswegen dort viel schneller was anbrennt. Die Zeit ist hier im Goemon dafür wiederum begrenzt – man hat 90 Minuten Zeit für Bestellungen – aber die Zeit reicht völlig aus, um hautsatt zu werden. Auch das Fleisch ist auf jeden Fall besser als im MooMoo, und das macht den etwas höheren Preis (1640 Yen) wieder deutlich wett. An uns Europäern verdient kein Tabehôdai Laden was, und Nan muss ich in dieser Hinsicht ja zur „Europäerin h.c.“, „ehrenhalber“, ernennen – die stopft Mengen von Zeug in sich hinein, das passt ja auf keine Kuhhaut.
Zum Schluss machen wir Fotos. Mei und BiRei werde ich morgen noch einmal sehen, aber das wird dann das (vorerst) letzte Mal sein. Sie nehmen, wie Izham, am „Jamboree“ teil und werden im Anschluss zum Sightseeing nach Hokkaidô fahren. Sie kommen erst am 02.09. zurück, und da bin ich bereits unterwegs in die Heimat. Ich bitte sie, auch FanFan mitzubringen. Dann trennen wir uns und fahren nach Hause.

Es ist ja immer noch genug Zeit bis Mitternacht… ich gehe also in die Videothek und leihe „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ aus. Und der Spruch des Films lautet hier:
„Obiwan ni yoku kitaerareta you da!“
„(Mir scheint) Obiwan hat Dich viel gelehrt.“
Aha. Dabei hat der gute Obiwan doch kaum was gemacht, außer Luke den Einstieg in die Anwendung der Macht zu ermöglichen, was wohl ein paar Tage Training während des Hyperraumflugs im „Falken“ von Han Solo gewesen sein dürften. Ich glaube, das Yoda ihm viel mehr beigebracht haben dürfte. Ob sich die Übersetzer bei der Verwendung der Form „you da“ (zum Ausdruck des Anscheins) am Ende des Satzes eine Art schwach versteckten „Yoda-Scherz“ erlaubt haben, kann ich natürlich nicht mit Bestimmtheit sagen.

25. August 2024

Dienstag, 24.08.2004 – „Omae no Chichi wa washi da!“

Filed under: Filme,Japan,My Life — 42317 @ 17:03

Ich bekomme heute nur drei Newsletter geschrieben, weil eine wahre Flut von E-Mails über mich hereinbricht. Da kam nicht ein ganzer Schwung über Nacht, sondern es kommen einzelne Mails, in schönen, regelmäßigen Abständen, die auch beantwortet werden wollen, um den Zeitbedarf dafür auch hübsch zu maximieren.
Um kurz nach Fünf gehe ich ins Center, weil Izham gesagt hatte, er sei am Nachmittag dort anzutreffen. Ist er aber nicht. Ich gehe also erst mit Melanie ins „Bunpuku“ essen, dann fahre ich zu Izham rüber und störe ihn bei seiner üblichen Ferientätigkeit – Onlinespiele. Eigentlich möchte ich nur, dass er Misi eine kurze Nachricht schreibt. Der will sich nämlich meine CD-ROMS ausleihen, um sie auf DVD zu brennen, kann sich aber nicht dazu durchringen, mir einen verbindlichen Termin zu nennen. Er soll stattdessen bei mir vorbeikommen und den Krempel abholen. Ich verbringe aber noch rund 40 Minuten vor Izhams Haustür mit Gesprächen über Hardware, Software und Spiele allgemein. Dann erst fahre ich nach Hause. Ich bemerke dort allerdings ein paar fehlende Artikel, so haben wir z.B. Wurst, aber kein Brot, also muss ich noch einkaufen gehen. Es handelt sich dabei im Übrigen um exakt die Wurst, die Melanie vor ein paar Tagen so furchtbar dringend gebraucht hat, dass ich vor meiner Radtour noch in den Supermarkt fahren musste. Und die Eier aus dem gleichen unnötigen Einkauf stehen auch noch unangetastet im Kühlschrank rum! L

Um 20:30 komme ich dann vom Einkaufen zurück und weil noch genug Zeit ist, leihe ich „Das Imperium schlägt zurück“ aus. Das macht auf Japanisch noch mehr Spaß als der erste Film! „Asteroiden interessieren mich nicht!“ wurde hier übersetzt als „Kare-tachi ga doko de mo itta koto wa Kankei de wa nai!“, wenn ich das richtig aufgeschrieben habe, also „Es spielt keine Rolle, wo die hingeflogen sind!“ Das beste aber: „Omae no Chichi wa washi da!“ (Ich bin Dein Vater!“) Und der Sprecher sagt das mit einem so wundervollen Tonfall, dass ich den Satz so schnell nicht wieder vergessen werde. In diesem Falle finde ich es ausgesprochen blöde, dass man diese Filme nicht kopieren kann. Die japanische Version hätte ich mir auch noch ins Regal gestellt.

„SailorMoon“ muss auch mal wieder sein. Rei und Minako streiten sich, weil Minako ja todsterbenskrank ist und ihre Rolle als Anführerin der Senshi nicht mehr recht wahrnehmen kann, das aber nicht einsehen will. Aber weil es ja doch dem Ende zugeht, entlässt sie Artemis aus ihren Diensten. Die hier dargestellte Minako ist also nicht nur krank, sondern auch noch von allen guten Geistern verlassen.
Die Yôma laufen natürlich immer noch frei herum und entziehen den Leuten Energie, wodurch immer wieder massenweise Passanten zusammenbrechen (für gewöhnlich knapp ein Dutzend, würde ich sagen). Ich sollte mir wirklich mal die Serie genau anschauen und nachsehen, ob das nicht immer die gleichen Leute sind.
Eines der Monster wird beinahe besiegt, erhält dann aber ein „Upgrade“ durch Einflussnahme von Königin Metallia selbst (also durch dieses Energiewesen, von dem alles Übel überhaupt erst ausgeht) und schubst Merkur und Luna ein bisschen durch die Gegend (die fliegen immer so schön, und der Schmutz, den sie danach immer im Gesicht haben, sieht eher niedlich als nach Kampf auf Leben und Tod aus), bis die ihre Energie so weit los sind, dass sie wieder in ihre „zivile“ Form zurückwechseln. Da die anderen abwesend sind, klammert sich Jupiter also an den Yôma und lässt ihn (es?) vom Blitz nicht nur erschlagen, sondern gleich in die Luft sprengen – und sich gleich mit, wie es aussieht. Makoto kommt in der Vorschau zur nächsten Episode jedenfalls nicht mehr vor. Dass Motoki im Game Center im gleichen, dramatischen Moment seinen Schildkrötenanhänger (nicht weniger dramatisch zufällig) hat fallen lassen, ist ja ein oberböses Omen! Außerdem war er zuvor mit dem „zivilen“ Nephlite einkaufen, und dass der ein Geschenk für Ami besorgen will (ein Paar Büffelhörner???), gibt mir so eine Ahnung, wer die nächste auf der Abschussliste ist.

20. August 2024

Freitag, 20.08.2004 – Atarashii Kibô (Eine neue Hoffnung)

Filed under: Filme,Japan,Musik,My Life — 42317 @ 7:00

Der Taifun war da! Natürlich wieder mitten in der Nacht, so gegen 04:00. Es hat stark geregnet und der Wind war ziemlich heftig, aber es war nichts, was ich für sehr spannend halten würde. Die meisten Herbststürme in Europa fesseln mich mehr. Um 06:00 war der Spuk dann vorbei, die Sonne kam raus, strahlend blauer Himmel den ganzen Tag, als hätte es nie schlechtes Wetter gegeben.

Ich besuche heute wieder die Nissan Blue Stage Filiale und hole das bestellte Material ab, sogar die Aufkleber sind da. Oliver war ein wenig überrumpelt von meinen plötzlichen Bestellungen nach der langen „Ruhephase“ des Projekts, er sagte aber auch, dass er in Deutschland mehr als das doppelte für die Kleinteile würde zahlen müssen und von daher sei das schon in Ordnung.
Auf dem Rückweg kann ich nicht widerstehen und esse ein paar Teller Sushi im Sushi Shôgun. Ich genieße und könnte heiße Tränen darüber weinen, dass ich darauf bald werde verzichten müssen. Danach fahre ich weiter ins Ito Yôkadô, um nach den beiden CDs zu fragen, die noch ausstehen, aber sie sind noch nicht da. Ich kaufe also nur eine preisreduzierte CD mit Nationalhymnen drauf für 1000 Yen. Mehr ist sie eigentlich auch nicht wert, denn die Stücke darauf sind zwar nicht schlecht, aber auch recht kurz. Es wird jeweils nur die Länge einer einzigen Strophe gespielt, instrumental, ohne Gesang, und im Falle der Slowakei sind das gerade mal 34 Sekunden. Dennoch sind interessante Sachen dabei. Die Melodie, die unter „Russland“ gespielt wird, ist immer noch die Hymne der Sowjetunion, die argentinische Hymne klingt zum Teil wie eine Oper, die Schweizer Hymne klingt für mich so richtig nach Alpenmusik, und die irische hört sich nach einer dramatischen Filmmusik aus den Vierziger Jahren an.

Ach nein, nicht schon wieder… vor lauter Lauter habe ich vergessen, Karl zum Geburtstag zu gratulieren. Werde ich irgendwann mal wieder pünktlich sein? Ich habe den ganzen Tag dran gedacht, bis ich am Nachmittag dann dachte „Och, diesen Bericht schreibe ich noch schnell zu Ende“… und dann war’s mal wieder geschehen. Dann muss ich das am Montag nachholen.

Dann kommt mein Fernsehabend. Kurz vor Torschluss sehe ich mir noch „StarWars“ (die Episode IV von 1977) an, weil ich Darth Vader auch mal auf Japanisch hören will. Leider ist der Stimmverzerrer des japanischen Studios im 100-Yen-Shop gekauft worden, weil sich seine Stimme anhört wie die typische Roboterstimme aus einem B-Movie aus den 60er Jahren. Dennoch hat sich die Investition gelohnt, es hat Spaß gemacht, das Ganze mal auf Japanisch zu sehen, weil er ein interessantes Japanisch redet. Irgendwie eine Mischung aus ständiger Befehlsform bei gleichzeitiger Verwendung von Ausdrücken, die eigentlich eher einem alten Mann zuzuschreiben wären. Ich dachte, wenn man sich als „washi“ (eine Form von „ich“) bezeichnet, müsste man schon über 60 sein.

8. August 2024

Sonntag, 08.08.2004 – Sachsen raus!

Filed under: Filme,Japan,Militaria,My Life — 42317 @ 7:00

Wir verbringen den Tag wieder weitgehend mit Fernsehen. Ich aktualisiere dabei mein Tagebuch, das es mal wieder nötig hat. Wir schauen uns weitere Episoden von „InuYasha“ an, aber ich finde darin leider die Langzeitmotivation nicht, die nötig ist, um eine Serie mit so vielen Episoden anzusehen. „Ranma“, von der gleichen Autorin, hat mir besser gefallen. „InuYasha“ bringt’s nicht. Die Story kommt nicht weiter, und wenn mal was erreicht wurde, kommt irgendwas dazwischen und die Helden müssen wieder von vorn anfangen, das gilt für das Einsammeln von Kristallsplittern und das Bekämpfen böser Oberfieslinge ebenso wie für romantische Beziehungen.

Am frühen Abend fahren wir ins Kino, um „King Arthur“ zu sehen. Ich finde den Film gar nicht schlecht, auch wenn er vom „Kultfaktor“ her nicht an den Klassiker „Excalibur“ herankommt, der die mythische Seite der Artus-Sage behandelt, während „King Arthur“ damit Werbung macht, auf Basis archäologischer Kenntnisse eine realistische Version der Geschichte zu erzählen. Die Sage spielt im 5. Jh. nach Christus, und dennoch laufen die Jungs in „Excalibur“ mit Rüstungen herum, die ich im späten Mittelalter, sagen wir: 700 Jahre später, ansetzen würde. In „King Arthur“ dagegen sehen wir spätrömische Kavallerie (der Begriff „Knight“, „Ritter“, wird bereits verwendet). Artur ist der Kommandeur einer kleinen Eliteeinheit, Sohn eines Römers und einer Einheimischen, die Ritter Parcifal, Gawayn und Lancelot sind in ihrer Jugend zum Dienst für Rom zwangsrekrutierte Leute eines Reitervolks aus dem Gebiet des heutigen Kasachstan. Guinevere ist eine keltische Ureinwohnerin, Merlin ein einflussreicher Schamane. Die Römer sind im Begriff, sich aus Britannien zurückzuziehen, was den Blutzoll der Ritter, die vor ihrem Entlassungstag stehen, reichlich sinnlos erscheinen lässt, und die bösen Sachsen landen an der Ostküste (am „Saxon Shore“), um das Machtvakuum zu füllen. Artus und seine vier Ritter tun sich also mit den Kelten zusammen und vernichten die Invasionstruppe – worauf er von den Kelten zum König ausgerufen wird.
Nette Geschichte, und viele Kämpfe, die auch gar nicht schlecht choreographiert sind. Ohne Magie und Mythos, und das finde ich auch gut so. Kein mächtiger Zauberer, kein finsterer Mordred, keine böse Hexe, kein Bootsausflug nach Avalon und vor allem kein Heiliger Gral. Stattdessen Ausblicke auf die aus Machtbewusstsein geborenen Auswüchse des Christentums in dem sich anbahnenden Mittelalter. Dämlich fand ich, dass der Film als „Ich-Erzählung“ von Lancelot anfängt, der am Ende aber getötet wird. Wie kann er was erzählen, wenn er tot ist?
Aber: Till Schweiger! Der hat hier wohl die coolste Rolle seines Lebens, als Sohn des oberbösen sächsischen Anführers, so als wilder Krieger mit kurz geschorenen Haaren und geflochtenem Ziegenbart. Sein Name wurde sogar einzeln im Abspann genannt, und nicht in einem Pulk mit anderen Nebenrollen. Ich hatte das Gefühl, dass sein Englisch inzwischen besser ist als damals in „Tomb Raider“.
Melanie bemängelt, dass so viel gekämpft wurde. Ich bemängele bestenfalls, dass es in dem Film keine Panzer gibt (Scherz am Rande). Nein, nein, mir kommt seltsam vor, dass die Sachsen Armbrüste benutzen… ich weiß es nicht wirklich genau, aber das fünfte Jahrhundert erscheint mir für Armbrüste etwas früh. Ich sollte das bei Gelegenheit prüfen.[1] Mir ist es vor allem ganz lieb, dass man die romantischen Aspekte der Sage in einem begrenzten Rahmen belassen hat. Vielleicht stelle ich den Film irgendwann ins Regal neben „Excalibur“, mal sehen, wie sich mein Konto entwickelt.

Zum Tagesausklang wollen wir noch was essen, vorzugsweise Sushi, aber der nahe gelegene Sushi Shôgun macht ja so früh zu, also müssen wir ausweichen. Wir gehen also in das „Omuraisu“ Restaurant gegenüber vom Kino. Wie früher bereits angedeutet, handelt es sich dabei um eine Mischung aus Reis und Omelett, mit verschiedenen Beilagen – jede Variation, die man sich in Japan vorstellen kann. Ich esse aber lieber Spaghetti. Die Portionen sind nicht allzu groß (für Japaner aber noch geeignet) und die Preise liegen leicht oberhalb des gewohnten Durchschnitts für eine Mahlzeit. Aber das Essen schmeckt, also bin ich zufrieden. Ich muss es ja so schnell nicht noch einmal essen.


[1]   Einen Vorläufer der Armbrust gab es bereits im antiken Griechenland, der zwar seinen Weg ins Römische Reich, aber aus technischen Gründen keine große Verbreitung fand. Effektive Armbrüste tauchten dann erst im 11. Jh. bei den Normannen auf, z.B. in der Schlacht von Hastings 1066.

2. Juli 2024

Freitag, 02.07.2004 – Tauchstation in Sicht

Filed under: Filme,Japan,Manga/Anime,My Life,Uni,Zeitgeschehen — 42317 @ 7:00

Nachdem wir also zu Fuß zur Universität gegangen sind, verbringe ich den Morgen vor den Computern im Center. Schließlich erscheint auch Mei, die auf eigene Faust nicht mit „CDex“ und „Nero“ zurechtgekommen ist und um weitere Hilfe bei der Konvertierung ihrer CDs bittet. Aber sie wolle es selbst machen und ich solle nur dann eingreifen, wenn sie nicht weiterwisse. Sehr löblich, gute Einstellung. Der oder die eine oder andere könnte sich davon eine Scheibe abschneiden. Aber Probleme hat sie eigentlich nur mit dem Nero Cover Designer. Das Nero Brennprogramm selbst ist eines der einfachsten Programme überhaupt. Daher bekommt sie ihre CD weitgehend alleine hin. Ich brenne dann selbst noch zwei CDs mit den „Anime Trance“ Stücken drauf und schenke sie Eve, als Dankeschön, dass sie meinen für sie sicherlich nicht sehr spannenden Kampfbericht korrigiert. Der Rest sei ihr Projekt fürs Wochenende, sagt sie.

Bei Kuramata-sensei bekommen wir heute einen Vortrag über Klimageschichte gehalten, also darüber, wie sich das globale Klima in den vergangenen Jahrtausenden so entwickelt hat und woher man darüber Bescheid weiß. Man kann aus dem Eis der Pole, aus Ablagerungen am Boden von Seen und aus Baumringen so einiges erfahren.
Im Übrigen berichtet auch dieser Doktor hier von einer „Mini-Eiszeit“, die im frühen 16. Jh. begonnen und bis etwa 1850 angehalten habe. Nach dem Ende dieser kühlen Periode sei die globale Temperatur beständig gestiegen und dies ginge eher zufällig mit der industriellen Entwicklung auf dem Planeten einher. Mit anderen Worten: Die globale Erwärmung hänge nur zum Teil mit dem menschlich verursachten Ausstoß von Treibhausgasen zusammen. Wir könnten tun, was wir wollen – auch wenn wir den Ausstoß von Kohlendioxid auf ein Minimum oder gar Null reduzieren, könnten wir das weitere Abschmelzen der Polkappen nur verzögern, aber nicht verhindern. Einige Leute werden nasse Füße bekommen, da der Meeresspiegel, laut Aussage unseres Vortragenden hier, in den kommenden Jahrzehnten um 50 bis 70 Meter steigen werde, nur der Zeitplan sei noch nicht sicher. Ein Blick auf die Karte Japans offenbart mir, dass die komplette Tsugaru-Ebene überflutet wird und gerade die südlichsten Teile von Hirosaki könnten als Küstenflecken noch trocken aus dem Meer herausragen. Auf der Ostseite der Berge wird es nicht besser aussehen, Hachinohe und die Ebene darum herum werden überflutet, weiter nördlich wird die Landspitze um Mutsu zur Insel.
Ich frage den Doktor nach der Kantô-Ebene, die sich landeinwärts hinter Tokyo erstreckt. Er sagt, das Gelände werde wohl bis zum Landkreis Gunma im Meer versinken. Wenn man sich die Landkarte anschaut, wird man feststellen, dass Gunma dort anfängt, wo die Kantô-Ebene, bedingt durch Berge, aufhört. Das ganze Gelände wird schlicht und ergreifend absaufen und ein Grossteil der Reisebenen Japans wird unter der Meeresoberfläche verschwinden.

Nach dem Unterricht versuche ich, einen Platz in der Bibliothek zu bekommen, aber der Laden ist voll. Das Semesterende naht und Abschlussarbeiten werden verfasst. Also hier alles beim Alten. Ich gehe ins Center zurück und beginne dort mit dem Schreiben meines Tagesberichtes. Dann kann ich die historischen Daten zwar nicht sofort eintragen, aber immerhin ist der Bericht dann schon geschrieben. Um 17:30 gehe ich wieder, schwinge mich auf mein Rad und mache mich daran, Melanie vor dem Kino zu treffen – wir werden uns den dritten „Harry Potter“ ansehen. Allerdings gehen wir zuerst in den Sushi Shôgun zum Essen. Ich war nur ein paar Wochen nicht hier und merke beim ersten Stück sofort, wie sehr ich den Laden vermisst habe. Ich sollte öfters hingehen. Ich glaube nämlich nicht, dass ich in Deutschland zwei mit Fisch belegte Reisröllchen so schnell wieder für umgerechnet 75 Cent bekommen werde.

Was den Film betrifft, so merkt man, dass da ein anderer Regisseur am Werk war, die Stimmung ist anders als in den ersten beiden Filmen. Alles in allem ein weiterer netter Streifen aus der Reihe, dem immer noch etwas fehlt, um richtig gut zu sein. Der Verschleiß von Lehrern aus dem Fachgebiet „Abwehr gegen böse Künste“ hält an; es handelt sich wohl um einen „running gag“, dass mit denen immer irgendwas nicht in Ordnung ist, seien sie Verbündete des Bösen, Scharlatane oder Werwölfe. Bin schon beinahe gespannt, was für eine Macke der nächste hat. Die „Dementoren“ kommen mir irgendwie wie Ringgeister vor, was ihr Äußeres und ihre Geräusche betrifft, und Harry selbst kommt so langsam rüber wie Anakin Skywalker. Er entwickelt eine impulsive Ungeduld im Umgang mit seiner „Macht“, und dass er für die dunkle ebenso wie für die helle Seite, repräsentiert durch die Häuser Slytherin und Gryffindor, geeignet ist, muss ich nicht extra hervorheben.

Wir fahren nach Hause und ich will schlafen, aber kaum liege ich im Bett, klingelt es an der Tür. Die E.A.V. hat für diese Situation geschrieben: „… es sind die Nachbarn, besoffen, mit einer Kiste Bier.“ Nun gut, es ist ein Nachbar, nämlich SangSu. Besoffen ist er nicht, aber Bier hat er dabei. Der größte Teil meiner Sake-Flasche geht normalerweise fürs Kochen drauf, und allein trinken ist nicht mein Ding, also nehme ich die Gelegenheit wahr.
Melanie, in Feierlaune (der Film hat ihr gefallen, wie es scheint), läuft zum Hotspar und besorgt ein paar Flaschen „Two Dogs“, weil ich Sake trinke und kein Bier mag, und sie weder Sake noch Bier ausstehen kann, was SangSu in schönster Regelmäßigkeit vergisst. Während Melanie also noch weg ist, geht SangSu runter in seine Wohnung und holt seinen Laptop hoch, weil er uns „Azumanga Daiô“ zeigen will.

Vielleicht liegt es daran, dass ich anderthalb Meter vom Bildschirm weg sitze, dass mir die auflösungsbedingte Unschärfe, die ich am Unirechner beobachten durfte, nicht so auffällt. Ich möchte feststellen, dass es sich um eine ganz hervorragende Serie handelt, auch wenn es sich um eine Ansammlung von kurzen Einzelepisoden zu handeln scheint, die nur einen lockeren Zusammenhang besitzen. Aber das Konzept funktioniert ja auch bei „Atashin’chi“, sogar ganz hervorragend. Außerdem muss ich Drehbuch und Regie ein Lob aussprechen (und natürlich den Sprechern) für die klar verständliche Sprache, die in den seltensten Fällen mal wirklich schnell wird und auch nicht mit wilden Dialekten und Slangs zu Gange ist. Die Charaktere sind sehr sympathisch und die Designs ansprechend, dazu gefällt mir der Humor, also was will ich mehr? Ich frage mich allerdings, ob es in der Serie auch männliche Charaktere in tragenden Rollen gibt.[1]
Ich revanchiere mich für die Vorführung und drücke ihm die ersten drei Episoden von „Gash Bell“ in die Hand, um sie gleich im Anschluss ins Laufwerk zu schieben. Die Serie kommt auch gut an. Wichtig ist schon mal, dass die Serie auch Melanie gefällt – eine Kombination, die selten zu Stande kommt. Eine Episode „One Piece“ sehen wir uns auch noch an, aber es handelt sich wohl um eine fortgeschrittene Staffel und die Handlung erklärt sich mir nicht von alleine, weil man die vorhergehenden Episoden gesehen haben muss, um sie zu verstehen, also verstärkt sich mein Drang, „One Piece“ zu sehen, nicht.
Natürlich dauert der Tag auf diese Art und Weise entsprechend lang und ich muss den Plan aufgeben, um zehn Uhr morgens an der Bibliothek zu sein.


[1] Es gibt einen männlichen Lehrer. Aber es heißt auch, dass die Darstellung eines Schülers, die in einer der ersten Szenen des ersten Bandes zu sehen war, in einer späteren Ausgabe des Manga durch die Darstellung einer Schülerin ersetzt wurde, um das Gesamtkonzept nicht zu stören.

30. Juni 2024

Mittwoch, 30.06.2004 – Hallo, Vermittlung?

Filed under: Filme,Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

In einem kaum zu kühlenden Lehrsaal beendet SangSu heute seinen Vortrag über das japanische Bankensystem und wieder hält Kondô-sensei die halbe Stunde, weil SangSu verschiedene Details nicht verstanden hat. Dafür erhält er den Auftrag, den nächsten Text für die kommende Stunde ebenfalls vorzubereiten und noch einen themenverwandten Vortrag zu halten.

Mit Hugosson fahren wir in einem Wagen der Universität heute zu einer NPO, „Non-Profit-Organization“, einer Organisation, deren erklärtes Ziel nicht materieller Gewinn ist. Wir erleben auf der Fahrt einen kräftigen Platzregen und sehen amüsiert oder mitleidig den davon überraschten Fahrradfahrern hinterher.
KiJong schreibt währenddessen kleine Nachrichten auf ihrem Telefon und Hugosson fragt sie scherzhaft, ob sie ihrem Ehemann schreibe. Nein, sagt sie, er sei „nur“ ihr Freund. Und dann verliere ich das Interesse an dem Gespräch, weiß also nicht, wie sich die Pointe fünf Minuten später herleitet, als sie sagt, dass ihr Freund Schauspieler sei. Ob er berühmt sei, fragt Hugosson, wieder ohne die Frage sonderlich ernst zu meinen. Schließlich sind Statisten in TV-Serien auch irgendwo Schauspieler, und einige machen diese Hintergrundrollen ja auch professionell. KiJong aber sagt, dass ihr Freund „mehr oder weniger“ berühmt sei. Ja, was bedeutet denn das? Sie sagt, er habe eine der Hauptrollen in dem recht neuen koreanischen Film, der in Japan unter dem Titel „Brotherhood“ in den Kinos laufe, und sie finde es gar nicht gut, wie er mit dem ganzen Schmutz und Schweiß im Gesicht aussehe.
Die Welt kommt mir dabei wieder ziemlich klein vor. Der Werbung nach zu urteilen ist „Brotherhood“ nicht irgendein ostasiatischer Actionstreifen. Aufnahmequalität und die gezeigten Bilder deuten auf einen durchaus ernsthaften Film hin, der sich möglicherweise mit US Produktionen messen kann. Ich wollte ihn schon längst im Kino sehen, aber ich komme nie dazu. Irgendwann wird er aus den Kinos wieder verschwinden, falls er das nicht schon ist, und wenn ich die DVD-Veröffentlichung in Japan verpasse (und der Film in Europa nicht rauskommt), dann werde ich SangSu fragen müssen, ob er mir eine Version aus Korea schicken kann. Ich gehe davon aus, dass DVDs dort deutlich billiger sind, als in Europa und vor allem in Japan.

Das Büro der Organisation, die wir besuchen, befindet sich in einem Gebäude, in dem offenbar viele Nachhilfeschulen untergebracht sind, denn das ganze Haus ist voller Schüler, die mit ihren Blicken ein nicht geringes Interesse an dieser Konzentration von Ausländern bekunden. Die selbst gestellte Aufgabe der NPO ist die Vermittlung von freiwilligen Helfern jeder Art. Es kann jeder in das Büro kommen, wo er oder sie einen Fragebogen ausfüllen und eine Art Vorstellungsgespräch führen muss, der sich als Freiwilliger registrieren lassen möchte. Auf dem Fragebogen gibt man also an, welche Aufgaben man übernehmen möchte und welche lieber nicht, dann natürlich die notwendigsten persönlichen Daten und allgemeine Interessengebiete. Gleichzeitig kann sich auch jeder in diesem Büro melden, der Freiwillige für irgendeine Aufgabe sucht, sei es also Autos mittels eines blinkenden Stabes um eine Baustelle herumleiten oder Kinder hüten. Anhand der erstellten Kartei kann man sich jemanden heraussuchen, der für die Aufgabe am ehesten geeignet erscheint. Der Freiwillige bleibt dabei bis zum letzten Moment anonym.
Wir sitzen in der Sitzecke des Büros, in dem sich etwa ein Dutzend Leute befinden, von denen ebenfalls nur zwei für das, was sie tun, bezahlt werden, nämlich der Büroleiter, der uns erzählt, was hier so läuft, und seine Stellvertreterin, die für die Einstellungsgespräche und für die ganze Kartei zuständig ist. Man könnte sagen, sie trägt die Last der Arbeit und er die Verantwortung – weswegen es Hugosson am liebsten gewesen wäre, wenn sie das Gespräch mit uns geführt hätte. Aber nach dem japanischen „Senpai-Prinzip“ redet grundsätzlich der, der eine längere Firmenlaufbahn hinter sich hat. Und wenn die Arbeitserfahrung gleich ist, wird automatisch der Mann zum Repräsentanten. Der Chef redet also, während seine Stellvertreterin eher wie schmückendes Beiwerk daneben sitzt und hin und wieder zustimmend nickt. Ich glaube, sie hat während der Stunde einen einzigen zusammenhängenden Satz geredet. Andererseits trägt sie wie gesagt ja auch die Arbeitslast, was sich darin äußerte, dass sie sich wegen ankommender Klienten zweimal kurz entschuldigen musste.
Die NPO veröffentlicht übrigens eine eigene Zeitung, die alle zwei Monate erscheint. Ich bestätige, die Zeitung in der Zeitschriftenecke der Studentenhalle in der Universität schon einmal gesehen zu haben, aber an meine Haustür werde sie, anders als dargestellt, nicht geliefert. Das sei ganz klar, sagt der Chef, die Zeitung werde nur an Mitglieder der Nachbarschaftsorganisationen ausgeteilt, und normalerweise werden Austauschstudenten nicht mit einer Mitgliedschaft belästigt, da sie nur über einen begrenzten Zeitraum im Land bleiben.

Hugosson möchte, dass wir einen kurzen Bericht über den Besuch schreiben und erinnert mich daran, dass ich die Mail, die nur der Kontaktaufnahme dienen sollte, immer noch nicht geschrieben habe. Ich hole das gleich nach unserer Rückkehr nach. Ich gehe in die Bibliothek, aber da ist kein Durchkommen, also schreibe ich die Mail vom Center aus. Warum wir den Bericht schreiben sollen, ist mir nicht wirklich klar, denn eigentlich handelt es sich dabei um eine Aufgabe für den Englischunterricht in der Mittelstufe. Aber gut, wenn er denn möchte. Mehr als eine halbe Seite gibt es darüber nicht zu schreiben, wenn man sich auf die nackten Fakten beschränkt. Ich füge noch eine persönliche Meinung über den Ablauf des Ganzen hinzu, um etwas mehr Raum auf dem Papier zu füllen und vergrößere den Zeilenabstand auf 1,5.

Dann gehe ich ins Ito Yôkadô und hole die CD von Orikasa Fumiko ab. Es handelt sich in der Tat um ein volles Album für 3000 Yen, aber das stört mich wenig, vor allem, nachdem ich sie mir angehört habe. Fumiko gibt keinen 08/15 J-Pop zum Besten, sondern schöne, ruhige Musik, und bis auf ein oder zwei Songs, die nach einer Weile langweilig werden, kann man sich alle auch öfters mal anhören. Vielleicht handelt es sich dabei nicht gerade um partytaugliche Musik, aber als Hintergrundmusik für ein gemütliches Essen kann sie allemal herhalten.

Meine Bonuskarte der „Shinseidô“ CD Abteilung ist jetzt voll, das bedeutet, ich habe 2000 Yen „Dankguthaben“ dafür erhalten, für 40.000 Yen CDs gekauft zu haben, umgerechnet etwa 300 E. Ich überlege mir, was ich mit den 2000 Yen anfangen könnte und frage nach einer CD der „Drifters“, deren „Bibanon Ondo“ mir sehr gut gefallen hat. Allerdings gibt es von der Gruppe nur zwei Sammelalben, zwei Doppel-CDs, für jeweils 3900 Yen. Ich denke, dass ich mir erst Samples von der Seite des Vertriebs herunterladen will, bevor ich mich zu einem Kauf entscheide. Oder aber ich bemühe den Verleih… auf jeden Fall vertage ich die Entscheidung über mein „Dankguthaben“.

21. Juni 2024

Montag, 21.06.2004 – Montag, Montag

Filed under: Filme,Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Nach Yamazakis Unterricht setze ich mich ins Center, lese ein paar Strips „Kevin & Kell“ und unterhalte mich eine Weile mit Marc, der offenbar gerade an einer Kanji-Analyse existierender Namensschreibungen mitarbeitet und sich über die neuerdings erlaubten Namensbestandteile lustig macht. Man kann seinen Kindern in Japan neuerdings die verrücktesten Namen geben. Sachen wie „Käfer“ oder „Krebs“ (die Krankheit) sind in der Liste vorzufinden. Ich glaube, sogar das Kanji für „Furz“ ist dabei. Das Parlament begründet die Entscheidung mit der Eigenverantwortung der Eltern für ihre Kinder. Ich glaube, dass in den 90er Jahren ein Ehepaar ihren Sohn „Akuma“ („Teufel“) nennen wollte, war ein Meilenstein in dieser Diskussion, die nun offenbar auf diese Art und Weise beendet worden ist.
Marc ist an einer Verlängerung seines Aufenthalts, den ich ihm vor wenigen Tagen anbieten konnte, interessiert. Er wolle noch dies und das realisieren und scheint voll bei der Sache zu sein. Allerdings würde aus seinem Antrag auf Stipendium nichts werden, da das hiesige Gremium beschlossen habe, mittellose Chinesen primär und vor (angeblich) wohlhabenderen Europäern zu unterstützen. An sich klingt es sehr gut, dass man Leute finanziell unterstützt, die es nötig haben. Aber… wenn ich mich so umsehe unter den hier anwesenden Chinesen, dann finde ich auf Anhieb keinen, der nicht schon einen richtigen Job oder nicht zumindest Eltern mit Geld hat. Da wären ja zuerst einmal die Leute, die bereits einen Abschluss haben und hier eigentlich nur zur Fortbildung sind. Die haben zuhause einen Job, eine gesicherte Existenz, sei es nun als Arzt oder Pharmazeutiker oder Computerfachmann. Die sind zumindest nicht arm. Vielleicht nicht so wohlhabend wie ihre Kollegen in Europa, den USA oder Japan, aber nicht arm. Natürlich haben wir auch Chinesen ohne diese existenziellen Vorzüge hier. Aber auch die sehen zumindest nicht arm aus: Die tragen alle Designer- und Markenkleider, haben die neuesten Laptops und Handys, sind ausgestattet mit Accessoires der neueren Generation, wie zum Beispiel mehrere Gigabyte starken, transportablen Festplatten und all dem. Wenn ich deren technischen Stand ansehe, könnte ich glatt neidisch werden (wenn ich denn Interesse an diesem Zeug hätte). Aber ich habe wirklich noch keine armen Chinesen hier gesehen. Ich dagegen, der „wohlhabende Europäer“, bin arm wie eine Kirchenmaus.

Ich beende die Feinarbeit an meinem Kampfbericht und überreiche Eve die 50 DIN A4 Seiten Papier, Times New Roman 11, Zeilenabstand 1,5. Die Feinarbeit hat das Volumen dann doch deutlich über die von mir geschätzte Obergrenze von 40 Seiten gebracht. Eve braucht sich damit nicht zu beeilen, weil zumindest so lange Zeit ist, bis Frank seine Notizen ins Englische übersetzt hat (anstatt sie gleich auf Englisch zu schreiben).

Den Rest der notwendigen Zeit verbringe ich in der Bibliothek und fahre eine Stunde früher als üblich nach Hause, weil ich Melanie versprochen habe, mit ihr zusammen den ersten „Harry Potter“ Film anzusehen. Sie hat die beiden verfügbaren Teile für jeweils eine Woche ausgeliehen, um sie sich entsprechend oft ansehen zu können. Ich werde also über kurz oder lang (eher „kurz“) dazu kommen, auch den zweiten Teil noch zu sehen.
Der Film erweist sich als zumindest nicht schlecht, für junge Jugendliche gemacht und ein wenig außerhalb meiner Interessensphäre. Ich finde es gut, den Film gesehen zu haben, das war weder Zeit- noch Geldverschwendung, aber ich würde dafür keinen Platz in meinem Regal bereitstellen wollen.

Übrigens ist für heute Abend ein Taifun angekündigt worden. Oder eigentlich eher für heute Nacht. Irgendwann nach Mitternacht soll das Schauspiel beginnen und ich bedauere ein wenig, dass ich dann schlafe.

12. Juni 2024

Samstag, 12.06.2004 – Anprobe

Filed under: Filme,Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Gemäß der Einladung, es geht um den Erwerb einer Schuluniform, finde ich mich um 09:55 bei Jins Haus ein. Wir, Vater Jin Yûtaka und meine Wenigkeit, setzen uns ins Auto und fahren zum Ito Yôkadô. Aha, also wurde offenbar die einfachste Lösung gewählt. Der Schneider erkennt mich auch tatsächlich wieder und meint „Ich habe Sie doch schon einmal gesehen, oder?“ Ja, ich bin vor zwei Monaten bereits einmal hier gewesen und habe Preisinformationen eingeholt.
Er hat also zwei übergroße Uniformen kommen lassen und ich probiere sie an. Die passen wunderbar, nur die Hosenbeine und die Jackenärmel sollten ein wenig gekürzt werden. Die Hose ist etwas weit (ich nehme die mittlere angebotene Größe), aber er sagt, das sei normal und besser so.
Ich habe bei der Jacke extra darauf geachtet, dass ich mich ungestört bewegen kann und nicht gleich den Rücken aufreiße, wenn ich mich bücke oder mit dem Armen rudere. Schultern und Brust sind kein Problem. Das Ändern kostet nichts extra, das fällt unter „Service“. Na, ich will das auch gehofft haben, immerhin reden wir hier von einer ziemlichen Menge Geld, die den Besitzer wechseln wird. Ich bitte auch um andere Knöpfe. Die Standardausführung wird mit „Chû“ Knöpfen geliefert, also mit dem Symbol für eine Mittelschule. „Kô“ (für Oberschüler) würde ich mir noch gefallen lassen, aber „Dai“ (für Hochschule, Universität) wäre mir natürlich am liebsten. Man müsse nur im Seikyo anfragen, ob es solche Knöpfe auch gebe, sagt er, aber ich müsse diese Kosten dann selbst tragen.
Während ich meine eigenen Hosen wieder anziehe, geht Jin-san mit dem Schneider zur Kasse und erledigt die Anzahlung. Als wir dann zum Auto zurückgehen, sagt er: „Du hast nächsten Monat Geburtstag, also betrachte die Anzahlung bitte als Geschenk.“ Da klappt mir dann doch die Kinnlade runter und ich bedanke mich reichlich stammelnd, weil mir gerade die Worte fehlen. Immerhin geht es hier um 10.000 Yen, und das ist knapp ein Viertel des zu zahlenden Preises. Mir bleiben also noch 35.000 Yen Eigenkosten zzgl. des Preises für die Knöpfe. Ich werde noch eine schriftliche Dankbezeigung an ihn richten… ich habe mir eine Menge „Giri“, „Ehrenschuld“ möchte ich das nennen, aufgebürstet.

Ich möchte auch noch ein „Geheimnis“ des englisch-japanischen Vokabulars einschieben, weil ich Dr. Jin in eben diesem Moment, beim Verlassen des Parkhauses, um eine Erläuterung bitte. Es geht um einen Ausdruck, den man in der Werbung oft hört: „Dramatic“. Im Winter war auf Werbeplakaten die Rede von „Dramatic Christmas“ und eine Immobilienfirma wirbt derzeit mit dem Slogan „Dramatic Life for you“. Wenn ich das nun lese, verstehe ich „Dramatische Weihnachten“ und „Ein dramatisches Leben für Sie“, und das klingt für mich alles andere als positiv. Das klingt nach Schlagzeilen in einer Tageszeitung, nach ungewollter Action, nach Stress. Jin-san erklärt mir, dass der Begriff in Japan ganz anders aufgefasst werde: „Wie im Film“ – was mir andeutet, dass die Japaner den Begriff mit einer ursprünglicheren Konnotation auffassen, als es die westliche Welt heutzutage tut. Er findet meine Erläuterung „dramatischer Weihnachtstage“ lustig. Schwarzeneggers „Jingle all the Way“ („Versprochen ist versprochen“), das sind „dramatische Weihnachten“!

Wir fahren aus der Straße raus auf den Parkplatz des McDonald’s Restaurants, in dessen Inneren der Rest der Familie auf uns wartet. Aha, ein abgekartetes Spiel! Ich muss mich zuerst mit Händen und Füßen dagegen wehren, mir ein Essen ausgeben zu lassen, denn erstens mag ich McDonald’s nicht besonders, zweitens habe ich erst vor kurzem gefrühstückt und drittens habe ich mir heute schon genug für die nächsten paar Jahre ausgeben lassen. Ich schaffe es schließlich, mich mit dem Argument, dass man von dem Zeug nur fett werde, zu retten, was mir nicht nur einen belustigt-strengen Blick mit angehängtem Kommentar der Mutter einbringt („Bis Du fett wirst, dauert’s noch ein bisschen!“), sondern auch noch eine Portion kalorienarmen Salat mit weniger kalorienarmen Pommes Frittes als Beilage.
Die Familie bespricht schließlich die Aktivitäten für den Monat Juli. Ob ich nicht beim Kleben der Lampenschirme für das Neputa-Fest im August helfen wolle? Sicher, warum auch nicht? Man sollte von mir keine Glanzleistungen in Sachen Fingerfertigkeit erwarten, aber Papier auf ein Gestell kleben sollte nicht allzu schwer sein.

Interessant ist auch das „80-Prozent-Gespräch“. In Japan ist die Zahl Acht eine Glückszahl, weil das Zeichen aus zwei Strichen besteht, die, wie ein Zelt, unten weiter auseinander stehen als oben. Im japanischen Sinne steht das für eine positive Entwicklung. Und deshalb sagt man hier, dass man gesund lebe, wenn man jeweils 80 % von dem esse, was man maximal verdrücken kann. Ich frage den Vater, was er als Arzt von dieser Aussage halte. Er meint, er glaube daran, begründet seine Meinung aber mit oben genannter Numerologie. Eine irgendwie wissenschaftliche Erläuterung fällt ihm entweder nicht ein, oder aber er will mir den Fachvortrag ersparen. Ich denke also nicht weiter darüber nach.

Yûtarô verabschiedet sich irgendwann, und eine halbe Stunde (und ein paar Fotos) später treten auch wir übrigen den Rückweg an. Yûmiko und ihre Mutter fahren mit dem Fahrrad nach Hause, ich werde mit dem Auto gefahren. Ich nehme mein Fahrrad wieder auf und fahre zur Bibliothek. Es ist heiß heute, und allein der Gedanke daran, gerade eben einen tiefschwarzen Anzug bestellt zu haben, lässt mich in Schweiß ausbrechen.

Frank nimmt mein Waffenstillstandsangebot an und fasst es auch nicht als Kapitulation auf. Aus gutem Grund: Der Punktestand zeigt 56:38 Punkte für mich an – aber der hätte sich binnen weniger Spielzüge geändert. Was ich als wirklich ausschlaggebend ansehe, ist die Tatsache, dass die Moral der zum Angriff angetretenen Briten auf 40 % und damit sogar unter die deutsche Endmarke von 42 % gefallen war. Ich würde in Realität von einem reichlich blutigen Unentschieden ausgehen. Auf die Faktoren, die dazu geführt haben, will ich aber nicht weiter eingehen. Wer möchte, kann ja meinen Bericht lesen. Er ist mehr als 30 DIN A4 Seiten lang, in englischer Sprache. Die Fehleranalyse schreibe ich morgen, aber ich werde wohl auch damit die 40-Seiten-Grenze nicht überschreiten.

Die heutige „SailorMoon“ Episode ist ein wenig verwirrend. Mio fällt vor Mamorus Motorrad auf die Straße und er bringt sie ins Krankenhaus, wo sie sich, nachdem sie wieder aufgewacht ist, übereifrig an ihn heranmacht – was nur deshalb möglich ist, weil er aus unerfindlichen Gründen bei ihr bleibt, anstatt sie einfach dem Arzt in die Hand zu drücken und wieder zu verschwinden. Ich habe mal gelesen, dass Retter dieser Art in Japan lieber anonym bleiben, um der Person, der man geholfen hat, nicht das Gefühl zu geben, sich eine Verpflichtung aufgeladen zu haben. Ob das nun stimmt, sei dahingestellt. Vielleicht folge ich mal dem Beispiel des „Helden“ unserer Hörübungen im Japanischunterricht und frage fünfzig Leute auf der Straße…
Als nächstes schmieden Zoisyte und Venus (interessante Konstellation) einen finsteren Plan, dessen Zweck ich nicht wirklich verstanden habe, aber es geht darum, dass Usagi Mamoru vergessen soll. Die englische Zusammenfassung der Episode auf der Genvid-Seite im Internet verrät mir, dass nach der subjektiven Logik der beiden ungleichen Verschwörer das Zusammenkommen von Usagi und Mamoru (= Prinzessin Serenity und Prinz Endymion) zu einer Wiederholung der Geschichte des Mondreichs führen werde = die Welt wird mal wieder untergehen, und das wollen wir natürlich vermeiden. Das Werkzeug, das den Gedächtnisschwund herbeiführt, soll eine klimpernde Spieluhr sein. Minako lädt Usagi also zum Essen ein und spielt den Amnesiewalzer mit der Spieluhr, worauf Usagi theatralisch von ihren Erinnerungen an Mamoru verlassen wird.
Währenddessen verschleppt Mio, tatsächlich eine „direkte“ Agentin von Königin Beryllia, den hypnotisierten Mamoru auf irgendein Dach (ich nehme an, weil man dafür keine Straße sperren und Leute evakuieren muss, um in Ruhe drehen zu können). Vielleicht will sie ihn in die Selbstmordstatistik eingehen lassen? Nein – Beryllia will den schnatzen Kerl (den halbverhungerten Spargeltarzan) für sich selbst haben! Kunzyte erscheint und greift Mio an, weil er plant, Mamoru (Endymion) als Trumpfkarte gegen die Königin einzusetzen, der er nicht sonderlich viel untertänige Verehrung entgegenbringt, aber Mio wird von Jedyte beschützt, der ja immer noch äußerst loyal zur Königin steht. Dann kommen SailorMoon und SailorVenus und der aus seiner Hypnose erwachte Endymion dazu, und jeder kämpft so irgendwie mit jedem. Ich habe völlig die Übersicht darüber verloren, wer hier warum mit wem gegen wen paktiert!
Schön ist dann wieder die Szene, wo Venus zwei Karten für ihr (Minakos) Konzert an Usagi überreicht, die überhaupt nicht versteht, warum sie Karten für Minakos Auftritt von SailorVenus erhält. Mamoru glaubt nicht, was er da sieht, und er sieht ein herrlich dämliches Gesicht, das Sawai Miyû so hervorragend hinbekommt. Das hat die Hauptdarstellerin ihrem zweidimensionalen Vorbild voraus.
Ich glaube auch nicht, was ich da sehe, wenn auch aus anderen Gründen. Rei (Mars) hat vor Wochen bereits herausgefunden, dass Minako SailorVenus ist, und sie hat es nicht weitererzählt? Hat sie in der Kirche, die sie hin und wieder besucht, vielleicht eine Nase zu viel vom Weihrauch genommen? Vielleicht ist mir aber einfach nur entgangen, dass Venus darum gebeten hat.
Außerdem entsteht in der Szene die berechtigte Frage, woher Venus (man bedenke, was sie anhat und dass hier gerade wieder gekämpft worden war) die Eintrittskarten hergenommen haben könnte, und das auch noch knitterfrei? In alten Fankreisen ist ja die These anerkannt, dass die Taschen der Röcke der Senshi multidimensional sind und dass da quasi unendlich viel Material reinpasst.
Zum Schluss folgt dann das Konzert, in dem Minako, bzw. Komatsu Ayaka, unter Beweis stellt, dass sie die Bühnentauglichkeit eines C3PO Übersetzungsdroiden hat – eine komplett stocksteife Nummer, die sie da zeigt. Aber sie hat ja einen Grund: Sie ist krank und bricht auf der Bühne zusammen! Theatralisch!

4. Juni 2024

Freitag, 04.06.2004 – Sandalen auf heißem Sand

Filed under: Filme,Japan,Musik,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

In der Mittagspause bringe ich meine eben abgeholte Immatrikulationsbescheinigung zu Prof. Fuhrt, der mir verspricht, sie heute Abend nach Trier zu faxen.

Der Unterricht von Kuramata-sensei fällt heute aus, weil der Verantwortliche der Hauswirtschaftsabteilung keine Zeit hat. Es heißt, das angesetzte Reiskochen werde auf unbestimmte Zeit verschoben. Ich nutze die Zeit, um ins Ito Yôkadô zu fahren. Ich möchte noch die eine oder andere CD kaufen, bevor ich das Land verlasse, und Melanie ebenfalls. Ich kaufe also „Sotsugyô“ von „ZONE“ und, weil es mir ins Auge fällt, auch „Anime Trance 2“. Wenn ich „Animetal sammele, warum nicht auch „Anime Trance? Ich frage an der Theke nach den „Animetal Marathon“ CDs #2, #3 und dem „Lady Marathon“, muss aber erfahren, dass es von dieser Serie nur noch die CD #3 zu kaufen gibt, alle anderen sind bereits außer Produktion. Bei der dritten CD handelt es sich um ein „Ultraman“ Special, aha… das sagt mir jetzt natürlich reichlich wenig, aus musikalischer Sicht gesehen. Ich weiß nur, dass „Ultraman“ eine Serie ist, die man nicht unbedingt gesehen haben muss. Der Held verwandelt sich mit Sonnenenergie in einen Riesen und kämpft gegen Monster in der Größe von Gozilla oder so…
Bei solchen Gelegenheiten werde ich gern gefragt, warum ich die Superheldenserien so schlecht finde, mir aber aktuell „SailorMoon“ anschaue. Diese Serie sei doch ebenso schrottig, was Regie und Spezialeffekte betrifft? Einfache Antwort: Das hat ganz klar hormonell bedingte Gründe. Was nutzt es auch, das abzustreiten? Aber ich bin auch ein Fan des Originals. Und ich habe auch Gründe, die in der Handlung liegen. Ich finde zum Beispiel sehr interessant, auf welche andere Weise die Geschichte erzählt wird, und wie anders die Beziehungen verschiedener Charaktere untereinander gestaltet wurden.
Wie dem auch sei, ich würde die „Animetal“ Reihe schon gerne komplett haben, also werde ich Hiroyuki bei Gelegenheit bitten, ein Auge auf die Läden in Tokyo zu haben.

Der Unterricht von Ogasawara-sensei findet natürlich statt und nach Schluss möchte ich noch die eine oder andere Sache in Erfahrung bringen. Warum z.B. hat sie „Satôkibi Batake“ als Lied ausgesucht? Sie sagt, weil ihr das Lied gefalle und sie die CD gerade in der Hand gehabt habe. Also keine tiefgründigen Hintergedanken. Ich drücke mein Bedauern darüber aus, dass dieses Lied so schrecklich melancholisch klinge und frage, ob sie „Shima Uta“ kenne. Ja, entfernt, sagt sie. Ich solle die CD einfach mal mitbringen.
Des Weiteren interessiert mich, warum ein koreanischer Film, dessen Name sich mit den chinesischen Schriftzeichen für „Bushi“ schreibt, in Japan „Musa“ gelesen wird (was sich eigentlich ein bisschen anders schreibt). Sie erklärt, dass die beiden Begriffe theoretisch synonym seien, dass aber das Wort „Bushi“ in Japan zuerst den Gedanken an „Samurai“ wecke; „Musa“ dagegen sei „ein starker Kämpfer“, aber nicht unbedingt ein Samurai. Da der Titel direkt aus dem Chinesischen stamme, mache der koreanische Titelgeber diese Unterscheidung nicht. In meinen Worten ausgedrückt: Die dargestellten Personen sind Ausländer und können daher nicht mit einem Begriff beschrieben werden, der etwas einzigartig Japanisches ausdrückt!
Zuletzt möchte ich mir zwei Kanji-Kombinationen erklären lassen, die sich beide „Zenzai“ lesen – also so, wie der übliche Deutsche den japanischen Lehrer, den „Sensei“, betitelt, bzw. ausspricht. Zum einen handelt es sich dabei um „zuvor begangene Verbrechen“. Bei einem Gewohnheitsverbrecher also um die Straftaten, die er vor der aktuell untersuchten begangen hat. Zum anderen handelt es sich bei „Zenzai“ um eine Spezialität aus der Gegend von Osaka. Was daran so speziell sein soll, verstehe ich nicht, weil es sich dabei um eine Schüssel mit süßer Bohnenpaste handelt, wie man sie für gewöhnlich in Brot oder in Reisteig einwickelt. Offenbar isst man da unten dieses Zeug auch pur. Außerhalb von Kansai, der Ebene um Osaka, gibt es ebenfalls „Zenzai“, aber mit der Variation, dass Stücke von Reisteig (Mochi) in die Paste geschnitten werden.

Ich treffe dann Melanie am Center und wir fahren ins Kino. Wir sehen uns „Troja“ an. Die männlichen Hauptrollen finde ich allesamt gut besetzt, aber die Frauen erscheinen mir arg farblos, vielleicht abgesehen von der einkassierten Cassandra. Dass Orlando Bloom den Paris gespielt hat, war ebenfalls eine gute Wahl (auch wenn es sicherlich noch bessere gegeben hätte), aber ich musste am Ende doch lachen und mich fragen, ob er die Rolle nicht deshalb bekommen hat, weil er dann wieder mit Pfeil und Bogen hantieren kann – es fehlt eigentlich nur noch, dass er in zehn Jahren in der 2813ten „Robin Hood“ Verfilmung die Hauptrolle spielt. Paris überlebt also, trifft noch schnell Aeneas und verschwindet dann scheinbar spurlos in der Weltgeschichte. In der Originalerzählung ist er bei der Eroberung von Troja so sang- und klanglos umgekommen, dass Homer gerade mal eine oder zwei Zeilen dafür aufwendete. Paris war offenbar gutaussehend, aber nicht das Ebenbild eines Mannes – wie anders könnte ich Homer interpretieren, der sinngemäß sagt, dass die Helena ganz froh war, wieder zu ihrem Gatten zurückkehren zu können. Und dafür, dass die Helena einen erotischen Ruf genießt, wie er sonst nur der Kleopatra oder Mata Hari zukommt, hätte ruhig eine geeignetere Darstellerin als Diane Kruger herhalten können.

An sich ist der Film nicht schlecht. Ich finde nur, dass man sich zu viele Freiheiten genommen hat, um die beiden Seiten quasi als „Gut gegen Böse“ zu stilisieren. Der Hektor ist z.B. viel zu ritterlich geworden, damit er Achilles besser kontrastieren kann. Dabei war Hektor genauso ein Metzger – hat er in der Vorlage nicht ebenfalls den erschlagenen Patroklos hinter seinem Streitwagen her in der Gegend herumgeschleift?
Darüber hinaus hätte es mir nicht schlecht gefallen, das wahre Ende des Agamemnon zu sehen, anstatt diese „Happy End“ Version, die man in dem Film zu sehen bekommt. Der Mann hat Cassandra mit nach Hause genommen und wurde dafür von seiner eifersüchtigen Frau und deren Erfüllungsgehilfen umgebracht. Aber zur Verteidigung von Clytemnestra sei gesagt, dass da nicht nur Eifersucht eine Rolle spielt – Agamemnon war auch so frei, vor seiner Abreise nach Kleinasien ihre Tochter Iphigenie den Göttern zu opfern, um so einen günstigen Wind für die Überfahrt zu erbitten. Und das tragische Element dabei ist, dass die Iphigenie von den Göttern gerettet wurde, indem sie sie im Moment ihres „Todes“ an einen fernen Ort entrückten. Natürlich kann ich mich irren – ich habe den dicken Wälzer vor mehr als zehn Jahren zuletzt gelesen.
Wirklich lustig fand ich die Zeitkomprimierung. In „Gladiator“ war ja der „Blitzritt“ des Helden Maximus nach Spanien schon ein Grund zum Schmunzeln, aber in „Troja“ wird das noch viel extremer: Da landen die Griechen am Strand, dann wird zwei, drei Tage lang gekämpft, dann folgt die Kampfpause während Hektors Trauerfeiern und dann wird Troja erobert – dem unbedarften Zuschauer erscheint das wie eine Sache von vielleicht zwei Wochen. Soweit ich mich erinnere, hat die Belagerung Trojas in der Ilias etwa zehn Jahre gedauert, und in diesem Zeitraum wurden erst einmal alle mit Troja verbündeten Städte nacheinander von den Griechen zerstört.
Aber wenn wir schon dabei sind, kann man doch die Fortsetzung gleich in Auftrag geben – hat nicht Odysseus gerade seinen unvorsichtigen Fuß in sein Schiff gesetzt? Die „Odyssee“ wäre doch jetzt der nächste, logische Schritt, oder nicht? Ich bin sicher, dass Sean Bean eine gute Figur in der Rolle macht. Stattdessen finde ich einen Bericht in der „Japan Times“, die einige andere Titel (unter dem Motto „Die Rückkehr der Sandale“) ankündigt. Jetzt kann ich mich natürlich mangels Notizen nicht mehr erinnern, um was es im Einzelnen geht. Da war u.a. von einer Neuverfilmung von „Spartakus“ und „Alexander“ die Rede. Na, warum nicht.

Wir wollen nach dem Film was essen und mir ist nach Pizza. Und wenn man in Hirosaki Pizza essen will, sollte man dafür ins SkattLand nach Nishihiro fahren. Vor dem Eingang erspähe ich die erste Kakerlake, die ich in meinem Leben live sehe. Aber sie ist „nur“ so groß wie mein Daumen. Zertreten soll man sie ja nicht, weil ihre Eier so am Schuh kleben bleiben und sich bis in die eigene Wohnung verteilen können.
Im SkattLand hängt ein Angebot für 400 Yen aus, das da heißt „Eiersalat mit Ume-Mayo-Dressing“. Was bitte soll denn das sein? Eiersalat mit Mayonnaise ist klar, aber was haben Pflaumen daran zu suchen? Ich wage nicht, das Gericht zu bestellen, außerdem wollte ich eh eine Pizza (oder auch zwei) essen. Vielleicht probiere ich diese abenteuerlich klingende Mischung später einmal.

27. Mai 2024

Donnerstag, 27.05.2004 – Kill Quentin!

Filed under: Filme,Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Nachdem also wieder ein Mittwoch überstanden ist, kann die Kugel auch wieder entspannter rollen. Allerdings tut sie das auf so langweilige Art, wie das eben nur an einem Donnerstag möglich ist und mein Unwille gegenüber dem Schreiben „formvollendeter“ Aufsätze, egal in welcher Sprache, könnte kaum größer sein.

Dann wollte ich eigentlich Yui treffen, aber ich habe die Uhrzeit vergessen. Also handele ich schnell, setze mich auf mein Fahrrad und fahre nach Osten, um das Denkodô zu suchen. Ich weiß nur, dass es sich in ungefährer Umgebung des Sakurano befindet, aber nicht mehr. Ich fahre also an dem Kaufhaus vorbei, einfach die Straße weiter runter nach Osten. Und ich finde zuerst das „Power Depot“, ebenfalls ein Laden, der Elektronikzeug verkauft. Na wunderbar, dann habe ich ja den Preisvergleich gerade zur Hand. Aha, 256 MB FlashMemory USB 2.0 gibt es hier für 7990 Yen, also für ungefähr 60 E. Unverschämterweise frage ich den Angestellten, wo denn das Denkodô sei, und er erzählt es mir. An der Ampel links vom Laden rechts abbiegen und drei Ampeln weit nach Süden fahren, da könne ich links ein gelbes Gebäude sehen, und das sei das Denkodô.
Am Denkodô stelle ich mein Fahrrad lieber in den Schatten. Heute ist es nicht nur sonnig, sondern auch noch richtig warm dazu. Auf dem Sattel könnte man bestimmt ein Spiegelei braten, ohne beabsichtigte Anspielungen. Aber das Denkodô erweist sich preislich als zweite Wahl: Das gleiche Produkt kostet dort 8490 Yen und die Auswahl ist deutlich kleiner – auf Wiedersehen. Ich fahre zurück ins Power Depot und kaufe die Ware dort.
Ah, zweiteilig: Das Gehäuse ist der Stecker, der den herausnehmbaren Speicherstein mit dem Computer verbindet. Ich könnte also einen Speicherstein mit mehr Platz hineintun, ohne gleich ein komplettes Teil kaufen zu müssen – falls es in Deutschland ein vergleichbares Produkt gibt. Aber 256 MB reichen mir erst mal völlig aus. Ich denke, es wird noch zwei oder drei Jahre dauern, bis größere Dateien die Norm werden.

Ich fahre ins Center zurück und warte auf Yui. Ich installiere schon mal die Treiber auf den entsprechenden Computern und erfahre dabei die ersten Probleme. Als die Verkäuferin sagte, der Treiber sei „drin“, dachte ich, der Treiber wäre vielleicht bereits auf dem Memorystick gespeichert und mache so eine Installations-CD überflüssig, weil ich auf den ersten Blick keine habe entdecken können und deshalb nachfragte. Was sie allerdings mit „drin“ gemeint hat, war „in dem kleinen Karton“. Es handelt sich um eine kleine 8 cm CD-ROM, die ich beim Auspacken völlig übersehen habe. Und unsere Laufwerke hier stehen alle aufrecht… das heißt, ich muss den Computer kippen, damit die CD gelesen werden kann. Zu meiner übergroßen Freude nimmt einer der drei Win98 Rechner den Treiber nicht an und ein weiterer reagiert überhaupt nicht, wenn man etwas in seinen USB-Port hineinsteckt. Vermutlich völlig zerschossen, da das bis vor kurzem mit Misis Speicher noch funktioniert hat. An meinem Teil kann es nicht liegen, denn wenn ich den Stick in die anderen Computer stecke, werde ich nach den Treibern gefragt und bei diesem Müllrechner hier geschieht noch nicht einmal das. Okay, dann eben nur einer von dreien. Ich brauche einen Plan!
Der Plan: Ich tausche meinen Speicherstein temporär gegen den von Misi, um meine Daten von Rechner Zwei auf Rechner Eins zu transportieren, auf dem mein Gerät ja läuft, tausche dann wieder zurück und verschiebe weiter auf Rechner Vier, auf dem ich wegen Windows XP keinen Treiber zu installieren brauche und der den notwendigen Brenner hat. Man kann sich das Leben kaum komplizierter machen. Warum haben nicht gleich alle Rechner Brennerhardware? Hätte mir den Erwerb des Memorysticks erspart.

Yui erscheint schließlich auf der Bildfläche und wir gehen in die Halle. Da ich nur meine Beispielsätze noch einmal durchgehen will und es ja nur um zwei Lektionen geht, braucht die Sache nicht lange und wir streichen den vorsorglich ausgemachten Termin am Wochenende. Mir scheint, ich habe am Samstag eh viel vor, wie mir im Laufe des heutigen Tages langsam klar wird. Melanie hat uns für einen Fahrradtrip in den „Hirosaki Apfelpark“ eintragen lassen. Sie war irgendwie mit einem organisierenden Lehrer ins Gespräch gekommen, der meinte, dass es ja nicht angehen könne, dass wir keine japanischen Freunde hätten (kann ich mich beschweren?) und der Ausflug sei wie geschaffen, das zu ändern, weil nicht nur Ausländer, sondern auch japanische Studierende daran teilnähmen. Melanie hat weniger japanische Kontakte als ich, und das ist nicht unwesentlich dem Zustand zuzuschreiben, dass sie keinen Tutor hat. Außerdem zeigt sie in solchen Dingen noch weniger Initiative als ich, weil ich weniger Bedenken habe, auch mangelhafte Sprachkenntnisse zu verwenden.[1] Das „Learning by Doing“ liegt ihr nicht so. Also gut, dann also Apfelpark.

BiRei ist auch auf der Liste, und dass sie sich über meine Teilnahme so freut, mindert mein Gefühl, hier von Aktionismus überrumpelt worden zu sein, doch ein wenig. Außerdem habe ich ihr und MinJi ja einen Sondertermin zum Sushi-Essen versprochen, was diesen Samstag stattfinden soll. Die Leute, die letzte Woche bereits dabei waren, habe ich nicht wieder gefragt und der Rest hat wegen aller möglichen Nebenjobs keine Zeit. Bei anderen liegt es an mangelnder Kommunikation: Yukiyo und Masako schreiben mir, dass sie meine Mail zum letzten Sushi-Termin heute erst gelesen hätten – also einige Tage nach dem Termin. Wozu haben die einen Mailaccount, wenn sie ihn nicht nutzen? Ich informiere sie über den neuen Termin, aber wenn ihre Lesefrequenz so bleibt, dann ist es mindestens Montag, bis sie über den Samstag Bescheid wissen. Wir einigen uns mit MinJi, dass BiRei sie anruft, sobald wir von dem Ausflug zurück sind, weil sie nicht in den Ausflug zum Apfelpark mit eingebunden ist.
Den Rest vom Tag verbringe ich dann in der Bibliothek.

Am Abend wartet Melanie mit einem Film auf mich: „Kill Bill“. Ich wollte ihn auch schon längst mal sehen, um selbst zu erfahren, „über was alle reden“. Der Film soll ja angeblich so toll sein. Ich hatte aber auch schon gehört, dass „Otôto Sempai“ Pierre den Film in der Luft zerrissen und ihm nur wegen des angeblich genialen Schlusses noch die Note „4“ gegeben habe. Und als dann der Abspann läuft und ich aus dem Sessel aufstehe, weiß ich plötzlich, wie sich mein Freund Sebastian gefühlt hat, als er damals nach der Vorführung von „Versus“ aus seinem Sessel aufgestanden war und gesagt hatte (O-Ton):
„Also so eine Scheiße hast Du mir ja seit zehn Jahren nicht mehr gezeigt!“
„Versus“ ist, meiner Meinung nach, wenn auch nicht gerade ein Meisterwerk der Filmkunst, was ich zugebe, auf jeden Fall cool. Aber „Kill Bill“ ist so ziemlich das mieseste Filmprodukt, das ich seit langer Zeit gesehen habe. „Ninja Resurrection“ (ich rede von dem vor ein paar Wochen beschriebenen Realfilm) war so schlecht, dass man darüber lachen konnte, aber „Kill Bill“ schafft noch nicht einmal das – eine absolute Nullnummer!
Die Einbindung so genannter (im wahrsten Sinne des Wortes nur „so genannter“) Animesequenzen ist schlicht lachhaft, auch wenn diese Formulierung jetzt paradox erscheint. Wer das für Anime hält, sollte sich mal nach Alternativen umsehen. Der Stil ist sehr amerikanisch (Stil „Japanimation“, das US Imitat japanischen Stils) und die grafische Qualität ist noch oberübel dazu. Und dann diese unglaublichen Mengen an Kunstblut, die in den Kämpfen den ohnehin übertriebenen Animationssequenzen in keiner Weise nachstehen! Es sprudelt und spritzt aus allen Arterien, dass ich mir vorkomme wie in „Nightmare on Elm Street“. Diese Maßlosigkeit reißt den Film endgültig in den Abgrund. Ich glaube, Tarantino hat definitiv die falschen Anime gesehen. Ich rechne das seinem persönlichen Geschmack an.
Ah, von wegen „persönlicher Geschmack“ in Bezug auf Quentin Tarantino: Nach diesem Film habe ich den starken Verdacht, dass Tarantino Fetischist ist – mir scheint, er steht auf Füße. In „From Dusk till Dawn“ spielten Füße eine erotische Rolle, und auch hier bekommt man von der einen oder anderen Darstellerin eine entsprechende Kameraeinstellung.
Ha, und ich habe noch gar nicht das Japanisch erwähnt! An sich finde ich es löblich, wenn man sich darum bemüht, in Szenen, die in Japan spielen, die Darsteller auch Japanisch reden zu lassen, aber dieser Akzent lässt mir die Ohren bluten – und dabei bin ich noch nicht einmal Japaner. Ich glaube, die werden diese wenn auch nett gemeinten Versuche eher zum Totlachen finden.
Mit was für einer Fluggesellschaft fliegt unsere Heldin da eigentlich, in deren Maschinen man Schwerter mitnehmen darf? Und was ist an dem Schluss so toll? Das tot geglaubte Kind lebt noch, damit ist die Fortsetzung vorprogrammiert und es ist das Kind von Bill. Na toll, ich verneige mich in Ehrfurcht!
Aber ich will auch zwei positive Dinge über den Film sagen: Erstens war es eine gute Idee, nach dem Gemetzel in dem Lokal die Verwundeten im Hintergrund jammern und stöhnen zu lassen, auch nachdem der Kampf bereits vorbei war. Das trägt zum Realismus bei. Actionfilme verfahren meist noch wie die alten Kriegsfilme – da gibt’s nur Tote und ohnmächtige Verwundete. Zweitens war es schön, den alten Sonny Chiba noch mal zu sehen. Seit „Sengoku Jieitai“ sind ja bereits ein paar Jahre vergangen… der Mann hat zugenommen.


[1]   Ich habe außerdem weniger Bedenken, einfach so Leute anzusprechen, wenn ich es in einer Fremdsprache tue. Ich bin sonst nicht bekannt dafür, einfach so auf Leute zuzugehen, ohne vorher einen Schnaps zur Entspannung getrunken zu haben.

12. Mai 2024

Montag, 10.05.2004 – „… und der müde Reisende, der wo ich bin, will eine Tüte voll Schlaf nehmen“

Filed under: Filme,Japan,My Life — 42317 @ 21:58

Nach etwa fünf Stunden Schlaf stehe ich um 06:00 wieder auf und wiederhole ein paar Vokabeln. Natürlich sind fünf Stunden für mich zu wenig und dem entsprechend tief steht mein heutiges Barometer. Aber es ist generell etwas nicht in Ordnung. Mein Magen teilt mir mit, dass er entweder Ruhe bekommt oder ich die Konsequenzen tragen muss. Nachdem ich den Unterricht von Yamazaki-sensei also überstanden habe, fahre ich nach Hause und lege mich schlafen – bis etwa halb Fünf. Ich fühle mich um Längen besser als vorher.

Zwischendurch hat es kräftig geregnet und die Bücher, die Melanie leider zur falschen Zeit vom Book Off nach Hause transportiert hat, haben den Weg nicht unbeschadet überstanden. Zum Verschenken sehen die Bücher jetzt eigentlich viel zu traurig aus… denn auch wenn sie trocken sind, bleiben diese typischen Wellen am Rand ja erhalten. Der Regen hat mittlerweile aufgehört und ich entschließe mich dazu, noch in die Bibliothek zu fahren, um zumindest noch meine Post bearbeiten zu können.

Neben meiner Post beschäftigt mich das laufende (oder eher „sich anbahnende“) Gefecht gegen Frank, und eine Episode von „Area 88“ sehe ich mir auch noch an, nachdem die Tätigkeit im Online-Forum meinen Zeitplan deutlich unterschritten hat.

Als ich mit Melanie im Kino war, habe ich in der gedruckten Filmwerbung gelesen, dass demnächst ein „Cutey Honey“ Realfilm erscheinen werde und ich habe herumgefragt, ob denn jemand was darüber wisse – ich bin nicht der Typ, der selbst sucht, wenn es nicht notwendig ist. Ich frage lieber andere. Es heißt, der Film sei unter der Regiearbeit von Hideaki Anno („Evangelion“) entstanden. Das klingt an sich nicht schlecht, aber dennoch müsste ich mich in dem Fall fragen, was das für das Verhältnis von Honey zu ihrem Vater bedeutet… die Väter in den Filmen von Hideaki Anno fallen meist nicht in die Kategorie der „netten Onkel von nebenan“. Wie dem auch sei – man hat mir auch einen Link geschickt, wo man sich den Trailer ansehen kann. Und ich habe ihn angesehen. Es handelt sich bei dem Film um eine Koproduktion mit den Warner Bros. Studios. Das scheint zwar vielversprechend zu sein, aber ich persönlich finde den Trailer eher abschreckend. Die Handlung ist natürlich in der heutigen Zeit angesetzt, aber Bekleidung und Accessoires der Charaktere sind definitiv der Zeit entnommen, in der „Cutey Honey“ ihren Ursprung hat – den Siebzigern. Außerdem überzeugen mich die Spezialeffekte nicht sonderlich. Natürlich soll man an solchen Äußerlichkeiten keinen Film bewerten… aber wir reden hier über „Cutey Honey“… Ich glaube, ich werde dafür kein Geld ausgeben, das über eine Videoleihgebühr hinausgeht.

Samstag, 08.05.2004 – Kasukabe Boys

Filed under: Filme,Japan,Manga/Anime,My Life — 42317 @ 21:48

Melanie hat sich gestern Abend, mit technischer Unterstützung unseres ungarischen Bekannten, ein neues Fahrrad besorgt und wir entschließen uns dazu, heute ins Kino zu gehen, um den „Shin-chan“ Film „Kasukabe Boys“ anzusehen. Am Sonntag, morgen, läuft die letzte Vorstellung.
Es handelt sich dabei, grob gesagt, um eine Western-Parodie, in der Klaus Kinski und (ein recht junger) John Wayne (als die Bösen) ebenso auftreten, wie auch Yul Brunner und der Rest der Glorreichen Sieben.
Shinnosuke landet mit seinen Freunden beim Spielen in einem alten Kino, in dem zwar niemand anwesend ist, wo aber trotzdem, reichlich unscharf, eine Szene aus einer typischen Western-Wüste auf dem Bildschirm gezeigt wird. Er geht zwischendurch auf die Toilette und als er zurückkommt, sind die anderen vier verschwunden. Er geht nach Hause, aber es stellt sich bald heraus, dass seine Freunde nicht nach Hause gegangen sind. Die komplette Familie macht sich also auf den Weg, das alte Kino zu besuchen – was natürlich dazu führt, dass sie in dem (namenlosen) Film landen…

Wüste. Eine Bahnlinie. Eine klassische Westernstadt. John Wayne und seine Gehilfen lassen die Dorfbewohner für sich arbeiten. Shinnosukes Freund Kazama hat sich der Gang auch inzwischen angeschlossen (er ist der Sheriff geworden) und gibt vor, sich nicht mehr an Shinnosuke zu erinnern. Masao (in der Rolle des unterdrückten Mexikaners) erzählt dasselbe. Nene lebt mit Masao zusammen und Bô ist der einsame Indianer, der in seinem Tipi am Rand eines Canyons wohnt. Es scheint, dass die Stadt voller Leute ist, die hier eigentlich nicht hingehören und wieder aus dem Film raus müssen – aber je mehr Zeit man in „Justice City“ (so der Name der Stadt) verbringt, desto mehr vergisst man von seinem alten Leben.
Des Weiteren steht in dieser Welt die Zeit still. Das heißt, hier ist immer „High Noon“, 12 Uhr mittags. Shinnosuke geht dazu über, den Zeitverlauf daran zu messen, wie häufig der örtliche Erfinder und Bastler (sicherlich auch eine Parodiegestalt, die ich aber nicht erkenne, möglicherweise Steve McQueen) als Strafe für sein freidenkerisches Tun hinter einem Pferd durch die Straßen geschleift wird. Die Bösen haben natürlich ein Interesse daran, dass die Zeit stehen bleibt, denn ein Film, in dem jemand ungerechterweise uneingeschränkte Macht ausübt, kann nur ein „Happy End“ haben – was sich natürlich zu ihren Ungunsten auswirken würde. Als die Leute sich dann zusammentun, um gegen ihr Joch zu protestieren, vergeht endlich etwas Zeit und die Sonne neigt sich ein Stück gegen den Horizont.
Zum Schluss gibt es dann wieder eine Verfolgungsjagd, diesmal Pferd, bzw. Ford, gegen Eisenbahn, und schließlich Eisenbahn gegen „MechaWayne“ (ein großer Roboter), der von John persönlich gesteuert wird und von den zu Superhelden mutierten Kindern zu Fall gebracht werden muss. Natürlich kommt, was kommen muss, nämlich das Happy End, und alle landen wieder in dem kleinen Kinosaal, wo alles angefangen hat.

Ich finde es sehr bedauerlich, dass in diesem Film „echte“ Gewalt zum Einsatz kommt. In „Das Imperium der Erwachsenen schlägt zurück“ waren die Bösen mit Spielzeugwaffen ausgerüstet und niemand wurde verletzt. In „Yakiniku Lord“ (oder „- Road“) gab es zwar einen Kampf am Ende, aber dabei handelte es sich um ein sehr lustig choreographiertes Handgemenge, dessen Schwerpunkt eindeutig auf Humor lag. Aber in „Kasukabe Boys“ schießen die Bösen mit Revolvern, es gibt Verletzte unter den Bewohnern, und Shin-chan und seine Mutter werden von John Wayne mit einer Peitsche bewusstlos geschlagen – ich glaub’, ich spinne! Von allem, was ich von Shin-chan bisher gesehen habe, ist das hier am wenigsten für das nicht erwachsene Publikum geeignet, das hier im Kinosaal so vier bis sieben Jahre alt sein dürfte. Bedauerlich ist eigentlich auch, dass die Kinder die Anspielungen auf klassische Western überhaupt nicht verstehen können. Wer von denen kennt denn Klaus Kinski? Oder gar Yul Brunner? Letzterer ist schon seit 1985 tot. Da war so mancher Elternteil erst so alt wie die anwesenden Kinder heute!
Und dann: Welch Aufhebens wurde in der TV-Werbung für diesen Film um die Präsenz der japanischen Gruppe „No Plan“ gemacht! Dabei waren die Jungs nur in einer einzigen Szene zu sehen, einer sagte einen Satz und damit war der Fall gegessen. Sie haben dann das Schlusslied gesungen, das „Yume Biyori“ von Shimatani Hitomi (einem Doraemon Schlusslied) irgendwie nicht ganz unähnlich ist.

Dann trennen sich unsere Wege – Melanie fährt ins Book Off und ich in die Bibliothek. Ich mache allerdings noch einen Zwischenstopp in der Mazdavertretung und frage dort nach einer Fernbedienung für ein Pioneer Radio, die man am Lenkrad befestigen kann. Ich weiß nicht, wozu das gut ist, aber Kai will so was haben. Hätte ich dabei „Gran Tourismo“ besser im Hinterkopf gehabt, hätte ich zwei Gesprächszeilen bei dem Dialog mit dem Angestellten vermeiden können.
„Für welches Auto?“ fragt der. Ich bin verwirrt.
„Ist das wichtig? Für den Mazda MX5.“
„MX5? Ah so, Roadster. Für welche Radiomarke?“
„Es handelt sich um Pioneer.“
Ich bin mir nicht zu 100 % sicher, ob das noch stimmt, aber ich glaube, Kai kommt gar nichts anderes ins Haus (so lange er es sich Bohse noch nicht leisten kann…). Aber einen bestimmten Typ kann ich leider nicht nennen, weil ich keine Ahnung von Autoradios habe. Der Angestellte wirft einen Blick in den Katalog und meint dann: „Für Stereoradios werden keine Fernbedienungen geliefert.“ Ich weiß, dass Kai bereits eine Fernbedienung hat, also muss ich dann daraus schlussfolgern, dass es sich bei seinem Modell um kein Stereo-Radio handelt? Kai war mit Informationen leider nicht sehr großzügig, entgegen seinem sonst üblichen Perfektionismus in solchen Dingen. Ich sage dem Angestellten also, dass ich nachfragen werde und verabschiede mich bis zum nächsten Mal.
In der Bibliothek gehe ich meinen üblichen Tätigkeiten nach, aber mein Newsletter wird bis 17:00 nicht fertig.

Danach gehe ich mit Melanie essen, und zwar – endlich – in das Lokal des Shamisen-Meisters Daijô Kazuo. Eine sehr gemütliche Atmosphäre herrscht dort, und vor allem erweist sich die Dame des Hauses als sehr gesprächig, und sie lacht gerne. Sie ist sehr erheiternd auf ihre Weise. Ich frage sie, was denn die Spezialität des Hauses sei. „Eigentlich haben wir keine Spezialität“, sagt sie, empfiehlt aber „Tonkatsu Ramen“. Na, dann immer her damit. „Wir hatten schon früher einen Deutschen zu Gast“, erzählt sie, „das war Professor Höffgen. Er hat jeden Tag hier gegessen – bis er 1985 geheiratet hat. Ab dann ist er leider nicht mehr regelmäßig gekommen.“ Seit 1980 habe der Professor hier zu Mittag gespeist, erzählt sie weiter. Und sie erzählt offenbar gerne, interessanterweise ohne etwas zu erwischen, was mich langweilen würde. Sie vergisst darüber sogar, unsere Bestellungen zu bearbeiten, bis sie sich schließlich, nach etwa zehn kommunikativen Minuten, über sich selbst ein wenig erschreckt, besinnt und meint: „Oh, Ihr seid sicher hungrig – ich sollte mich endlich um Euer Essen kümmern.“ Aber es ist mir nicht wirklich aufgefallen, „dass da was fehlt“. Auf so sympathische Art und Weise ist mein Essen noch nie herausgezögert worden. Aber wir werden durch den Geschmack großzügig entschädigt – ich will hier auf jeden Fall noch einmal essen.
Auch Daijô-san ist da und ich frage ihn, wo oder wie man den Soundtrack zu „Nitabô“ kaufen könne. Er ist sich nicht sicher und fragt seinen Sohn. „Es gibt keinen zu kaufen“, sagt der.
AAAAAAAAAAAAAAAAAAARGH!
Wieder ein Traum meines Daseins dahin!

Wir fahren schließlich nach Hause. Melanie überfährt eine rote Ampel, weil die Straße frei ist und sie nicht warten will. Ich halte an und reagiere mit einer resignierenden Geste. Eine Großmutter am Straßenrand lacht vergnügt darüber.

Zuhause sehen wir uns „Kozure Ogami“ an und ich lese weiter in meinem „Pokemon“ Manga, dessen unterschwellige (sagte ich eben unterschwellige???) Sexualisierung mir hier und da die Sprache verschlägt – wie prüde erscheint mir da der Anime! Ich hege den Verdacht, das Ono Toshihiro einen Teil der existierenden Hentai Dôjinshi selbst unter einem Pseudonym zeichnet… seine Freude am Zeichnen üppiger weiblicher Formen ist unübersehbar.[1] Natürlich ist diese Vermutung an den Haaren herbeigezogen, aber ganz unwahrscheinlich ist es auch nicht – immerhin sind die (metaphorischen!) Haare vorhanden. Da befindet sich zum Beispiel auf dem Innenumschlag ein reichlich unbekleideter Shigeru/Gary. Der ist ein männlicher Charakter, ja, aber seine Körpermitte wird nur von einer vor ihm stehenden Figur verhüllt und ein Pfeil, der auf die private Gegend deutet, ist mit dem Kommentar versehen: „Er trägt eine Unterhose!“ Soll heißen: „Nein, er ist nicht nackt!“, aber der Eindruck wird erweckt. Weiterhin befindet sich auf Seite 9 des zweiten Bandes eine Stadtstraßenszene, gesehen aus der Vogelflugperspektive, und in einem der Fenster ist „Spielzeug“ zu sehen, dass definitiv nicht für Kinder ist. Auf Seite 47 im selben Band ist Kasumi/Misty dargestellt, und ihre Kleidung zeigt mehr, als sie verbirgt.
Die Amerikaner haben die Zensur zwar auf die Spitze getrieben, aber ich komme zu dem Schluss, dass der Manga in seiner Originalversion nicht für Kinder geeignet ist. Wenn ich einen guten Tag habe, würde ich sagen „Geeignet für Leser ab 13 Jahren“, aber nicht weniger.
Ich bin natürlich nicht so scheinheilig, zu behaupten, dass mich persönlich das sehr stören würde, aber ich bin auch alt genug und dieser Manga verfehlt eindeutig das offizielle Zielpublikum.


[1] „Dengeki Pikachu“ IST ein Dôjinshi und dessen Schöpfer Ono hat zur offiziellen Produktreihe keine lizenzrechtliche Beziehung.

5. Mai 2024

Mittwoch, 05.05.2004 – SPAM in die Pfanne

Filed under: Filme,Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Am „Kodomo no Hi“ scheint endlich mal die Sonne. Allerdings ist das Lotterleben heute vorbei, weil ich noch Vokabeln lernen und Texte lesen muss. Ich werde vor Abend wohl kaum aus dem Haus kommen. Und um das vorweg zu nehmen: Letztendlich komme ich gar nicht weg. Die Arbeiten halten mich lange genug auf, und Melanie geht für zwei Stunden in den Park – um Bäume zu fotografieren. Ich mache zwischendurch kurz Pause und verspeise mein SPAM. Und SPAM ist ganz hundsgewöhnliche Dosenwurst. Und keine besonders gute noch dazu. Ich kann andere Wurstkonserven, wie man sie im heimischen GLOBUS kaufen kann, weit mehr empfehlen, und sogar die Dosenwurst der Bundeswehr war um Längen besser.

Melanie bringt von ihrem Trip auch gleich wieder zwei Filme mit: „Session 9“ und „Predator 2“.
Bei „Session 9“ handelt es sich nicht um den neunten Teil einer Filmserie, nein, es ist ein Einzelstück, ein US Streifen, in dem jemand Tonaufnahmen von Sitzungen (= „Sessions“) einer Psychotherapie anhört, eine nach der anderen, und die neunte Aufnahme, daher der Name, bildet halt die Untermalung für den Höhepunkt.
Es geht in dem Film um eine Gruppe Facharbeiter, die Asbest aus einer vor Jahren geschlossenen Anstalt für psychisch Kranke entfernen sollen. Die Firma braucht den Job, also verspricht der Chef dem Verwalter der leer stehenden Anlage, die Arbeit in einer Woche beendet zu haben, von der andere sagen, dass man dafür drei Wochen benötige. Allein durch das räumliche Setting hat der Film also bereits eine schön-schaurige Grundstimmung. Natürlich entpuppt sich am Ende einer der Männer als mordendes Stressopfer und alle kommen zu Tode. Guter Film, würde ich sagen, solide Qualität. Ich würde ihn vielleicht nicht kaufen, aber ansehen lohnt sich in jedem Fall.

Über „Predator 2“ muss ich nicht viel Worte machen. Weniger kultig als der erste Teil, aber immer noch einer der besseren Actionfilme. Und damit ist der Tag auch schon quasi gelaufen. Ich wiederhole noch einmal die Vokabeln und beende meine Hausaufgaben, bevor ich schlafen gehe. Mein Magen rumort dazu lustig im Takt und ich behaupte, dass es am SPAM liegt. Diese widerliche Wurst kommt auf die Ausschlussliste.

4. Mai 2024

Dienstag, 04.05.2004 – Regnen statt feiern

Filed under: Filme,Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Was sind denn das hier für Feiertage? Es regnet ja die ganze Zeit! Davon habe ich doch nichts. Ich bin ungeheuer froh, dass ich (noch) genug zu lesen habe, sonst würde ich am Ende noch unbegrenzt dem weitgehend hirnlosen TV-Programm anheim fallen.

Mein letzter (japanischer) Kugelschreiber hat gestern den Geist aufgegeben und ich war bisher nicht in der Lage, mir einen neuen zu finden. Ich werde einen neuen kaufen müssen – ein unerhörter Vorgang! Im 100 Yen Shop gibt es Fünferpacks zu kaufen, so weit ich weiß, also warum nicht? 100 Yen sind nicht viel. Damit warte ich aber noch, bis mich dann ein paar vergessene Dinge in den Supermarkt zwingen. Ich komme also unweigerlich am 100 Yen Shop vorbei.
Ich entscheide mich aber schließlich gegen den Fünferpack, weil da auch rote Schreiber drin sind, und die brauche ich nicht. Ich nehme stattdessen einen einzelnen Schreiber, weil er eine ziemlich große Mine hat, der sollte dann ja wohl eine Zeitlang reichen. Zuhause stellt er sich dann als Flop heraus – er funktioniert, aber es handelt sich um einen so genannten „Gelschreiber“. Die schreiben deutlich, aber auch ziemlich feucht und die Schrift wird schnell verschmiert. Melanie gefallen diese Dinger und ich tausche ihn gegen einen Kugelschreiber, den sie von der Universität hat.

Wir schauen uns den Film „Changing Lanes“ an. Schlecht ist er nicht, dieser Streifen mit Ben Afflek und Samuel Jackson, aber er ist auch recht simpel gehalten: Eine Absage an Lug und Trug der Großfinanz und der Anwälte, die dafür bezahlt werden, dass die Reichen noch reicher werden, anstatt für Recht und Gerechtigkeit einzutreten. Es wird auch sehr schön vorgeführt, dass man per Computer einen Menschen quasi seiner Existenz berauben kann, indem man seine Kreditkarte und sein Konto sperrt und gegenüber seinen Versicherungen seine Zahlungsunfähigkeit erklärt. Aber der Film bedarf keiner weiteren Beschreibung.

Danach sehen wir uns auch noch „Matrix Revolutions“ an, und darüber gibt es inhaltlich sogar noch weniger zu sagen, nicht zuletzt wegen der internationalen Bekanntheit des Films. Ich möchte also auf den Inhalt nicht weiter eingehen, sondern gehe gleich zu meinem persönlichen Kommentar über: Ich empfand den Film als überflüssiges Nachfolgeprodukt des Kultfilms „Matrix“, noch unnötiger als der zweite Teil, der ein Sequel ja leider notwendig gemacht hat. Wir sehen hier eine Ausreizung des Themas in Form von hochtechnischen und astreinen Spezialeffekten ohne großen Inhalt, in der die im ersten Teil noch revolutionär und innovativ erscheinenden Kameratechniken, nicht zuletzt, weil sie in den vergangenen Jahren durch so ziemlich jeden Kakao gezogen worden sind, zur ungewollten Lachnummer verkommen. Der Film kommt mir stellenweise wie eine Parodie seiner selbst vor. Er reiht sich ein in die „Hall of Fame der Produktionen, die man besser sein gelassen hätte“.

Ich wende mich dann wieder dem Lesen zu und beende den Latour bis um 23:50. Ich glaube, ich sollte mir „See no Evil“ von Robert Bear zulegen. Und das noch vor „Clash of Civilizations“.

3. Mai 2024

Montag, 03.05.2004 – Golden Week

Filed under: Filme,Japan,My Life — 42317 @ 13:01

Die „Goldene Woche“ ist über uns hereingebrochen, eine Aneinanderreihung von Feiertagen: „Genpô Kinenbi“ (was sich für mich wie „Zahltag“ anhört), „Kokumin no Kyûbi“ („Volksfeiertag“) und schließlich „Kodomo no Hi“ („Kindertag“). Trotz des Feiertages fahre ich zur Uni – versuchen kann man es ja mal. Aber die Bibliothek ist geschlossen. Ohne anzuhalten fahre ich dann zurück nach Hause und vertiefe mich wieder in meinen Latour. Wir essen dann am späten Nachmittag den gestern bereits erwähnten Kartoffelsalat und beginnen mit dem TV-Programm.

Als erstes haben wir hier „Memento“. Es geht dabei um einen Mann, der nur noch über ein Kurzzeitgedächtnis verfügt, seit er (und seine Frau) scheinbar Opfer eines Überfalls geworden waren, bei dem er offenbar eine Gehirnverletzung davongetragen hat. Alles, was sich bis zu diesem Zeitpunkt abgespielt hat, weiß er noch, aber danach hat sein Gedächtnis nur eine Spanne von jeweils wenigen Minuten. Seine Frau ist offenbar tot und er bastelt sich anhand von Notizen den Weg zum Täter. Er hat eine Aktenmappe voll Material und außerdem Tätowierungen am ganzen Körper, die die wichtigsten Fakten darlegen. Da der Weg zum Täter in die Vergangenheit führt, läuft auch der Film gewissermaßen rückwärts. Er besteht aus einer Reihe von Erinnerungssequenzen, die in umgekehrter Reihenfolge abgespielt werden. Und um die Sache so richtig verwirrend zu machen, laufen andere Szenen des Films in der „richtigen“ Reihenfolge ab. Man bemerkt irgendwann, dass die beiden Zeitlinien aufeinander zu laufen und sich an einer bestimmten Stelle, natürlich für den Klimax, vereinigen. Damit man aber nicht völlig verrückt dabei wird, laufen die „Rückwarts-Sequenzen“ in Farbe und die „Vorwärts-Sequenzen“ in Schwarzweiß ab. Guter Film. Lohnt sich zu kaufen.

Dann sehen wir uns die Aufnahmen vom Wochenende an. „Zorori“, „Pretty Cure“, „Shin-chan“, „Bôbobo“ und natürlich „SailorMoon“. Und da kommt sie, die Konkurrenz für Minako! Eine hinterlistige und falsche Schlange, die darauf bedacht ist, Usagi in Misskredit zu bringen, weil diese ihr nicht wie die anderen Schüler der Klasse zu Füßen liegt (meint man jedenfalls). Es wäre auch das erste Mal, dass Usagi sich von Äußerlichkeiten dazu verleiten ließe, bestimmte Menschen anders zu behandeln als alle anderen. Und die Kontrahentin sieht auch so richtig passend für diese Rolle aus! Ich muss meinen Blick vom Bildschirm abwenden, so entsetzlich sieht diese Person aus. Haha, Scherz am Rande. „LSD nach eigenem Ermessen“ sagten wir bei der Bundeswehr damals. Obwohl das eigentlich nicht stimmt… der Charakter macht einen hinterhältigen und verschlagenen Eindruck, weniger wie „auf Droge“. Gutes Mienenspiel, würde ich sagen. Das einzig bedeutende Element am Rest der Episode ist das „Monster der Woche“. Das Ding ließ sich auch durch die geballte Macht der Sammelattacke der Senshi (mit Ausnahme der eigenbrötlerischen Minako/SailorVenus, die mal wieder nicht erschienen ist) nicht vernichten und konnte sich ins Negaversum zurückziehen.
Es wurde auch nicht preisgegeben, was Nephlyte in seinem neuen Dasein als Renegat so treibt. Aber Zoisyte hat ja offenbar keine gesellschaftlichen Probleme deshalb, von daher sollte man sich um den Rotschopf keine Gedanken machen.

Uh, es gibt doch noch ein Highlight in der Episode! Szenenwechsel nach London – Mamoru erhebt sich aus den Federn und präsentiert seinen nackten Oberkörper, während er mit Hilfe des Spiegels mit Zoisyte redet. Meine Güte, ein Spargeltarzan! Wenn ich kräftig huste, bricht es ihm vermutlich ein paar Rippen. Zoisyte nennt ihn weiterhin „Master“ und belegt ihn dabei mit einem derart leidenschaftlichen Blick, dass alle Flamencotänzer neidisch werden und man meinen könnte, er wolle ihn im nächsten Moment anfallen. Wir haben dabei nicht wenig gelacht.

Schließlich lese ich noch bis 01:00. Ich sagte ja, dass der Inhalt des Buches mich fesselt. Aber mein Tagebucheintrag muss noch sein – Schluss ist dann um 01:40.

11. April 2024

Sonntag, 11.04.2004 – Brisantes Material

Filed under: Bücher,Filme,Japan,My Life,Sport — 42317 @ 7:00

Heute ist der letzte Tag vor Beginn des Unterrichts und ich nehme für Volker die „Go“ Sendung auf. Das heißt, Melanie drückt gerade auf den Knopf, als ich aus der Dusche komme. Leider zwei Minuten zu spät. Ich hoffe, Volker kann das entbehren. Aber ansehen will ich mir die Sendung nicht. Ich spiele gerne Go, auch wenn ich ein miserabler (weil planloser) Spieler bin, aber anderen beim Spielen zuzusehen, finde ich schlicht zum Gähnen.

Ich beginne mit dem Buch „Herrscher im Reich der aufgehenden Sonne“ von Peggy und Sterling Seagrave und merke bald, dass ich nicht lange daran haben werde. Es liest sich sehr schnell. Eigentlich dachte ich, dass es sich dabei um eine Biografie ausschließlich des Shôwa Kaisers handele, aber es geht um das japanische Kaiserhaus seit Beginn der Meiji-Ära anno 1868 im Allgemeinen. Ich fühle mich nicht in der Lage, die wissenschaftliche Genauigkeit und die Grundlagen dieses Buches zu beurteilen, deswegen möchte ich wegen der Brisanz des Inhaltes auf einen Kommentar lieber noch verzichten. Einige Grundlagen des Geschichtsunterrichts in Bezug auf Japan werden darin mehr oder weniger über den Haufen geworfen und auf neue Beine gestellt, und ich will erst ein paar Fachleute befragen, um zu ermitteln, was ich davon zu halten habe.[1]

Zwischendurch wasche ich drei Maschinen Wäsche, was die Sammelkörbe entleert. Allerdings ist das Wäschewaschen heute nicht so ganz einfach. Ich habe mir während der Sporteinlage am Freitag die Sehnen am Ellenbogen wohl gewaltig verbogen. Die Muskeln, die daran hängen, sind stark verkrampft und ich kann die Unterarme kaum bewegen. Ich laufe rum wie C3PO. Man sollte eben trotz Aufwärmens keine 20 kg schweren Hanteln aus gestreckter Armposition heben. Zumindest nicht sechzig Mal in Folge…

Wir sehen uns abends „Tomb Raider 2“ an. Melanie hatte diese Eingebung. Netter Film, das Englisch von Till Schweiger ist zum Schreien deutsch. Aber weitere Tinte dafür aufzuwenden, wäre Verschwendung.


[1] Ich habe dazu mehrere Spezialisten für japanische Geschichte per E-Mail befragt und nur eine Antwort von einer deutschen Professorin erhalten. Diese erklärte mir lapidar, dass Mr. Seagrave ja „nur TIME LIFE Journalist“ sei, dessen Schrifttum man als Wissenschaftler nicht ernst nehmen könne – als ob die Heiligen Hallen der Wissenschaft die Quelle aller Wahrheit wären!

10. April 2024

Samstag, 10.04.2004 – Der Schwarzenegger-Gedächtnis-Tag

Filed under: Filme,Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Heute Morgen läuft also keine „SailorMoon“ Episode, wegen irgendeines Sportereignisses, und ich kann mich gerade noch zurückhalten, es sehen zu wollen…

Mittags fahren wir ins Ito Yôkadô, um Videokassetten zu besorgen. Ich habe Volker versprochen, ihm die Sendung zum Thema „Go“ jeweils sonntags aufzunehmen. Bei „Go“ handelt es sich um ein japanisches Brettspiel mit blanken weißen und schwarzen Steinen, die man auf einem Brett voller sich rechtwinklig überschneidender Linien taktisch günstig zu positionieren versucht. Ich kann es sogar noch besser spielen, als ich es erklären kann. Ich verliere fast immer.

Im Kaufhaus treffen wir Eve McPherson, die vor einigen Tagen aus Neuseeland eingetroffen ist, um ihren Auslandsaufenthalt hier zu verbringen. Ich gebe ihr meine E-Mail Adresse, falls sie später Fragen haben sollte, da die Einführungsveranstaltung über das „Leben in Hirosaki“ nur die Oberfläche berührt und dem Studenten das Entdecken der Möglichkeiten selbst überlässt.

Wieder zuhause, wasche ich zwei Maschinen Wäsche und wir sehen uns „Terminator 3“ an. Netter Effektefilm ohne bleibenden Wert, meiner Meinung nach. Wer auf Waffen, Explosionen und Schrottfabrikation mittels wilder Verfolgungsjagden steht, sollte den Film mögen. Sehr positiv fand ich aber die selbstbezogenen parodistischen Elemente. Unübersehbar ist allerdings, dass der gute Arnold zu alt wird, noch solche Jobs zu übernehmen. Er sieht eigentlich zu alt aus, um Der Terminator zu sein. Der zweite Teil bleibt der „König“ der Trilogie. Den dritten brauche ich in meinem Regal ganz bestimmt nicht.

Und weil Melanie jetzt „Appetit“ auf Actionfilme hat, leiht sie im Anschluss auch noch den „Predator“ aus, der ihr von ihrem Bruder zwar sehr ans Herz gelegt worden ist, aber so wie ich Melanies Meinung gegenüber Pauls Geschmack einschätze, sagt für sie eine Empfehlung von ihm im Allgemeinen etwa soviel aus wie mir eine solche von meinem alten Kumpel Kai. Ich erinnere mich noch gut an den „Spawn“ Film, den man meines Erachtens in den Mülleimer treten kann. Natürlich bin ich Kai dankbar, dass er mir diese Bewertung ermöglicht hat.

Beim Ansehen des „Predator“ fällt es mir wie Schuppen von den Augen, dass ausgerechnet Arnold Schwarzenegger und Jesse Ventura einen Film zusammen gedreht haben – Schwarzenegger ist derzeit Gouverneur von Kalifornien und Ventura der Gouverneur von Minnesota. Es gibt da eine schöne kleine Szene, die ich so kommentiere: Siehst Du den Hubschrauber da? Da sitzen gleich zwei Gouverneure drin.
Clint Eastwood hat es nur zum Bürgermeister seiner Heimatstadt gebracht.

8. April 2024

Donnerstag, 08.04.2004 – Lesestoff

Filed under: Filme,Japan,My Life,Sport,Uni — 42317 @ 7:00

Heute findet von 09:00 bis 11:00 der Einstufungstest statt, der die teilnehmenden Studenten einer Unterrichtsstufe zuordnet. Wie bereits erwähnt, haben wir eine Menge neuer Gesichter in Hirosaki, und die sind vor allem chinesisch. Es scheinen diesmal keine Doktoren über Dreißig dabei zu sein, und Frauen um die Zwanzig sind in der Überzahl. FanFan sitzt vor mir und ist erfreulich kommunikativ. Ich nutze die Gelegenheit und mache ein Bild von ihr. Sie demonstriert mir eindrucksvoll (ungewollt) die Schwierigkeiten der chinesischen Aussprache: Ihr Familienname besteht aus einer einzigen Silbe, nämlich „Ma“ (was sich wie „Pferd“ schreibt), und es will mir nicht gelingen, dieser kleinen Silbe den richtigen Tonschwung zu verleihen. Das chinesische Tonsystem[1] verfügt über vier Arten von Tonverläufen, die bedeutungsunterscheidend sind. In ihrem Fall fällt die Tonhöhe nach dem „M“ zum „a“ hin ab, um am Ende des Lautes wieder zu steigen. Das klingt theoretisch ganz einfach, aber ein geübtes chinesisches Ohr ist nicht so leicht zufrieden zu stellen. Ich glaube, ich würde wirklich lieber Arabisch lernen.

Und dann knattern wir den Test durch, und einige „Veteranen“ bemerken, dass es der exakt gleiche Test wie beim letzten Mal vor einem halben Jahr ist. Aber was würde es mir bringen, mich an Testaufgaben zu erinnern? Am Ende würde ich in einer Lernstufe landen, die meinen Fähigkeiten nicht entspricht. Ich werde aber wohl in der gleichen Stufe landen, weil ich mich am Ende nicht sonderlich erfolgreich fühle.

Für 13:00 ist eine Informationsveranstaltung über „Leben in Hirosaki“ geplant, aber die kann ich beruhigt weglassen. Ich weiß inzwischen, wie man Müll trennt. Der nächste „offizielle“ Termin ist morgen früh um 09:00, und er beinhaltet das Ablesen der Testergebnisse und das provisorische Planen meines Stundenplans.
Ich schaue Irena dabei ein wenig über die Schulter, die sich schon jetzt um ihren Stundenplan bemüht, weil sie das Vorlesungsverzeichnis vor sich liegen hat, und ich finde Veranstaltungen, von denen ich nicht weiß, ob sie mich interessieren. „Traditionelle Sportarten Japans“? Nein danke. Man erinnere sich daran, was ich vor einiger Zeit über den in Japan tief verwurzelten Formalismus gesagt habe. Beim Kendô lernt man zuerst mal das Knien, beim Sumô das Wasser holen und Handtuchhalten. Dann gibt es „Kunstformen in Tsugaru“. Das klingt an sich interessant, aber da steht schon wieder Kôgin-Stickerei auf dem Plan, und das habe ich beim letzten Mal schon so unsäglich genossen. Musik ist nicht dabei… eine Shamisen-Vorstellung hätte mich überredet, mich einzutragen.
Ich kann auch keine Veranstaltungen finden, die von Philips oder Westerhoven angeboten werden (dessen Namen man tatsächlich mit „W“ und nicht mit „V“ schreibt – ich hatte letztlich ein Buch von ihm in der Hand). Carpenter ist auch nicht dabei… ich warte bis morgen und mache meinen Plan dann.

Ich gehe wieder in den Computerraum und plane meinen Spielzug gegen Frank, der heute endlich die entsprechende Datei geschickt hat. Dann schreibe ich zwei Berichte und finde eine Mitteilung von Prof. Fuhrt vor, in der er mich wissen lässt, dass die beiden Bücher, die ich bestellt hatte, angekommen seien. Ich könne sie heute abholen, wenn ich wolle, oder nächste Woche in die Sprechstunde kommen. Ich antworte, dass ich versuchen werde, am Nachmittag in seinem Büro vorbeizukommen. Ich verfasse noch ein paar Einträge für das Animetric Forum und gehe um kurz nach Vier zu meinem Betreuer. Er drückt mir die Bücher in die Hand und meint, die 2000 Yen, die ich eigentlich noch zu zahlen hätte, habe er aus dem Resthaushalt (gültig bis 31.03.) abgezweigt. Wow, vielen Dank. Ich brauche jeden Yen.
Ich lasse mich noch über die aktuelle Lage der Universität aufklären, seit sie ja am 01.04. zu einer „Anstalt des öffentlichen Rechts“ teilprivatisiert worden war. Wie erwartet, sei das Budget gekürzt worden und die Adleraugen des Bildungsministeriums lägen paradoxerweise sogar noch schärfer auf der Lehranstalt als vorher, sagt er. Er erzählt weiterhin, dass bis vor wenigen Jahren jeder Professor (unabhängig von seiner Forschung oder Lehre) ein jährliches Budget von 550.000 Yen für Bücher und 90.000 Yen für Forschungsreisen gehabt habe (ca. 4100, bzw. ca. 670 E), und dass dieses System nun geändert worden sei. Jetzt habe jeder ein Budget von insgesamt 430.000 Yen insgesamt (ca. 3200 E), aber man könne über die Verteilung von Literaturanschaffungs- und Reisekosten selbst entscheiden, was ein Lichtblick sei, weil man mit einer Reisekasse von nur 670 E im Jahr nicht weit komme.

Ich bedanke mich für das Gespräch und gehe in die Bibliothek, weil ich ein paar Zeilen über meine vorgenommene Befehlsphase im Spiel gegen Frank zu schreiben will, aber ich kann mich an Details schon nicht mehr erinnern. Ich verlege also wieder in den Computerraum, werfe das Spiel an und sehe mir den Zug noch einmal an. Ich will zum Beispiel die Namen der Truppen nicht umsonst umgeändert haben – bekannte Namen machen die Handlung plastischer, und deswegen nenne ich sie auch in meinem After Action Report. Ich verwende für meine Truppen normalerweise die Namen meiner Bundeswehrbekanntschaften, allerdings sprengt dieses Spiel den bisherigen Rahmen und ich muss auf „noch ältere“ Kontakte zurückgreifen. Karl und Mihel haben in meiner (deutschen) Aufstellung ja schon länger den Job als Panzerfahrer sicher, aber Ronald hätte es sich wohl nicht träumen lassen, dass er mal als OG Saladin in einem Halbkettenfahrzeug landen würde, und Sebb würde sich in einem Kübelwagen wohl ziemlich verloren vorkommen. Irgendwie ist es auch interessant, dass Frank einen deutschen Leutnant treffen wird, der nach ihm benannt ist… der auch noch einen höchst brisanten Job hat.

Ich schreibe danach einen weiteren Newsletter, sammele weitere Abschnitte des „Alpha Reports“ und gehe um 18:50 in den Fitnessraum. Ich habe sogar Wechselkleidung mitgebracht. Aber entgegen meiner Hoffnung kann man die Duschen der Turnhalle nicht benutzen. Das Material ist angerostet und der Boiler außer Funktion. Wasser läuft zwar, aber kalt duschen mochte ich noch nie.
Ich gehe alle Geräte zweimal durch, mit jeweils drei lockeren Wiederholungen, die wegen ihrer Anzahl anstrengend sein sollen, und nicht wegen dem Gewicht am anderen Ende des Zugseils. Immer die Hälfte des Machbaren. Ich teile den Raum mit zwei Japanern, die das wiederholen, was ich beim letzten Mal bereits beobachten konnte: Sie nehmen sich Gewichte vor, die sie gerade so und nur unter großen Mühen höchstens fünfmal stemmen können und fühlen sich danach wie die Könige. Ui, und einer zieht sogar sein Hemd aus. Ich lächle unauffällig in mich hinein. Seine Arme mögen (für einen Japaner) überdurchschnittlich sein, aber das, was dazwischenliegt, möchte ich mal als „Hühnerbrust“ bezeichnen. Unn die mache so gudd, die zwei! Ich muss mich arg konzentrieren, um angesichts ihrer Geräuschkulisse nicht in lautes Lachen auszubrechen. Wie Herkules mit Verstopfung auf dem Donnerbalken.

Um Acht verlasse ich die Halle wieder und fahre nach Hause. Melanie hat „Freddy Vs. Jason“ ausgeliehen und ich bin überrascht, dass mir der Film gefällt. Sehr klassische Horrorelemente, der Kampf der beiden Bösewichte ist interessant – und den Soundtrack will ich auch haben.


[1] Mandarin, um genau zu sein. Kantonesisch z.B. hat sechs Töne.

7. April 2024

Mittwoch, 07.04.2004 – Körperliche Ertüchtigung

Filed under: Filme,Japan,My Life,Sport,Uni — 42317 @ 7:00

Am Morgen trage ich mich im Center in die entsprechende Liste ein, um mich für den Placement Text anzumelden. Ich müsste das eigentlich nicht tun, aber ich bin neugierig, obwohl ich nicht damit rechne, eine Stufe zu steigen – ich habe die Ferien über mit Hochdruck an meinem Newsletter gearbeitet und die Freiheit genossen, mal wieder Romane zu lesen, die absolut nichts mit meinem Studium zu tun haben. Und ich habe das sehr genossen!
Als nächstes sehe ich auf einem der Rechner ein aufgeklebtes Hinweisschild, dass der Computer am 09. April gelöscht und neu installiert werde. Das ist doch was. Oh, aber es ist der Rechner, auf dem sich meine Fotos befinden, und der Neunte ist bereits übermorgen. Ich schreibe Misi sofort eine kurze Mail, in der ich ihn bitte, mir zur Rettung meiner Fotos seinen Memorystick zu leihen, und das so schnell wie überhaupt möglich.

Von Frank ist noch immer keine Post da, also gehe ich in den Computerraum und schreibe zwei Berichte, bis ich eine Antwort von Misi erhalte. Ich könne ihn den ganzen Tag über in der Bibliothek oder im Center antreffen. Ich schreibe den zweiten Bericht also fertig und mache mich auf den Weg ins Center, aber ich treffe ihn bereits an der Tür, und Melanie gleich dazu, die zufällig zur gleichen Zeit eingetroffen ist. Ich bekomme den Memorystick und verlege ins Center. Misi geht mit und erzählt mir auf dem Weg, dass es an der Universität hier einen kostenlos nutzbaren Fitnessraum gebe. Er wolle sich am Abend dort mit Irena und Alex treffen, der wieder aus Rumänien zurückgekehrt sei. Alex war es auch, der ihn auf die Möglichkeit hingewiesen hat. Ich bin interessiert. Dann solle ich ihn um 18:00 vor der Mensa treffen – aus der gegebenen Beschreibung kann ich die richtige Turnhalle nämlich nicht erkennen, weil die Turnhallen alle gleich aussehen. Anstatt mir das Gebäude zu beschreiben, hätte er vielleicht den Weg dorthin in seine Erläuterungen mit einbeziehen können.

Aber erst muss ich meine Daten von diesem ewig langsamen Rechner retten. Das Übertragen von Misis Daten auf den Computer dauert etwa sieben Minuten, das Löschen des Speichers nimmt etwa zwei Minuten in Anspruch, und dann sind für die Übertragung meiner Fotos auf den Speicher noch einmal sieben Minuten fällig. Es dauert… meine Daten müssen ja noch auf den anderen Rechner, der Speicher muss wieder gelöscht werden, um Platz für Misis temporär ausgelagerte Dateien zu machen, die ebenfalls wieder rauf müssen.

Ich bemerke eine Menge neuer Gesichter im Center, und die meisten davon sind asiatisch. Der Sprache nach zu urteilen, habe ich sieben oder acht neue Chinesen und vielleicht eine Koreanerin vor der Nase sitzen. Es sind auch zwei „westliche“ Menschen dabei – männlich und weiblich. Er sitzt an einem der Rechner und will eines der Chatprogramme zum Laufen kriegen, aber er hat ein Problem. Also kommt er damit zu mir, weil ich der einzige bin, der ihm nicht das Gefühl gibt, Japanisch sprechen zu müssen. Er fragt mich, ob ich des Englischen mächtig sei, und er spricht mit einem auffälligen amerikanischen Akzent. Er ist einen Kopf kleiner als ich… eher noch kleiner. Er will wissen, wie man die Tastatureingabe der Computer von Japanisch auf Englisch umschaltet, und ich zeige es ihm. Ich verzichte darauf, weitere Fragen zu stellen. Erstens will er ja chatten und zweitens bin ich selbst beschäftigt. Ich übertrage meine Bilder auf einen der Windows 98 Rechner. Das bedeutet, ich kann meine Bilder wirklich nur zwischenlagern, bis ich die Gelegenheit erhalte, sie auf einen XP-Rechner zu übertragen, weil die Windows 98 Rechner den nötigen Treiber für meine Kamera nicht haben und auch nicht akzeptieren. Also abwarten.

Danach gehe ich nach langer Zeit wieder in die Bibliothek. Die Stühle im Physikgebäude sind mir zu unbequem, und da Frank noch nicht geantwortet hat, besteht auch kein Anlass, einen „diskreten“ Computer zu verwenden. Ich schreibe zwei weitere Berichte und ein paar Einträge ins Forum.

Um 17:50 gehe ich zur Mensa. Ich will nicht mit nüchternem Magen Sport treiben und kaufe mir ein Reisbällchen. Und es wird das letzte sein, das ich hier kaufe. Die Dinger bröseln mir immer auseinander, sobald ich hineinbeiße.

Misi trifft um kurz nach Sechs ein, Irena zwei Minuten später. Wir gehen zu der fraglichen Sporthalle und treffen Alex. Da man im Inneren nur Turnschuhe tragen darf und ich keine besitze, leihe ich mir welche aus den Schuhfächern am Eingang.
Der Fitnessraum an sich sieht eigentlich schäbig aus. Die Geräte sind alt und zum Teil kaputt oder unbenutzbar. Eines kann ich hinbiegen, indem ich das Zugseil aus seiner Verklemmung befreie und wieder über die Laufrolle lege. Ich probiere alles mal aus und drehe dann eine Runde durch den Raum und dann noch eine, und dann ist es auch schon sieben Uhr. Irena hat sich um 18:30 bereits verabschiedet, der Raum ist ihr wohl zu männlich, und ich gebe ihr vollkommen Recht. Da ich allerdings selbst männlich bin, macht mir das weniger aus. Und wieder einmal erhalte ich die Gelegenheit, mit einem Japaner zu reden. Es handelt sich um einen der Fußballspieler, die gerade Training haben, in der Halle nebenan. Im Großen und Ganzen beantworte ich seine Fragen, ohne wirklich viel zu sagen.

Um kurz nach Sieben verlasse ich den Raum mit Misi und Alex, aber wir biegen in die Sporthalle ab, weil wir im Vorbeigehen ein Volleyball-Team erspähen – ein weibliches natürlich. Wir steigen also zur Empore der Halle hoch, wo gewöhnlich die TaeKwonDo Clubs trainieren und auch ein paar Tischtennisplatten herumstehen. Wir bearbeiten erst den Sandsack ein bisschen und leihen uns dann von den anwesenden, aber reichlich inaktiven Spielern zwei Schläger, um etwas Ping Pong zu spielen. Natürlich bin ich schlecht wie eh und je… ich würde lieber mal wieder Badminton spielen. Zwischendurch sehen wir den Volleyballerinnen beim Training zu. Einen Trainer gibt es nicht, man arbeitet nach dem Senioritätsprinzip – erfahrene Spielerinnen leiten die neuen an. Auffällig ist ebenfalls, dass jungen Damen alle ausnahmslos groß sind. Im Schnitt etwa 170 cm würde ich schätzen, plus/minus zehn Zentimeter, und das liegt deutlich über der von mir täglich beobachteten Durchschnittsgröße.[1]
Um 20:15 gehen wir dann endgültig. Misi und Alex wollen sich eine der Unterhaltungs-Sport-Sendungen ansehen, aber ich will nach Hause. Ich bin hungrig und das nicht zu knapp.

Ich sehe mir mit Melanie dann „Zatôichi“ an, mit Kitano „Beat“ Takeshi in der Hauptrolle. Er spielt einen anscheinend blinden Schwertkämpfer gegen Ende der Edo-Zeit (ein Revolver wird gezeigt, daher die Schätzung), der unter einem Yakuza-Clan aufräumt. Sehr blutig. Leider sind alle Bluteffekte am Computer gebastelt worden – und das würde noch nicht einmal auffallen, wenn die Schwertklingen in den durchbohrten Leibern der Gegner nicht eine solche Bewegungsfreiheit hätten. Hin und wieder gibt es auch Musikeinlagen, die überhaupt nicht in das Setting passen wollen – wie zum Beispiel die Stepptanznummer am Schluss, die den Charakter eines Musicals aufweist. Für sich allein ist das jedoch eine sehr interessante Nummer. Insgesamt handelt es sich um einen ansprechenden Film, der nicht nur Takeshi Fans gefallen dürfte. Wie es scheint, handelt es sich dabei um das Remake eines Schwarzweißfilms.


[1] Eine der Spielerinnen war eine Handbreit größer als ich. Leider gibt es kein Foto.

6. April 2024

Dienstag, 06.04.2004 – Die Mutter aller Schlachten

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Ich bin um 10:30 im Computerraum und schreibe die Berichte über den 14. bis 18. März, und spüre damit erstmals, dass ich echte Fortschritte gemacht habe.
Im Forum ist nicht viel los, da bin ich nach zehn Minuten fertig.
Ich kümmere mich dann um meine Post, die auch nicht viel Zeit in Anspruch nimmt. Bis auf die Mail von Tamara vielleicht, deren Fragen ich auch weiterhin beantworte. Und Frank schreibt, dass er sich am Abend um den Spielzug kümmern werde. Abend in Deutschland… also dann morgen in Japan.

Und weil ich gerade dabei bin, suche ich mir auch einen neuen AAR aus, um was zu lesen zu haben. Und ich finde den so genannten „Alpha Report“. Dass der Kampf eigentlich mit „Going to Town“ betitelt ist, wird in der Fangemeinde gerne übersehen. Und der Spielbericht heißt deshalb „Alpha Report“ weil es der allererste Bericht ist, der jemals für Combat Mission geschrieben wurde – und zwar unter Verwendung der Alpha-Version des Spieles, noch bevor die Beta-Version als Demo erhältlich war.
Den Bericht hat auch kein Geringerer als Fionn Kelly mitgeschrieben – eine Legende unter CM Fans und ein herausragender Autor solcher Spielberichte. Er hat in diesem Fall die deutsche Seite gespielt. Ich hebe mir das Beste also für den Schluss auf und kopiere den alliierten Bericht zuerst. In den Zeilen dieser Berichterstattung erfahre ich in einem kleinen Nebensatz, dass Fionn Kelly selbst das Gehirn hinter der taktischen KI ist – er hat die verdammte Taktikkompetenz des Spiels programmiert!? Dann wundert mich wenig, dass er alle Gegner niedermacht wie frisches Gras.
Um 19:00 will ich nach Hause. Der Report beinhaltet insgesamt 80 Abschnitte in der Größenordnung von zwei bis drei DIN A4 Seiten, und weil ich ja alles korrigieren und reeditieren muss, dauert mir das zu lange. Den Rest hole ich mir später.

Um 21:00 läuft ein Film mit dem Titel „Nurseman“ mit Matsuoka Masahiro in der Hauptrolle (und man muss ein J-Pop Fan sein, um das auffällig zu finden; Matsuoka ist der Drummer der Band TOKIO). Er spielt einen passionierten Krankenpfleger und arbeitet als solcher alle existierenden Klischees einer Krankenhausserie herunter.
Eine Oma aus der Nachbarschaft stirbt langsam an Krebs und verheimlicht ihrem Sohn die Krankheit; ein Junge mit Asthma kommt mit seinem Stiefvater und dem erwarteten Nachwuchs seiner Mutter nicht zurecht, haut aus dem Krankenhaus ab, verliert seinen Inhalator und erstickt beinahe, während seine Mutter seinen kleinen Bruder zur Welt bringt; einer der Pfleger ist der Sohn des stinkreichen Besitzers des Krankenhauses und findet die Sonderbehandlung, die ihm unaufgefordert zuteil wird, widerwärtig. Puh… sogar die „Schwarzwaldklinik“ war besser zu ertragen, wenn Matsuoka dem Ganzen auch einen gewissen Humor verleiht. Aber das muss ich mir nicht zweimal ansehen.

5. April 2024

Montag, 05.04.2004 – Jim allein in London

Filed under: Filme,Japan,Manga/Anime,Militaria,Musik,My Life — 42317 @ 7:00

Ich stehe um 08:30 auf, mache mich fertig und fahre zur Uni. Meine Winterjacke kann ich heute beruhigt zuhause lassen. Außerdem ist mir nicht danach, ins Center zu gehen, deswegen setze ich mich ohne Umwege in den Computerraum und schreibe meine Berichte – fünf an der Zahl werden es heute.

Dann kümmere ich mich um meine Post: Ah, Hans-Jott-K hat seine Adresse innerhalb Karlsruhes geändert. Frank schreibt mir, dass er bereit sei, und ich ihm meinen ersten Zug schicken könne. Aha… eigentlich habe ich das bereits vor Tagen gemacht. Ist da technisch etwas schief gegangen oder hat er das System nicht verstanden? Ich packe also meinen Spielzug erneut in einen Mailanhang und erläutere noch einmal das Procedere, um beiden Möglichkeiten gerecht zu werden. Ich hoffe, dass meine Erklärung schlüssig ist.

Schließlich gehe ich ins Animetric Forum, erhöhe die Zahl meiner Einträge und habe dann bis um Fünf noch eine Stunde Zeit. Ich sehe mir die Episoden Nummer 5 und 6 der Serie „Area 88“ an. Der Soundtrack ist übrigens von Vincent de Moor – aber das sollte bestenfalls Fans des Genres was sagen, wenn überhaupt. Ich mag die Serie immer noch. Die grafische Qualität ist hervorragend und die Luftkämpfe finde ich sehr gut animiert. Wer auch immer die Serie ins Leben gerufen hat, muss ein großer Fan von militärischen Jets sein, daran besteht für mich kein Zweifel. Natürlich hat der Realismus etwas gelitten, und ich meine dabei nicht die Machbarkeit irgendwelcher Stunts in der Luft bei Mach 2. „Area 88“ ist der Name der Basis einer fliegenden Söldnerstaffel im Dienste eines sich im Bürgerkrieg befindlichen, ungenannten Staates im Nahen Osten, deren Piloten alle mit privaten Maschinen auf eigene Kosten fliegen und Geld für zerstörte Ziele erhalten. Die Piloten müssen entweder einen Zeitvertrag erfüllen oder sich mit dem Geld, das sie verdient haben, aus dem Vertrag freikaufen. Allerdings stelle ich mir die Versorgungslage einer Basis, auf der jeder Pilot eine andere Maschine fliegt, etwas schwierig vor – jeder Pilot braucht dann individuelle Ersatzteile. Diese Staffel jedenfalls schießt Dutzende von gegnerischen Maschinen ab, und das wundert mich wenig, weil eine Luftwaffe keine große Zukunft hat, wenn sie mit alten MiG-15 gegen moderne Typen wie Harrier, F-14, F-15, F-16, Phantom II oder Mirage antritt.

Um 17:05 setze ich mich auf mein Fahrrad und düse mit Höchstgeschwindigkeit im 18. Gang die Hauptstraße hinunter, um zum Ito Yôkadô zu kommen. Ich gehe geradewegs in die CD Abteilung und greife zielsicher heraus, was ich suche: Den Soundtrack von „Kaiketsu Zorori“. Gerade gestern Abend habe ich erfahren, dass es die CD ab heute zu kaufen gibt. Unter den sonstigen Neuzugängen finde ich auch Soundtracks zu „SailorMoon“, einer davon mit dem abschreckend wirkenden Aufdruck „DJ Moon“. Es ist aber tatsächlich die Sammlung der Original Hintergrundmusik der Serie und keine wilden Technoversionen. Kostet 3000 Yen… das ist mir zu teuer. Die Hintergrundtitel interessieren mich auch eigentlich wenig. Ich bin mehr an Gesang interessiert. Und den gibt’s auch – für insgesamt 5000 Yen. Jede einzelne der fünf Senshi hat, in bester japanisch-kapitalistischer Tradition, ihr eigenes „Character Album“ bekommen, auf dem jeweils zwei Lieder zu finden sind (nur Aino Minako hat drei). Die sind für mich aber auch nur dann interessant, wenn die Darstellerinnen selbst singen, und das kann ich auf den ersten Blick nicht feststellen.
Ich nehme also die „Zorori“ CD mit, und der Verkäufer zeigt mir auch extra noch einmal den Preis, damit ich ihn auch nicht vergesse, bis ich ihn drei Sekunden später auf der Kasse wiedersehe. Aber natürlich habe ich nichts dagegen, dass man mir den Preis zeigt, um festzustellen, ob ich nicht vielleicht doch noch meine Meinung ändern möchte und die Scheibe nicht kaufe. Aber ich bin bereit, die 1300 Yen zu investieren. Als Zusatz zur Erstauflage gibt es eine Zorori-Pappmaske, die man ausschneiden und sich um den Kopf schnallen kann. Des Weiteren gibt es einen gefalteten Bogen Papier mit einzelnen Bildern aus dem Intro und dem Extro zum Ausschneiden, um ein Daumenkino daraus zu basteln. Davon habe ich zwar nichts, aber ich werde es in mein Archiv packen.
Natürlich enthält die CD auch wieder Karaoketitel, für die ich keine Verwendung habe, aber immerhin habe ich sowohl das Intro- als auch das Endlied auf einer CD bekommen. Das ist selten, aber die Musik wurde auch nicht von irgendeiner greifbaren Band gespielt. Das Intro wird von dem Sprecher Zororis selbst gesungen (Yamadera Kôichi!) und auch das Endlied scheint marketingtechnisch eher uninteressant. Ein hübsches, aber wenig publikumstaugliches Liedchen, das niemals in einer Hitparade landen würde. Aber es gefällt mir – und darauf kommt es an.

Ich gehe anschließend in den 100-Yen-Shop im Daiei und kaufe eine Packung salziger Cracker, vergleichbar mit „TUC“. Aber die Dosen mit dem halben Liter Milchkaffee gibt es nicht mehr. Ich muss annehmen, dass diese Läden zum Teil auf sehr kurzfristige Angebote reagieren, und demnach könnte ich von Glück sprechen, wenn ich jemals wieder eine solche Dose überhaupt zu Gesicht bekomme. Na ja, vielleicht sind die Dinger auch einfach nur heute ausverkauft, weil noch mehr Leute auf den Geschmack gekommen sind.

Abends sehen wir uns „28 Days After“ an – „28 Tage danach“. Es ist die Geschichte eines Mannes, der nach einiger Zeit im Koma im Krankenhaus wieder zu sich kommt und London menschenleer vorfindet. Es stellt sich heraus, dass alle entweder von einer Epidemie dahingerafft oder evakuiert worden sind – wohin auch immer, weil scheinbar alle Ortschaften verlassen sind. Nur die Infizierten sind noch da, und die stürzen sich wie wahnsinnig auf alle Gesunden. Es sind keine „klassischen“ Zombies = Untote, sondern Leute, die sich eine Art Tollwut eingefangen haben – das heißt, sie leben im klinischen Sinne, und das wiederum heißt, dass sie Nahrung und Wasser brauchen (das zu sich zu nehmen sie geistig scheinbar nicht in der Lage sind), und einer der Pläne besteht darin, sie einfach auszuhungern.
Der Schluss des Films ist schon beinahe ein Scherz. Nach dem Abspann geht der Film nämlich gewissermaßen weiter und man sieht einen alternativen Schluss. Hätte Melanie nicht die Werbung nach dem Film sehen wollen, wäre uns der „Anhang“ nie aufgefallen. Ich frage mich, wie viele Prozent der Zuschauer den alternativen Schluss gesehen haben, wenn er in jeder nationalen Version so versteckt wird.

Ein paar Fragen lässt das Schauspiel offen: Warum ist das Krankenhaus leer – ohne zumindest ein paar Leute, die ebenfalls nicht transportfähig sind? Unser Komaheld war ja wohl nicht der einzige, den man nicht mitnehmen und nur mit Hilfe von Maschinen am Leben erhalten konnte. Dann würde mich natürlich auch interessieren, warum die Infizierten sich nicht gegenseitig angreifen? Warum veranlassen Hunger und Durst sie nicht dazu, den Inhalt der Supermärkte oder sich gegenseitig zu essen? Andererseits: Nach spätestens einer Woche ohne Wasser ist ein Mensch wohl reichlich handlungsunfähig, und wenn die Seuche nach 28 Tagen noch nicht ausgestorben ist, müssen wohl einige Exemplare auf die Idee gekommen sein, mal einen Schluck aus der Themse zu nehmen – oder aber es sind immer rechtzeitig neue Leute infiziert worden. Und warum kann Jim, der Mann aus dem Krankenhaus, nach längerer Bettlägerigkeit, auch wenn es sich nur um einige Tage handelte, einfach so, aus dem Koma raus und hoch, aufstehen, ohne einen Kreislaufzusammenbruch zu erleiden und sogar sofort richtig gut rennen?[1]

Trotz solcher Unklarheiten ist der Film ganz gut. Enthält ein paar interessante Elemente. Zum Beispiel, dass die Zombies (man kann die Infizierten wohl durchaus so nennen) rennen können. Klassisch wäre ein Pulk von entsetzlich anzusehenden Gestalten, die sich langsam, aber stetig auf der Suche nach lebendem Fleisch und Gehirn nach vorne bewegen. Interessant finde ich auch, dass die Inkubationszeit nur ein paar Sekunden beträgt. Der ebenso klassische Verwundete, der seine Infektion verbirgt oder nichts davon weiß und irgendwann „unerwartet“ zuschlägt, fällt also flach.
Ansonsten werden aber sehr klassische Verfahren angewendet, wenn es um die Erzeugung von Spannung geht, also Musikeinspielungen oder bestimmte Kameraeinstellungen. Wenn man aber ein bisschen was von Raimi oder Romero gesehen hat, weiß man, was kommt und wann man damit zu rechnen hat. Das senkt zwar ein wenig die Spannung, aber Wiedererkennungseffekt und ein wenig Erinnerung „an alte Horrorzeiten“ tragen sehr zum Wohlbefinden des Zuschauers bei.
Mein letzter Punkt: Der Film spielt in England und ich stelle fest, dass ich Probleme habe, Britisches Englisch zu verstehen. Ich bin Amerikanisches Englisch gewöhnt und die Umstellung meiner Ohren geht nicht so flüssig, wie ich das gerne hätte. Vor allem die dargestellten Soldaten reden einen ungewohnten Dialekt.


[1] Als ich selbst nach einer Operation und ein paar Tagen Bettruhe aufgestanden bin, wurde mir nach zwei Schritten schwarz vor Augen und der Pfleger musste mich auffangen.

4. April 2024

Sonntag, 04.04.2004 – J-Rock the Movie

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Das Wetter hat sich deutlich gebessert, dennoch sehe ich davon ab, einen Ausflug mit dem Fahrrad zu machen. Ich würde ja zwangsläufig wieder irgendwo in der Wildnis landen und vom Scheitel bis zur Sohle mit Schlamm bedeckt werden.

Wir sehen uns die erste Kassette der „Atashin’chi“ Sammlung der Videothek an, also die ganz frühen Episoden, und die beschäftigen uns etwa zwei Stunden lang. Es ist auffällig, dass die Stimmen der Figuren zu Beginn anders klangen, vor allem die der Mutter, die später etwas schriller geworden ist. In diesen ersten Episoden ist es viel einfacher, zu hören, dass dieselbe Frau auch JunJun in der „SailorMoon SuperS“ Staffel gesprochen hat.

Zwischendurch muss auch mal wieder ein Korb Wäsche gewaschen werden und es zeigt sich, dass es besser gewesen wäre, das weiße Frotteehandtuch unter der dunklen Wäsche nicht zu übersehen. Meine beiden T-Shirts muss ich noch einmal mitwaschen, weil ich die Fussel mit der Kleiderbürste allein nicht herauskriege, und ich will mich nicht stundenlang daran versuchen, die störenden Fussel mit den Fingernägeln abzukratzen.

Dann schaue ich „Zorori“ von heute morgen an und verschiebe „Pretty Cure“ auf später. Wir sehen uns nämlich „Moon Child“ an. Dabei handelt es sich um einen Film, in dem Hyde und Gackt die Hauptrollen spielen – mit zwei der erfolgreichsten Sänger in Japan. Die Sache fängt ganz cool an – scheint eine Art Actionfilm zu werden, mit dicken Knarren und einem Vampir = Hyde. Der Vampir findet das Straßenkind Shô und nimmt sich seiner an. Doch dann plötzlich wechselt der Film das Genre und ich frage mich, ob vielleicht plötzlich mitten in der Produktion der Regisseur gestorben und durch jemand völlig anderen ersetzt worden ist… denn: Einige Jahre später: Shô, als Erwachsener gespielt von Gackt, hat auf einmal eine eigene Gang und auch noch eine Familie, so richtig mit Frau und Kind. Dann wird seine Gang von der Konkurrenz umgenietet, und sein Bruder wird bei dem Versuch erschossen, den Chef der Konkurrenz zu töten. Und dann wird seine Frau krank… und stirbt… ach Gott, Walter! Nach eben diesem Zeitsprung sitzt sein Freund, der Vampir und Superkämpfer, auch auf einmal in einem fernen Gefängnis und mir ist nicht begreiflich, wie er da hingekommen ist. Aber er büchst natürlich aus, um seinem Freund Shô zu helfen, der auszieht, den Tod seiner Freunde zu rächen. Das Ende des Films ist wieder actionlastiger, als dieser langweilige Durchhänger in der Mitte, aber das rettet die Sache nicht. Der Film fängt wirklich gut an, entwickelt sich dann aber in eine völlig unerwartete und ziemlich langweilige Richtung. Aber es war ganz nett, den Film mal gesehen zu haben.

3. April 2024

Samstag, 03.04.2004 – Japaner Vs. Chat!

Filed under: Filme,Japan,My Life,Spiele — 42317 @ 7:00

Heute ist Samstag… aber „SailorMoon“ werden wir heute noch nicht ansehen.

Der Blick aus dem Fenster verrät mir, dass es wärmer ist als gestern. Der Schnee fließt in Form von Wasser literweise die Dächer herunter. Von einem möglichen Fahrspaß kann allerdings noch keine Rede sein.

Wir sehen uns die letzten drei Episoden von „Antique“ an, dann werfe ich einen tieferen Blick in das „Diablo Art Guide Book“. Das Wörtchen „Art“ im Titel hat das Werk allerdings nicht verdient. Die paar Verzierungen, die vorgenommen wurden, sind viel zu unauffällig, um das Gefühl eines „Art Books“ heraufbeschwören zu können. Des Weiteren scheint mir, dass die englischen Abschnitte des Buches aus unerfindlichen Gründen nicht vom Original entnommen wurden, sondern aus dem Englischen Spiel ins Japanische Spiel und für das Buch wieder ins Englische übersetzt worden sind. Da sind Fehler drin, die sich die Jungs beim Hersteller Blizzard garantiert nicht geleistet hätten. Außerdem sind Fehler dabei, die auffällig japanisch sind und gerade dann auffällig sind, wenn man etwas von japanischer Umschrift versteht. Ich will das nicht im Einzelnen aufzählen, aber Verwechslungen von „L“ und „R“ kommen immer wieder vor, und ein Begriff wie „Trainar“ (statt „Trainer“) lässt sich meiner Meinung nach auch nur durch einen japanischen Autor mit mangelnden Englischkenntnissen erklären. Die Beispielsätze im Abschnitt über „How to Chat“ (weil man ja auch online spielen und schriftlich mit anderen Spielern kommunizieren kann) sind zum Teil richtig peinlich – und das nicht einfach nur wegen mangelhafter Orthografie.
Wenn man neue Leute trifft (auch per Computer), dann ist es ja recht üblich, ein wenig Small Talk zu haben und sich kurz vorzustellen. Als erster Beispielssatz steht da:

„Hallo! Mein Name ist (…) und mein Hobby ist Zen-Meditation.“

Nächster Beispielsatz:

„Ich mag Kendo und Grünen Tee.“

(Die Hervorhebungen habe ich selbst hinzugefügt.) Ist das eine Art unterschwellige Propaganda? Soll man im Chat den „200-Prozent-Japaner“ raushängen lassen? Oder ist es tatsächlich das erste, was dem Verfasser eingefallen ist? Vielleicht will er seinen Kulturkreis aber auch auf die Schippe nehmen… ich will nichts ausschließen, aber diese Sätze sind einfach zu seltsam. Da lachen mich Klischees an. Aber am schönsten ist der Satz in Lektion Nummer Fünf, den man laut Autor an Leute schreiben soll, die unfair spielen. Da steht in etwa:

„Deine Art, DIABLO zu spielen, ist falsch. Seit sich die Rollenspiele von Papier und Bleistift mehr und mehr auf Medien wie den PC verlagern, basiert das Spielen weit mehr auf gegenseitiger Rücksichtnahme und Fairness. Dieser Grundgedanke spiegelt sich wider im japanischen Bushidô – dem Weg des Samurai, elegant und stark zu kämpfen. Es heißt, dass man am harmonischsten kämpfen könne, wenn man sich gegenseitig vertraut. Wenn Du also das ultimative Spiel genießen willst, solltest Du fair spielen – verstehst Du?“

Vor meinem geistigen Auge sehe ich, wie sich einige tausend Kilometer von dem Absender entfernt vor einem Bildschirm ein Mittelfinger in die Höhe streckt und der Raum von einem herzhaften Lachen erfüllt wird…

Andere Sätze wirken lustig, wenn man sie außerhalb des Kontextes betrachtet.

  • „Ich bin tot. Bitte hilf mir.“
  • „Wenn Du mich nicht wiederbelebst, bring’ ich Dich um!“

Oder was ist das hier?

  • „Ich bin ein Gentleman, aber ich spiele Tennis“
    oder:
  • „Mama, der da hat Hundekacke auf dem Kopf!“

Weder der englische, noch der ebenfalls vorhandene japanische Satz lässt irgendeine alternative Interpretation zu. Da steht genau das – ein Mann von guten Sitten zu sein, widerspricht einer Mitgliedschaft in einem Tennisclub.

Am Ende des Buches befindet sich, sehr interessant, eine Übersicht der „geistigen Wurzeln“ des Spiels (wobei „Der Herr der Ringe“ natürlich nicht ungenannt bleibt), inklusive verschiedener Rollenspiele seit Erfindung der Computergrafik. Meine Güte, Ultima II! Damals bestand „Grafik“ noch aus Text, Zahlen und simplen Linien zur Verdeutlichung der Umgebung! Auch moderne Spiele sind aufgeführt, von denen ich einige kenne, die aber mit dem vorliegenden Genre überhaupt nichts zu tun haben, wie z.B. der Flugsimulator „Ace Combat“. Auch „Civilization“ und „Master of Orion II“ werden genannt, die mit „Diablo“ wohl so viel zu tun haben wie Bier mit Rotwein.

Am Abend kann ich endlich den „Zorori“ von letzter Woche sehen, und danach kommt ein so genanntes Anime-Special mit „Atashin’chi“, „Crayon Shin-chan“ und „Bôbobo“. Abschließend sehen wir uns „Azumi“ an, was auch seit langem geplant war. Die Hauptrolle wird gespielt von Ueto Aya, die uns mit ihrer Erscheinung bereits in dem TV-Drama „Ace o nerae!“ beglückt hat. Vielleicht eher „mich“ als „uns“. J Wir sehen eine Gruppe junger Ninja (keiner über 20) beim Training, und alle sind die besten Freunde, wie es scheint.
Eines Tages, wohl am Ende der Ausbildung, tritt der Meister vor die Reihe und sagt:
„Ich gehe jetzt ins Haus und wenn ich in fünf Minuten wieder rauskomme, dann ist gefälligst nur noch die Hälfte von Euch am Leben!“ So was in der Art. Daraufhin beginnt ein kurzes, aber heftiges Schlachten mit viel spritzendem Blut und nach wenigen Minuten hat sich die Zahl der Freunde halbiert. Der Rest der Truppe zieht daraufhin los, darunter Azumi, das einzige Mädchen.

Es scheint, dass der Auftrag lautet, irgendein Ereignis zu rächen, das dem Meister auf der Seele liegt. Der Feind, das sind Anhänger des Hauses Toyotomi, die Widersacher des Hauses Tokugawa, das die Würde des Shôgun-Amtes nach der Schlacht von Sekigahara an sich gerissen hat. Und der Boss der bösen Buben wird von Takenaka Naoto („Lion Sensei“) gespielt, der mir in einer bösen Rolle irgendwie seltsam vorkommt.
Und es kommt, was kommen muss: Von den jungen Ninja fällt einer nach dem anderen einem gewaltsamen Tod anheim, bis am Ende nur noch Azumi übrig ist. Und dann beginnt das große Schlachten. Die Bösen haben ein ganzes Dorf voll mit schweren Jungs angeheuert, um die eigenen Truppen zu verstärken und haben in dem befestigten Dorf ihr Hauptquartier aufgeschlagen. Es gelingt ihnen, den Sensei der Ninja zu fangen. Er wird in der Ortsmitte an einem Kreuz aufgehängt. Azumi überwältigt daraufhin zwei Wachen, dreht die dort aufgestellte Kanone zum Dorfeingang um und sprengt das Tor in die Luft. Selbstsicher und nahezu unverwundbar wie anno dazumal John J. Rambo marschiert sie durch das Lager und lässt wahre Leichenberge hinter sich. Der effektivste und völlig durchgeknallte Lohnkiller der Toyotomi ist in seinem Element, schwelgt im Blutrausch und tötet alle, die seinen Weg kreuzen, während die Fußtruppen auch skrupellos auf ihre eigenen Söldner schießen, um Azumi zu erwischen, worauf die Söldner „ihren Vertrag fristlos kündigen“ und sich ebenfalls eine Schlacht mit den Soldaten liefern. Ein ganz irres Gemetzel… und Ueto Aya (Jahrgang 1988, möchte ich erinnern) macht dabei eine deutlich bessere Figur als auf dem Tennisplatz. Sie liegt weitaus seltener auf dem Boden herum. Ich bin noch nicht ganz sicher, ob ich den Film gut finden soll – schlecht würde ich ihn nicht nennen (wenn man dem Geschilderten was abgewinnen kann).

20. März 2024

Samstag, 20.03.2004 – On the Road again

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Wir nehmen während der Nacht die Fress-Show „Gansô! Debuya!“ mit Papaya und Ishida auf, und am Morgen „SailorMoon“. Irgendwas stimmt mit dem Wecker nicht… der geht sechs Stunden nach. Der kann doch nicht schon wieder eine neue Batterie brauchen? Wir haben sie erst im Dezember ausgetauscht!

Wir stehen um 12:00 auf und sehen uns erst „SailorMoon“ und dann „Debuya“ an.

Nephlytes Attacke auf EvilMerkur schlägt natürlich fehl – wer hätte das gedacht? Dafür wird er von Kunzyte dann auch „gezüchtigt“. Ich lächle jetzt gerade laut. Mamoru wird von Zoisyte angesprochen, der ihm ein paar Rückblicke auf seine wahre Identität liefert, aber natürlich will Mamoru das nicht einsehen, läuft erst mal davon und wird von Kunzyte in einem TV-Studio angegriffen. SailorMoon und Zoisyte retten ihn, aber Zoisyte bekommt schwer was ab und muss sich aus der Gefahrenzone teleportieren. Usagi erfährt dann auch endlich, dass Chiba Mamoru und Tuxedo Kamen die gleiche Person sind und ihre Reaktion kann ich nicht wirklich aus ihrem Gesicht lesen.

Papaya und Ishida wiederum waren auf Tour in Niigata und haben dort gekochte Schweinefleischstreifen, frittiertes Schnitzel (mein Gott, wie gewöhnlich!) und Maitake gespachtelt. Und weil Papaya ja eigentlich Choreograph ist, führt er zusammen mit der Belegschaft der Pilzfarm noch ein Tänzchen vor.

Danach will ich selbst mal was essen, und Wäsche waschen wäre auch eine gute Idee. Schließlich hole ich meine (handschriftlichen) Tagebucheinträge seit dem 17. März nach… ich muss mehr Disziplin aufbringen, die Einträge am gleichen Tag zu schreiben, sonst vergesse ich noch ein paar wichtige Dinge. Das Chaos in meinen handschriftlichen Notizen spricht Bände.
Ich lese bis um 17:00 und fahre dann ins Daiei und ins Ito Yôkadô, um ein paar der bestellten CDs zu kaufen. Als ich auf den Eingang des Daiei zugehe, sehe ich hinter der Glastür drei Jugendliche, die sich darüber ärgern, dass die automatische Tür nicht aufgeht. Sie wenden sich unzufrieden von der Tür ab. Ich gehe auf die Tür zu – sie geht anstandslos auf, ich gehe hinein. Ich ernte Blicke von Missgunst bis Unverständnis. Beinahe hätte ich die Beherrschung verloren und die drei ausgelacht. Ich fahre in den vierten Stock… aber das ist einer zu weit, also wieder einen runter. Im Ito Yôkadô befinden sich die CDs im fünften Stock und ich bin wesentlich öfter dort als hier im Daiei, daher der Fehler. Ich kaufe „Nr. 53“ von „Penicillin“ und sehe mich nach CDs von Orikasa Fumiko um, aber da ist Fehlanzeige. Ich verlasse das Daiei wieder auf dem gleichen Weg, wie ich hineingelangt bin. Die Tür öffnet sich.

Ich gehe rüber ins Ito Yôkadô und kaufe dort „Frontiers“ von „Psycho le Cemu“ und eine CD von „Maximum the Hormon“. Den Namen von letzterer CD kann ich nicht lesen, auch nicht mit dem Kanjitank – ich finde eines der Kanji nicht.[1] Von dieser Band habe ich eigentlich nur das Lied „Rolling 1000 tons“ gesucht, das Endlied des „Airmaster“ Anime, aber nach dem Kauf stelle ich fest, dass der Song auf der CD, entgegen einem Hoffnung erweckenden Aufdruck, doch nicht enthalten ist. Zumindest nicht in der Form, wie ich mir das gewünscht hätte: Eine genauere Untersuchung der Sachlage zeigt mir, dass von dem Song das Musikvideo auf die CD gebrannt worden ist. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil! Na, immerhin etwas. Die übrigen Lieder sind für meinen Geschmack auch gut zu gebrauchen, auch wenn Melanie die Musik als „Krach“ bezeichnen wird und das Cover so ziemlich das vulgärste ist, das mir je unter die Augen gekommen ist. Nein, kein „Cannibal Corpse“ Cover schlägt dieses Bild, das auf eine ganz andere Art krank ist. Die CD von „Japaharinet“, die ich ebenfalls kaufen wollte, ist nicht mehr da, ebenso die CD mit den Pianostücken zu „Final Fantasy VII“. Wenn sich Sebastian nicht dazu entscheiden kann, die CD zu kaufen, so lange ich in Japan bin, hat er wahrscheinlich verloren. Auch hier findet sich leider nichts von Orikasa Fumiko… am Ende werde ich die einzige Platte, die es von ihr offenbar gibt, bestellen müssen.

Ich mache mich auf den Heimweg. Und wenn ich schon mal dabei bin, suche ich mir auch gleich ein Fahrrad. Da drüben in dem „Fahrradhaufen“ befinden sich potentielle Kandidaten. Eng verkeilte Fahrräder, teilweise übereinandergestapelt, alle mit trockenen Ketten und leeren Reifen. Das erste Mountainbike erweist sich als zu klein – definitiv ein Kinderrad, für das man nicht größer als 1,60 m sein sollte. Das zweite ist ein wenig größer… wenn ich den Sattel maximal ausfahre, werde ich damit fahren können, denke ich. Sobald wieder Luft in den Reifen ist, heißt das. Es hat eine Lampe! Mit Batteriebetrieb, aha… aber immerhin. Die Gangschaltung hat 18 Gänge und Drehschalter… nett. Die Reifen haben gutes Profil und die Vorderachse hat sogar eine pneumatische Federung. Die Bremsen sind in Ordnung, es hat Reflektoren hinten und welche in den Speichen. Das ist doch nicht schlecht.

Ich schiebe das Rad nach Süden und finde vor einem der Fahrradläden tatsächlich noch den Eimer mit den Luftpumpen drin. Wie kann das sein? Hat ein günstiges Schicksal den Besitzer ausgerechnet heute den Eimer draußen vergessen lassen oder ist mir nie aufgefallen, dass die Pumpen vor diesem Laden rund um die Uhr zur Verfügung stehen? Ich nehme mir eine Pumpe aus dem Eimer, aber sie ist kaputt. Hm… ich nehme die zweite. Sie funktioniert und drei Minuten später haben meine Reifen die Härte, die ich erwarte. Ich fahre also den Rest des Wegs und versuche, mich mit der Gangschaltung vertraut zu machen. Ich brauche Öl für die beweglichen Teile, aber das kriege ich erst am Montag. Ansonsten muss ich mich nur an das neue Fahrgefühl (mit Federung) gewöhnen, weil ich von den Unebenheiten der Bordsteinkanten kaum noch etwas mitbekomme und ich deshalb permanent das Gefühl habe, keine Luft im Reifen zu haben. Obwohl ich erkenne, wie paradox diese Aussage erscheint. Aber die Reifen halten die Luft und ich bin wieder mobil.

Melanie hat für heute Abend einen Film ausgeliehen – „Makai Tensei“. Nach nur zehn Sekunden ist mir glasklar, dass es sich hierbei um die Realfilmvariante eines Anime handelt, der im Westen unter dem Titel „Ninja Resurrection“ bekannt ist. Um was geht es da Atemberaubendes?
Truppen des Shogunats (der jap. Militärregierung) stürmen anno 1638 eine Burg, in der sich Christen verschanzt haben – diese Religion war unter Todesstrafe verboten. Der Daimyô der Burg, noch ein junger Mann, sieht wohl das Scheitern und die Schwäche seines Gottes, als man ihn tötet – worauf er als Der Antichrist wiedergeboren wird! Er ruft die Geister toter Helden der japanischen Geschichte, unter anderem auch keinen geringeren als den Schwertmeister Miyamoto Musashi, um die Tokugawa auszulöschen. Und wer stellt sich ihm entgegen? Der wahrscheinlich zweitbekannteste Held Japans: Der Ninja Yagyû Jûbei. Den Rest kann man sich ausmalen, nur mit noch mehr Blut. Der Film schafft es beinahe, noch langweiliger zu sein als der Anime… eine der unnötigsten Produktionen, die ich in den letzten zwölf Jahren gesehen habe.


[1] Spätere Untersuchungen mit Lexika aus Papier ergaben die Titellesung „Kusoban“ = „Scheißplatte“. Daher die Covergestaltung…

16. März 2024

Dienstag, 16.03.2004 – Alive

Filed under: Filme,Japan,My Life,Spiele — 42317 @ 7:00

Ich stehe um 09:00 auf und gehe gleich in den Computerraum. Ich einige mich mit Frank über die Parameter unseres Gefechtes und wir werden die Karte „Urban Combat“ als Nachtgefecht spielen. Sie beruht auf einem Entwurf von Karl, aber der war mir damals nicht „städtisch“ genug und ich habe das Stadtgebiet gegenüber dem „ländlichen“ Teil der Karte deutlich erweitert. Ich bereite die Karte vor und stelle 3000 deutsche gegen 4500 alliierte Punkte auf.[1]
Ich schicke Frank daraufhin den Rohentwurf der Karte (auf dem sich nur seine Truppen befinden), damit er sich mit Truppen und Gelände vertraut machen kann. Änderungsvorschläge sind ebenfalls willkommen, und Unklarheiten sollten wir schon irgendwie ausbügeln können.
Dann passiert den Tag über nichts Spannendes mehr.

Am Abend sehen wir uns einen weiteren Film von Kitamura Ryûhei an. Das ist der Regisseur hinter „Versus“ – für diejenigen, die mit dem Titel was anfangen können. Dieser Film heißt „Alive“, und die Besetzungsliste zeigt dem aufmerksamen Leser die Namen Sakaguchi Tak und Sakaki Hideo – die beiden Hauptdarsteller aus „Versus“. Dann möchte ich vermuten, dass der Film zumindest nicht in die Kategorie „schlecht“ fallen sollte.
Man sieht zu Beginn einen Mann (Sakaki), angeschnallt auf einem Konstrukt sitzen, das ich für einen leicht futuristisch anmutenden elektrischen Stuhl halten würde. Und der Strom wird einige Sekunden lang eingeschaltet, der Gefangene wird geschüttelt, der Strom wird abgeschaltet und dann erklärt eine Art Offizier dem Gefangenen, dass er tot sei. Was er offensichtlich nicht ist. Er ist quicklebendig und wird mit einem anderen Gefangenen in eine geräumige Zelle gesperrt. Sie erhalten alles, was sie wünschen, mit Ausnahme von Freiheit und Waffen, also Kleidung, Nahrung, sogar Spielzeug. Man erhält schnell den Eindruck, dass die beiden so untergebracht wurden, damit über kurz oder lang einer den anderen tötet. Man findet auch heraus, dass der Protagonist im Knast sitzt, weil er drei Männer getötet hat, die seine Freundin vergewaltigt haben. Trotz (oder wegen?) der geübten Rache erhängte sie sich, und daran hat er nun zu knabbern. Nachdem sein Zellengenosse also irgendwann hat dran glauben müssen, macht er ein Kommandoteam nieder und tritt am Ende gegen eine Art Mutanten an – gespielt von Sakaguchi Tak.

Alles in allem sehen wir hier wieder eine lebhafte Choreografie, wie schon in „Versus“, nur mit mehr auffälligen Computereffekten – zu meinem Bedauern. Der Film hat wirklich sehr coole Elemente und interessant anzusehende Kämpfe, aber er ist auch irgendwie langweilig… er zieht sich zeitweise wie Kaugummi. Eine Verkürzung der Handlung auf 60 Minuten hätte der Geschwindigkeit gut getan, aber ich schätze, dass Kitamura auch irgendwie zeigen wollte, dass die beiden Gefangenen eine ganze Weile miteinander verbringen und sich langweilen. Als Kurzgeschichte (es gibt einen Manga, soweit ich weiß) macht sich das Material bestimmt gut, aber als 90 Minuten Film… ich weiß nicht.


[1]   Der Angreifer erhält grundsätzlich 50% Vorteil

10. März 2024

Mittwoch, 10.03.2004 – Warum Leute nerven, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben

Filed under: Filme,Japan,My Life,Spiele — 42317 @ 7:00

Ich finde in meinem Posteingang eine Mail von Frank vor, in der er mir einen Link schickt und meine Meinung dazu hören möchte. Ich finde eine Art Kommentarseite von zwei Deutschen vor, etwa Mitte Zwanzig, über ihre Reise nach Japan. Die beiden haben den Versuch gemacht, eine Handvoll Kanji schreiben zu lernen, sprechen aber kein Japanisch, und wissen von Japan nur das, was man im Fernsehen sieht. Auf der Seite befinden sich 71 Fotos, die allesamt dem entsprechend kompetenzlos kommentiert sind. Die beiden empfehlen auf ihrer Seite das Buch „Warum Japaner nerven“ und das sagt bereits zu genüge aus, was man von dieser Seite zu halten hat. Wenn ich mir dieses Machwerk so ansehe, muss ich beinahe annehmen, dass die beiden zu viel Geld haben und allein durch derlei „Literatur“ zu der Reise motiviert worden sind. Aber obwohl ich mehrfach den Bildschirm an die Wand werfen möchte, kommentiere ich fast jedes einzelne Bild und stelle ein paar Dinge richtig, die von den beiden als „Irrsinn der Japaner“ verlacht werden. Ich habe den Link aus Rücksicht auf die Gesundheit meiner Nerven und um mich vor Schadensersatzforderungen des Rechenzentrums zu schützen nicht gespeichert.

Um 19:00 kommt Misi und spielt auf dem Platz neben mir die Combat Mission Karte „Abend in Cheneux“. Ich bearbeite indessen meine übrigen Mails und fahre um 20:00 mit dem Fahrrad nach Hause. Die neuerdings milden Temperaturen haben die Straßen frei gemacht und man kann auch nach Anbruch der Dunkelheit nach Hause fahren, ohne Frostbisse im Gesicht zu spüren.

Abends sehe ich mir mit Melanie den Film zur Serie „Gokusen“ an. Nett, aber unnötig. Wieder lange Monologe der Lehrerin Yamaguchi; Schüler werden verprügelt, Yamaguchi haut sie raus; Schüler machen Stunk, Yamaguchi bekehrt sie. Alles wie gehabt. Nur noch eine Spur schmalziger.

Zuletzt lese ich den Combat Mission After Action Report „Comme ca“ über ein russisch-deutsches Begegnungsgefecht im Juli 1941. Die beiden Kommentare sind wirklich gut und sehr unterhaltsam geschrieben, der Kampf wurde auf beiden Seiten sehr verzweifelt geführt, und ich finde die Beschreibungen sehr spannend.

21. Februar 2024

Freitag, 20.02.2004 – Die Rückkehr des Kinos

Filed under: Filme,Japan,My Life — 42317 @ 9:09

Um 08:45 werden wir abrupt von einem Eisblock geweckt, der vom Dach auf den Balkon fällt und dabei auch gleich einen der Plastik-Ziegel mitgerissen hat. Dann kann ich auch gleich aufstehen. Die anderen dösen weiter bis etwa 10:30.

Die Frage, die sich stellt, ist, ob Ronald und meine Wenigkeit nach unseren Mails sehen oder ob wir alle gemeinsam den zweiten Teil des „Herrn der Ringe“ ansehen sollen, um uns auf den Kinobesuch heute Abend einzustimmen. Beides geht nicht, dafür ist die Zeit zu knapp. Wir entscheiden uns für den Film. Ich bringe also den ersten Teil in die Videothek zurück und sehe mich umständlich nach dem zweiten Teil, „Die Zwei Türme“, um. Auf Grund der für mich nicht nachvollziehbaren Ordnung in der Videothek findet man den Film nämlich auf drei verschiedenen Regalen; ich glaube, bei „Fantasy“, unter „Ausländische Filme“, und bei den „beliebtesten Filmen“. Jahaa… der zweite Teil ist komplett ausgeliehen. Es wollen noch mehr Leute den zweiten Film sehen, bevor sie ins Kino gehen und den dritten ansehen.

Dann wird der Plan einfach umgekrempelt und ich gehe mit Ronald ins Center. Melanie und Ricci schauen sich derweil „Princess Tutu“ an. Es heißt, die Serie sei gut. Ronald ist natürlich wesentlich schneller fertig als ich und geht gegen 14:00 wieder zurück nach Nakano, während ich bis 15:45 bleibe und zu Fuß, eine Packung Toastbrot kauend, zum Ito Yôukadô gehe, um den Preis für den Bus zum Busbahnhof zu sparen. Das heißt, ich habe das Geld für den Bus ja eigentlich gerade verfuttert. Am Ito Yôkadô treffen wir uns dann also wieder und wir steigen um 16:20 in den Bus in Richtung „Sakurano“, das ist das Kaufhaus im Westen der Stadt, in dessen Umgebung sich das Kino befindet. Die anderen drei wollen im Sakurano noch ein paar Sachen kaufen (was normale Kinobesucher halt so brauchen). Wir kommen dadurch sehr pünktlich zur Vorstellung.

Und „Die Rückkehr des Königs“ ist ein wirklich gewaltiger Film, der sich in meiner DVD Sammlung gut machen wird. Ich persönlich empfehle ihn uneingeschränkt jedem, der dem Fantasy-Genre entfernt etwas abgewinnen kann. Natürlich hat der Film Punkte, bei denen ich mich am Hinterkopf kratzen musste. Nein, ich meine nicht die Szene, in der der Truchsess von Gondor einen herben Schlag auf den Kopf erhält, damit er mit seiner Aufforderung „Rette sich, wer kann!“ nicht weiter die Moral der Belagerten untergräbt. Ich meine z.B. diese an sich wirklich beeindruckend aussehenden Leuchtfeuer auf den Bergen, die, eines nach dem anderen, angezündet werden, um die Nachricht weiterzuleiten, dass Minas Thirit in Gefahr ist. Aber wie soll ich mir das vorstellen? Ich denke zwangsläufig an den Witz von Mittermeier, ob da die ganze Zeit einer am Flughafen sitze, der „vergesslichen“ Leuten noch kurz vor dem Abflug ihre Traveller-Schecks in die Hand drückt. So geht es mir mit diesen Feuern – nur extremer. Sitzen da jahraus, jahrein Leute auf den unwirtlichen, verschneiten Bergspitzen in ihren steinernen Behelfshütten und warten darauf, dass da unten in Gondor endlich die Kuh fliegt (wenn ich das mal so nennen darf)? Mal angenommen, diese Leuchtpositionen sind tatsächlich immer besetzt:

Wie schafft man Verpflegung zu den Leuten hoch?
Wo wird die Verpflegung gelagert?
Und die brauchen auch Brennholz, und zwar das ganze Jahr über – wo lagern die das Brennholz? Bestimmt nicht in dieser zeltgroßen Unterkunft!
Wie werden diese riesigen Holzstapel, die binnen Sekunden brennen wie ein ganzes Tanklager, trocken gehalten? Wie kommt man zu einem solchen Job? Strafversetzung? Da oben ist es langweilig ohne Ende.
Die Nachschubkarawane muss ein reines Himmelfahrtskommando sein, bedenkt man den möglichen technischen Standard der Bergsteiger von Tolkiens Welt. Wie viele Menschenleben werden eigentlich regelmäßig geopfert, um diese einsamen Posten zu versorgen?

Nicht zuletzt fand ich den „Flakscheinwerfer“ auf Barad Dûr sehr lustig. Ich habe durchaus begriffen, dass das Auge Saurons überall hinsehen kann – ich brauche den Lichtkegel nicht zur Unterstützung meiner Vorstellungskraft. Oder ist das ein Geschenk an Leute ohne Vorstellungskraft? Aber diese übergroße Taschenlampe fand ich, gelinde gesagt, überaus dämlich.
Und die beiden Über-Hobbits… die leiden so richtig schön gemeinsam. Es fehlt wirklich nur noch, dass sie sich ihre Liebe gestehen und sich dezent hinter einen Busch oder Felsen zurückziehen. Aber diese leidenden Blicke, mit denen sie sich ansehen und Sams hingebungsvolle Worte…

Bemerkenswert war auch, dass ein paar Reihen hinter uns nach 15 Minuten bereits ein lautes Schnarchen zu hören war. So langweilig ist der Auftakt dann doch nicht. Ja, ja… und als dann am Ende das Schiff davonsegelte, haben die beiden Mädchen in der Reihe vor uns hörbar geheult. Es sei ihnen gegönnt, sie waren wahrscheinlich nicht die einzigen im Saal. Mich hat die große Schlacht an sich viel mehr bewegt als sterbende Protagonisten oder davonsegelnde Helden. Dieser Film zeigt die schönste Darstellung von Niederreiten seit dem misslungenen Versuch in „Braveheart“, und erst jetzt weiß ich, was mir da entgangen ist.

Wir verlassen das Kino um 20:45. Laut Fahrplan fährt der letzte Bus um 20:25, aber Gerüchten zu Folge soll um 20:55 noch einer fahren. Diese Gerüchte sind allerdings eine Ente. Und ich muss mich fragen, welcher Idiot für diese Fahrtenplanung verantwortlich ist, weil die meisten Leute wohl nach 20:25 aus dem Kino kommen. Aber vielleicht handelt es sich auch um ein stilles Abkommen mit den Taxiunternehmen. Deren Wagen stehen nämlich in nicht geringer Zahl vor dem Kaufhaus in der Nähe der Haltestelle. Wir nehmen also ein Taxi und lassen uns zum „Skylark Gusto“, gegenüber vom Daiei, fahren, um was zu essen.
Ich esse eine sogenannte „Familienpizza“, die möglicherweise für eine vierköpfige Familie von Pygmäen oder für ein wenig hungriges japanisches Ehepaar mit Kleinkind reicht, aber nicht für einen hungrigen Dominik. Die Pizza ist reichlich mit Käse belegt und sie schmeckt gut, das ist ein Vorteil, aber sie hat nur 25 cm Durchmesser. Ich glaube, das geht in Deutschland als eine größere Kinderportion durch. Immerhin reicht mein Bauchgefühl hinterher sehr nahe an „Sättigung“ heran.

Um 23:00 sind wir wieder zuhause und Ricci legt sich auch sehr bald hin. Wir anderen unterhalten uns noch bis gegen zwei Uhr morgens.

18. Februar 2024

Mittwoch, 18.02.2004 – Kung Fu statt Ping Pong

Filed under: Filme,Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Wir stehen um 08:45 auf, strahlender Sonnenschein nach einer verschneiten Nacht. Um 11:30 gehen wir zum Bus und fahren zum Bahnhof, weil wir, also Ricci, Ronald, Melanie und ich, nach Aomori fahren wollen, um dort ein Aquarium zu besichtigen. Ich kann mir spannendere Dinge vorstellen, als potentiellem Sushi beim Schwimmen zuzusehen, aber was soll’s.
Melanie hat aus unerfindlichen Gründen auf ihre sonst akribische Planung verzichtet, weil sie (und nicht nur sie) davon ausgegangen ist, dass in schönster Regelmäßigkeit ein Zug in die Hauptstadt der Präfektur fahren werde. Ja, der nächste fährt schon um 12:45, aber der Vermerk auf dem Fahrplan sagt entweder, dass man dafür hätte vorbestellen müssen, oder dass der Zug ausgebucht sei… eher das erstere, denke ich. Aber selbst eine solche Aussage kommt mir arg seltsam vor. Wie dem auch sei, der nächste Zug fährt laut Fahrplan um 13:45. Dann kämen wir aber so spät im Aquarium an, dass wir nur noch etwa eine Stunde Zeit hätten, bevor der Laden zumacht. Diese Hetze will aber keiner von uns in Kauf nehmen, also wird ein Einkaufsbummel aus dem für heute geplanten Ausflug. Wir verlagern die Aktion auf morgen und gehen ins Ito Yôkadô.

Die anderen sehen sich nach irgendwelchen Sachen um, für die ich mich kaum weniger interessieren könnte als für ausgetretene Fußmatten, also verziehe ich mich in die Spieleabteilung und bitte darum, mich dort abzuholen, sobald sie hier fertig seien. Ronald will eigentlich noch eine Hülle für seinen Kanjitank kaufen, aber der Laden, wo ich mein Gerät mit Hülle gekauft habe, hat geschlossen. Und zwar für immer. Ein bedeutender Teil des Stockwerks wird umgebaut. Der 100-Yen-Shop aus dem dritten Stock wird diese Stelle einnehmen. Das wird ein reichlich großer 100-Yen-Shop.

Wir gehen schließlich nach Hause und wollen uns irgendein ein Video ansehen, ein Live Action Video – also mit echten Schauspielern, nicht animiert. In der Videothek wogt die Diskussion 15 Minuten lang hin und her (ohne mich, weil mir das Ergebnis gleichgültig ist) und schließlich wird beschlossen, das Video auszuleihen, das in der Abteilung für Humor auf Platz Eins der beliebtesten Filme steht. Der Film heißt „Ping Pong“. Offenbar eine Komödie mit Schwerpunkt auf Tischtennisspielern. Daran hatte ich in meinem ganzen Leben noch kein echtes Interesse, aber warum nicht. Man soll nichts für schlecht halten, was man nicht selbst gesehen hat.

Aber dieser Film gibt mir von Anfang an ein schlechtes Gefühl. Die Hauptperson ist ein junger Mann, der offenbar sein ganzes Leben lang nichts anderes gemacht hat, als Ping Pong zu spielen, und er trägt eine Frisur zur Schau wie Jim Carrey in „Dumm und Dümmer“. Und bald darauf weiß ich eins: „Dumm und Dümmer“ ist  allemal und definitiv ein besserer Film als „Ping Pong“!
Wenn das hier eine Komödie sein soll, dann entgehen uns die humoristischen Elemente völlig. Dieser Film ist stinklangweilig. Die „Frisur“ und sein bester Freund spielen natürlich auch auf Turnieren, wo sie – ebenso  natürlich wegen der Natur der Sachen Turniere und TV-Unterhaltung – auch auf starke Gegner treffen. Da wäre zum Beispiel ein rivalisierendes japanisches Team, dessen Mitglieder in ihren schwarzen Sportkleidern und mit den rasierten Glatzen aussehen wie Klone des wohl populärsten Fußballschiedsrichters dieser Zeit. Das einzig lustige an der Mannschaft: Da ist einer dabei, der wegen seiner Kopfform und Brille aussieht wie Nikolas Kieker. Und dann gibt es noch einen unfreundlichen Chinesen, der aussieht, als könne er den sadistischen Aufseher eines Umerziehungslagers in Zentralchina wesentlich besser spielen als einen Sportler.

Wir brechen den Film nach der Hälfte ab und besorgen uns was Neues: „Shaolin Soccer“. Das ist lustig und das Geld wert. Trotz kantonesischen Originaltons mit japanischen Untertiteln. Eine Gruppe ehemaliger Shaolin Mönche (also Kung Fu Spezialisten) spielt… eine Art Fußball. Das heißt, eigentlich handelt es sich dabei um Kung Fu Kämpfe, erweitert um einige Fußballregeln… oder eigentlich nur um den Ball. Der Humor des Films kommt von der endlosen Übertreibung, derer sich die Macher bedient haben. Da werden Mauern mit Fußbällen gesprengt oder Getränkedosen in dieselben hineingetrieben, und das auf unglaubliche Entfernungen, und erst die Spezialtechniken auf dem Spielfeld…

Den übrigen Abend verbringen wir mit „freier Diskussion“ und alten Schulgeschichten, was ich sehr genieße, weil Ronald und meine Wenigkeit ja die gleiche Schule besucht haben. Um 23:30 bringe ich den Film zurück und der Tag endet.

11. Februar 2024

Mittwoch, 11.02.2004 – Willkommen im Schnee

Filed under: Filme,Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Wir stehen um 05:30 auf und steigen um 06:47 in den Bus in Richtung Busbahnhof, wo wir um 07:05 ankommen. Ricci und Ronald sind bereits da und wir müssen zuerst 40 Minuten Zeit totschlagen, bis ein Bus zurück nach Nakano fährt. Wir gehen also in einen der Konbini und frühstücken. Das heißt, die anderen drei essen. Ich habe etwas gegessen, bevor wir aufgebrochen sind. Schließlich hieven wir das Gepäck in den passenden Bus und fahren nach Hause.

Die beiden sind erstaunlich wach, dann war die Fahrt offenbar relativ entspannend. Die Koffer werden, soweit notwendig, ausgepackt und wir ergehen uns in mehr oder weniger normalen „Eröffnungsgesprächen“, die uns, ich weiß nicht mehr warum, in Richtung Horrorfilme führen. Bestimmt ist Ronald daran schuld. Wenige Sekunden später sind wir uns einig und ich gehe mit ihm in die Bibliothek, um „Battle Royal“ auszuleihen.
Wir nehmen die DVD-Version mit, da Riccis Laptop mit einem entsprechenden Laufwerk ausgestattet ist. Der Film läuft auch, aber… wir kriegen keinen Ton aus dem Gerät raus. Ricci probiert eine DVD aus, die sie mitgebracht hat – und die macht keine Probleme. Was tun? Ricci probiert das Extremste zuerst und ruft Thomas (in Trier!) an. Und der ist gar nicht begeistert, um 06:45 aus dem Bett geklingelt zu werden. Aber er kann uns nicht weiterhelfen. Also will ich in die Videothek gehen, um die Scheibe umzutauschen. Und da meint Melanie doch ganz spontan (ohne sich was Böses dabei zu denken natürlich), dass Ronald vielleicht besser mitgehen solle, weil sein Japanisch besser ist. Zack! Das hat gesessen. Aber weniger, weil sie meine Fähigkeiten in Frage stellt, als eher deshalb, weil hier zur Schau gestellt wird, wie gerne man sich auf andere verlässt – was ich überhaupt nicht gerne mache. Ach, was soll’s… ich werde ja wohl noch ein Video umgetauscht bekommen! Erstaunlicherweise rege ich mich kein bisschen darüber auf.

Ich gehe also alleine zurück in die Videothek und schildere dem Angestellten mein Problem. Das sei gar kein Problem, sagt er und drückt mir einen Zettel in die Hand, der aussagt, dass ich ein Video bezahlt, aber keines mitgenommen habe. Ich gehe also mit dem Zettel zu der Videowand, wo „Battle Royal“ zu finden ist, nehme die Videokassette, gehe zurück zur Theke, gebe den Zettel wieder ab und verlasse die Videothek mit dem Film. So einfach geht das.

Und wir sehen uns „Battle Royal“ schließlich an. Ich will die Handlung („Nur einer darf überleben!“) nicht im Detail beschreiben. Sagen wir einfach, der Film stellt dar, wie leicht der Instinkt, zu überleben, die Oberhand über die Vernunft gewinnt und Menschen zu Tieren macht, und dass Egoismus und Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft ständig zunehmen.
Ich habe meine Zweifel, ob ich den zweiten Teil wirklich sehen will. Der Film ist gut, zumindest auf gewisse Art und Weise, wenn man meine Kurzbeschreibung im Hinterkopf behält. Das Töten wird in diesem Film recht trocken angeboten, reduziert auf die Erfüllung des reinen Überlebenswillens. Es geht zum Teil recht mechanisch vor sich, blutig zwar, aber schnell und einfach. Ich sage nicht, dass die Angelegenheit unspektakulär wäre. Ganz und gar nicht. Aber ich fühle mich irgendwie an „Gesichter des Todes“ erinnert, eine Serie, die sehr schön dargestellt hat, dass der Tod, realistisch betrachtet, eine langweilige Angelegenheit ist. Darstellungen von Unfällen und Morden würden niemanden ins Kino locken, wären die Darstellungen in Filmen nicht entweder übertrieben oder auf andere Art und Weise publikumsgerecht zurechtgemacht.
In kurzen Worten: Ich empfinde „Battle Royal“ als langweilig. Es macht keinen Spaß, den Film anzusehen, und es kommt auch, meiner Meinung nach, keine Spannung und kein echtes Mitgefühl mit den dargestellten Personen auf. Es berührt mich nicht. Bis auf die Szene, wo ein Mädchen erschossen wird und man ihr ein Megaphon vor den Mund hält, um ihr Wimmern zu verstärken. Aber sonst färbt das einfache Volk eben mit seinem Blut die Felder rot und es ist mir völlig egal. Natürlich mag das in der Absicht der Hersteller liegen. Aber ich lege mir keine Filme zu, die mich weder berühren noch andere Vorteile bieten. Michael scheint seinen Spaß gehabt zu haben. Er lobt den Film ja in den höchsten Tönen und hat mir seit geraumer Zeit bereits immer wieder den Vorschlag gemacht, den Film anzusehen. Viel Spaß weiterhin! Aber nicht für mich.

Nach Filmende gebe ich das Band zurück und wir steigen in den Bus, der uns nach Dotemachi bringt. Dort steigen wir aus und gehen zu Fuß in den Park. Im Park von Hirosaki findet derzeit das diesjährige Schneefest statt, bzw. das „Schneelaternenfest“. Als wir ankommen, fängt es ziemlich heftig an zu schneien.
Im Park steht eine Vielzahl von Schneekonstrukten, die zum größten Teil die Form japanischer Steinlaternen haben, das heißt, der Kopf der Laterne ist hohl. Im Innern steht eine Kerze, und die Öffnungen sind mit verziertem Glas verschlossen, das Gesichter von Menschen oder Dämonen zeigt. Unterhalb des Burghügels stehen Dutzende von kleinen Schneebögen wie kleine Altäre mit Kerzen drin, die einen sehr schönen Anblick auf die gegebene Entfernung von knapp 200 m liefern. Kurz vor der Burg selbst steht ein Iglu, in den man hineinkriechen kann und dessen Mitte hoch genug ist, um mir das Stehen zu ermöglichen. In dem Iglu steht ein kleiner Altar, wo man, wie das bei Altären üblich ist, auch Geld spenden kann. Der Anteil von 50-Yen-Münzen in der Opferschale ist überraschend hoch, ansonsten findet man die üblichen Münzen im Wert von fünf oder 10 Yen. Vielleicht sind die Leute bei Schnee oder auf Festen spendabler?

Der Schnee, der auf uns niedergeht, ist recht feucht und ich spüre bereits jetzt, dass meine Jacke an den Schultern durchnässt ist. Immerhin habe ich, im Gegensatz zu meiner Begleitung, am Ende des Tages noch trockene Füße. Melanie hat, wider besseres Wissen, nur Turnschuhe angezogen, und Ricci und Ronald haben keine geeigneten Schuhe dabei. Bei dem Wetter für Warmduscher in Tokyo braucht man auch keine Stiefel, da reichen Turnschuhe halt.
Der Höhepunkt des Festes ist eine Ausstellung „moderner“ Schneeskulpturen am anderen Ende des Parks. Da stehen unter anderem Figuren von Doraemon und Anpan-man, aber die sind klein und „nur“ besser geformte Schneemänner. Die wirklichen Stars sind Skulpturen von etwas drei bis vier Metern Höhe, und sie stellen die verschiedensten Dinge dar: Donkey Kong, Tom & Jerry, zwei der Sieben Zwerge, einen dieser Köpfe von den Osterinseln[1], Totoro und Snoopy. Ein sehr schönes Stück ist das Schneemodell der methodistischen Kirche von Hirosaki, dessen Turm zwischen sechs und acht Metern hoch ist. Am unterhaltsamsten ist zweifelsohne der aufgeschüttete Hügel, den die Kinder auf Traktorreifen hinunterrutschen. Aber mein persönlicher Favorit befindet sich gegenüber davon: Eine Wand von sechs Metern Breite und vier Metern Höhe, die die Figuren aus der Animeserie „Atashin’chi“ zeigt. Und ausgerechnet an dieser Stelle ist der Speicher meiner Kamera voll. Ich kriege ausgerechnet davon kein Bild mehr in die Kamera! Und leider habe ich den Speicher bereits für andere lohnende Motive ausgemistet, die ich nicht hergeben will. Sehr bedauerlich.

In direkter Umgebung der Skulpturen findet man natürlich die obligatorischen Verkaufsstände, wo man warmen Sake, Fleischbällchen, Takoyaki und Fleischspieße kaufen kann, nebst anderem Zeug wie Souvenirs und Spielzeug. Und das alles wird natürlich zu besten Festtagspreisen angeboten. Dennoch haben wir hungrige Leute in der Gruppe. Marc hat mir vor wenigen Tagen mitgeteilt, dass es im Bereich des Neputa-Dorfes neben dem Park einen ganz tollen Ramen-Stand (es handelt sich um eine offene Rollkarre) geben soll. Allerdings sei der nur sporadisch dort. Wir verspüren keine Motivation, uns auf unser Glück zu verlassen, außerdem wäre ein geschlossenes Gebäude nicht schlecht. Aber um diese Uhrzeit haben zumindest die kleinen Familienbetriebe bereits geschlossen, die machen um acht Uhr Abends dicht. Es gibt einen Laden auf dem Parkgelände, der dort offenbar fest installiert ist. Wir essen also dort. Ich bestelle Soba-Nudeln, und die Portion ist… niedlich.

Wir gehen zum Bus und kommen gerade pünktlich an, um festzustellen, dass der Planaushang etwas anderes anzeigt als Melanies Faltblatt. Laut Aushang fährt der nächste für uns geeignete Bus in einer halben Stunde. Ich bin nicht begeistert (weil: nass) und durchaus bereit, auch zu Fuß nach Hause zu gehen. Vielleicht dauert das genauso lange, aber immerhin wird mir dabei warm. Das ziehe ich dem kalten Warten in jedem Fall vor. Aber dazu kommt es nicht. Nur einen Augenblick später kommt der Bus, genau der, der in Melanies Faltblatt vermerkt ist. Der Fehler war eine Missinterpretation des Planaushangs an der Haltestelle, denn der richtige Bus hat eine andere Bezeichnung, als wir angenommen hatten. Also kommen wir doch noch schneller nach Hause.

Melanie und ich wiederholen zuhause noch einmal die wichtigsten grammatischen Inhalte für die Klausur morgen (so gut das eben geht, wenn man zweiköpfigen Besuch hat) und hoffen, dass es wirkt. Aber schwer zu verstehen ist das Lehrbuch ja nicht. Das Problem sind immer die Prüfungsaufgaben. Das heißt, die Bildung der Formen ist einfach, aber die Bedeutungen im einzelnen könnten Probleme machen, die sich so ausdrücken, dass ich missverstehe, was mit dem lückenhaften Satz ausgedrückt werden soll.

Um 22:00 haben wir noch kurz Ikeda im Haus, weil mal wieder kein Wasser läuft. Melanie ist zu SangSu gegangen, um die Eimer zu füllen, denn zwei Stockwerke tiefer gibt es solche Probleme offenbar nicht, und Ikeda ist eben zufällig da, ich weiß nicht genau, warum. Jedenfalls steht er auf einmal in der Tür und weil er auch nicht viel machen kann, erklärt er mir die Haupthähne im Erdgeschoss. Wenn es nachts besonders kalt würde, solle ich den Haupthahn für mein Apartment einfach zudrehen. Dann könne der Wasserleitung nichts passieren. Aber was bedeutet das schon? Ich müsste regelmäßig den Wetterbericht ansehen und dann nach Gutdünken den Hahn zudrehen, weil ich ja nicht hellsehen kann, wann es kalt genug ist, um die Leitung zuzufrieren.

Wir gehen schließlich ins Bett. Und kaum ist das Licht aus, ruft Kollege Sven aus Trier (!) bei Ronald an und meldet den neuesten Klatsch aus der japanologischen Fakultät – 45 Minuten lang. Obwohl er sich eigentlich nur nach einer Büchersendung erkundigen wollte. War aber schön, noch einmal „live“ von ihm zu hören.


[1]   Die werden „Moai“, oder „Moai Maea“ genannt: „Steinerne Figuren“

23. Januar 2024

Freitag, 23.01.2004 – Strategischer Einkauf

Filed under: Filme,Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Heute gibt es neues Geld und ich wende 20.400 Yen davon dafür auf, mir einen Kanjitank mitsamt Schutztasche zu kaufen. Ricci hat den PW-9100 von SHARP empfohlen und Nora ein Modell von CASIO. Ich entscheide mich für den SHARP PW-9800. In erster Linie wegen des Angebotspreises von 20.000 Yen, das sind 6.000 Yen weniger als der aktuelle Neupreis des Gerätes. Ich rausche ins Daiei und finde dort nur noch das Ausstellungsmodell vor, der gesamte Restbestand ist bereits weg. Das würde ich Glück nennen. Vor allem bekomme ich das Ausstellungsstück für 1000 Yen weniger. Für 1400 Yen kommt noch eine Schutztasche dazu und die Sache ist perfekt.

Um für alle Nicht-Japanologen zu erläutern, was ein Kanjitank ist, erläutere ich kurz die Eigenschaften des Gerätes. Es handelt sich um ein elektronisches Wörterbuch von der Größe eines luxuriösen Taschenrechners, aufklappbar, wobei der obere Teil der Bildschirm ist, von dem man die gewünschten Informationen abliest. Aber welche Informationen hat der Tank zu bieten? Man könnte hierzu die 214 Seiten starke Anleitung zu Rate ziehen, aber das Gerät ist, ein wenig japanische Lesefähigkeit vorausgesetzt, weitgehend selbsterklärend.

Im Datenspeicher befinden sich 33 Lexika verschiedener Art, darunter

  • Japanisch-Englisch
  • Englisch-Japanisch
  • Englisch-Englisch (in Form des „Oxford Advanced Learner’s Dictionary“ mit Stand 2000, was das Gerät auch für die Anglistik ganz brauchbar macht)
  • ein Bungo Lexikon (falls man sich mit klassischem Japanisch beschäftigt)
  • ein Katakana Lexikon (für japanisierte Fremdwörter)
  • ein Kanjilexikon (falls man eine Lesung nachschlagen muss)
  • ein Kommunikationslexikon für Geschäftsleute (sowohl jap.-engl. als auch engl.-jap.)
  • ein Speziallexikon für Computerterminologie
  • ein Speziallexikon mit neueren Begriffen (wie z.B. „BSE“) mit Stand 2002, unterteilt nach Themen wie „Sport“, „Gesellschaft“, „Wissenschaft“ und „Kultur“
  • ein medizinisches Lexikon mit Erklärungen zu Symptomen, Krankheiten, Lebensmitteln
  • ein Anatomielexikon, in dem man den Aufbau des Körpers (mit Bildern!) nachvollziehen kann, inklusive der wichtigsten Organe, Blutgefässe, Nervenbahnen, Gehirnregionen usw.
  • ein Reiselexikon, das alle möglichen Situationen vom Flughafen bis zu Restaurants und Hotels einschließt, inklusive allerlei Fragen, Wünsche und Beschwerden
  • Speiselexika mit Erklärungen zu verschiedenen landeseigenen Gerichten in Englisch, Italienisch, Französisch, Spanisch, Deutsch, Koreanisch und Chinesisch

Ich habe das deutsche Lexikon in dieser Sparte einmal durchgesehen und fand Erläuterungen zum Aufbau einer Speisekarte, Begriffe wie „Menü“, „Vor-“, „Haupt-“ und „Nachspeise“ erklärt werden. Es gibt Glossare zum Thema Bier, Wein, Fleisch, Fisch, Gemüse, Desserts, und auch Beschwerdetermini, wie man z.B. eine kalte Suppe wieder zurück in die Küche schickt und dabei den Anforderungen der Höflichkeit gerecht bleibt.

Von einigen der als deutsch aufgeführten Gerichte habe ich allerdings noch nie gehört oder habe sie nie gegessen. Z.B. „Räucherlachs mit Meerrettich“, „Riesengarnele mit Kräutersoße und Butterreis“, „Birne Helene“ oder „Strammer Max“ (offenbar eine Art Käsetoast). Natürlich stehen da nur kurze Beschreibungen und keine ganzen Rezepte.

In dieser kleinen Maschine findet man so viele Sachen, dass ich wohl nie die Möglichkeit haben werde, alles davon ausschöpfen zu können. Und angetrieben wird das Ding von gewöhnlichen Batterien, also keine überteuerte Knopfzelle oder ähnlicher Unsinn. Dann also: Auf gute Zusammenarbeit.

Nach dem Unterricht von Ogasawara-sensei gehe ich in die Bibliothek, schreibe einen Bericht und kümmere mich um meine Post. Vor einigen Tagen habe ich eine Anfrage an die Gemeinde Gersheim geschrieben, ob man mir Tipps geben könne, wie ich möglich kostengünstig heizen kann. Die Anfrage wurde auf die Ämtern eigene, kuriose Weise beantwortet: Die Gemeinde Gersheim verwies mich gleich ganz nach oben an das Bundesumweltministerium. Ich schilderte auch denen meine Situation, von wegen Japan und Ölheizung und Größe der Fensterflächen. Als Antwort bekam ich eine Weiterleitung an eine sechste Person, die die Ausführungen zu meiner Situation überhaupt nicht gelesen zu haben schien: Der oder die Sachverständige (an der Sinnigkeit dieser Bezeichnung in diesem Kontext bestehen Zweifel meinerseits) forderte mich dazu auf, meine Räumlichkeiten und vor allem die Fenster auf Euronorm XYZ-Hastdunichtgesehen umzurüsten!

Na, vielen Dank für das Gespräch. Ich habe doch ganz klar in meine Ausführungen geschrieben, dass ich in Miete wohne (ergo: meine Wohnung also nicht ohne weiteres umbauen kann) und dass ich in Japan bin, wo die Leute noch nicht einmal wissen, wie man „Euronorm“ schreibt, nicht zuletzt wegen des Diphthongs. Also heize ich einfach weiter wie gehabt.

Und ich rechne die Sache ein bisschen durch, kalkuliere den durchschnittlichen Bedarf und den durchschnittlichen Kerosinpreis (etwa 27 Cent/Liter) und komme auf 150 E, mit denen ich den ganzen Winter über (einen Raum) heizen kann. Gut, nehmen wir an, dass der Winter noch kräftig zulangt und rechnen mit 200 E für den Winter. Als Laie gehe ich davon aus, dass ich demnach (mit einem Ofen, wie ich ihn hier habe) ein Wohnzimmer, ein Esszimmer und eine Küche für etwa 600 E heizen könnte. Dann frage ich mich natürlich, wo die vierstelligen Eurobeträge zuhause herkommen? Der Heizölpreis lag doch Ende 2003 in Deutschland bei nur (?) knapp über 30 Cent pro Liter? Jetzt weiß ich natürlich nicht, ob die tolle Grafik, aus der ich das entnommen habe, auch die Steuern mit einbezog.[1]

Misi erscheint in der Bibliothek und sieht reichlich verschwitzt aus – weil er immer noch, trotz der Straßenglätte, mit dem Fahrrad fährt. Das ginge schneller, sagt er, und das reicht ihm als Grund. Viel Glück weiterhin. Obwohl er mir eigentlich vernünftiger erscheint als SangSu.

Um acht Uhr komme ich nach Hause. Ich verarbeite etwas Restgemüse, indem ich es mit dem Reis verkoche. Schmeckt wirklich gut. Und wenn ich schon beim Experimentieren bin, versuche ich mich an Milchreis, indem ich einen Becher Reis in der fetten Morinaga-Milch koche. Das Endergebnis ist recht fest, der Boden knusprig braun. Man kann es essen, aber es nicht das, was ich haben wollte. Ich glaube, das wird mir Gelegenheit geben, die Einstellung „o-Kayuu“ am Reiskocher auszutesten = „Brei“. Ich hätte gleich drauf kommen sollen.

Das Produkt wird dadurch besser, zwar immer noch leicht braun am Boden, aber immerhin als Brei erkennbar. Ich muss noch am Geschmack arbeiten und sollte etwas mehr Milch verwenden, um den Reis weicher zu kriegen.

Wir sehen uns einen Spätfilm an, aus purer Neugier, eine US-italienische Koproduktion. „Attack the Mummy“ („Greif die Mumie an“ – hä?) heißt der Streifen laut Programmheft. Ich glaube, die meinen wohl eher „Attack of the Mummy“ („Angriff der Mumie“). Und der Film ist ebenso schlecht, wie es der Titel verspricht. Da ist eine Art Scheich in Ägypten, der, aufbauend auf einem jüngst entdeckten Grab, einen Freizeitpark (!) eröffnen will, in dem die Besucher Geld dafür zahlen sollen, aus einem Zug heraus (mit Hilfe irgendeiner technologischen Hexerei) reanimierte Mumien (!) und das Innere des unterirdischen Grabmals zu bewundern. Der mumifizierte und natürlich bandagierte Pharao persönlich (!) kommt bei Ankunft des Zuges aus seinem Sarkophag und erzählt den Gästen mit monotoner Stimme was über sich (!) und verschwindet anschließend wieder hinter seiner Klappe. Natürlich gibt es einen Fehler in dem Kontrollsystem und die Mumien drehen am Rad, vor allem der Pharao, der offenbar durch Mauern gehen kann und den Helden (und die Frau an dessen Seite) durch die Gänge scheucht, bis er endlich bezwungen werden kann. Wie das so üblich ist, stürzen die Höhlen natürlich in sich zusammen, nachdem der Pharao tot ist und die Helden knapp entkommen sind.

Überraschenderweise war der Film nicht synchronisiert, sondern nur untertitelt. Aber das war auch das einzig Gute daran. Man hörte einigen Stimmen an, dass Englisch nicht ihre Muttersprache ist, und ich sage deshalb „Stimmen“ und nicht „Schauspieler“, weil der Film klar hörbar nachvertont worden ist, obwohl die Mundbewegungen mit den gesprochenen Lauten völlig übereinstimmen, das heißt, es handelt sich nicht um eine übersetzte Synchronisation. Das Schönste aber war, dass es keine einzige Außenaufnahme gab, sondern alles in einem Studio gedreht worden, und in einem billigen dazu. („Unser Studio hat einiges an Geschichte zu bieten… 1975 stand Steven Spielberg da draußen auf dem Parkplatz und sagte, er würde sich lieber lebendig häuten lassen, als hier zu arbeiten.“)[2] Alle Großaufnahmen von den Gewölben sind im Sandkasten gemacht worden, mit einer Modelleisenbahn, und die Aussicht aus den Fenstern der Eisenbahn ist jenseits jeder Proportionalität – die Leute, die draußen rumlaufen, sehen etwa 50 % größer aus als die im Zug. Die Spezialeffekte scheinen vom heimischen PC zu stammen. Um 03:00 ist der Film zu Ende. Und was haben wir darüber gelacht…


[1] In der Tat lagen meine Heizkosten am Ende des Winters weit unter 150 Euro. Und die vierstelligen Beträge zuhause rühren von der Tatsache, dass mein Elternhaus keinerlei Isolierung aufwies.

[2] Frei nach einer „Simpsons“ Episode, deren Titel mir entfallen ist (mit Homer als Manager einer Countrysängerin)

3. Januar 2024

Samstag, 03.01.2004 – Punkte sammeln

Filed under: Filme,Japan,Manga/Anime,My Life — 42317 @ 9:22

Nach dem Aufstehen arbeiten wir unseren Wäscheberg weiter ab und machen uns gegen 15:00 auf den Weg nach Osten – zum Book Off und ins Kaufhaus „Sakurano“. Das heißt, wir schaffen es noch bis zum Book Off – das Sakurano verschwindet unauffällig hinter der Suchaktion nach Schnäppchen in dem Second Hand Laden. Im Book Off läuft heute außerdem eine Aktion wegen Neujahr, „Hatsu-uri“, „Erster Verkauf (des Jahres)“, nennt sich das und wird in so ziemlich allen bedeutenden Kaufhäusern und Läden durchgeführt. Hätte ich das gewusst, wäre ich nicht von einem Schrein zum anderen getingelt, sondern hätte mich nach Sonderangeboten umgesehen. Die Schreine laufen mir nicht weg, die Neujahrsangebote schon. Aber was soll’s? Ich kümmere mich um das Hier und Jetzt. Die Verkaufsaktion im Laden wird lautlich untermalt von… markiger Marschmusik!? Immer wieder das gleiche Stück, stundenlang. Ich mag Marschmusik, und ich finde auch das laufende Stück gar nicht schlecht, aber diese Tretmühle ist wirklich anstrengend… ich tue also mein Bestes, nicht weiter hinzuhören.

Ich gehe zuerst die Regale mit den DVDs durch und ich bin geschockt. Es zeigt sich, dass es billiger ist, die Anime DVDs in Deutschland im Laden zu kaufen oder in den USA zu bestellen, als sie im Ursprungsland gebraucht zu kaufen! Nee, ohne mich. So nötig habe ich es dann doch nicht. Aber mehrere Soundtracks finden meinen Gefallen und ich verlasse 7040 Yen ärmer und neun CDs reicher den Laden. Und weil heute ja noch Sonderverkaufstag ist, bekomme ich pro 1000 Yen ein Los gutgeschrieben, mit dem man verschiedene Sachen gewinnen kann… u.a. ein Mountainbike, ein Urlaub in einem Ryôkan mit Onsen (= eine japanische Pension mit heißen Quellen zum Baden), eine Digitalkamera oder eine Soundanlage von SONY. Ich trage also meine Daten ein, mache meine Kreuzchen an den gewünschten Preisen und werfe das Los in die Trommel. Die Losaktion findet landesweit in allen Book Off Läden statt, also mache ich mir nicht die geringsten Hoffnungen auf einen Preis. Was wir auf jeden Fall bekommen, sind je eine echt stabile Stofftüte mit „Book Off“ Aufdruck und zwei Tüten Kartoffelchips.

Das Rabattsystem lädt immer wieder zum Einkaufen ein. Fünf Prozent des Warenwertes werden als Bonuspunkte gutgeschrieben und jeder Punkt gibt einen Abzug von 1 Yen auf den nächsten Einkauf, wenn man den Bonusgutschein vorlegt. Meiner Meinung nach ist dieses System verlockender, als wenn man die 5 % einfach vom Kaufpreis subtrahiert. Man erhält den Rabatt nämlich nur, wenn man noch einmal hingeht und was kauft.

Draußen ist es bereits dunkel. Wir vergessen deshalb die Idee mit dem Sakurano wieder und fahren nach Hause.

Zum Schluss noch ein Wort an alle, die auch in Japan den Genuss von Milch nicht vermissen wollen: Vom Kauf der Marke „Teishibô Gyûnyû“ möchte ich dringend abraten. Der Geschmack mag relativ normal erscheinen, aber die Milch riecht wie ein Betriebsunfall bei BASF. Ich rate dazu, möglichst fette Milch zu trinken. Melanie und ich sind hängen geblieben bei Milch der Firma „Morinaga“, die u.a. ganz leicht an dem Aufdruck „4.0 %“ zu erkennen ist. Ja, diese Milch hat tatsächlich vier Prozent Fettgehalt. Und sie schmeckt ganz hervorragend, vergleichbar mit der „Bärenmarke“ Milch in Deutschland. Der Geruch ist immer noch nicht ganz das Wahre, aber deutlich besser als bei dem „Billigprodukt“.

Und vielleicht sollte ich bei dieser Gelegenheit den Begriff „Billigprodukt“ in Bezug auf Milch näher definieren. Die billige Milch, die ich keinem empfehlen möchte, kostet 148 Yen pro Liter. Das sind derzeit etwa 1,10 E. Die Morinaga Milch kostet pro Liter gleich 198 Yen, also ca. 1,50 E. Das würde ich teuer nennen, bedenkt man, was Milch in Europa so kostet. Ich kann auf Milch voll und ganz verzichten, bis auf die ein oder zwei Liter, die ich pro Jahr so trinke. Aber Melanie ist eine leidenschaftliche Kakaotrinkerin, die es sich, angestachelt durch die Tatsache, dass man hier „Nesquik“ kaufen kann, nicht entgehen lässt, immer einen Liter im Kühlschrank stehen zu haben. Allerdings muss ich auch dazu sagen, dass die Milch bereits einige Tage vor Erreichen des Haltbarkeitsdatums reduziert wird. Es ist also keine Seltenheit, die Morinaga schon für 148 bis 168 Yen zu bekommen.

31. Dezember 2023

Sonntag, 28.12.2003 – Der letzte Tag

Filed under: Filme,Japan,My Life — 42317 @ 15:25

Heute verbringen wir unseren letzten Tag in der japanischen Hauptstadt. Wir stehen um 11:00 auf und packen zuerst die Koffer. Wir wollen sie am Busbahnhof Hamamatsu-cho in ein Schließfach sperren, um für den Tag „freie Hand“ zu haben, im wahrsten Sinne des Wortes. Da ich die ganze Woche über nicht dazu gekommen bin, will ich den strahlend schönen Mittag ausnutzen, um endlich das „Emily“ Flugboot gegenüber vom Wohnheim aus naher Entfernung zu fotografieren. Ich gehe also zu dem Gelände hinüber. Aber heute steht da ein Wachmann, der mich abweist: „Heute ist Ruhetag.“ Die Außenanlagen seien doch frei zugänglich, und ich wolle ja nur drei oder vier Bilder von dem Flugboot machen, nicht mehr. Nein, heute geht das nicht. Aber heute sei mein letzter Tag in Tokyo und ich wisse nicht, wann ich die nächste Gelegenheit hätte. Nein, da könne ja jeder kommen. Du &$%*@?#&#%$! www.gotohell.com/ und kauf dir ne Mütze…
Bleibt also zu hoffen, dass ich im Sommer tatsächlich noch einmal herkommen kann. Obwohl ich nicht darauf wetten würde… ich will auch noch was anderes vom Land sehen.

Wir fahren zum Bahnhof, um unsere Koffer abzustellen, und von dort aus nach Harajuku. Der „Sage“ nach ist Harajuku der Versammlungsort für Cosplayer schlechthin, und warum sollte ich nicht einen Blick darauf werfen, wenn ich schon hinfahre? „Cosplayer“ sind Leute, die sich ein Kostüm selber basteln, das sie in einem Manga oder Anime gesehen haben. Und weil immer die Vielfalt der dargestellten Kostüme hervorgehoben worden war, hatte sich in meinem Kopf das Bild einer Straße von mindestens 200 Metern Länge, wenn nicht mehr, geformt, in der diese meist jungen Leute sich aufhalten würden. Stattdessen präsentiert uns Ronald eine eher unscheinbare, steinerne Bogenbrücke von allerhöchstens 40 Metern Länge, auf der ich knapp zehn junge Menschen beiderlei Geschlechts in Kostümen sehe. Das da ist alles? Das ist, wovon alle reden? Diese kleine Brücke?? Und deswegen macht die halbe Welt der mir mehr oder minder persönlich bekannten Tokyobesucher so einen Aufriss?
Okay, halt, Einschränkung: Es ist immerhin Winter. Und da die Jungs und Mädchen keine Hirosaki-Winter gewohnt sind (Tokyo ist nicht mehr weit von der subtropischen Zone), muss ich annehmen, dass denen zu kühl ist, um sich in ein Kostüm zu werfen, das nicht darauf ausgelegt ist, wintertauglich zu sein. Aber dennoch finde ich es ein wenig lächerlich dafür, dass so viel Wind um diesen Ort gemacht wird. Auch in den westlichen Medien, in denen schon von einer „Meile“ gesprochen worden ist, wo die Jugendlichen den angeblichen Alltagsuniformismus mal ausklammern könnten und würden. Vielleicht tun sie das ja, aber wenn da mehr als fünfzig gleichzeitig auftauchen, wird’s eng.

Aber: Was soll’s? Die Cosplayer zu sehen war ja nur als Nebenattraktion geplant. Denn hinter der besagten Brücke befindet sich gleich der Eingang zum Meiji-Schrein. Einer der bedeutendsten Kulturschätze Japans. Hinter dem Tor muss man erst einmal einer Straße folgen, und man hat den Eindruck, man geht durch einen Wald. Ein grüner Fleck im Asphaltdschungel. Die Stadt ist völlig ausgeschaltet. Sieht man von einigen Stellen ab, wo man ein Hochhaus durch das Blattwerk erspähen kann oder von sporadischen Lautsprecherdurchsagen, die aus den Bäumen herausschallen. Ich schätze, dass die Straße etwas mehr als einen Kilometer lang ist, bis man an den Schrein gelangt, und ich muss sagen: Die hölzerne Tempelanlage ist recht beeindruckend. Tore und Gänge und Höfe. Und natürlich Verkaufsstände, wo man Talismane kaufen kann. Vor dem Heiligtum die obligatorischen Holzkisten, in die man Spendengelder werfen soll. Ich habe noch nie im Leben eine so große Sammlung von 1 Yen und 5 Yen Münzen gesehen. Ich erinnere daran, dass 1 Yen etwa 0,75 europäische Cent sind.

Mit dem Verkauf von Glücksbringern wird wahrscheinlich mehr Geld gemacht, und die haben auffällige Preise – aber immerhin handelt es sich hier um den Meiji-Schrein. Fast so gut wie Ise. Der Schrein von Ise ist, nach meinem aktuellen Verständnis, das Äquivalent zum Petersdom in Rom, was seine Bedeutung für die japanische Shinto-Religion betrifft. Und es gibt hier Glücksbringer für alles notwendige, also für Gesundheit, für Reisen… und für Schulprüfungen??? Ja, ich habe davon gehört, aber so richtig glauben kann ich das erst jetzt. Haben denn christliche Schüler einen besonderen Schutzpatron, der sie durch Prüfungen bringen soll? Melanie kauft einige Exemplare als Geschenke für Freunde und Familienmitglieder, und auch etwas für den „Eigengebrauch“. Da ich an solche Dinge nicht glaube, habe ich auch meine Bedenken, wenn es darum geht, so was zu verschenken. Für mich ist es nur ein hübsches Stück Stoff, in das ein Schriftzug eingearbeitet wurde.

Wir verlassen den Schrein wieder. Und begeben uns in eine vollgestopfte Ladenstraße. Positiv ausgedrückt: Eine belebte Ladenstraße. Und ihr Angebot richtet sich in erster Linie an junge Leute. Na ja, dies ist schließlich Harajuku. Oha, da: Ein 100 Yen Laden. Während die anderen drei ein Geschäft umkrempeln, in dem man Fotos von irgendwelchen Stars kaufen kann (darunter auch „Oliber Kahn“, weil den Japanern die Unterscheidung von stimmhaftem „v“ und „b“ schwerfällt), gehe ich mir zwei Tüten Krabbenchips besorgen, weil ich noch nichts gegessen habe. Der Fotoladen langweilt mich zu Tode. Die ganze Straße ist voll von Krempel, eher weniger als mehr nötig, und bietet hauptsächlich „hippe“ Kleidung. Ah ja, hip: Ein punkiges Outfit mit „No Future“ Krawatte und Hakenkreuzbinde. Schick…

Einige Zeit später landen wir im „Book Off“ von Harajuku. In Hirosaki gibt es ebenfalls eine Filiale der „Book Off“ Kette, aber ich bin noch nie dort gewesen. Wie der Name vermuten lässt, kann man dort gebrauchte Bücher kaufen. Aber nicht nur das; es gibt auch CDs mit Musik, DVDs und Videokassetten mit Filmen und Serien, und Spiele für jede denkbare Konsole. Nur PC (oder auch MAC) Spiele fallen mir keine auf. Und „gebraucht“ bedeutet, dass sich das Material in einem einwandfreien Zustand befindet. Die Preise sind angenehm. Eine normale CD kostet beispielsweise 950 Yen, also etwa 7 Euro. Man sollte halt nicht damit rechnen, toppaktuelle Titel zu finden. Aber fragen kann man auf jeden Fall… manchmal hat man Glück. DVDs kosten hier zwar weniger als im Neuwarenhandel, aber die Preise sind immer noch recht gesalzen und höher als deutsche Neupreise. Und… natürlich gibt es auch eine Ecke mit erotischem Material. Ich möchte nur insoweit auf diese eingehen, als mir das folgende „Phänomen“ (zum wiederholten Male) deutlich aufgefallen ist:
Auf dem Cover der DVD (oder der Videokassette) befindet sich ein Mädchen (was auch sonst), im Alter von vielleicht 12 Jahren. Ja, wirklich. Die dargestellte Person ist tatsächlich ein Kind und kein Schaf im Lammfell. Die Darstellung weckt bedenkliche Assoziationen, obwohl das Cover, objektiv und ohne irgendwelches Hintergrundwissen betrachtet, völlig harmlos aussieht. Mit Hintergrundwissen wirkt die Darstellung bedenklich. Aber auch auf der Rückseite ist ebenfalls nichts… Explizites zu sehen. Was bitte ist das? Ich habe bereits von solchen Videos gehört… bei dieser Art von Filmen, die ganz eindeutig für Pädophile gemacht sind (was ja eigentlich nur aussagt, dass der Betreffende Kinder mag, Konnotation hin oder her), werden die Kinder nicht angefasst. Und sie ziehen auch nichts aus. Außer vielleicht Jacken und Schuhe, falls sie ein entsprechendes Gebäude betreten. Hier wird in der Tat überhaupt nichts gemacht, außer die Mädchen bei ihrem täglichen Leben zu zeigen. Und bevor es wegen dieser Aussage Kritik hagelt und man mir Verharmlosung vorwirft: Ich bin mir sehr wohl dessen bewusst, dass es eine Menge Material gibt, das hart an der Grenze und auch jenseits davon liegt. Ich war in Akihabara. Aber bei dem, was ich hier in der Hand halte, handelt es sich meines Erachtens um nichts wirklich Verwerfliches. Der Verkauf von Kunstdünger, Zucker und Metallrohren ist ja auch nicht fragwürdig, nur weil man Bomben daraus basteln kann. Der Käufer macht aus einem Produkt eben das, was ihm am besten gefällt. Aber auch im Falle dieser „harmlosen“ Videos stellt sich die Frage, ob solche Aufnahmen ein wie auch immer geartetes Verlangen anstauen, oder ob sie eine Ventilfunktion haben. Auch über Hentai-Anime wurde schon (im Westen, Quelle unbekannt) die Vermutung angestellt, dass Frauen in Japan auch nach Anbruch der Dunkelheit auf der Straße relativ sicher seien, weil es Anime gibt, in denen den weiblichen Charakteren… äh… allerlei… „Unbill“ widerfährt… und nicht, obwohl es äußerst abartige Filme gibt.[1]

Aber genug davon. Ich wende mich den Musik CDs zu. Ich nehme einen Schemel, der den Angestellten eigentlich beim Einräumen in die oberen Regale dienlich ist, setze mich darauf und forste das gesamte Regal mit Anime-Musik durch, und noch das eine oder andere mehr. Ich gehe schließlich nach Hause mit den „Animetal Marathon“ CDs #1 und #4, dem „Hamtarô“ Soundtrack (ja, so einer bin ich), zwei CDs von „Fushigi no Umi no Nadia“ (was bei uns als „Die Macht des Zaubersteins“ = „Secret of Blue Water“ lief) und den OST von „Blues Brothers 2000“. Und weil ich schon immer ein solches Spiel haben wollte, kaufe ich für 350 Yen „Tokimeki Memorial Private Collection“ von 1996 für die Playstation (und hoffe, dass es sich um ein Dating Game handelt und nicht um einen sinnlosen Ableger der „Tokimeki“ Serie, wo man Kreuzworträtsel oder Geschicklichkeitsspielchen mit den Charakteren im Hintergrund bewältigen muss). Die Anleitung, die ich später erst in Augenschein nehmen kann, verheißt jedoch nichts Gutes[2], aber vielleicht kann man es ja wieder verkaufen. Mehr als 3 E werden bei E-Bay wohl drin sein. Um festzustellen, was ich denn nun eigentlich gekauft habe, muss ich in Hirosaki jemanden finden, der mir seine Playstation mal für einen Tag ausleiht. Leider kenne ich noch nicht einmal jemanden, der ein solches Ding besitzt. Melanie kauft eine Tüte voll mit Manga von CLAMP.

Wir gehen noch was essen, in einem recht günstigen Lokal mit dem Namen „Jonathan“, wenn ich mich recht erinnere. Teurer als „Saizeriya“, aber akzeptabel, und das Essen ist nicht schlecht. Nur von den Würstchen rate ich ab, die sind nicht berauschend.

Was mir an dieser Stelle viel mehr auffällt, sind die beiden Menschen am Tisch gegenüber. Und ich meine jetzt nicht die zwei Mädchen eine Ecke weiter, über die sich Ronald so ereifert, weil sie sich seiner Meinung nach völlig daneben benehmen. Ja, sie hängen in den Stühlen, anstatt darauf zu sitzen und sie bewerfen sich mit Papierkügelchen. Mindestens einmal. Aber sie scheinen die übrigen Gäste wirklich nicht zu stören. Ich persönlich finde sie weder herausragend laut, noch trifft mich irgendein Geschoss von dort. Die beiden sitzen auch links hinter mir, also betreffen sie mich wirklich nicht.

Nein, ich meine die beiden gegenüber links vor mir. Es handelt sich möglicherweise um Mutter und Tochter; letztere ist wohl 12 bis 14 Jahre alt und sieht meiner Meinung nach nur entfernt japanisch aus (abgesehen von der schwarzen Haarfarbe), aber der Punkt dabei ist, dass ich mir absolut sicher bin, die beiden in einer bestimmten Fernsehshow schon mal als Gäste gesehen zu haben, wo sie als „Mutter-Tochter“ Gespann aufgetreten sind. Hintergrund dieser Show ist der folgende: Mitarbeiter des Senders oder auch bekannte Showstars gehen mit einem Kamerateam auf die Straße und suchen nach Müttern mit Töchtern, wobei die Mutter überraschend jung aussehen sollte, die sie dann fragen, ob sie auftreten möchten und wie alt sie sind. Im Idealfall sollte die Mutter 20 Jahre jünger aussehen, als sie tatsächlich ist. Um die Spannung zu erhöhen, wird das Gesicht der Person im Clip der Vorschau elektronisch unkenntlich gemacht und wird erst in der Fernsehsendung selbst preisgegeben.
Und ich bin mir eben sicher, dass die beiden da in einer solchen Show angetreten sind und getanzt haben. Das Gesicht der Mutter sehe ich zwar nicht richtig, weil sie halb mit dem Rücken und halb mit ihrer linken Seite zu mir sitzt, aber das Gesicht der Tochter fand ich beim Ansehen der Show sehr markant. Ich bin mir absolut sicher, es schon einmal gesehen zu haben. So frech, einfach mal zu fragen, will ich dann aber doch nicht sein. Sogar ich habe Grenzen. Auch wenn das so mancher nicht glauben mag. Stattdessen amüsiere ich mich darüber, dass die beiden von dem bisschen, was sie bestellen, nur die Hälfte essen und den Rest offenbar dem Mülleimer überlassen. Warum geht Ihr essen, wenn Ihr keinen Hunger habt?

Wir müssen letztendlich zum Bus. Wir verabschieden uns und fahren um 22:20 los – mit SangSu, der sein Reiseziel offenbar gefunden hat. Aber warum er hier einsteigt, anstatt dort, wo er ursprünglich hätte aussteigen sollen… ah ja, die Reise hat hier ihren Startpunkt. Also drei Endpunkte in Tokyo, aber nur einen Startpunkt.

Auf den Bus und die Reise gehe ich morgen ein.


[1]   Wie ich bereits früher angedeutet habe, wird die Bedeutung von Anime in Japan von westlichen Medien maßlos übertrieben, und zum Thema Sicherheit der japanischen Straßen möchte ich hinzufügen, dass die Dunkelziffer wegen des gesteigerten japanischen Schamgefühls als hoch einzuschätzen ist: Misshandelte Frauen haben einen gesteigerten Hang dazu, die Tat zu verschweigen.

[2]  Es handelte sich in der Tat um ein Quizspiel mit Thema „Tokimeki“, und niemand wollte es kaufen.

15. Dezember 2023

Montag, 15.12.2003 – Kein Ende in Sicht?

Filed under: Filme,Japan,My Life,Uncategorized,Uni — 42317 @ 7:00

Am Morgen passiert mir das Missgeschick, dass ich während des Unterrichts angerufen werde. Ich habe vergessen, das Telefon abzuschalten und Yui hat den Tag verpeilt. Sie dachte, ich hätte erst später Unterricht. Sie möchte mich treffen, damit ich ihren „Arbeitsnachweis“ unterschreiben kann. Dieser Unfall ist mir natürlich peinlich und bringt mich derart aus dem Konzept, dass ich dem Unterricht nur noch schwer folgen kann. Aber es wäre mir noch peinlicher gewesen, wenn nicht Yamazaki-sensei selbst hin und wieder C-Mails auch während der Unterrichtszeit bekommen würde.

Misi meint zu mir, wir sollten es am Freitag noch einmal mit dem Tabehôdai versuchen. Ich habe nichts dagegen, aber ich werde nichts selbst organisieren, bevor ich nicht die entsprechende Liste mit Mailadressen zusammen habe. Des weiteren muss ich meine Kamera mal wieder leer machen, und mein Porträt muss ich auch noch einscannen, damit ich es zum gegebenen Zeitpunkt als „Bild des Tages“ versenden kann. Aber die Rechner im Center sind dauerbelegt, also verziehe ich mich in die Bibliothek.

Am Abend sehe ich mir die letzte Folge der aktuellen Staffel von „Ogami“ an. Der präsentierte Schluss ist so offen wie mein Mund während des Abspanns. Ogami trifft auf seinen Erzfeind, mäht eine Hundertschaft von dessen Leuten mit dem Schwert nieder, wird schließlich schwer verwundet und sticht seinem Gegner das Katana einige Zentimeter tief ins linke Auge. Der Böse wird daraufhin von seiner treusten Gefolgsfrau (hübsch, aber irre) gerettet und vom Schlachtfeld entfernt. Ogami bricht zusammen und sein kleiner Sohn pflegt seine Wunden am Fluss. Kurz darauf ist er wieder unterwegs, mit seinem Sohn und seiner Schiebekarre. Das ist kein Ende.

Danach läuft ein Special von Tai Ginseng, ein zweistündiger Film, plus etwa eine Stunde Werbepausen. Der Film ist deutlich besser aufgebaut als die Serie, und es treten Charaktere aus alten Staffeln auf (gealtert!). Natürlich fehlt mir da der Wiedererkennungseffekt. Lustig ist vor allem die Einblendung alter Szenenschnipsel, denen man ansieht, dass sie aus dem Archiv stammen, und dass sie gefärbt wurden – die Serie war ja bis 1993 schwarzweiß. Wenn sich der alte Herr an die Person erinnert, die ihm gerade wieder über den Weg gelaufen ist, wird eine solche alte Szene eingespielt.

Aber generell ist auch der Film eine unfreiwillige Lachnummer, weil einfach zu viel von der Handlung an den Haaren herbeigezogen wird. Mindestens zweimal z.B. taucht der Herkules in ausweglosen Situationen aus dem Nichts auf und rettet alle: Da werden zum Beispiel der Alte und seine Begleiter über einen Fluss getragen. Im Wasser lauern Attentäter. Plötzlich sieht man den Herkules tauchen und er entfernt das Problem. Woher er auch immer wusste, dass da zwei Shinobi im Wasser planschen. Oder: Der Alte und seine Begleiter werden über den nächsten Fluss gerudert. Der Fährmann setzt sich plötzlich mitsamt den Rudern ab und die Gruppe in dem Boot gleitet auf einen großen Strudel zu. Plötzlich ist der Herkules da mit einem zweiten Boot und wirft einen Enterhaken herüber, mit dessen Seil er die anderen aus der Gefahrenzone zieht. Ich habe einmal gehört, dass auch Captain Harlock hin und wieder solche Aktionen in Serien von Reiji Matsumoto bringe, in denen er ursprünglich gar nichts zu suchen hat.

Das hat natürlich wieder Zeit gekostet, und die Arbeit muss nachher erledigt werden. Um 01:10 kann ich den Tag endlich beenden.

27. Oktober 2023

Montag, 27.10.2003 – Dröhnung durch kaputte Ölheizung

Filed under: Filme,Japan,My Life — 42317 @ 16:48

Ein kurzer Tag, gemessen an den Geschehnissen. Montag. Um 12:40 beginnt der Unterricht. Wir lernen was über japanische Satzzeichen und die Regeln, die dazugehören. In erster Linie geht es darum, unter welchen Umständen man ein Satzzeichen in die nächste Zeile schreibt oder es in das letzte Kästchen einer Zeile quetscht.

Zur Erläuterung sei gesagt, dass japanisches Schreibpapier sich nicht wie deutsches einfach in Linien unterteilen lässt. Auf einer japanischen Papierseite sind 20 mal 20 leere Schreibkästchen aufgedruckt, die ein bisschen länger als breit sind und somit das Äquivalent einer DIN A4 Seite füllen.

In jede Zeile passen also 20 Zeichen, und Satzzeichen sind auch welche, und wir behandeln heute, wie man mit diesen umgeht, weil es ja sein könnte, dass man nach dem letzten Schriftzeichen in einer Zeile noch ein Komma setzen will, und die japanische Schreibästhetik hat da halt gewisse Vorschriften, auf die ich jetzt aber nicht genau eingehen will.

Im Anschluss schreibe ich meine Post. Immer noch 10 Tage hinterher. Ich muss mehr schreiben.

Dann ist auch schon später Nachmittag und ich habe Hunger. Weil Montag ist, ist unser Ramenlokal aber geschlossen. Gegenüber davon befindet sich aber ein weiterer kleiner Laden, in dem man essen kann. Wenn wir sowieso vorbeigehen, können wir auch mal da essen, zumal der Laden auch heute geöffnet hat. „Eigyôchû“ steht an der Tür, das heißt „in Betrieb“, ergo “geöffnet“. Ich setze einen Fuß in den Laden, begrüße den Besitzer und die Frau hinter der Theke und weiß sofort, warum der Laden auch montags aufhat. Offenbar finanzielle Notwendigkeit. Der Innenraum riecht gar furchtbar nach Kerosin/Heizöl. Hmmm… offen ersichtliche Staubfäden an den Ecken der Holzleisten an der Theke ergänzen noch das ungemütliche Bild des Raumes, der durch seinen deutlichen Geruch schon genug abschreckt. Durch die Öldämpfe fühlt sich mein Kopf schon an, als würde er in Salatöl schwimmen.1

Na ja, aber man kann ja das Essen mal probieren. Die Speisekarte ist zu japanisch, als dass ich sie lesen könnte, also bitte ich den Besitzer, einen beleibten Mann um die 70, ebenso alt wie seine Frau würde ich sagen, mir die Karte vorzulesen. Es sind auch nur ein Dutzend Gerichte. Sagt mir aber alles nichts. Also bestelle ich das, was auf der Karte ganz oben steht. Aber ich habe den Namen nach wenigen Minuten wieder vergessen. Ich nenne der Frau hinter dem Tresen meine Bestellung, aber sie sieht mich an, als würde ich einen innermongolischen Dialekt sprechen. Ich sehe leicht verwirrt zu dem Herrn neben mir hinüber, der dann exakt das wiederholt, was ich gesagt habe, und zwar nicht lauter, als ich. Jetzt kommt Bewegung in die Frau.

Mein Essen besteht aus frittiertem und in Scheiben geschnittenem Hühnerschnitzel, dazu eine Tasse Misosuppe, eine Schüssel Reis und zwei Spiegeleier auf rohem Kraut. Ein ganz und gar durchschnittliches Essen eigentlich, aber mit dem rohen Kraut kann ich mich nicht anfreunden, zumal es keinerlei Soße zum Anfeuchten dazu gibt. Abgesehen von Fleisch also reines Hasenfutter von mittelmäßigem Geschmack und man kaut darauf herum wie auf Gras. Ich stopfe mir das Essen in den Rachen, weil ich Hunger habe (der treibt’s rein) – und damit das Essen verschwindet.

Die beiden alten Herrschaften wirken auch leider wenig einladend. Sie versteht mich nicht oder kann sich nicht vorstellen, dass ich gerade eben japanisch mit ihr geredet habe. Er versteht mich offenbar besser, aber – bei allem Respekt – seine Ausstrahlung ist mir unsympathisch. Natürlich kann er dafür nichts, weil das meine subjektive Wahrnehmung ist. Aber er wirkt auf mich wie einer von diesen verbitterten, beinahe grimmigen alten Leuten, denen ihre Lebenserfahrung zu schwer auf der Seele liegt. Nein. Noch einmal esse ich hier nicht.

Um 19:00 bin ich wieder zuhause und sehe mir „Ko-zure Ogami“ an. Leider überschneidet sich die Serie mit „InuYasha“ und „Meitantei Conan“, aber die Wahl fällt mir nicht sehr schwer. Lieber den Rônin Ogami. Auch hier “spannende” Kämpfe – Ogami hackt und schneidet sich seinen Weg durch Dutzende von Gegnern, weil diese zu dämlich sind, mit mehr als zwei Leuten gleichzeitig anzugreifen oder um ihren Reichweitenvorteil als Speerträger auszunutzen. Aber irgendwo ist Ogami auch ein cooler Charakter. Den wahren Werten eines Samurai zutiefst verbunden, fest wie ein Fels in der Brandung, zieht er mit seinem kleinen Sohn durch die Gegend und bekämpft das Unrecht. Und will wohl auch den Tod seiner Frau rächen, wenn ich das recht verstehe.

Danach kommt eine Serie mit dem schönen Titel „Lion Sensei“. So weit ich das verstehe, geht es in der Serie um einen verwitweten Oberschullehrer um die 502, der aus wohl eitlen (und humoristischen) Gründen eine ziemlich schlechte Perücke trägt. Humoristisch deshalb, weil diese Episode gleich mal damit anfängt, dass ihm seine Perücke vom Kopf in die Toilette fällt (und ich erinnere daran, dass altmodische japanische Toiletten aus einem länglichen Keramikloch im Boden bestehen, über dem man im Knien sein Geschäft verrichtet). Aber er will natürlich nicht zugeben, dass er eine Glatze hat und das Ding in einer Tüte nach Hause tragen, nein, er setzt sich das nasse Ding auf den Kopf und flüchtet so nach Hause.

Zwischenmenschliche Beziehungen an einer Oberschule und die Probleme, die ein allein erziehender Vater einer Tochter um die 18 Jahre so haben kann, bilden den Stoff für die einzelnen Kapitel. Das ist zumindest nicht uninteressant und ich werde mir noch weitere Episoden ansehen.

Des Weiteren läuft eine Serie, deren Titel ich nicht entziffern kann. Die Serie spielt in der Edo-Zeit Japans, und den Hauptdarsteller assoziiere ich am ehesten mit „Tai Ginseng“ – das heißt, mit einer sehr alten TV-Werbung für dieses Zeug, die vor etwa 20 Jahren im deutschen Fernsehen zu sehen war. Ein etwas zu jung aussehender, weil auf alt geschminkter, Darsteller. Es geht darum, dass eben jener Herr inkognito mit seinen Leibwächtern (?) das Land durchstreift und die unsauberen Machenschaften kleiner Lokalfürsten aufdeckt, die das Volk ausnehmen und auf ungerechte Art und Weise unterdrücken. Ich sage “ungerecht“, weil sich in Japan die Begriffe „unterdrücken“, „regieren“ und „Frieden haben“ mitunter mit demselben Kanji schreiben…

Nun ja, abgesehen davon, dass hier wieder die für Realserien typische atemberaubende Choreografie und oskar-reife schauspielerische Künste an den Tag gelegt werden, besteht der Höhepunkt einer jeden Sendung darin, dass am Ende die Bösen konfrontiert werden, es wird gekämpft, und wenn der Kampf so richtig läuft, dann lässt Tai Ginseng sein Mon (Wappen) von einem seiner Begleiter zeigen: “Ruhe! Ruhe! Seht her, wen Ihr vor Euch habt!“ und alle fallen auf die Knie und bitten um Gnade, weil er wohl ein hohes Tier der feudalen Regierungshierarchie ist. Eigentlich könnte er sein Wappen auch vor dem Kampf zeigen, weil zu diesem Zeitpunkt die Schuld der Bösen grundsätzlich bereits bewiesen ist – aber nein, wir wollen uns zuerst ein wenig prügeln. Die Serie lohnt sich in erster Linie wegen des unfreiwilligen Humors, der ihr innewohnt.

Diese Truppe von Protagonisten ist auch lustig zusammengewürfelt: Die höfliche Dame im Kimono entpuppt sich als erfahrene Kampfamazone im Lederdress, der japanische Herkules macht alle waffenlos fertig, der braucht keine Schwerter, Stäbe oder Stöcke, das kleine Mädchen, das wohl zu Herkules gehört, ist ein sieben Jahre alter Ninja in Ausbildung, und dann ist da noch „der treue Heinrich“ in zweifacher Ausfertigung, dem die Aufgabe zufällt, am Ende das Wappen in die Luft zu halten und “Shizumareee! Shizumareee!” zu rufen, damit alle Bösen auch wissen, dass sie so richtig in der Jauchegrube sitzen. Heinrich & Heinrich, Herkules, Xena, Ninjagirl und Tai Ginseng unterwegs. Erinnert auch ein wenig an das „A-Team“, das den Schwachen und Machtlosen vom Untergrund in Los Angeles aus zur Seite steht, nur ohne das obligatorische „McGyver-Basteln“ und nicht von der Regierung verfolgt. Sehr pathetisch. Aber lustig. Ich muss noch herausfinden, wie die Serie heißt.3

1 Ich füge hinzu, dass die Inneneinrichtung etwas heruntergekommen schien, ohne dabei gemütlich zu wirken, wie das im Bunpuku der Fall war, dazu noch bezeichnenderweise kein einziger übriger Gast.

2 Gespielt von Takenaka Naoto

3 Die Serie heißt „Mito Kômon“ und der Protagonist ist Tokugawa Mitsukuni (1628-1701), Lehnsherr der Provinz Mito und Vetter des Shôgun Tokugawa Iemitsu. In der späten Edozeit wurden Legenden um seine angeblichen Wohltaten als verkleideter Reisender erstmals niedergeschrieben.

22. Oktober 2011

Noch mehr geklaut!

Filed under: Bücher,Filme — 42317 @ 15:24

Der Artikel “Alles gelaut. ALLES.” hat ein Update erhalten.

13. August 2011

Otaku no Video

Filed under: Filme,Japan,Manga/Anime — 42317 @ 21:33

Es handelt sich hierbei um einen zweiteiligen Anime, der stellenweise durch Interviews unterbrochen wird, in dem es um so genannte Otakus geht. Ich will den Begriff nicht groß definieren, denn es ist schwierig, mit einer wechselvollen Geschichte, und könnte ein ganzes Buch füllen. Stattdessen will ich mich darauf beschränken, einen Otaku als Fan von populärkulturellen Phänomenen verschiedenster Art zu umschreiben, mit der Konnotation, dass sein Hobby auch sein Lebensinhalt ist. Die Beschreibung trifft sicherlich auch auf so manchen kleinbürgerlichen, deutschen Kegelbruder zu, und ich bin nicht der Meinung, dass man den Begriff Otaku eng fassen sollte oder kann, weil die im Fanbereich gängige Definition den Otaku auf japanische Populärkultur festlegt.

Die gezeichneten Teile (mit Charakterdesigns von Sonoda Kenichi) handeln von zwei solchen Otakus. Sie gründen ein Unternehmen, haben einen Riesenerfolg mit dem Verkauf von Modelkits, verlieren durch eine Intrige alles, fangen im Animebereich neu an, kaufen binnen weniger Jahre ihre alte Firma zurück, bauen einen riesigen Vergnügungspark für Otakus, und verlieren wieder alles durch den Anstieg des Meeresspiegels im Zuge der globalen Erwärmung.
Grafik und Animation sind ihrer Zeit angemessen, die Sprechrollen sind gut besetzt, nur leider weist die Geschichte ein paar Lücken auf und das Ende ist sehr interpretationsbedürftig. Aber darum soll es hier nicht gehen.

Die Interviews dagegen zeigen nämlich echte Leute, die früher Otakus waren oder heute noch welche sind; daneben werden Statistiken eingeblendet, zum Beispiel eine, die aufzeigt, dass Cosplayer, also Menschen, die sich die Kostüme ihrer Lieblingscharaktere schneidern und damit zu Fantreffen gehen, relativ selten, dafür aber “Wiederholungstäter” seien, oder aber, dass so genannte “Science Fiction (SF) Clubs” an Universitäten in den frühen Achtzigern im Schnitt mehr Mitglieder hatten, als andere Clubs.

Ich habe diesen Film schon einmal gesehen, es wird so 1999 gewesen sein, und ich fand ihn damals sehr interessant – interessant genug, um ihn Jahre später auf meine Amazon-Wunschliste zu setzen, und Ricci war so nett, ihn mir zum Geburtstag zu schenken, wofür ich ihr sehr dankbar bin.
Ich denke, dass es wahr ist, dass man in der Regel mit den Jahren kritischer wird. Je älter man ist, desto mehr hat man bereits gesehen, die Vergleichsmöglichkeiten sind vielfältiger, und man wird wählerischer bei dem, worin man seine Freizeit investiert. Ich muss also sagen, dass ich Otaku no Video heute wesentlich kritischer betrachte, als vor über zehn Jahren, und es kommt ja hinzu, dass ich genau das studiert habe, nämlich japanische Populärkultur.

Zum einen ist mir völlig unklar, was der Anime, abgesehen davon, dass es um Fansubkultur geht, mit den Interviews zu tun hat. Der Anime zeigt zwar zwei Menschen, die ihre ganze Energie in ihr Hobby stecken, die aber damit Erfolg haben und nicht nur einen tiefen sozialen Fall überwinden, sondern nachher noch größer dastehen als zuvor. Sie geben nie auf und haben den Willen und die Energie, ihr Leben erfolgreich zu gestalten.
Ganz anders die in den Interviews dargestellten Personen, deren Namen verfälscht, deren Gesichter nicht gezeigt und deren Stimmen zum Großteil verzerrt werden, damit sie in der Öffentlichkeit nicht erkannt werden. Zwei sind als untere Konzernchargen zu erkennen, einer wird als “Verkäufer” bezeichnet, der andere sagt, er programmiere Buchhaltungssoftware, einer ist scheinbar ein Missionar aus den USA, aber die übrigen sind alle im Sumpf der Unterschicht gelandet und stecken geblieben. Diese Leute wirken alle schmuddelig und manisch, und der einzige, der eigentlich ganz normal und nicht unsympathisch wirkt, ist ein Krimineller, der Cels und Skizzen von Produktionsfirmen stiehlt, um sie an Fans zu verkaufen.

Alle interviewten Personen sind negativ dargestellt, von objektiver Berichterstattung keine Spur. Die erste Person, der Verkäufer, beschreibt seine Aktivitäten im SF Club seiner Universität, wie zum Beispiel jeder sein Spezialgebiet hatte, wie man sich ergänzte, zusammen auf Fantreffen ging und feierte und derlei Dinge – wie der Interviewer dann trotz solcher Schilderungen auf die Idee kam, die Frage zu stellen, ob er damals “richtige Freunde” (“Shinyû”) gehabt habe, bleibt völlig schleierhaft, als wolle er ihn mit Gewalt in eine Schublade stopfen. Schließlich sind doch alle Otaku vereinsamte und verwahrloste Sozialkrüppel, oder?
Dass es ganz normale Fans gibt, die vielleicht nicht gern zugeben, dass sie Anime mögen, aber ganz normale Leben mit Familie und Beruf leben, wird völlig ausgeklammert. Stattdessen wird der Eindruck erweckt, bei Fans von Populärkultur handele es sich um irgendwelche Freaks. Dass man nicht noch Miyazaki Tsutomu erwähnt hat, den so genannten Otaku-Mörder, der die gesamte Subkultur in den Dreck zog und den Begriff “Otaku” lange Jahre extrem negativ belastete, ist auch alles, was mich überrascht, denn Otaku no Video entstand Anfang der Neunziger, also nicht allzu viele Jahre nach Miyazakis Untaten.

Ich muss die Echtheit der Interviews allerdings in Zweifel ziehen. Der interviewte Programmierer sagte, er habe in seinem “Audio Club” nur am Rande mit Anime und Cosplay zu tun gehabt, worauf der Interviewer ihn mit einem Fanzine (“Dôjinshi”) und einem eingerahmten Foto konfrontiert, was den Programmierer peinlich berührt und in Erklärungsnot bringt. Was das Bild und das überreichte Comicheft mit dem Angesprochenen zu tun haben, wird weder gezeigt noch gesagt, das heißt, der Zusammenhang bleibt völlig und verdächtig suggestiv der Interpretation des Zuschauers überlassen. Was aber den letzten Rest meines Vertrauens in die Echtheit dieses Interviews im Speziellen quasi ausradiert hat (und mich an den übrigen allgemein zumindest stark zweifeln lässt), war am Ende, dass der Programmierer einen Gundam-Artikel, den Helm von Char Aznable, neben seinem Schreibtisch hervornahm, aufsetzte, und aus der Serie zitierte: “Niemand interessiert sich für die Fehler Deiner Jugend.”

GAINAX, Schöpfer von Evangelion und Fushigi no Umi no Nadia, ein Unternehmen, das von solchen Fans lebt, zeichnet sich mitverantwortlich für dieses Werk – was haben die sich dabei gedacht? Haben sie sich was dabei gedacht? Oder wurde das Material ohne deren Zutun zusammengeschnitten? Handelt es sich hierbei um eine subtil humoristische japanische Art, ein Parodievideo zu vertreiben, und die Lizenznehmer im Westen haben das nur nicht verstanden? Ich weiß es nicht.

Es wäre vermutlich ebenso wenig im Sinne von GAINAX (oder jedes Multimediaproduzenten) gewesen, hätte man die Dinge mit aufgenommen, die ich in dem Video vermisse. Mir fiele eine Reihe von ökonomischen Begleitumständen ein, die man kaum treffender bezeichnen kann, wenn man sagt, dass man in Japan als Fan elektronisch (oder elektrisch) dargebotener Produkte maßlos über den Tisch gezogen wird.
Während man mit einer Vielzahl von Manga zu erschwinglichen Preisen geradezu erschlagen wird, muss der Fan von Anime im Einzelnen und Filmen allgemein geradezu kriminell tief in die Tasche greifen.
Während man hierzulande Animeserien in relativ kostengünstigen Sammelboxen kaufen kann, mit vier, sechs, oder sogar mehr Episoden pro DVD, was zusätzlich Platz im Regal spart, beträgt die in Japan übliche Zahl von Episoden pro Scheibe gerade einmal zwei, und da dann aufklappbare Boxen ein Ding der Unmöglichkeit werden, nimmt eine TV-Serie von nur 52 Episoden einen knappen halben Meter Regalplatz ein.

Aber das ist natürlich nur ein minderes Problem, denn die Hauptbelastung liegt im Preis. Dass das früher bereits so war, erkannte ich 2003 daran, dass es dort keine Leervideokassetten zu kaufen gab, die mehr als 120 Minuten Spielzeit hatten. In Deutschland waren 240 Minuten die Norm, und 120er waren vermutlich ebenso selten wie 300er. Man sieht also, dass auch eine Sammlung von TV-Aufnahmen mit höheren Kosten verbunden war, als bei uns.
Und hier bei uns fällt auch der Preis eines Films auf DVD binnen eines Jahres nach seiner Veröffentlichung in der Regel auf einen Zehner, doch scheint dieses Phänomen in Japan nicht zu existieren. Selbst für ältere Filme, in meinem Fall waren das Sengoku Jieitai (1979) und Sailorfuku to Kikanjû (1981), bezahlt man noch 4000 Yen, anno 2004 etwa 30 E. Die irre Spitze bildete allerdings ein Pornofilm auf Videokassette, den Frisuren nach zu urteilen aus den tiefsten 90ern, den ich in einem Gebrauchtwarenladen für sage und schreibe 16000 Yen, also etwa 120 E, herumstehen sah. Man überlege sich, was das für eine Serie bedeutet, die auf 26 DVDs verteilt wird. Und es ist ja auch nicht so, dass es in Japan gar keine Sammelboxen gäbe: Ich erinnere mal an Attack No. 1, bei uns bekannt als Mila Superstar, für das man in Japan 2003 (bei der Veröffentlichung anlässlich der Volleyballweltmeisterschaft) 750 E hätte hinlegen müssen. Die komplette Serie gibt es in Deutschland auf 12 DVDs für weniger als ein Zehntel dieses Preises. Das bedeutet, dass ein wahrer japanischer Fan entweder viel Geld haben oder alternativ in ärmlichen Verhältnissen leben muss, wenn er seinem Hobby nachgehen will – was wiederum bedeutet, dass die japanische Preispolitik maßgeblich für das schlechte Image der Fans verantwortlich ist.

Und von alldem keine Rede in einem Film, der zumindest vorgeblich das Otaku-Phänomen beleuchten will. Ich komme allerdings zu dem Schluss, dass hier weniger informiert, als eher Vorurteile genährt werden sollen.

11. Februar 2011

Filme, die keiner braucht

Filed under: Filme — 42317 @ 18:25

Wieder mal eine außerirdische Invasion, die an der Exzellenz der unbesiegbaren und in allen Dingen überlegenen Vereinigten Staaten von Amerika scheitern wird.

Reicht’s nicht so langsam mal? Ich schätze, auf der anderen Seite vom Teich geht der Bedarf an Selbstbeweihräucherung so schnell nicht zur Neige.

16. Juli 2010

Das Wort zum Dreiunddreißigsten

Filed under: Filme,Japan,My Life,Uni — 42317 @ 14:42

Auch dieses Jahr mein Dank an alle, die an mich gedacht haben.
Am frühesten dran war mein Kamerad aus Stuttgart, der mich um acht Uhr morgens nur deshalb nicht geweckt hat, weil just in diesem Moment der Tee vom Abend zuvor wieder raus wollte. Meine Großeltern waren dennoch ebenfalls früh dran und riefen mich um etwa halb Neun an.

Ich habe auch eine sehr interessante Mail von dem Freund erhalten, dessen Namen ich ja auf seinen Wunsch hin nicht im Blog nennen darf. Er hat ganz eindeutig Recht: In der Examensvorbereitungszeit erlebt man die kleinen Dinge des Alltags zum Teil sehr intensiv, und man sollte das nutzen, um besondere Erinnerungen zu schaffen. Ich muss mir noch überlegen, was ich direkt nach der letzten Prüfung am 13. August tun werde.

Ich weiß sehr wohl, welche Spiele ich seit Jahren mal wieder spielen wollte, welche Fernsehserien ich unbedingt noch einmal sehen muss, und welche Flasche Wein ich zum Anlass (oder im Falle) der Übergabe meines Abschlusszeugnisses öffnen werde, aber das ist ja nichts, was man eben mal schnell direkt nach der Prüfung macht.
Hey, vielleicht setze ich mich sofort hin und schreibe eine kurze Zusammenfassung meiner Eindrücke der letzten 10 Jahre? Es ist natürlich möglich, dass ich erst mal ins Bett falle und zwei Tage lang schlafe, aber das muss ja nicht sein, wenn es sich vermeiden lässt.

Der Anruf vom Kameraden Ritter dann tags drauf. Dem geht’s scheinbar gut, Familie gesund, auf dem Sprung zum Verwandtenbesuch am anderen Ende der Welt, und demnächst auch mal wieder berufsbedingt in Wittlich. Dann können wir das TV-Programm ja alsbald absprechen.

Angerufen hat auch mein Vater. Der erzählte, er mache gerade eine künstlerische Pause beim Malen – und habe sich stattdessen zur Abwechslung dem Schreiben zugewandt. Damit schließt sich gewissermaßen eine Lücke, denn auch sein Vater hat in seiner Freizeit kleine Gedichte geschrieben (ich frage mich, ob davon etwas erhalten geblieben ist?), und ich tue es schließlich ebenfalls. Natürlich sucht er einen Lektor, und ich werde das in vier Wochen gern übernehmen. Ich bin auch sehr gespannt, was das wird. Auf Anhieb klingt es nach proletarischer Literatur ohne Einfluss von Marxismus. 🙂

Der Vollständigkeit halber will ich auch die SMS von Karl erwähnen. Da stand nichts Welt bewegendes drin, so wie Karl kein Mann für Welt bewegende Worte ist, aber immerhin eine SMS. Besten Dank.

Der Esszimmertisch bog sich geradezu unter den Geschenken. Melanies Mutter schenkte mir zwei DVD Boxen, “Millenium Actress” und eine Sammlung von Kurosawa Filmen. Dann bekomme ich auch endlich “Yôjimbô” zu sehen, nachdem ich bislang nur die Remakes gesehen habe: “Für eine Handvoll Dollar”, “Last Man standing”, und “Sukiyaki Western Django”. “Rashômon” und “Kagemusha” sind in der Fünferbox leider nicht drin, aber da ich ohne die nicht in Frieden sterben kann, müssen die auch noch irgendwann in meinem Besitz landen.

Ricci schenkte mir die DVD Box “Band of Brothers”. Ich hab mich sehr gefreut, auch wenn ich mir ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen konnte.

Von Melanie kamen “Der 13te Krieger”“Erleuchtung garantiert” und “Soweit die Füße tragen”, in der Filmfassung von 2001. Über “Erleuchtung garantiert” muss ich bei Gelegenheit einen eigenen Blogeintrag schreiben.
Ja, “Der 13te Krieger” ist bestimmt kein Meisterwerk an Charakterdarstellung und erzählerischem Tiefgang. Ich muss zugeben, dass ich den Film in erster Linie deshalb interessant finde, weil hier auf originelle Art und Weise der Spracherwerb jenes Dreizehnten aufgezeigt wird – er ist der arabische Ausländer unter einem Dutzend Skandinaviern. Die reden Norwegisch (nehme ich zumindest an), aber im Laufe der Reise mischen sich immer mehr Begriffe in ihre Dialoge, die der Hauptcharakter, und damit der Zuschauer, versteht. Coole Idee vom Regisseur, oder von wem auch immer der Einfall kam. Aus Sicht der Spracherwerbsforschung sicher nicht ganz lupenrein (immerhin schlussfolgert er im Laufe weniger Monate linguistische Inhalte aus der vagen Körpersprache der Beteiligten), aber wenn man ihm einen hohen Grad an Intelligenz und Intuition zuordnet, ist die Darstellung vertretbar, denke ich.

Von meinem Häuslebauer bekam ich einen Akkuschrauber – einen Ixo von Bosch. Passt in jede Hosentasche und der Akku hält so einiges her. Zwei Aufsätze, um rechtwinklig und nah an Innenkanten schrauben zu können, sind auch dabei. Ich habe den Großteil der Wärmedämmplatten mit einem solchen Ding angeschraubt und fand das Gerät super. Ich hätte allerdings weder gehofft noch gewünscht, einen geschenkt zu bekommen. Aber der Mann war so zufrieden mit meiner Arbeitsleistung (ich fasse das später noch zusammen), dass er mir so ein Ding schenkte (und diverse andere Dinge, u.a. einen Pullover zum Arbeiten im Winter und zwei Gläser Marmelade von seiner Frau). Gut, dass ich vier Tage später Geburtstag haben würde, war ihm in dem Moment vielleicht nicht klar, aber das Timing war für mich jedenfalls unbeschreiblich.

Dann war da noch das schwere Paket aus Stuttgart. Ich will allerdings an dieser Stelle nichts über den Inhalt verraten, da ich mir über den rechtlichen Status nicht ganz im Klaren bin. Loose Lips sink Anime Clubs, also bin ich mal still und füge den Gegenstand nach einer Stunde auspacken und zusammensetzen meiner Reliquiensammlung im heimatlichen Keller hinzu.

Mit der Spielgruppe hatte ich für den Abend ein zwangloses Grillen angeleiert, und wie sich das für mein nur minimal vorhandes Konto an Glückspunkten nunmal gehört, musste es am Nachmittag natürlich kräftig regnen, und auch der Abend blieb von Regen nicht ganz verschont. Wir zogen uns also unter das Vordach am Hintereingang zurück. Wir haben auch nur ganz wenige Leute daran gehindert, auf dem bequemsten, direkten Weg ins Haus zu gelangen (die mussten halt im Bogen um unsere Sitzgruppe herum gehen), und es hat auch nur einer wegen des Geruchs sein Fenster zugemacht. Bei der Gelegenheit bekam ich von Volkers Vater noch eine Flasche toskanischen Wein geschenkt. Dann schaun wir mal, wie sie in zehn oder vielleicht auch erst in 20 Jahren schmeckt.
Eigentlich muss ich dem Regen auch dankbar sein, denn dann wars auch nicht so schrecklich heiß den Tag über, und ich komme wegen der Hitze mit meinen Examensvorbereitungen schon quälend genug voran. So wars ein angenehmer Tag, und ich werd ihn gern in Erinnerung behalten.

11. Juli 2010

Echt dunkel

Filed under: Filme — 42317 @ 21:28

Da mich in der Nachmittagshitze die Konzentration eh weitgehend verlässt, haben wir uns auf Melanies Vorschlag “The Dark Crystal” von 1982 angesehen. Es handelt sich dabei, wie sich mit dem Link feststellen lässt, um einen düster angehauchten Puppenfilm unter maßgeblicher Beteiligung von Frank Oz und Jim Henson.

Die in Deutschland erhältliche DVD hat eine Altersbeschränkung von 12 Jahren, und der Film ist meines Erachtens weder für ein jüngeres noch für ein älteres Publikum geeignet: Jüngere Kinder könnten durch die Designs der Bösen verschreckt werden und es herrscht auch eine bedrohliche Stimmung, wo es mitunter zu ernsthaften Gewalttätigkeiten kommt. Ältere Heranwachsende wiederum werden sich nicht mehr so schrecklich für Puppenfilme interessieren, außerdem sehe ich die Gefahr, dass sie den Film wegen seiner Storylöcher über kurz oder lang als Zeitverschwendung entlarven.

Ich will gar nicht darauf eingehen, um was es im Einzelnen geht: Die klassisch aufgezogene Heldengeschichte handelt von einem, der auszog, die Welt zu retten. Er durchwandert exotische Landschaften, macht sich Freunde, und entkommt den Häschern der Bösen.

Dabei ließe sich die Geschichte zusammendampfen auf etwa 20 Minuten. Die gutmütigen Weisen, die den Helden losgeschickt haben, ziehen nämlich ein paar Tage später selber los, mit dem gleichen Ziel, zum Palast der Bösen. Während unser Held allerdings durch Gebirgsbäche watet, steile Hänge erklimmt, und gefährliche Sümpfe betritt, wandern seine Lehrmeister gemütlich durch das offene Grasland und erreichen den Palast nicht viel später als der Held der Prophezeiung. Und nicht nur das: Der Held muss sich der bösen Soldaten erwehren, die Weisen dagegen intonieren am bewachten Tor einen kehligen Gesang und die Wächter gehen gefügig beiseite.
Ihrer Wächter beraubt, verlieren die Oberschurken angesichts der Weisen völlig die Beherrschung und laufen nur noch schreiend hin und her, bis unser Held die Prophezeiung erfüllen und das Land von den Bösen befreien kann.

Fazit: Wären die trotteligen Weisen zusammen mit dem auserwählten Helden losgezogen, anstatt ihn auf ein Soloabenteuer auszuschicken, wäre jede Begegnung mit den Soldaten ein Kinderspiel gewesen. Am Ende wären alle einfach so in die Festung spaziert, hätten den Kristall schnell mal in Ordnung gebracht, und alles wäre in Butter gewesen. Aber dann wäre der Film inklusive Vor- und Abspann auch nur 20 Minuten lang gewesen.

12. Juni 2010

Alles geklaut. ALLES.

Filed under: Bücher,Filme — 42317 @ 20:52

Erinnert sich noch jemand an “AVATAR”? Diesen bombastischen Effektestreifen, der mit 3D protzte, den niemand so wirklich brauchte, und der wegen seiner Ähnlichkeit mit einem ebenfalls nicht unbekannten älteren Film ein bisschen belächelt wurde?

Natürlich erinnert sich da jeder dran, daran, dass der Film in die Geschichtsbücher einging als größter Kassenschlager aller bisheriger Zeiten, an die Parallelen zu realen kriegerischen Verwicklungen der USA, und an die auffälligen Gemeinsamkeiten mit “Dances with Wolves”.
Zur Erinnerung: Da kommt ein Soldat im Rahmen seines Auftrags in Kontakt mit Ureinwohnern, lernt deren Lebensweise schätzen, wird durch persönlichen Einsatz Teil ihrer Gemeinschaft, und erkennt die Fehlerhaftigkeit seiner eigenen Kultur: Er wechselt die Seiten und kämpft für seine neuen Seelenverwandten. Vergessen wir für einen Augenblick, was de facto aus den Ureinwohnern Nordamerikas wurde, und verdrängen wir ebenso, dass die SciFi Nachkommen der Yankee Kavallerie Pandora aus dem Orbit heraus sterilisieren könnten – der halbe Film war eine Science Fiction Version des Klassikers von 1990 mit Kevin Costner in der Hauptrolle, und fast jeder hat das auch sofort gemerkt.

Da ich gern Science Fiction Kurzgeschichten lese, habe ich letztlich die zweite Hälfte gefunden: Die Geschichte heißt “Call me Joe” und wurde 1957 von Poul Anderson geschrieben.

Es geht um ein Besiedlungsprojekt auf dem Jupiter, ein Langzeitunternehmen, das darauf abzielt, durch die hohen Druckverhältnisse des Gasriesen neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu erlangen. Da Menschen auch unter besten technischen Bedingungen nicht auf der Jupiteroberfläche existieren können, erzeugt man künstlich ein Lebewesen, dass dies kann, ein Organismus, der den Umweltbedingungen angepasst ist, unter denen Wasser metallische Eigenschaften besitzt und flüssiges Methan als Durstlöscher fungiert. Von den höllischen Stürmen auf der Oberfläche ganz zu schweigen. Das erste dieser Wesen, er wird Joe genannt, soll als Versuchsobjekt dienen und andere sollen folgen, falls dem Versuch Erfolg beschert ist.

So, nun haben wir auf einem der Jupitermonde eine Kontrollstation, von der aus die Sache gesteuert wird, und dort finden wir einen Mann, sein Name ist Ed, der bei einem Unfall ganz schrecklich lädiert wurde: Unterhalb seines Brustkorbs besteht er nur aus Maschinenteilen, die ihm das Weiterleben und die Fortbewegung ermöglichen. Man könnte auch einfacher sagen: Der Mann sitzt im Rollstuhl. Und was tut der Mann im Rollstuhl? Nun, zu gegebenen Zeiten setzt er sich einen mit Sensoren verbundenen Helm auf den Kopf und steuert Joe mit Hilfe eines Psistrahls, also per Gedankenkontrolle. Joe kann zwar ohne diese Steuerung existieren, hat dann aber keinen Zugriff auf das technische Wissen des Puppenspielers, und das wird gebraucht, um den Prozess der natürlichen Auswahl zu beeinflussen. Joe baut sich eine Unterkunft, bastelt erste Werkzeuge und legt Vorräte an.

Das vordergründige Problem im Rahmen der Handlung besteht darin, dass zur Verstärkung des Psistrahls Apparaturen benötigt werden, und deren Sicherungen brennen andauernd durch. Die für das Projekt verantwortliche Organisation schickt also jemanden, der sich die Sache ansehen soll, weil diese Dinger nicht billig sind.
Der Techniker findet keinen Defekt und vermutet ein Problem mit dem Bediener: Er stellt die These auf, dass Ed, der allgemein als grantig und zynisch wahrgenommen wird, sich in Wahrheit vor Joe und seiner Welt fürchtet. Joe ist schließlich wahrhaftig ein wildes Wesen, das noch wilder sein muss, als seine Umwelt, um zu überleben. Ed könnte also von der fremden Welt überwältigt sein und darum fürchten, dass bald nicht der verkrüppelte Ed den wilden Joe, sondern der wilde Joe den verkrüppelten Ed steuert, indem er dessen Bewusstsein verdrängt.

Ist natürlich alles Kabbes. Denn es ist ganz klar so, dass Ed nichts geiler findet, als einen gesunden, starken Körper zu steuern, der den Gefahren seiner Umwelt mehr als gewachsen ist, und letztendlich hat Joe allein, von Natur aus, weil er quasi als Erwachsener direkt aus dem Ei kam, eine eher unterentwickelte Willenskraft, die Ed niemals verdrängen könnte. Das Durchbrennen der Sicherungen ist wohl auf den unerwartet hohen Grad an Synchronisierung zwischen Puppenspieler und Avatar zurückzuführen.

Und als dann endlich Kapseln mit weiteren “Jupiteranern” abgeworfen werden, die von Joe ausgebildet werden sollen, geht Ed aufs Ganze: Er verdrängt Joes Geist völlig, geht ganz in ihm auf, und lässt seinen mangelhaften menschlichen Körper einfach sterben. Ja ja, so läuft das da.

Halten wir fest: An “AVATAR” ist rein gar nichts originell. Was dem Film zur Ehre bleibt, sind die technischen Effekte, die er zu bieten hat. Dreidimensionalität ist schon irre, die Animationen sind klasse. Aber mehr als zuvor beschleicht mich ein Gefühl mangelnder Befriedigung, wenn ich so über die Inhalte nachdenke, und die sollten, zumindest meiner Meinung nach, immer wichtiger sein als Spezialeffekte.
Und wie nennt man Filme, die außer Spezialeffekten nichts zu bieten haben?
Ich glaube, man nennt sie “B-Movies”.

Ich bin natürlich nicht der erste, dem das auffällt – laut englischer Wikipedia zum Thema “Call me Joe” hat bereits im Oktober 2009 jemand was dazu veröffentlicht.

UPDATE

Um nicht als Depp dazustehen, der in seiner leidenschaftlichen Kritik dann doch etwas wichtiges vergessen hat, muss ich einen weiteren Punkt, auf den sich die Welt von Camerons AVATAR stützt, noch hinzufügen.
Vor wenigen Tagen lauschte ich der Aufnahme einer literaturwissenschaftlichen Vorlesung zum Thema Science Fiction Literatur, in der auch ein Buch genannt wurde, das den Titel trägt: “The Word for World is Forest” (“Das Wort für Welt ist Wald”), von Ursula K. Le Guin. Le Guin ist wohl am ehesten bekannt für ihre Erdsee-Serie (eine Tatsache, die ich auch nach Lektüre des Werks nicht recht verstehe), aber ich wusste bislang nicht, dass sie auch SciFi geschrieben hat – und damit so bekannt geworden ist, dass der Soldat “Joker” in Full Metal Jacket eine Kopie des Waldbuchs neben seinem Feldbett liegen hat (obwohl die Filmhandlung im Jahre 1968 angesiedelt ist und das Buch erst 1979 veröffentlicht wurde).

In “The Word for World is Forest” geht es um ein menschliches Kolonisationsprojekt auf einem Waldplaneten. In alter Wildwestmanier bauen sie Forts, beuten Rohstoffe aus und versklaven die Ureinwohner, zierliche kleine Wesen mit großen Augen und grünem Fell. Die Brutalität einzelner Menschen in verantwortlichen Positionen führt schließlich zu einem Aufstand der Unterdrückten, die bislang keine gewaltsamen Konflikte kannten, das haben sie erst von den Menschen gelernt.

Aber gut, Geschichten vom Aufstand Unterdrückter gibt es eine Menge und auf dieser Schiene lässt sich kein Zusammenhang mit AVATAR herstellen. Was der Wikipedia Artikel zum Buch allerdings verschweigt, ist die Tatsache, dass der Wald auf dem Planeten Athshe/New Tahiti ein kollektiver Organismus ist, d.h. jeder Baum, jeder Strauch, jeder Grashalm ist wie eine Zelle eines größeren Gebildes, und dieser Aspekt wird in Camerons Film als herausragendes Naturwunder von Pandora genannt.
Und wenn Jake Sully Ed ist, dann ist Grace Augustine Raj Lyubov, denn beide Personen sind Humanisten aus dem akademischen Feld und sie teilen sich das gleiche Schicksal. So ein Zufall aber auch.