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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

20. April 2024

Dienstag, 20.04.2004 – Mein letztes Hemd

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Kalt ist es nicht, aber der Himmel ist wolkig. Über Nacht hat es den gestern Morgen angekündigten Regen gegeben, und einen kleinen Sturm gleich dazu.

Ein Blick in den Kleiderschrank sagt mir, dass ich dringend zwei neue T-Shirts kaufen sollte. Von den elf („elfen“?), die ich mitgenommen habe, kann ich nur noch fünf in der Öffentlichkeit tragen. Von den vieren, die ich im Discountmarkt Takko erst letzten Sommer gekauft habe, sind zwei dermaßen eingelaufen, dass sie nicht mehr in der Hose bleiben und eines davon hat Löcher vom Waschen bekommen. Die eingelaufenen Hemden könnte ich vielleicht noch im Sommer tragen, wenn es warm genug ist, (beinahe) „bauchfrei“ herumzulaufen. Mein BW-Hemd ist am Kragen völlig abgetragen, ein schwarzes hat hinten am Kragen ein Loch, durch das man das weiße Schildchen sehen kann, und das „otokorashii“ Hemd ziehe ich eh nur zu besonderen Gelegenheiten an. Ich werde ins Kaufhaus fahren und mich nach billigen T-Shirts umsehen… in Japan findet man immer wieder Sonderangebote.

Inzwischen weht wieder ein kräftiger Wind. Vor dem Daiei, auf der anderen Straßenseite, wird die relativ leichte Einkaufstüte einer an der Fußgängerampel wartenden Großmutter aus dem Fahrradkorb mitten auf die Kreuzung geweht. Das ist recht weit, bei laufendem Verkehr, und in der Sekunde, die ich überlege, wie ich reagieren soll, stürzt sich bereits eine OL („Office Lady“ = „Bürodame“) von der gegenüberliegenden Seite her todesmutig in den Verkehr und bringt der Frau ihre Tüte wieder. Meine Hochachtung.
Meine Ampel wird grün und ich gehe ins Kaufhaus. Ich habe Glück. Im Daiei finde ich sofort einen Warenständer mit Hemden für 580 Yen. Ich nehme ein „LL“ (=“XL“) und ein „L“ Exemplar und gehe zur Kasse. Die Verkäuferin schaut mich an und sagt:
„Das könnte ihnen ein bisschen zu klein sein… die Größen sind für japanische Proportionen gedacht…“
Sie zeigt mir auch ein „LLL“ Hemd, das allerdings nicht im Preis reduziert ist. 1500 Yen wollte ich nicht bezahlen. Na gut, dann nehme ich nur das größere der beiden in meiner Auswahl und lasse das kleinere hier – ich brauche „schnellfristig“ ein Hemd. Ich gehe aus anderen Gründen noch in den 100-Yen-Laden (ohne was zu kaufen) und stelle beim Vorbeigehen an der Sportabteilung fest, dass Ueto Aya Werbung für „Converse“ macht. Das ist nicht weltbewegend, aber das Bild gefällt mir.

Ich lese wenig später im Center meine Post, bevor ich um 14:15 in den Raum 315 gehe. Die übrige Gesellschaft trifft nach und nach ein, also Misi, Irena, Nim, Melanie, FanFan, MunJu, MinJi, Jû und SungYi – nur Kondô kommt mal wieder nicht. Nach zehn Minuten gehe ich nachsehen, was denn heute das Problem sein könnte. Chiba-sensei zeigt mir ein übergroßes Schild neben dem Eingang des Centers, auf dem zu lesen ist, dass der Unterricht heute ausfällt. Natürlich ist das peinlich, aber es ist auch beruhigend, dass sogar Spezialisten wie unsere koreanischen Freunde, die den Inhalt eines japanischen Textes auf den ersten Blick erfassen können, das Schild ebenfalls übersehen haben. Ich verkünde die Neuigkeiten und verlege wieder ins Center.

Dort treffe ich Jiang Ning – einen Chinesen, der sich jüngst dazu entschlossen hat, Deutsch zu lernen, und verbringe eine Stunde damit, ihm die deutsche Aussprache näher zu bringen. Da das uvulare „R“ (hinten im Hals) nicht so klappen will, wie man es im Hochdeutschen benötigt, verlege ich mich bei ihm auf das labiodentale, das „bayrische“ R hinter den oberen Vorderzähnen.

Ich finde auch Misi vor Ort, der mich heute in die Sporthalle begleiten will, aber ich kann ihm nicht mehr sagen, als dass ich für gewöhnlich gegen 19:00 dorthin gehe, aber eigentlich keinen festen Plan habe. Aber es wird heute etwas spät und ich erreiche die Halle erst um 19:30. Misi ist nicht da, was natürlich kein Beinbruch ist, aber der Fitnessraum ist völlig überfüllt mit Mitgliedern irgendwelcher Sportclubs, die vor den Geräten bereits Schlange stehen. Also das will ich mir nicht geben und gehe gleich nach Hause.