Mika kommt zu spät zum Schwimmwettbewerb ihrer Oberschule und trifft auf dem Weg auf Manami, genannt Manabi, die sie auf ihrem Schweberoller mitnimmt…
So fängt die Geschichte „Gakuen Utopia Manabi Straight“ an, im Jahre 2035. Die Geburtenrate ist niedrig, Schulen werden geschlossen und zusammengelegt, traditionelle Wettbewerbe werden abgesagt und sterben aus.
Und da haben wir Manabi, Neuzugang der Seiô Oberschule, Optimistin, und auf diesem Gebiet ein Hardliner. Gleich nach ihrem motivierten Auftritt in der Vollversammlung wird sie zur Vorsitzenden der Schülervertretung gewählt und beginnt damit, ihre überfließende Energie und Liebe für das Leben als Schülerin auf ihre Umgebung zu übertragen, und gibt zuletzt alles, um das bedrohte Schulfest zu retten.
„Gakuen Utopia Manabi Straight“ ist ein bisschen wie „Azumanga Daiô“, erstens angesichts völlig abwesender romantischer Aspekte sonstiger Highschoolserien, und zweitens in Anbetracht der ganz ähnlichen Kernaussage, die die Serie macht:
Man geht nicht in die Oberschule, um etwas zu lernen, sondern um Freunde zu finden. Dass man Freunde auch in der Grund- und Mittelschule finden kann, wird von solchen Serien ausgeklammert, aber wenn man sich an dieser Logiklücke nicht stört, ist das Konzept sehr ansprechend. Ja, es handelt sich um eine “Slice of Life” Geschichte, in der es darum geht, dass fünf Mädchen durch dick und dünn für ihre gemeinsamen Überzeugungen gehen und so Freunde fürs Leben werden, aber wenn das alles wäre, würde ich das nicht weiter erwähnenswert finden.
Aus welcher Motivation heraus habe ich diese 13 Episoden lange Serie überhaupt angesehen?
So mancher wird wissen, dass ich ein Stimmenfetischist bin, das heißt, ich bin jemand, der in Serien reinschaut, weil ihm die Liste der Synchronsprecherinnen zusagt.
Zum einen haben wir Hayashibara Megumi als den zweifelsfrei bekanntesten Namen, obwohl sie in erster Linie Vorspann und Abspann singt und ansonsten in ihrer Rolle als “Schuldirektorin als Schülerin” in einem Flashback lediglich einen kurzen zusammenhängenden Satz sagt. Als nächstbekannteste Sprecherin steht Hisakawa Aya in der Liste, immerhin in einer bedeutenden Nebenrolle als Verwalterin der rivalisierenden Oberschule. Beide Sprecherinnen sind Veteranen des Geschäfts, die seit der zweiten Hälfte der Achtziger in unzähligen bekannten Rollen ans Mikro getreten sind.
Die Hauptrollen beinhalten unter anderem Inoue Marina, Hirano Aya und Horie Yui. Letztere, ein Jahr älter als ich, ist ebenfalls bereits eine Weile im Geschäft und hat Rollen wie Narusegawa Naru im Portfolio stehen, und Hirano Aya ist spätestens seit “Suzumiya Haruhi” ein bekannter Name in der Szene, und neben Inoue Marina eine der beliebtesten und erfolgreichsten Neuentdeckungen dieses Jahrzehnts.
Inoue Marina hat zwar (noch!) keine Sprechrollen im Lebenslauf, die “jeder” Animefan kennt, aber den Vergleich, dass sie sowohl Rosaly in “Tactics” als auch Mutsuki in “Manabi Straight” gesprochen hat, fand ich beeindruckend.
Diese Ansammlung von bekannten Namen musste anziehend auf mich wirken und ich wurde nicht enttäuscht. Alle Seiyû geben eine erstklassige Vorstellung, aber ich bin der Meinung, dass sich Hirano Aya hier selbst übertroffen hat. Ihre Leistungen in “Lucky Star” und “Suzumiya Haruhi” waren sehr gut, aber es handelte sich um archetypische „Genki“ Rollen lebhafter Mädchen mit viel Emotion und wenig Ratio, die mit dem Kopf durch die Wand gehen oder mit der Tür ins Haus fallen, aber ihre Nuancen in “Manabi Straight” sind sehr fein und gaben der stillen und intelligenten, vernunftbetonten Figur der Etô Mei sehr viel Leben und Liebenswürdigkeit.
Das allgemeine Charakterdesign ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. Es ist extrem niedlich gehalten und tendiert zu dem, was der Otaku „moe“ nennt, sofern ich das in diesem speziellen Fall als eine Steigerung von „kawaii“ definieren kann. Der erste Begriff, die mir dazu einfiel, ist „knubbelig“. Das soll ausdrücken, dass die Designer jedes Mittel angewandt haben, um Archetypen von niedlichen Animemädchen zu gestalten, die jedes Kindchenschema erfüllen. Die Mädels haben nicht nur die üblichen runden Köpfe und großen Augen, sondern auch halbwüchsige und runde Körperformen, die man augenblicklich mit Kindern verbindet. Man übersieht darüber sehr schnell, dass es sich bei den Protagonistinnen um 16-jährige handelt, die eben ihre letzten drei Schuljahre in Angriff nehmen, und neigt eher dazu, sie für 11-jährige zu halten. Es braucht möglicherweise etwas Zeit, bis sich dieses Wissen auch im Bewusstsein des Betrachters festgesetzt hat.
Überraschenderweise fand ich den Soundtrack sehr interessant, inklusive einiger seiner gesangslosen Hintergrundstücke. In der Regel fällt mir der Hintergrundsoundtrack überhaupt nicht auf (ob das eine gute oder eine schlechte Sache ist, sei dahingestellt), und ich habe normalerweise auch überhaupt kein Interesse an Hintergrundmelodien, in denen eben nicht gesungen wird, aber in diesem Fall fand ich die Musik weitgehend überzeugend.
Die Hauptattraktion bleiben natürlich die Gesangsstücke. Was sollte ich auch erwarten, wenn unter dem Stichwort Soundtrack Namen wie Hayashibara Megumi, Horie Yui, Hirano Aya und Chihara Minori zu finden sind? Die übrigen Hauptrollen singen natürlich auch, aber die kannte ich vorher noch nicht, und Hisakawa Aya gibt leider nichts zum Besten.
Der Soundtrack hat mich nicht aus den Latschen gehauen, wie das bei dem „Pani Poni Dash!“ Soundtrack der Fall war (der noch mehr Seiyû auflistet, von denen ich mir auch eine Steuererklärung oder den Bundeshaushaltsplan vorlesen lassen könnte, ohne mich zu langweilen), aber es war nahe dran.
Die Image Album Sammlung (Songs, die als Merchandising auf die Charaktere zugeschnitten sind und die nicht in der Serie vorkommen) war in dieser Hinsicht wie üblich sehr interessant, aber der Originalsoundtrack hat für mich seine ganz eigenen Perlen, wie zum Beispiel „Seiô Kôka“ (das Lied der Seiô Schule), gesungen von Horie Yui (in zwei Versionen), und „Sakura mau kono Yakusoku no Chi de“, also etwa „Die Kirschblüten tanzen am Ort unserer Verabredung“, gesungen von Chihara Minori.
Dieses Rock-lastige Lied wird auf dem Schulfest gesungen und aufgeführt, und die Szene erinnert in gewissem Maße an den Bandauftritt in „Suzumiya Haruhi“. Das mag nicht weiter verwundern, denn letztlich kommen alle Bandauftritte auf Schulfesten irgendwie ähnlich rüber, in Anime oder Realität, aber es gibt noch einen weiteren Faktor, wegen dem ich auf die Idee gekommen bin, es könnte sich dabei um eine Art Anspielung auf „Suzumiya Haruhi“ handeln, nämlich der Umstand, dass die Leadsängerin auf dem Seiô Schulfest von Chihara Minori gesprochen und gesungen wird. Warum dieses? Chihara Minori ist die „Stimme“, die während der Aufführung von „God knows“ und „Lost my Music“ nur Gitarre spielen durfte – in Form von Nagato Yuki.
Wie ich bereits sagte, hätte ich kaum soviel über diese Serie geschrieben, wenn es nur um Freundschaft gegangen wäre, solche Serien gibt es eine ganze Menge, und unbeirrbare Optimisten gibt es im Anime ebenfalls wie Sand am Meer, aber da ist noch etwas mehr als nur das. Es geht auch um jugendliche Ungeduld und Spontaneität, und um rebellischen Aktionismus, gegen gefühlte Ungerechtigkeit zu kämpfen. Davon war ich irgendwie positiv überrascht, weil ich damit nicht gerechnet hätte.
Die Seiô Oberschule soll mit der renommierten Aikô Oberschule fusionieren, und die Verwalterin der Aikô sagt im Zuge der Zusammenlegung das Schulfest der Seiô ab, mit der Begründung, es handele sich nur um eine unbedeutende Spaßsache, die mit den Pflichten von Schülern nichts zu tun habe. Angeführt von Manabi beginnt die Schülervertretung den Kampf „gegen die Tyrannei der Verwaltung“, ganz stilecht mit den japanischen, gelben Arbeitshelmen und Postern und Flaggen, auf denen Wahlsprüche und Kampfslogans wie „Unnachgiebiger Geist“ zu lesen sind. Der bedeutendste Feind in der Angelegenheit ist jedoch nicht die „gegnerische“ Schulverwaltung, sondern die Ignoranz der eigenen Mitschülerinnen, die sich statt für das Schulfest mehr für eine Tanzveranstaltung interessieren, die am gleichen Tag stattfindet, für den neuen Schulsong, und dafür, welche Kombinationen die neuen Schuluniformen zulassen. Angesichts der Anordnung geben Sie die Sache verloren, doch Manabi und ihre Freundinnen wollen das Seiô Gemeinschaftsgefühl nicht zugunsten eines anderen aufgeben, zumal die Aikô einen eher kühlen und elitären Eindruck macht, auch schön zu sehen im Vergleich der Architektur der Schulen.
Solch eine Hommage an vergangene Zeiten von Schüler- und Studentenprotesten gibt dem Werk eine interessante politische Dimension, aber gleichzeitig ist das Thema auch nicht so aufdringlich, dass jemand mit einem unterentwickelten Interesse an Geschichte deswegen zurückstecken müsste.
Ich liebe diese Serie, und ich weiß, dass sie nicht für jeden geeignet ist, auch, wenn man Anime gegenüber generell positiv eingestellt ist. Sie ist generell sehr niedlich in ihren Designs, Themen und Dialogen, und wenn man ungetrübte Niedlichkeit nicht aushält, wird man „Manabi Straight“ wahrscheinlich nicht mögen.
Es ist eine Serie für Fans der Genres „Slice of Life“ und „Highschool Komödie“, die sich an der Abwesenheit von romantischen Themen nicht stören (oder eine solche Abwesenheit vielleicht auch begrüßen), und im Hinblick auf die erwähnten soziopolitischen Aspekte auch ungewöhnliche Einflüsse zu schätzen wissen.