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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

4. April 2008

Der Process

Filed under: My Life — 42317 @ 16:08

Nein, ganz und gar nicht der von Kafka, schon gar nicht so kompliziert, auch nicht meiner, sondern der von Andreas L. – wer zum Teufel ist Andreas L.?

Andreas L. ist meine “Bekanntschaft” vom 16. September 2007, der Typ, der mir einen Faustschlag ans Kinn verpasste und mir zwei Monate lang wegen der überstreckten Kiefersehne das Kauen schwer machte.
Ich war ein bisschen verwundert darüber, dass in der Vorladung nur die Rede von “Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte” war, aber es stellte sich heraus, dass es sich um einen kombinierten Prozess handelte, der alle Straftaten des Angeklagten der vergangenen Zeit zusammenfasste und verhandelte.

Der Termin war um 0945 angesetzt, ich war mit Melanie um 0925 vor Ort.
Der erste, der sonst eintraf, war der lustige Junge, der mich gefragt hatte, ob ich ein Taschentuch brauche und keine dabei hatte. Und der plauderte während der Wartezeit munter drauf los, was mich etwas erstaunte, denn er erzählte frei heraus, dass er auf dem Helenenberg untergebracht sei, einer offenen Anstalt für straffällig gewordene Jugendliche nahe der Hauptstraße zwischen Trier und Bitburg. Für viele, nicht für alle, eine letzte Bewährungschance vor dem Knast.
Er erzählte von der Organisation und und von pädagogischen Maßnahmen der Institution, und dass er am selben Tag noch zwei weitere offizielle Termine habe, wobei er an einem nicht ganz unschuldig sei; um einen Ausgleich (“Handschlag”) mit einem Opfer ging es da. Ich will das nicht weiter auswalzen, und ich habe auch nicht gefragt, obwohl mich wunderte, was er auf dem Kerbholz haben möge, dieser 15jährige, der den Eindruck eines 12jährigen macht und eigentlich ganz vernünftig schien.

Es wurde ihm auch nicht wenig Zeit gegeben, es dauerte nämlich bis etwa 1030, bis ich nach der Zeugenbelehrung als vierter Beteiligter gehört wurde, u.a. nach einem schwarzen Busfahrer, der vom Angeklagten irgendwann im vergangenen Sommer ebenfalls im Laufe einer “Diskussion” geschlagen worden war, und Melanie.

Den Busfahrer, der mich gefragt hatte, warum ich den Typen nicht umgehauen habe, habe ich auch wieder getroffen. Er sagte, als er die Vorladung bekommen habe, sei er davon ausgegangen, dass man dem Angeklagten auch den Diebstahl seines Quads anlastete, bevor er sich erinnerte, dass an der Bushaltestelle ja noch mehr gelaufen war.

Auch die Polizisten, die im ersten Einsatzwagen eingetroffen waren, waren da, und der ältere war immer noch “bewegt” davon, dass der Angeklagte auf der Wache noch sehr ausfallend gewesen sei, mit allerlei Drohungen, was er mit den Frauen und Kindern der Beamten machen würde.
Als der schwarze Busfahrer wieder rauskam, berichtete der, der Angeklagte habe sich entschuldigt, was er akzeptiere. Der Polizeibeamte grunzte darüber und sagte, dass der sich seine Entschuldigungen sonstwohin stecken möge, nach dem Aufstand auf der Wache (“wie der Mann im Kalkofen”, sagt man bei uns wohl). “Dem sein Anwalt sagt ihm natürlich, dass er sich entschuldigen soll, weil’s beim Richter einen guten Eindruck macht! Von mir hat er kein Mitleid zu erwarten.” sagte er dazu.

Meine Aufgabe von wenigen Minuten bestand aus der Darstellung meiner Version des Tathergangs der Körperverletzung, zum Thema des “Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte” brauchte er von mir nichts zu hören, dazu waren die Polizeibeamten auch zweifelsfrei besser geeignet, und ich erinnere mich auch nur undeutlich an Gezetere, Geschimpfe und eine ungeschickte Handgreiflichkeit.

Meine Darstellung der Dinge ist aus meinem entsprechenden Blogeintrag vom 16. September ersichtlich, ich muss also auf die Fragen, die mir der Richter stellte, nicht weiter eingehen. Ich bekam allerdings die Fotos zu sehen, die man damals von meiner Unterlippe gemacht hatte. Rot-blau geschwollen, ja, aber ich verstand nicht, warum der jüngere Polizist so das Gesicht verzogen hatte.

Natürlich kam vom Verteidiger des Angeklagten die Frage, ob ich, im Hinblick auf meine Kleidung an jenem Tag (US Armeehosen) und am heutigen Tag (Kampfschuh BW) möglicherweise militaristische Tendenzen hätte. Ich fand die Frage geradezu belustigend. Also sagte ich ihm, dass ich zu dem Gelöbnis stünde, das ich bei der Armee geleistet habe, dass dies aber wohl kaum bedeuten könne, dass ich ein Militarist sei.

Zuletzt entschuldigte sich der Angeklagte auch bei mir.
Ich kann damit leben, geschlagen und beleidigt worden zu sein, allerdings nehme ich ihm übel, Melanie eine Hure genannt zu haben, und seine ethnische Aufzählung der Dinge, die meine Mutter angeblich in den Mund nimmt.

Damit war die Sache gelaufen. Ich bedankte mich bei den gekommenen und noch wartenden Zeugen am Tisch und trat den Heimweg an.

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