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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

3. Dezember 2023

Mittwoch, 03.12.2003 – Ein Mensch lernt wenig von seinem Siege, aber viel von seiner Niederlage

Filed under: Bücher,Japan,My Life,Uni — 42317 @ 14:33

Ein sonniger Morgen, laut Wetterbericht sieben Grad Celsius. Zum Frühstück vertilgen wir den Reis, den Melanie gestern leider umsonst gekocht hat (sie hat die Einladung zum Essen bei den Nachbarn zwanzig Minuten zu spät erhalten). Um den Reis warm essen zu können, brate ich ihn an, mit etwas Öl, und das Ergebnis ist, dass mir den ganzen Tag über mehr oder weniger schlecht ist. Das Essen liegt mir wie ein Stein im Magen, und um 1700 habe ich immer noch keinen Hunger. Dabei habe ich doch noch eine Menge Sushi im Kühlschrank…

Aber alles der Reihe nach. Die Tatsache, dass wir am Morgen unsere Zwischenklausur des A2-Kurses zurückbekommen, trägt wohl auch nicht unwesentlich zu meinem Befinden während des restlichen Tages bei. 47 % sind keine Heldentat. Ich würde das „klar durchgefallen“ nennen. Urrghs… warum dieses Ergebnis? So schlecht war ich ja noch nie, so weit es Japanisch betrifft. Es ist natürlich nicht ganz einfach, als Betroffener objektiv darzustellen, wo genau der Wurm drin war, also stelle ich Melanies Interpretation an den Anfang: „Mangel an Vorbereitung!

Ich will den Vorwurf nicht als völlig unbegründet von der Hand weisen. Ich hätte wohl wirklich mehr dafür tun können – aber wegen des Schwierigkeitsgrades sah ich mich zu besonderen Anstrengungen nicht veranlasst. Das, was hier behandelt wurde, habe ich alles schon einmal gemacht und (damals) mit einem guten Ergebnis hinter mich gebracht, also ist es nicht so, dass ich die Materie überhaupt nicht beherrschen würde. Ich sehe mein Problem darin, wie die Aufgaben gestaltet sind. In Trier bestehen Klausuren aus einer Übersetzungsübung, die den Prüfling dazu veranlasst, die gelernte Grammatik anzuwenden. In Hirosaki bestehen die Aufgaben aus Lückentexten, über denen viel sagend geschrieben steht: „Setzen Sie die richtige Form ein!

Wenn ich diese Aufgabe nun im Buch sehe, dann ist mir ja wegen des aufgeschlagenen Kapitels voll und ganz klar, auf welche Satzstrukturen die Angelegenheit hinausläuft. Hier ist das nicht der Fall. Ich muss den japanischen Text lesen, trotz der Lücken verstehen, um was es geht, und daraus schließen, was ich in die Lücken schreiben muss – und das alles ohne Wörterbuch (das in Trier bei Übersetzungen aus dem Japanischen ins Deutsche erlaubt ist). Die Mehrheit der Fehler ist wohl dadurch entstanden, dass ich Übersetzungsschwierigkeiten bei den Kanji hatte (= mangelnde Vorbereitung meinerseits) und den Kontext nicht richtig auf den Lehrplan habe umdeuten können (= konzeptionelle Mängel des Lehrmaterials). Die Kanji, die wir für die drei Tests jede Woche lernen müssen, stehen nämlich in keinem direkten Zusammenhang zu den zu behandelnden Lektionen – das ist ein ganz anderes Buch. Die Aufgaben der Klausur stammten jedoch alle aus dem Lehrbuch – was für mich bedeutet, dass ich nicht nur die grammatikalischen Formen können muss (mit dem, was ich an Strukturen vorbereitet hatte, wäre ich bequem auf 80 % gekommen), sondern ich muss auch die Aufgabenstellungen im Buch mehr oder weniger auswendig können, damit ich bei Verständnisschwierigkeiten dennoch weiß, welcher Grammatikteil da gerade abgefragt wird.

Das alles trägt weder zu meiner körperlichen und geistigen Gesundheit noch zu meiner Laune bei. Die Übersetzungsaufgaben von Katsuki-sensei schmecken mir viel besser – schließlich wird man bei der Konversation in der Mensa nicht plötzlich mit Lückentexten konfrontiert… Dass die Klausurtexte Kommunikationsbeispiele waren, macht die Sache nicht besser. Andererseits sitzen in Form der ca. 15 Teilnehmer mindestens fünf Nationen im Raum (Deutschland, Frankreich, Thailand, China und Peru), was eine Übersetzungsübung ziemlich kompliziert für die Lehrerin machen würde. Also muss ich Lernaufwand in die Lehrbuchtexte investieren – was früher völlig überflüssig war. Man könnte aber ruhig ein Kanjilexikon zulassen, um so Vokabelfragen klären zu können und eine vollständige Konzentration auf die Grammatik zu ermöglichen, um die ja eigentlich geht.

Vesterhoven bespricht heute Mishima Yukio und gibt uns „Yûkoku“ („Patriotismus“) zum Lesen mit. Ich bin gespannt. Die „Geständnisse einer Maske“ haben mir sehr gut gefallen, und „Yûkoku“ ist das wahrscheinlich bekannteste Werk Mishimas – nicht zuletzt wegen der Darstellung eines rituellen Selbstmordes… aber das ist bislang alles, was ich darüber weiß, weil ich es noch nicht gelesen habe. Ich bin gespannt…

… und die Kinnlade fiel mir auf den Schreibtisch. Und ich kann nicht sagen, dass dieser metaphorische Vorgang positive Ursachen hätte. Ich habe nicht gedacht, dass Mishima solch einen Mist schreiben kann. Seine Fans mögen mir das bitte verzeihen, aber ich finde „Yûkoku“ in keiner Weise berauschend. Das einzige, was dieser Text wirklich gut vermittelt, ist der Schmerz eines Mannes, der sich mit einem Katana den Bauch aufschlitzt – und zwar ohne jemanden, der ihm den Kopf abschlägt, wenn es zu viel wird. Ansonsten ist der Text eine Mischung aus chauvinistischen Phrasen, Körperkult und Sex. Nennen wir die Dinge doch beim Namen. Die Handlung findet statt vor dem Hintergrund der Geschehnisse ab dem 26. Februar 1936. In Tokyo rebellierten rund 1400 Soldaten der kaiserlichen Armee (geführt von idealistischen Offizieren der unteren und mittleren Dienstgrade) gegen die Regierung. Ihre Motivation war die Absetzung der Herrschaft von „Parteien, korrupten alten Männern und Bürokraten“, um den Tenno persönlich die direkte Herrschaft zu ermöglichen. Sie hofften, auf diese Art und Weise u.a. die ärmlichen Verhältnisse der Landbevölkerung mildern zu können (die dazu führten, dass eine Menge Töchter in die Prostitution verkauft wurden) – und nicht wenige Offiziere kamen vom Land zur Armee, weil sie dort eine gesicherte Existenz sahen. Der Shôwa Tenno (Hirohito) ordnete am 29.02. jedoch an, die Rebellion niederzuschlagen, worauf die meisten Aufständischen freiwillig die Waffen niederlegten.

Leutnant Takeyama ist die männliche Hauptperson der Kurzgeschichte. Er steht nicht auf der Seite der Aufständischen, aber er weiß, dass man ihm befehlen wird, gegen die Meuterer vorzugehen, unter denen sich seine besten Freunde befinden. Der Leutnant ist verheiratet, und die Darstellung dieser Ehe ist von einem derart archaischen Ideal geprägt, dass einem davon schlecht werden könnte. Seine Frau ist seine absolute Untergebene. Er macht ihr klar, dass es zum Leben eines Offiziers der kaiserlichen Armee gehört, jederzeit sein Leben für Kaiser und Vaterland zu geben und sie macht deutlich, dass sie ihm freiwillig in den Tod folgen werde, sollte dieser Fall eintreten. Es folgen Darstellungen, wie leidenschaftlich (und ausdauernd) das Sexualleben der beiden verläuft (vor allem, wenn er von Übungen wieder zurückkommt), was für einen göttlichen Körperbau die beiden haben (jeweils das extreme Idealbild eines männlichen und eines weiblichen Körpers, man denke dabei an die Vorstellungen der Nazis) und wie hingebungsvoll der Leutnant seinem Kaiser dient. Und als dann klar wird, dass er am folgenden Tag auf seine Freunde und Landsleute würde schießen müssen, nimmt er sein Schwert und verteilt eindrucksvoll seine Darmwindungen auf dem Tatamiboden im gemeinsamen Schlafzimmer (es ist nicht schwer zu raten, was die zwei vorher einige Stunden lang gemacht haben), gefolgt von seiner Frau, die sich mit einem großen Messer den Hals aufschlitzt.
Das möchte ich nicht noch einmal lesen, wenn es sich vermeiden lässt. Aber die Darstellungen der Schmerzen sind so richtig „echt Mishima“. Sehr lebhaft geschildert und gut durchdacht. Immerhin.

Um 1200 gedachte ich eigentlich Yui in der Halle zu treffen, aber sie ist nicht da. Sie ruft auch nicht an. Daraus muss ich eigentlich schlussfolgern, dass unsere Treffen nicht als so regelmäßig ausgemacht worden sind, wie ich mir das gedacht habe. Ein bisschen Kontinuität würde ich doch begrüßen. Ach, was soll’s, ich hab auch schon solche Fehler gemacht. Dafür treffe ich Mei und BiRei, die hier ihr Mittagessen verzehren wollen. Dann unterhalte ich mich eben mit denen ein bisschen, so lange sie essen.

Um 1420 sehe ich Mei dann wieder zum Englischlernen. Derzeit ein überraschend konstanter Faktor in meiner wöchentlichen Freizeitplanung. Mei hat ihr Textbuch vergessen, also nehmen wir das Grammatikbuch als Grundlage. Verbformen. Das ermüdet die junge Dame wesentlich schneller als einfache Kommunikation. Aber die Zeit vergeht dennoch recht schnell und sie hat um 1600 eine Verabredung mit ihrem Tutor. Dann komme ich vielleicht ja doch noch bis 1900 nach Hause, und kann vorher noch Post schreiben.

Aber so weit sollte es nicht kommen. Weit gefehlt! Ich schreibe also den bisherigen Tag in mein Tagebuch und um 1615 kommt BiRei mit XiangHua in die Halle – auf der Suche nach Mei. Sie sei bei einem Treffen mit ihrem Tutor, sage ich, worauf die beiden beschließen, mit mir vorlieb zu nehmen. Wir sitzen also da und unterhalten uns. Währenddessen schreibt BiRei Vokabeln auf, die ich nicht kenne (oder nicht sofort verstanden habe), drückt mir den Zettel in die Hand, sieht mich streng an und sagt: „Lern das und vergiss es nicht!“ Ah… wie Sie wünschen. War von ihr natürlich nicht so ernst gemeint, wie sie es in Szene gesetzt hat. Im Gegenzug möchte sie, dass ich ihr ebenfalls etwas Englisch beibringe. Aber nicht zusammen mit Mei, da sie Mei nicht stören möchte. Dann könnte sie sie doch zumindest fragen, ob das in Ordnung sei? Nein, sie wolle Mei nicht damit belästigen. Und ich solle Mei gegenüber das Thema auch nicht anschneiden. Ich will das jetzt nicht verstehen müssen. In einem klassischen Fernsehdrama würde dieses Verhalten darauf schließen lassen, dass Mei romantische Gefühle für mich hegt und BiRei das weiß, und deshalb die Zweisamkeit nicht stören möchte. 🙂
Aber gut… hier und da ein wenig englische Konversation, wenn wir uns begegnen. Ich solle dann auch von Fall zu Fall unbekannte Vokabeln aufschreiben und an sie weitergeben. Hm… sie hat nach ihrem Schulabschluss erst angefangen, verstärkt Englisch zu lernen, auf der Schule hat sie in erster Linie Japanisch gelernt (acht Jahre), und nur ein bisschen Englisch nebenher gemacht. Eigentlich sollte ich ihr gleich ein Wörterbuch schenken. Mehr als „Basiskommunikation“ ist bei ihr noch nicht zu machen, was bedeutet, dass ich zuerst Vokabeln und dann Strukturen aufbauen muss… das könnte ja in Arbeit ausarten…
Als wir uns dann wieder verabschieden, ist es 1840. Mit „1900 zuhause“ wird das nichts mehr, und ich habe heute noch nicht einmal einen Computer gesehen. Ich werde meine Post abrufen und beantworten, aber einen Bericht schreibe ich heute nicht mehr. Mehrstündige Konversation auf Japanisch kostet mich noch viel zu viel Konzentration und Energie.

Und als ob der Tag nicht schon Kraft raubend genug gewesen wäre, läuft am Abend auch wieder die „WG Kunterbunt“. Heute ausnahmsweise nicht mit Bildern aus den dreißiger Jahren. Es geht ein wenig weihnachtlich zu, und ich denke noch so bei mir: „Hey, dann könnte die Sendung heute ja mal erträglich sein“, aber dann kommt bereits der Dämpfer: „Ernst, wie wir nun mal sind…“ oh nein, oh nein, was kommt jetzt?
Ernst, wie wir nun mal sind, berichten wir heute über allein erziehende Mütter und Väter in der Weihnachtszeit.
Okay, ich gebe zu, das ist besser als „Weihnachten unterm Hakenkreuz“, aber immer noch viel zu deprimierend für eine Kindersendung! Ich sagte ja bereits, dass die Themen, die ja nicht unwichtig sind, inhaltlich eher was für Jugendliche wären – hätte die Sendung nicht allgemein eine so kindgerechte Aufmachung. Warum zeigen die keine Weihnachtsmärkte? Von mir aus auch mit alternativem Holzspielzeug „made in Germany“. Oder verschneite Bäume, spielende Kinder mit Schlitten und dergleichen mehr? Nein, wir zeigen lieber die Kehrseiten der Medaille und lassen die Japaner denken, dass Deutsche sich nur über schwermütige Themen Gedanken machen. In Deutschland ist Weihnachten also nicht das Fest der Freude, sondern das Fest, wo man an weniger gut situierte Menschen denkt und Trübsal bläst. Etwas mehr Ausgewogenheit wäre hier angebracht – und unter „Ausgewogenheit“ verstehe ich etwas anderes als die Laberbacke Sascha mit seinen Fußballbegriffen… wenn Deutsche sich von ihrer Trübsal mal lösen wollen, spielen sie also Fußball oder sehen sich Spiele an. Wie könnte es auch anders sein?

Prinz Pipo“ gibt am Ende der Sendung jeweils den Satz des Tages vor. Vielleicht habe ich das bereits erwähnt – es handelt sich dabei um den Kernsatz des vorgeführten Puppentheaterstücks, und dieser Satz wird mehrfach erwähnt, damit ihn sich auch jeder merkt. Und der lautet heute:
Eigentlich dachte ich, dass die Natur auf der Erde intakt ist.
Muss man Germanist sein, um diesen Satz als „auffällig“ zu betrachten? Ich bin keiner, und ich behaupte dennoch, dass der Satz nicht ganz richtig ist (ich will nicht direkt „falsch“ sagen). Müsste das hier nicht heißen:
Eigentlich dachte ich, dass die Natur auf der Erde intakt sei.???
Vielleicht gibt es Konnotationsunterschiede, die mir unbekannt sind? Annahmen werden wie indirekte Rede doch im Irrealis ausgedrückt, oder? Für mich ist meine Version jedenfalls richtiger. Übel Freunde, ganz schlecht.

Und dann fängt es an zu schneien.

26. November 2023

Mittwoch, 26.11.2003 – Just Communication

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 12:51

Strahlendes Wetter am Morgen, und es hält sich den ganzen Tag über.

Am Morgen komme ich in den Genuss, mich mit zweien der älteren Chinesen (also über 30) zu unterhalten. Generell unterhalten wir uns über Sinn und Zweck des Japanischstudiums, der sich bei mir darin erschöpft, dass ich überhaupt nicht weiß, was ich mit meinem Leben sonst anfangen sollte. Positiv ausgedrückt ist es also mein Lebensinhalt. Einer der jedenfalls beiden studiert Japanisch, weil er den Manga „Tetsuwan Atomu“ als Jugendlicher so mochte. Viel interessanter dabei war, zu erfahren, welches Bild von Japanern ihrer Meinung nach in China vorherrscht. Sie sagen, dass Japaner als ein wenig verrückt betrachtet würden, aber die Allgemeinheit sei weit davon entfernt, in ihnen den „Erbfeind“ zu sehen. Ich würde das eine positive Entwicklung nennen, angesichts der schätzungsweise 19 Millionen Chinesen, die der kontinentale Teil des Pazifischen Krieges das Leben gekostet hat… und ich halte die geschilderte Einstellung für durchweg richtig.

Vesterhoven behandelt heute Kawabata Yasunari, und der zu lesende Text ist „Kata Ude“, ins Englische übersetzt als „One Arm“. Kawabata arbeitet hier extrem mit bildhaften Stilmitteln und Handlung und Setting wirken sehr (sehr!) surreal. Ich habe keine Ahnung, was ich da eigentlich lese, und was sich der Künstler dabei möglicherweise gedacht hat – falls er gedacht hat und nicht im Morphiumrausch geschrieben hat.
Was steht da nun eigentlich?
Eine junge Frau gibt dem Mann, der sie begehrt, ihren rechten Arm, damit er ihn (an ihrer Stelle) mit nach Hause nehmen kann. Er packt den Arm (keine Prothese! Und dies ist auch kein Horrorszenario) unter seinen Mantel und geht nach Hause. Es ist sehr neblig. Er hört aus einem Radio die Durchsage, dass drei Flugzeuge wegen des starken Nebels nicht landen könnten. Ein Auto fährt an ihm vorbei, aber er nimmt das Auto nicht recht wahr, sondern nur die Fahrerin, und die Lichter des Autos, die lila schimmern und im Nebel verschwinden. Er redet mit dem Arm. Der Arm redet mit ihm. Zuhause legt er sich mit dem Arm ins Bett. Dann erliegt er der Versuchung, nimmt seinen eigenen Arm ab und befestigt den Arm der jungen Frau an seiner Schulter. Aha. Körperliche Verschmelzung, it est: es geht um Sex.
Nichts für mich. Nicht in dieser Form. Ich habe schon Probleme, Texte zu interpretieren, die in sich Sinn ergeben.

Vesterhoven macht seinen Studenten (uns) das Angebot, zu Weihnachten, genauer am 23. Dezember, zum Essen zu ihm zu kommen. Voraussetzung: Man muss helfen, den großen Tannenbaum in seinem Garten zu schmücken. Nun ja, das Herrichten eines Weihnachtsbaumes ist für mich eine rein mechanische Angelegenheit ohne tieferen Sinn, aber vor allem habe ich am 23.12. gar keine Zeit, weil ich bereits am Tag zuvor nach Tokyo fahren werde. Wir werden Ricci und Ronald besuchen, und ich werde auch Hiroyuki wieder sehen wollen. Er soll mir mal Akihabara zeigen. Und für Kati und Memel habe ich mit ein bisschen Glück vielleicht auch Zeit.

Ab 12:15 bin ich mit Yui in der Mensa, um 14:20 treffe ich Mei in der Halle. Anstatt allerdings ihre Englischlektionen zu wiederholen, reden wir knapp drei Stunden lang über alles mögliche andere. Vor allem die Darstellung meiner fernsehreifen Familienverhältnisse verwirren sie sehr, und am Ende macht sie ein Gesicht, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Des weiteren muss ich (zu einem anderen Thema) meine Darstellung von Ideal und Realität mehrfach erklären, bis ich verständlich gemacht habe, dass Wertunterschiede zwischen Menschen eben nicht meiner Meinung entsprechen (ich habe nur gesagt, dass Menschen mit geringerer Bildung für Menschen wie uns arbeiten werden), sondern leider eine bittere Realität sind, die ich nicht schätze.

Bevor ich nach Hause fahre, gehe ich aber ins Naisu Dô und kaufe die Artbooks, die ich mir letzten Monat bereits zurechtgelegt habe. 16200 Yen für etwa ein Dutzend Artbooks. Drei weniger dringende habe ich noch stehen lassen. Die kaufe ich dann wohl im Januar zusammen mit dem Material, das ich verkaufen will. Und wenn ich schon Geld bekommen habe, dann kann ich morgen auch gleich meine Miete zahlen, und das diesmal pünktlich…

10. November 2023

Montag, 10.10.2003 – Call me, call me…

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Die Wahlen sind entschieden – und wie erwartet ausgegangen. Die regierende Jimintô ist mit einer stabilen Mehrheit als Sieger daraus hervorgegangen. Und das von ihr selbst vor 50 Jahren vorteilhaft entworfene Wahlsystem sorgt dafür, dass sie bei einem Stimmanteil von 44 % einen Anteil von 56 % an den Parlamentssitzen erhält.

Vor dem ersten Unterricht schreibe ich noch in aller Eile eine Zusammenfassung meiner bisherigen Eindrücke für die Einführungsveranstaltung der Japanologie der Universität Trier, damit Frau Prof. Gössmann ein paar Zeilen hat, die sie dem Nachwuchs vorlesen kann. Auch Melanie und Marc tun das, mit jeweils anderen Schwerpunkten, damit nicht dreimal dasselbe vorgelesen wird. Ich gehe davon aus, dass auch Berichte aus Tokyo fällig sind, die mich natürlich ebenfalls interessieren würden.

Dann beschäftigen wir uns wieder mit Textstrukturen. Wir suchen die Leitsätze eines Abschnittes heraus und teilen dann die nachfolgenden Sätze verschiedenen Kriterien zu: Ob es sich dabei um ein erläuterndes Beispiel handelt, oder ob der Leitsatz vertieft, bzw. weiterhin erklärt wird.

Nach dem Unterricht verfasse ich die Heimatpost vom 01.11., und nachdem ich mich von meinem Stuhl erhoben habe, gibt Alex mir das versprochene Telefon. Es ist ein relativ altes Modell (zwei Jahre alt), das man nicht zusammenklappen kann, es hat auch kein integriertes Kanjilexikon. Aber es hat ein unnötiges Farbdisplay und ein ebenso unnötiges Hamsterspiel… und man kann mich anrufen, unter der Nummer 090-7522-5780.

Jetzt frage mich aber bitte niemand nach der Vorwahl von Japan. Es handelt sich um ein Prepaid-Telefon mit leerer Karte, das heißt, ich kann damit aktiv gar nichts machen. Ich kann niemanden anrufen und niemandem eine C-Mail schreiben. Und das ist mir vollkommen gleich. Denn man kann mich anrufen und mir mitteilen, ob was Wichtiges anliegt. Ich plane nicht, irgendwelches Geld in ein Telefon zu investieren. Dafür sind die bis jetzt schon geplanten Ausgaben einfach zu hoch.

Ich treffe Marc und er legt mir dar, was für ein tolles Buch Kashima-sensei in seinem Unterricht behandelt. Generell muss jeder alles lesen, aber einige Seiten davon auch vorbereiten und nachher ein kurzes Referat halten. Das an sich ist aber nicht das Problem. Das Buch ist von einem japanischen Mathematik-Professor geschrieben, der darin den Niedergang der Lernfähigkeit bzw. der akademischen Fähigkeiten (Gakuryoku) der Japaner beklagt. Seine Forschungen erstrecken sich dabei über den Zeitraum von 1997 bis 2000. Er vergleicht japanische Studenten mit Austauschstudenten mit Hilfe von mathematischen Aufgaben (Leistungskursniveau), ohne in einer Silbe darauf einzugehen, woher diese ausländischen Studenten jeweils kommen und was sie und ihre japanischen Kommilitonen eigentlich studieren. Die einzigen angegebenen Kriterien sind japanische Studenten und Austauschstudenten. Und die Japaner schneiden dabei sehr schlecht ab. Dabei könnte es sich hier um den Versuch handeln, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, wie man so schön sagt. Denn wenn er sich eine beliebige Anzahl Japaner genommen hat, die allesamt Literatur studieren und auf der anderen Seite eine Reihe von Mathedoktoranten aus aller Herren Länder aufmarschieren ließ, wäre das Ergebnis kein Wunder.

Laut der berüchtigten PISA-Studie haben die japanischen Schüler im internationalen Vergleich doch gar nicht so schlecht abgeschnitten, als dass sie in ihrer nachfolgenden Studentenzeit bereits alles wieder vergessen haben könnten. Und das gerade in mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern. Ich wage einmal, das darauf zurückzuführen, dass das Auswendiglernen von Fakten in diesen Fachbereichen mehr Sinn macht, als in den sprachlichen Zweigen, wo man nicht auswendig lernen, sondern immer wieder anwenden muss, um das Können zu steigern. Mir drängt sich das Gefühl auf, dass hier der Versuch gemacht wurde, den Zustand der japanischen Bildung schlechter aussehen zu lassen, als er tatsächlich ist, um einen „korrigierenden Einfluss“ ausüben zu können. Unter den immer wachsamen Kräften, die um die Zukunft des Vaterlandes besorgt sind, gibt es bestimmt einige Personen, die sich dazu verleiten lassen, diesem ohne Zweifel übertriebenen Szenario Glauben zu schenken. Das Buch des Professors erschien im Jahre 2000, als im Bildungsministerium bereits die Pläne existierten, das Bildungswesen gründlich zu reformieren, also den Unterricht stellenweise um ein Drittel zu kürzen, um den Schülern mehr Zeit für sich zu verschaffen und damit den Stresslevel zu vermindern, und einige andere interessante Ansätze. Aber auf diese Punkte will ich hier nicht weiter eingehen.

Ich sehe mich im Internet nach dem Newtype 100%Neon Genesis Evangelion Artbook um, um festzustellen, in welcher Preisklasse ein neues Exemplar in Deutschland zu haben ist. Aha, der momentane Neupreis in Deutschland liegt zwischen 20 und 25 E. Für mein gebrauchtes Exemplar habe ich etwa 7 E bezahlt. Ich muss also davon ausgehen, dass mit einem Gewinn von mehr als 5 E nicht zu rechnen ist.

Die Dunkelheit nach Sonnenuntergang bringt eine weitere Verminderung der schon tagsüber kühlen Lufttemperatur mit sich. Es ist kalt, möchte ich sagen. Wir essen heute wieder im Kleintransporter, und die fette Ramensuppe scheint mir bei dem Wetter genau das Richtige zu sein. Bei allem Diätbestreben sollte man bei kalter Witterung im Winter doch hin und wieder etwas Fettes essen, um den „inneren Ofen“ am Brennen zu halten. Und ich rede von echtem Fett, nicht von Zeug, das nur fett macht. Das Stück Fleisch in meiner Suppe hat einen Durchmesser wie ein Stück Rollbraten und ist etwa so dick wie mein kleiner Finger, auch die Brühe hat Fettaugen. Ich glaube, ich hätte auch ohne Jacke den Rückweg antreten können, ohne die Kälte zu spüren…

7. November 2023

Freitag, 07.11.2003 – Ethik

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 8:43

Heute Morgen um 10:00 findet eine Sondervorlesung über „Ethik und Universität“ statt. Sawada-sensei hat uns mehrfach darauf hingewiesen, dass wir nicht bereuen würden, die zwei Stunden zu investieren. Ich bin also mal hingegangen, und außer mir finden sich in dem kleinen Saal zwei oder drei japanische Studenten, und drei weitere Leute, die ich aus dem Ryûgakusei Center kenne: Misi, Luba und Irena. Ansonsten: Lehrpersonal der Universität verschiedenen Alters. Die Vorlesung (oder eher: der Vortrag) wird gehalten von Professor Hinchcliff von der Universität Auckland, Neuseeland. Leider verspätet er sich etwas. Um die Zeit zu überbrücken, stellt sich Kuramata-sensei, der Leiter des Centers, nach vorne und redet die Zeit tot. Etwa fünf Minuten lang, mit den Unterbrechungen knapp zehn Minuten, bis der eigentliche Sprecher eintrifft. Professor Hinchcliff wirkt etwas gebrechlich. Er ist recht groß, steht leicht nach vorne gebeugt und die Hand, in der das Mikrofon hält, zittert ein wenig. Aber seine Stimme ist kräftig. Sawada-sensei übersetzt den Vortag ins Japanische.

Im Prinzip redet er darüber, dass Menschen in Führungspositionen eine besondere Verantwortung haben, weil sie Entscheidungen treffen, die mitunter das Leben anderer Menschen beeinflussen. Er wendet sich direkt an die anwesenden Studenten, als er darauf hinweist, dass man einen festen, aber flexiblen Satz von Werten braucht, wenn man das Miteinander harmonisch gestalten möchte, wenn wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen. Wenn die Wertvorstellungen verschiedener Leute kollidieren, muss man Schwerpunkte setzen und einen Kompromiss finden. Dazu ist es notwendig, Werte frei diskutieren zu können, anstatt sich hinter denselben zu verbarrikadieren und unumstößlich auf den eigenen Werten zu beharren, ohne die des Gegenübers auch nur in Betracht zu ziehen.

Im Prinzip hat er mir nichts erzählt, was mir nicht bereits vorher bewusst gewesen wäre, nur dass ich dieses Bewusstsein nicht ausformuliert habe. Nebenbei erwähnt er, dass das MIT (Massachusetts Institute of Technology) alle Vorlesungen frei erhältlich im Internet veröffentliche. Dadurch wird das Finden von Informationen natürlich unglaublich leicht, und das ist für Studenten nicht unerheblich. Andererseits lässt sich Plagiarismus, Ideenklau, auch schneller feststellen.

Nach Ende des Vortrags werden noch ein paar Fragen gestellt, von denen eine besonders heraussticht. Ein japanischer Herr zwei Reihen hinter mir fragt: „Verzeihen Sie bitte, dass meine Frage eigentlich nichts mit Moral und Ethik zu tun hat – aber ist es wahr, dass in Neuseeland mehr Schafe als Menschen leben?“ Hinchcliff gibt sich amüsiert. „Ja“, sagt er, „es gibt etwa zehnmal so viele Schafe wie Menschen in Neuseeland.“

Den Tag über passiert nichts aufregendes, und am Abend bin ich nur noch in die Bibliothek gegangen, um meine Post zu schreiben. Ich probiere bei der Gelegenheit den Drucker der Bibliothek aus. Man kann dort problemlos drucken, sogar in Farbe und in guter Qualität (wenn auch nicht in der Qualität des Laserdruckers in Trier), aber es gibt einen Zähler, und wenn ich den richtig interpretiere, kann man pro Semester (nur?) 100 Seiten umsonst drucken. Dann nehme ich meine Dokumente lieber mit ins Center, drucke dort so viel ich will und hebe mir den Bib-Drucker für Bilder auf… sollte ich auf verlockende Motive treffen.

6. November 2023

Donnerstag, 06.11.2003 – Die Straße gehört mir (?)

Filed under: Japan,Manga/Anime,My Life,Uni — 42317 @ 11:12

Das Ryûgakusei Center ist heute… aus irgendeinem Grund geschlossen. Also muss ich für das Schreiben meiner Post auf die Bibliothek ausweichen. Die Rechner dort sind mir auch viel sympathischer. Windows 2000 Professional ist mir von der Uni Trier vertraut, die Maschinen haben mehr als ein Gigahertz Frequenzleistung, sie fahren schnell hoch, haben keine unnötigen Sachen wie die ganzen Downloadprogramme und Chat-Anwendungen drauf, wie man sie im Center findet, sie laufen stabil. Der Nachteil gegenüber Trier wiederum ist, dass man den Desktop nicht individuell gestalten kann, die Einstellungen werden immer wieder gelöscht. Und in der Programmleiste verbleiben die Shortcuts ebenfalls nicht. Aber damit kann ich leben.

Interessanterweise kann man das Musikprogramm WinAmp installieren. Ich entdecke zwar Windows Media Player, Quicktime und Real Player vorinstalliert, aber ich finde das Internet-Radio-Angebot dieser Programme entweder etwas mager oder unverständlich, das heißt, ich komme mit der Einrichtung nicht klar. Also lieber WinAmp, damit kenne ich mich aus. Ich habe mal einen Kanal für Klassische Musik, einen für 80er Popmusik, einen für Trance, einen für Rock und zwei für Heavy Metal in die Playlist getan. Das deckt meinen ersten Bedarf ab. Alles Weitere kann ich später noch finden.

Aber meine Kamera ist immer noch voll. Ich hatte noch keine Gelegenheit, die Bilder zu übertragen. Entweder war die eine Maschine, die ich benutzen muss, belegt, oder aber das Center war geschlossen. Hoffentlich läuft mir bis dahin nichts vor die Linse, was ich vermissen würde, wenn ich es nicht fotografieren kann.1

Der Unterricht zum Thema Kulturgeschichte von Tsugaru fällt ebenfalls aus, also habe ich viel Zeit. Am heutigen Tag schreibe ich drei Berichte auf einmal. Leider dauert das ein paar Minuten länger als geschätzt. Um 15:10 bin ich fertig, jetzt hat die Michinoku Bank geschlossen, und ich habe meine Miete nicht wie geplant einzahlen können. Aber – keine Panik! – die Miete ist auch erst am Ende des Monats fällig. Ich möchte mich nur darum bemühen, das Geld so schnell wie möglich loszuwerden…

Nachdem ich auch mit meiner Post fertig bin, fahre ich in Richtung Stadtmitte, zum Naisu Dô. Dort kaufe ich endlich das Artbook der Anime-Serie Cutey Honey, das ich bereits vor einigen Tagen ins Auge gefasst hatte. Es ist relativ dünn, kostet aber 2000 Yen. Aber ein Original aus dem Jahr 1981 ist mir das wert. Auch wenn der Preis damals gerade mal 580 Yen war. 23 Jahre sind doch nicht schlecht für ein solches Buch.

Ich finde bei der Gelegenheit auch noch verschiedene andere Dinge, die mich interessieren, darunter auch Artbooks der Serien Galaxy Express, Queen Millenia (Königin der Tausend Jahre) und Queen Emeraldas. Und die haben zum Teil auch bereits ein gesegnetes Alter. Für ebenfalls 2000 Yen pro Stück. Damit will ich aber warten, bis das nächste Geld bei mir ankommt. Ich habe eine „eigene Ecke“ im Regal2 eingerichtet… ich muss also in zwei, drei Wochen nur noch in den Laden gehen und ins Regal greifen, um alles in der Hand zu haben, was ich brauche. Dreimal zwanzig Minuten lang suchen ist mir lieber als einmal eine Stunde lang das Regal zu durchsuchen. Hinterher tun mir immer Knie und Rücken weh, weil ich ja von der Höhe des Fußbodens aus bis auf über zwei Meter Höhe meine „Fühler“ ausstrecken muss.

Auf dem Weg nach Hause, es ist immer noch hell, fahre ich beinahe in eines dieser Familien-Großraumautos hinein. Der Streckenabschnitt ist leicht abschüssig, und 30 km/h bin ich bestimmt gefahren, als vor mir dieser Wagen auf einen Parkplatz einbiegt. Der Fahrer hat meine Geschwindigkeit wohl etwas unterschätzt oder sich erst gar nicht darum bemüht, einen Blick in meine Richtung zu werfen.

Die Bremsen beweisen, dass sie gut sind. Zehn Zentimeter vor der Beifahrertür kommt das Vorderrad zum stehen. Der Wagen fährt weiter auf den Parkplatz, mein Hinterrad hebt sich in die Höhe, und weil ich nicht auf der Straße einen Salto schlagen will, springe ich einen halben Meter nach vorne, also dahin, wo vor einer halben Sekunde noch das Auto im Weg war. Der Fahrer kümmert sich in keiner Weise um den Beinahe-Vorfall. Ich hole einmal tief Luft, um den kurzen Schrecken loszuwerden und fahre weiter. Ich sehe mich nicht genötigt, mit einem japanischen Autofahrer zu diskutieren. Dafür fehlen mir das Vokabular und die Nerven.

Zuhause stelle ich fest, dass Melanie nicht da ist. Eigentlich wollte sie doch Hausaufgaben machen? Dafür sieht der Schreibtisch aus wie die Miniausgabe des Schlachtfelds von Sewastopol – voll mit Krempel, den man zum Verpacken von niedlich aussehenden Paketen (Melanie-Stil) offenbar so braucht. Und das, was auf dem Schreibtisch keinen Platz mehr findet, liegt auf dem Boden. Aha. Aber wozu aufregen? Ich mache eine Flasche Boco auf und sehe mir Hamtarô an. Auf Japanisch kommt das gleich viel besser. Ist allerdings immer noch zu kindisch. Und (Aber?) dieses Titellied ist ein extremer Ohrwurm. Man bekommt die Melodie nicht mehr aus dem Kopf, tagelang übrigens. Bereits zuhause hatte ich mir das Lied aus dem Internet besorgt, aber bei dem, was jetzt läuft, handelt es sich um eine Art Remix. Das alte Titellied wurde mit ein paar Dancefloor-Rhythmen aufgepeppt und landet noch viel besser in der „Zwischenablage“ hinter dem Trommelfell. Ich glaube, sogar das Schlusslied von Atashinchi steht dahinter zurück.

Unser erster, in Japan gekaufter Sack Reis geht heute zu Ende. In einem Monat braucht man pro Person also etwa fünf Kilo. Natürlich würde der Reis länger halten, wenn wir morgens nichts davon essen würden, aber man gewöhnt sich schnell daran, am Morgen etwas Warmes zu essen. Vor allem, wenn es Reis ist. Wenn ich zuhause in Deutschland morgens etwas gegessen habe, war mir nachher erst einmal schlecht. Nicht so richtig speiübel, aber mir war nicht gut, bis etwa zur Mittagszeit. Reis dagegen ist sehr bekömmlich, stelle ich fest, und leicht verdaulich. Ich habe bereits erwähnt, dass man zwei Stunden, nachdem man sich damit vollgegessen hat, schon nicht mehr viel davon spürt.

Die Reispreise hier im Beny-Mart beginnen bei 2800 Yen (ca. 21 E). Der teuerste Sack, den ich bisher gesehen habe, kostet 5300 Yen (ca. 40 E). Ich erinnere daran, dass hier von 10-Kilo-Säcken die Rede ist, nicht von den günstigen 22,5-Kilo-Säcken für 17 E, mit denen ich bisher „gearbeitet“ habe, dank der freundlichen Unterstützung der Familie Hary und ihrem Asia Laden in Saarbrücken. Und der billige Reis, den ich in Deutschland bekommen habe, war „nur“ Bruchreis. Der Bruchreis ist zwar gut, hält aber keinem Vergleich mit dem japanischen Produkt stand. Trotzdem möchte ich hinzufügen, auch wenn ich mich wiederhole, dass Basmati der bisher beste Reis war, den ich gegessen habe. Japanischer Reis kommt nur auf Rang Zwei.

In der Heimat werde ich mir einen Reiskocher zulegen. Der Reis wird einfach um Klassen besser in einem Suihanki (Reiskocher). Es werden in Deutschland auch Varianten verkauft, wo man den Reis auf der Herdplatte in einem normalen Topf „ankocht“ und dann den Topf in ein wärmeisoliertes Styroporgefäß stellt, wo dann der Rest des Wassers den Reis so schonend garen soll. Meine Großmutter hat eine solche Vorrichtung (leider) gekauft. Vergesst diesen Schrott, kauft Euch einen echten Reiskocher. Ich werde es auch tun.

Und weil Reis sich so gut verdaut, könnte ich den ganzen Tag Reis essen, von früh bis spät. Ein Pott leer – den nächsten gleich aufgesetzt. Und man braucht nichts groß dazu, ich esse den Reis einfach mit Sojasoße, mit Furikake (getrockneter Geschmack aus der Tüte zum Überstreuen) und/oder mit Nori-Blättern, nach denen ich mich dieser Tage verzehre… im wahrsten Sinne des Wortes. Beinahe jedenfalls.

Heute ist Donnerstag, da läuft „TRICK“ im Fernsehen. Ich genieße die Serie jedes Mal aufs Neue.

Was TRICK auf jeden Fall hat, ist das „Scooby-Doo-Kernelement“, das da besagt, dass hinter allen mysteriösen Geschehnissen immer ein logisch erklärbarer Trick steckt. Kurz gesagt, ging es diesmal um eine Dame um die 40, die ein Museum um eine alte Statue erleichtern will. Sie verschwindet, indem sie mit ihrem Fächer einen „Schlitz“ („Suritto“ = engl. „Slit“) in die Luft malt und hineinsteigt. Sie sagt, auf diese Art und Weise blitzschnell an anderen Orten wieder erscheinen zu können, indem sie sich dieser „Warp-Möglichkeit“ bedient. Es kommt dann heraus, dass sie Spiegelfolie aufhängt und dahinter ein Drehrad mit irren Farben aufstellt, damit der Schlitz auch magisch aussieht. Sie war vor 20 Jahren eine bekannte Sprinterin gewesen und nutzt den Überraschungseffekt (ihres Verschwindens) aus, um zu dem Ort zu rennen, an dem sie „erscheinen“ möchte, möglichst mit Zeugen. Der von ihr verwendete Begriff „Schlitz“ ist übrigens auch eine Anspielung auf ihr Kleid, das ebenfalls einen solchen hat. Sie nutzt jede Gelegenheit, um so ihr Bein zu zeigen, sehr zur Freude der männlichen Charaktere, die so gebannt sind, dass sie alles andere vergessen… außerdem lacht sie auf eine Art und Weise, wie man es aus verschiedenen Anime kennt. Nicht ganz Naga, aber immerhin. (Insidergespräche, ich weiß…) Natürlich ist das alles etwas irrsinnig. Es kann ja nicht sein, dass sie nicht damit gerechnet hat, dass einer der Zeugen zum Ort ihres „Verschwindens“ laufen könnte, um nachzusehen. Die Stellwände für die Spiegelfolie und das neonfarbene Rad dahinter wären jedem Trottel sofort aufgefallen.

Interessant ist übrigens auch, dass die Serie sich ein wenig über Absolventen der Tôdai (der Tokyo Universität) lustig macht. Ueda und Yamada sehen sich immer wieder verfolgt von einem Inspektor der Polizei. Dessen Assistent ist ein solcher Tôdai-Absolvent. Das erwähnt er auch bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit (vor allem, wenn er sich jemandem vorstellt) und macht sich dementsprechend „beliebt“. Er wirkt eigentlich wie ein Clown. Der funny Sidekick. Das deckt sich ein wenig mit einer Aussage von Professor Vesterhoven, der irgendwann in den vergangenen drei Wochen am Rande einmal erwähnt hat, dass Absolventen der Tôdai nicht mehr so beliebt bei Arbeitgebern seien wie früher. Das hinge nicht damit zusammen, dass Japans elitärste Universität an Qualität verloren habe, sondern damit, dass sich ihre Absolventen für die besten und schönsten und klügsten Söhne und Töchter der Sonne auf dem Erdball hielten.

Und natürlich sollte man im Anschluss nicht Manhattan Love Story verpassen… 🙂

1 Es handelte sich um eine „billige“ Kamera für 160 Euro, die schon nach damaligen Verhältnissen sehr durchschnittlich war. Der interne Speicher umfasste ganze 16 MB, das reichte für 24 Bilder im Format 1024 x 768. Der Vorteil gegenüber einer analogen Kamera war, dass man Bilder löschen und noch einmal aufnehmen konnte.

2 Im Regal des Ladens, muss ich betonen, auf einer Höhe oberhalb des Blickfelds.

3. November 2023

Montag, 03.10.2003 – Das Geheimnis der japanischen Kraft

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 12:24

Heute ist ein lang erwarteter Tag. Strahlendes Wetter herrscht nicht gerade, aber es gibt mehr Sonne als Wolken. Ich gehe mit Melanie zur Uni, um dem Wettbewerb im Armdrücken zuzusehen. Und eigentlich nicht nur, um zuzusehen. Zuerst findet ja der Kampf der Clubs statt, und acht Clubs haben je drei Streiter an den Start geschickt. Darunter die Clubs für Aikidô, Kendô, Tennis, ein Club, dessen Bezeichnung ich nicht lesen kann, eine Gruppe namens „Free Wave“ und der „American Football Club“.

Einer von „Free Wave“ trägt ein Affenkostüm und scheint so besoffen, dass man ihn die Treppe zur Bühne hoch tragen muss. Der Kendô Club, in entsprechenden Trachten, wird dennoch von Free Wave weggefegt. Der Affe scheint mir nicht betrunken, wenn er am Pult steht. Er überrumpelt seinen Gegner innerhalb von nicht einmal zwei Sekunden, wankt dann aber wieder in den Hintergrund.

Weiterhin ist auffällig, dass einer der Clubs mit einem weiblichen Teilnehmer auftritt. Ich will nicht sexistisch sein, aber diese Entscheidung war nicht klug. Nicht bei dieser Konkurrenz. Sie geraten an den unleserlichen Club und verschwinden von der Bühne.1 Die Footballspieler machen im Halbfinale „Free Wave“ nieder und treffen im Finale auf den Club mit dem unleserlichen Namen. Zu meiner Überraschung verliert der Football Club. Die beiden besten Mannschaften erhalten Einkaufsgutscheine und eine kleine Urkunde.

Warum die Jungs vom Football Club verloren haben, ist mir optisch nicht ganz klar. Einer davon ist so groß wie ich, aber schmaler. Er sieht eigentlich normal aus. Die anderen beiden sind kleiner als ich. Der Typ mit dem Irokesenschnitt ist vielleicht 160 cm hoch, aber sehr stämmig. Und weil er aussagekräftig die Ärmel hochkrempelt, glaube ich, dass er nicht zu unterschätzen ist. Der dritte von denen ist vielleicht etwas mehr als 170 cm groß, aber bestimmt 30 kg schwerer als ich. Seine Unterarme allein sind beachtlich. Von dem unlesbaren Club ist nur einer auffällig, und das auch erst, wenn man zweimal hinsieht. Er trägt einen Pullover, aber man kann ahnen, dass einiges daruntersteckt.

Dann beginnt das Drücken der Freiwilligen. Um einen ersten Gegner zu haben, bleibt der Kapitän der Siegermannschaft auf der Bühne. Und wird vom erstbesten, der sich meldet, besiegt. Ohne große Probleme, und ohne, dass der Freiwillige sonderlich stark aussehen würde. Der Sieger bleibt jeweils auf dem Podest, der Besiegte darf ihm noch einmal die Hand schütteln und darf dann gehen.

Der 120-Kilo-Mann der Footballmannschaft wittert seine Chance, meldet sich noch einmal und macht den ersten Freiwilligen, quasi den Sieger über seinen eigenen Bezwinger, nieder. Es findet sich tatsächlich jemand, der gegen den Fleischberg antreten will, aber auch der wird besiegt. Die Organisatoren danken dem schweren Mann und schicken ihn von der Bühne. Mehr als zweimal hintereinander geht offenbar nicht.

Danach drücken noch verschiedene Leute, darunter auch zwei Westler (nicht „Wrestler“), die jedoch auch beide verlieren. Einem davon sieht man den Freeclimber an, aber dennoch findet er einen, der stärker ist als er. Außerdem will ich eigentlich gegen einen Japaner antreten. Schließlich findet sich einer und ich melde mich als Gegner. Mein Güte, was macht der ein Gesicht, als er mich die kleine Treppe hochkommen sieht!

Ausgangsstellung. Und losdrücken. Mir ist sofort klar, dass mit dem Mann hier fertig zu werden ist. Er ist kräftig, aber nicht stark. Allerdings weiß er das auch, und er hat was, das mir fehlt: eine Technik. Er dreht mein Handgelenk ein wenig im Uhrzeigersinn und zieht es zu sich hin, während mein Ellenbogengelenk auf dem gleichen Punkt fixiert bleibt. Dadurch wird mein Winkel an der Armbeuge größer und seiner kleiner. Bevor ich wirklich verstehe, wie hier gespielt wird, bin ich knapp 10 Sekunden später geschlagen – technischer KO. Ich habe keine große Anstrengung verspürt, aber mit ausgestrecktem Unterarm war da nicht viel zu machen. Das kratzt natürlich am Stolz. Aber man gewinnt nicht jeden Tag. Die erteilte Lehre in Sachen Technik merke ich mir für das nächste Mal, sollte es eines geben. Das „muss“ ich auch Alex erklären, der wissen wollte, wie es kommen konnte, dass er gerade wegen mir zwei Flaschen Bier bei einer Wette verloren hat.

Wir sehen noch eine Weile zu, gehen dann aber nach Hause, weil sich die Texte ja nicht von alleine lesen. Und diese theoretischen Texte über den Buddhismus sind stellenweise dermaßen langweilig, dass sich die Bibel wie ein Actiondrama liest.

Bevor ich einschlafe, bringe ich den Kreislauf in Wallung, indem ich noch einmal zum Golfplatz fahre und andere Bälle einsammle. Am Abend habe ich eine Tüte mit 49 Bällen im Schrank stehen… bloß… was mache ich jetzt damit?2

1 Aus gesammelter Erfahrung heraus muss ich allerdings hinzufügen, dass Japaner auch vieles deshalb tun, um „dabei zu sein“.

2 Der Großteil der Golfbälle verblieb letztlich in Japan. Die drei schönsten nahm ich mit, von denen ich wiederum einen vor einigen Jahren an eine Gruppe Kinder verschenkte.

1. November 2023

Samstag, 01.11.2003 – Ein Feeest, wo man Krüge leert…

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 9:50

Samstag – SailorMoon-Tag! Heute hat die liebe Ami Probleme, weil sie das Prinzip der Freundschaft noch nicht so recht verstanden hat. Daher kauft sie ein Buch mit dem Titel „Wie man wirklich Freunde gewinnt“, in dem zu lesen ist, dass man sich in punkto Interessen und Aktivitäten an seine Freunde anpassen soll (zumindest habe ich das so verstanden). In Folge dessen beteiligt sie sich an der Pyjama-Party bei Usagi, singt Karaoke und schminkt sich das Gesicht so zu, dass man die Haut nicht mehr sehen kann. (Machen Mädchen in dem Alter, um die 15, so was wirklich?) Das alles nimmt sie sehr mit, sie wird krank und deswegen von einem Yôma in arge Bedrängnis gebracht. Nephlyte hat sich als Opfer irgendeine Frau ausgesucht, weil diese einen ganz tollen Edelstein um den Hals trägt. Der Ort des Geschehens ist ein Museum, bei dem man am Eingang ein Namensschild erhält. Ob das einen tieferen Sinn hat, als gleich darauf für einen Gag zu sorgen, weiß ich nicht. Ich habe jedenfalls noch nie in einem Museum ein Namensschild bekommen.

Wie es der „Zufall“ will, hält auch Mamoru sich in dem Gebäude auf, und, wie sollte es anders sein, Usagi findet sein Namensschild auf dem Fußboden. Offenbar hat er es verloren. Sie liest den Namen, der draufsteht halblaut vor, interpretiert aber die Kanji falsch. Ich habe leider nicht mehr im Kopf, was sie gesagt hat. Natürlich taucht er in diesem Moment auf, nimmt ihr das Schild aus der Hand und sagt: „Das heißt Chiba Mamoru!“ Er nimmt ihr Schild, auf dem ihr Name, „Tsukino Usagi“, geschrieben steht („Usagi“ = „Hase“), und liest vor „Tsukino Ko-Buta“ („Ko-Buta“ = „Schweinchen“). Ich fand das lustig.

Und Für die nächste Episode wird Kino Makoto aka SailorJupiter angekündigt. Wai!

Die Charaktergestaltung von Aino Minako interessiert mich ebenfalls langsam immer mehr. Usagi, Rei und Ami singen ihr Lied „C’est la Vie“, an der Wand von Usagis Zimmer hängt ein Poster von Minako. Wie wollen die es jemals fertig bringen, diese Figur hinter Usagi zu stellen, ohne gewaltige Einschnitte an den Charaktereigenschaften vorzunehmen? Minako müsste sich sehr „blond“ benehmen (man verzeihe mir den Ausdruck), damit das klappt. Der Unterschied zwischen ihrem Bühnenimage, ihrem Alter Ego SailorVenus und der „eigentlichen“ Minako müsste dazu gar gewaltig ausfallen. Aber was soll das Mutmaßen? In wenigen Wochen weiß ich es ja doch.

Im Anschluss individualisiere ich mein neues, gebrauchtes Fahrrad. Zu diesem Zweck hat Melanie Klebeband im 100-Yen-Laden gekauft. Ähem… leider gab es diese Klebebänder nur als Dreierpack in den alten deutschen Reichsfarben Schwarz, Weiß, Rot. Mein Fahrrad sieht für den mitteleuropäischen Beobachter also reichlich nationalistisch aus. In Deutschland könnte ich mich damit nicht auf die Straße wagen, ohne in Gefahr zu laufen, von Antifa-Sympathisanten gesteinigt zu werden.

Im Fernsehen läuft eine Kochsendung, die ebenfalls etwas aus dem Rahmen fällt: Es kochen vier Personen: Drei junge Models („Apron Girls“ = „Schürzenmädchen“) und ein Profikoch. Die Jury besteht aus dem Moderator und der Komoderatorin, einem VIP und einem älteren Herrn, offenbar ebenfalls ein professioneller Koch. Ich habe schnell das Gefühl, dass hier gezielt Damen eingeladen werden, die überhaupt nicht kochen können.1

Die heutige Aufgabe: „Richten Sie innerhalb von dreißig Minuten ein Tanmen-Ramen an!“

Und am Ende erhält jeder der Juroren eine Schüssel Nudelsuppe. Und die Kommentare sind brutal. Und man stelle sich das Ganze noch mit ausführlicherer Wortwahl und entsprechender Mimik vor, wenn man ein schlechtes Essen serviert bekommt.
Bewertung Bewerberin 1:

Das ist kein Tanmen!“ (klingt wie „Das ist kein Jim Beam!“ auf Japanisch.)

Dieses Essen hat keine Schärfe, keinen Geschmack, kein gar nichts. Nicht gut.“

Bewertung Bewerberin 2:

Das ist Tanmen. Aber viel zu scharf! Nicht gut.“

Bewertung Bewerberin 3:

Es sieht lecker aus, aber… das ist auch kein Tanmen!“

(hustet, fasst sich an den Hals) „Meine Güte, ist das scharf! Das tut ja im Hals weh!“

Bewertung des Kochs:

Das ist Tanmen!“ Es folgt eine Reihe von Belobigungen.

Der Gaststar darf anschließend Bilder der Köchinnen auf eine Tafel kleben, um zu bewerten, wie hoch er ihre Kochkunst einschätzt. Das Bild der letzten Bewerberin trägt er nach draußen und legt es auf das Geländer der Treppe an der Laderampe… unterhalb der anderen beiden war kein Platz mehr, und weit weg von der Skala.

Am Mittag beginnt, lange erwartet, endlich das Kulturfest der Uni und um 14:00 die „International Festa“ des Ryûgakusei Centers. Zuvor, um 1300, treffen alle anderen Austauschstudenten ihre Gastfamilien, um sich ihnen vorzustellen. Ich habe das ja bereits hinter mir, also habe ich eine Stunde Zeit, mich umzusehen. Irgendwo höre ich eine mittelmäßig gut singende Metallica Coverband. Aber spielen tun sie wie in der guten, alten „Ride the Lightning“ Zeit. Auf dem Hauptplatz spielt schon wieder eine Punkband. Vielleicht ist es auch die gleiche wie beim letzten Mal. Zumindest spielen sie eine Art Punkrock, der nicht ganz so „punkig“ klingt wie das gestern.

Man findet vor allem viele Stände, wo man alles mögliche zu essen kaufen kann. Ich will jetzt im Einzelnen nicht darauf eingehen, und außerdem habe ich keinen Hunger. Ich gehe ins Mensagebäude, aber nicht zum essen. Dort ist eine der „Attraktionen“ aufgebaut – eine Art Gesundheitsprüfung. Die Studenten, die dafür verantwortlich sind, versorgen ihr Forschungsprojekt auf diese äußerst günstige Weise mit Testpersonen. Eigentlich interessiert mich nur der Apparat, mit dem man die Kraft der Unterarme messen kann. „51 kg Druck“ quetschen meine Hände also zusammen. Im Anschluss werden noch verschiedene andere Dinge getestet, z.B. die Reaktionszeit. Man muss eine Messlatte fangen und dann wird abgelesen, wie viele Zentimeter man verpasst hat. Dann soll ich mit geschlossenen Augen so lange wie möglich auf einem Bein stehen. Dann auf den Stuhl klettern und mit gestreckten Knien meine Fingerspitzen so weit wie möglich unter die Sitzfläche drücken.

Ich bekomme auch ein Pflaster auf den Arm gedrückt, das den Alkoholgehalt meiner Ausdünstungen messen soll, es stellt also fest, wie alkoholgewohnt ich bin. Natürlich gleich Null, weil ich in den vergangenen Wochen kaum Alkohol getrunken habe. Der nächste Test beinhaltet einen Stoffstreifen, auf den man beißen soll. Anhand der Verfärbung kann man eine Aussage über den allgemeinen Zustand der Zahnpflege machen. Auch im positiven Bereich. Den letzten Teststreifen soll man zwischen Zunge und Gaumen festklemmen, im Anschluss sagt die Verfärbung etwas aus über den Tabakkonsum der Testperson aus.

Sie rauchen durchschnittlich viel“, sagt der japanische Student.

Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht geraucht“, sage ich.

A… Are!?!“ („W… Wie!?!“). Er versteht sein Testverfahren und die Welt nicht mehr.2

Als letztes wird der Körperfettgehalt gemessen. Ich liege bei 22,5 %. „Sie haben… ein bisschen zu viel Fett“, sagt er diplomatisch. Ja, das weiß ich auch so. Anschließend überlasse ich meine Daten seiner Statistik. Eigentlich habe ich jetzt Anspruch auf ein Udon (Suppe mit dicken Nudeln) für 100 Yen, aber ich bin immer noch nicht hungrig und will auch vor meinem Auftritt nichts mehr essen. Ich verschiebe das Essen.

Die Zeit ist perfekt gelaufen. Ich brauche nur die Treppe hoch zu gehen, und bin in dem Saal, wo die Vorführungen stattfinden sollen. Eine Menge Leute sind bereits anwesend, über 100 Personen werden es wohl sein. Gleich zu Beginn ein altes Spiel: Die anwesenden Einheimischen erhalten Zettel und sollen sich auf Austauschstudenten stürzen, um deren E-Mail-Adressen und Namen zu erfahren. Die Schlange um mich herum ist lang. Ein Pullover von Heckler & Koch mag noch dezent sein (es weiß auch in Deutschland kaum jemand was mit den beiden roten Buchstaben anzufangen), aber meine kriegerisch gesprenkelten Hosen fallen offenbar sehr auf. Ich gebe meine Daten an Personen im Alter von 8 bis 80 Jahren weiter, aber mir ist sonnenklar, dass es an ein Wunder grenzen dürfte, wenn mir auch nur einer davon schreibt. Die Achtjährige salutiert. Ich bitte sie, das bitte nicht zu machen – diese Zeiten seien vorbei.

Die Koreaner beginnen die Show. SangSu drückt mir seine Kamera in die Hand und bittet mich, Fotos zu machen. Er fällt auch selbst wieder am meisten auf – durch mangelnde Koordination mit dem Rest der Gruppe. Er kommt immer wieder mal aus dem Takt. Er scheint in dieser Hinsicht unverbesserlich, man muss ihn einfach mögen.

Die Koreaner stellen kurz ihr Land vor, ihre Flagge, SungYi trägt ein traditionelles Kostüm, führt eine förmliche Begrüßung und Verabschiedung und die förmliche Sitzweise vor. Alle gemeinsam erklären dann kurz, wie die koreanische Schrift aussieht und wie diese aufgebaut ist.

Danach ist Slowenien dran, vertreten durch Irena. Sie ist so aufgeregt, dass sie die Hälfte von dem Text vergisst, den sie eigentlich sagen wollte, erfahre ich nachher von ihr. Dabei macht sie eigentlich einen sicheren Eindruck und ihr Japanisch ist gut. Aber dadurch wird der Vortrag auch wesentlich kürzer als bei den Proben.

Irena

Dann kommt Marc an die Reihe, in seinem Yukata (eine Art „Kimono Light“) und den viel zu kleinen Sandalen. Er redet kurz über deutsches Essen. Auch er verwendet dazu eine Powerpoint-Präsentation, die mit einem Beamer auf eine Leinwand projiziert wird. Er zeigt Gerichte aus einem deutschen Kochbuch, die ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen habe. Auch ihm merkt man die Aufregung an. Er redet ein wenig schnell, und die Fragen, die er dem Publikum eigentlich stellen will, hören sich eher an, als ob er sie einfach in den Raum stellt, weil er niemanden direkt anspricht. Hm… ich hätte keine Probleme damit gehabt, mir den erstbesten Japaner aus der ersten Reihe auf die Bühne zu holen. Die Frage, warum es in Hirosaki kein Apfelmus gibt, ist nämlich gar nicht uninteressant, denke ich, betrachtet man die großen Apfelplantagen.

Aber dann bin ich endlich dran. Meine Knie jedenfalls fühlen sich wie Apfelmus an. Ich stelle mich vor und meine mit Blick auf meine Hosen und meine Stiefel, dass das doch sicherlich ein wenig zum Fürchten wirke. Murmeln im Zuschauerraum. Aber dem könne man ja abhelfen. Ich drehe mich um und ziehe meinen Pullover aus – „Ore wa Otoko da wa…“ steht auf meinem Rücken. Es wird gelacht. Ich drehe mich wieder zu den Zuschauern hin. „Otokorashii…“ steht auf der Vorderseite, mit Herzchen verziert. Das rosa Hemd mit dem seltsamen Aufdruck verfehlt seine Wirkung nie.

Dann endlich sage ich, was ich eigentlich zu tun gedenke, nämlich das „Palästinalied“ von Walther von der Vogelweide zu singen. Leider mache ich dabei den Fehler, dass Vogelweide offenbar im 12. Deka-Millenium (im 1200. Jahrhundert) gelebt hat, anstatt im 12. Jahrhundert. Peinlich. Aber das passiert, wenn man schneller reden muss, als man denken kann. Ich rede noch ein bisschen mehr, aber ich kann mich nicht erinnern was, bis Sawada-sensei mir zuruft, ich solle (grob übersetzt) „mal in die Gänge kommen“, wie man bei der Bundeswehr so schön sagt. Natürlich hat sie sich höflicher ausgedrückt. Ich schalte das Mikrofon aus und drücke es ihr in die Hand. „Das brauche ich nicht.“ Sie schaut mich sehr ungläubig an. „Doch, wirklich“, bekräftige ich meine Absicht. Also gut, ich trällere los. Mit lauter Stimme. Ohne Fehler in Text und Ton. Auf Althochdeutsch.3 Ich verschwinde in einem Paralleluniversum ohne Bezug zu dem Ort, an dem mein Körper gerade steht. Am Ende danke ich für das Zuhören und gehe ab. Nachdem ich aus der Parallelwelt wieder zurückgekehrt bin, sagt Melanie, dass ich einen ganz tollen Applaus bekommen hätte. Ich kann mich nur nicht selbst daran erinnern…

Meine Stimme wird von verschiedenen anderen Leuten gelobt, und einige junge Damen attestieren mir anschließend, dass ich „kakkoii“ sei. Ich mache also eine coole Figur – ist das nicht toll?

Dann stellt Misi Ungarn vor und singt ebenfalls ein Lied, über den „ungarischen Way of Life“, wie er sagt. Mein Gott, das klingt so melancholisch, dass man die Ungarn eigentlich bedauern müsste. Es klingt irgendwie traurig, aber es hört sich gut an. Und ich hätte auch nicht gedacht, dass Ungarisch eine Sprache ist, die sich mehr nach den rauen kasachischen Steppen (wo die Ungarn offenbar in grauer Vorzeit herkamen) als nach dem gemütlichen Balaton (Plattensee) anhört.

Misi mit Unterstützung

Danach wiederholen die Neuseeländer ihr Maori-Spiel. Es läuft eine Musik, die jeden durchschnittlich gebildeten Menschen eher an Hawaii denken lässt, und die Teilnehmer (in Zweiergruppen auf dem Boden sitzend) werfen sich im Takt gegenseitig Holzstäbe zu, die so groß sind, wie etwa ein menschlicher Unterarm. Jeder hat zwei solche Stöcke in der Hand, schlägt sie mit dem oberen Ende zweimal links neben sich auf den Boden, zweimal rechts neben sich, wirft sie in die Luft, dass sie sich einmal überschlagen, dann schlägt man auf jeder Körperseite einen der Stäbe mit dem unteren Ende auf die Erde und dann wirft man sie dem Gegenüber zu. Das alles ebenfalls im Takt der Musik. Für mich eine Hochleistung an Koordination, denn die Stöcke dürfen nicht auf den Boden fallen.

Digital Camera

Heute tanzt auch FanFan wieder. Nicht mehr ganz so perfekt wie beim letzten Mal, aber dennoch schön anzusehen. Danach noch einmal vier Chinesinnen, die einen chinesischen Popsong singen. Wenn sie kein Mikrofon benutzt hätten, hätte man sie wahrscheinlich nicht gehört. Sie singen ein wenig unsicher, daher leise und anfällig für Tonfehler. Das Lampenfieber nimmt sie zu sehr in Anspruch. Sing like you mean it!

Die Krönung bilden die Thailänder. Die Damen haben in der Tat interessante Namen. Nim, Nan, Nun, Yong, Ii. Das sind natürlich Kürzel. Thailändische Namen in voller Länge tendieren dazu, wahre Monster zu sein, glaube ich. Auch sie stellen kurz ihr Land vor. Nun hat sich in ein traditionelles Kostüm geworfen und führt einen Tanz vor, mit jeweils einer Kerze (Teelicht) in jeder Hand. Sieht sehr ästhetisch aus.

Digital Camera

Melanie lässt von mir im Anschluss ein Bild machen, dass sie zusammen mit Nun zeigt (Nun und Nuhn auf einem Bild also), weil das Kostüm so schön aussieht. Zum Schluss tanzen dann alle Thais in der Gruppe, aber sie gehen runter ins Publikum und fordern Zuschauer dazu auf, mitzumachen. Ein wirklich interessanter Anblick. Ein kleiner Tanzkreis vor der Bühne und ein größerer in der Mitte des Raumes. Leider kann man ohne diesen Kontext auf meinem eigenen Foto nicht gut erkennen, was da gerade gemacht wird und warum ich es fotografiere…

Digital Camera

Ich unterhalte mich während der Zeit mit drei Oberschülerinnen, die aus reiner Neugier hergekommen sind und auch bereit waren, den Eintrittspreis von 500 Yen (also doch keine 1000) zu zahlen. Sie bleiben die ganze Zeit treu bei mir, während ich den Tisch vor mir von dem darauf aufgestellten Essen „säubere“. Eine Kiste Windbeutel habe ich bei der Gelegenheit wohl alleine gegessen, bis auf einen, der in der Handtasche einer Oberschülerin verschwindet.

Natürlich will ich ihre Meinung zum japanischen Schulwesen hören und erläutere die gängige Meinung in Deutschland. Sie könnten diese Meinung nicht teilen, sagen alle drei und finden eher lustig, was ich ihnen über die Meinung der Deutschen erzähle. Die Schule sei natürlich anspruchsvoll, aber auch „tanoshii“ (also zumindest „unterhaltsam“, bis hin zu „lustig“). Ihnen scheint die Sache Spaß zu machen. Wer nicht gerade auf eine Eliteuniversität wolle, habe bei weitem nicht so viel Stress, dass man sich deswegen gleich umbringen müsse.

Nach der Festa sehe ich mich noch ein wenig um, entdecke aber nichts spannendes mehr. Die Festa ist um 16:00 beendet – und der Rest vom Fest um 17:00. Dem entsprechend leer waren auch die Stände, wo es vor kurzem noch was zu essen gab. Ich hätte doch gerne mal das Takoyaki (gebratener Oktopus in Teigmantel) probiert. Obwohl ich eigentlich schon wieder gar keinen Hunger mehr habe.

1 Sie erhalten auch kein Rezept; es geht ausschließlich um Unterhaltung durch die Darstellung (realer) Unfähigkeit. Die jungen Damen wissen natürlich, was sie erwartet, was das Publikum von ihnen erwartet, und dass ihr Konzern von ihnen erwartet, den eigenen Verkaufswert zu steigern. Wegen dieses Prinzips werden in Japan auch grundsätzlich nur Stars und Sternchen in Fernsehsendungen eingeladen und nicht etwa Jens Jedermann oder Erika Mustermann, wie das u.a. in Deutschland üblich ist.

2 Wegen meines empfindlichen Magens habe ich ständig Belag auf der Zunge, der sich nicht wegbürsten lässt; das mag die Ursache der Verwirrung gewesen sein.

3 Grundlage für mein Stück war übrigens die Version von In Extremo.

30. Oktober 2023

Donnerstag, 30.10.2003 – Propaganda

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 10:40

Das Wetter wechselt zwischen sonnig und wolkig, dennoch ist es relativ kühl.

In diesen Tagen spielen öfters Bands in der Mittagspause auf dem Platz der Uni. Heute spielt eine Punkband auf der Bühne, die für das Fest vom 01. bis 03.11. aufgebaut wurde. Die Jungs sehen eigentlich nicht nach Punk aus. Sie scheinen mir eher aus einem Tarantino-Streifen entlaufen zu sein, mit ihren „Anzügen“ und Hemden.

Egal, die Musik hört sich nach Punk an, vielleicht auch nur nach dem, was japanische Studenten für Punkmusik halten, oder ich habe einfach keine Ahnung von dem Krempel und halte es alleine für Punkmusik. Hin oder her, ich würde solcherlei Aktionen in Trier begrüßen. Ein bisschen Musik oder Krach zur Mittagsstunde, wenn kein Unterricht stattfindet, kann doch nicht verkehrt sein.

Die Ideen von Mareike und Tanja werden immer seltsamer. Jetzt heißt es, sie wollten sich allgemein bei deutschen Projekten zurückhalten, weil sie nicht zu sehr mit Deutschen und anderen Austauschstudenten rumhängen wollten, sie wollten sich mehr um japanische Kontakte bemühen. Aha. Gut, ich habe zu Beginn, Ende September, etwas ganz ähnliches gesagt (und mich damit bei Ramona gleich „beliebt“ gemacht), aber ich persönlich habe so meine Zweifel, dass aus dem frommen Vorsatz der beiden viel wird. Ich erlebe ja selbst, dass die Dinge so werden, wie sie halt kommen und man trifft halt, wen man trifft, und sich absichtlich aus gemeinsamen Projekten heraus zu halten ist doch unsozial. Außerdem könnte man was verpassen. Erstens einmal ist Tanja im Moment gar nicht danach, länger als ein halbes Jahr zu bleiben (obwohl die beiden mit dem Berufsziel Übersetzer studieren!?), zweitens machen sich die beiden jedes Mal ins Hemd, wenn sie in Gefahr laufen, japanisch reden zu müssen, und drittens hat Tanja sogar Probleme damit, ohne Begleitung (= Mareike) nach Hause zu gehen.

Mareike und Melanie durchsuchten z.B. vor einigen Tagen die Kramkisten im Naisu Dô, ich wartete auf Melanie, und Tanja stand mehr oder minder gelangweilt in der Gegend rum, obwohl sie nichts Bestimmtes mehr vorhatte. Sie könne doch nach Hause gehen, wenn sie sich langweile. Nein, das wolle sie nicht alleine. Und dann wollen die mir erzählen, dass hinter der gemachten Erklärung viel Wille steckt? Nein, meine Damen. Ich glaube, die werden ebenso sprachbegabt wieder abreisen, wie sie angekommen sind.

Okay, ich bin ja auch nicht ohne sturen Egoismus und sperre mich gegen eine Mitarbeit bei dem neuen „Ode an die Freude“ Projekt. Ich will mein Lied nicht umsonst geübt haben. Ich werde Ramona und Luba gerne helfen, wenn ich vorbereitend etwas für sie tun kann, aber ich mache mein eigenes Ding, egal, was die beiden zu tun gedenken.

SangSu sorgt heute im Unterricht über Kultur und Geschichte von Tsugaru für Unterhaltung.

Kitahara-sensei: „Wann kamen die ersten Ausländer wohl nach Hirosaki?“

SangSu: „Vor vielen, vielen, vielen, vielen, vielen Jahren, habe ich gehört.“

Wieder hat er für Lacher gesorgt, der arme Kerl, aber ich mag ihn. Er bezieht sich mit seiner Antwort auf die ersten Menschen überhaupt, die, wohl so in der Steinzeit, als Siedler hier in diese Gegend kamen. Natürlich existierte Hirosaki damals nicht, und natürlich war die Frage nicht so gemeint, wie er sie verstanden hat. Kitahara-sensei meint „die ersten Ausländer“ im Sinne von Leuten, die nach dem Sturz des Shôgunats und der Öffnung des Landes anno 1868 nach Tsugaru kamen.

Nur zur Erklärung des Vokabulars:

Hirosaki“ ist die Stadt und auch der „Landkreis“, wo ich lebe und wo sich die Universität befindet.

Aomori-ken ist (verdeutscht) gewissermaßen das „Bundesland Aomori“.

Tsugaru“ ist der „Gau“, in dem sich Hirosaki befindet und der einen bedeutenden Teil des Westens von Aomori-Ken ausmacht. Der andere „Gau“ von Aomori ist Hachinohe.

Um 14:40 treffe ich Yui. Wir besprechen eigentlich nur ein paar Hausaufgaben, reden über den Text, wo es um die Farben des Regenbogens geht und über meine Eindrücke von der Familie Jin, so weit diese gestern anwesend war.

Den Regenbogentext findet sie ebenfalls etwas schwierig zu verstehen, weil abstrakt, und die Familie Jin bedenkt sie wegen meiner Schilderung des Applaudierens und der „furchtlosen“ Tochter belustigt mit dem Begriff „okashii“ („merkwürdig, seltsam, komisch“).

Wegen der anstehenden Wahlen in Japan am 09.11.2003 will ich noch ein paar Worte über Wahlwerbung verlieren: Die regierende Jimintô (Liberal-Demokratische Partei) hat einen Werbespot, in dem der Premierminister auftritt. Er sitzt auf einem Barhocker vor einem neutralen Hintergrund, steht dann bedeutungsvoll auf und sagt ein paar Worte (die ich nicht verstehe). Dabei läuft im Hintergrund eine Ballade von… X-Japan!? Mit eine der legendärsten Rockbands des Landes. Da läuft „Forever Love“ um genau zu sein. Ich wusste nicht, dass diese Band für ihren Patriotismus so bekannt war, dass die Regierung ihren Werbespot damit schmücken wollte. Vielleicht auch, weil die Band eben „X-Japan heißt.

Die Minshutô (Demokratische Partei) trägt ein wenig dicker auf. Der Kandidat, das heißt, sein Gesicht, wird in Großaufnahme gezeigt, und er sagt „Watashi wa – Nippon – ga suki desu!“ („Ich – mag – Japan!“). Mit angedeuteten kurzen Pausen von je etwa einer halben Sekunde. Zur Unterstreichung der Feierlichkeit läuft im Hintergrund… die „Ode an die Freude“. „Freude schöner Götterfunken“, hübsch mit deutschem Text, in einer Werbung für eine japanische Partei, deren Kandidat Japan liebt. Hätte er dann nicht lieber die eigene Nationalhymne nehmen sollen? Das sollte hier nicht so übertrieben wirken wie in Deutschland. Wenn bei uns einer sagt, „Ich liebe Deutschland!“, dann macht er sich ja gleich verdächtig, Nationalist, Rassist oder Antisemit zu sein. In dieser Reihenfolge. Eigentlich traurig.

Am Abend essen wir Yakiniku, um mal was anderes zu essen. Auch hier wird die Stimmung besser, nachdem wir uns als Deutsche entpuppt haben (und nicht als Amerikaner). Das Yakiniku ist wirklich gut. Ich bedauere nur, dass es so schnell kalt wird. Außerdem füllt es nicht so gut wie Ramen, weil beim Yakiniku nicht so viel Flüssigkeit dabei ist, die den Bauch füllt. Dennoch plane ich, auch hier die Speisekarte einmal komplett zu essen. Seit dem Beginn unserer „Ernährungsforschung“ macht Melanie Notizen, welches Essen wie gut war. Das könnte ebenfalls eine Hilfe für nachkommende deutsche Studenten sein.1

Da ich ja nicht hundertprozentig gesättigt bin, esse ich zuhause die erste Mikan meines Lebens.

Die Dinger sehen zwar ähnlich aus wie Mandarinen, sie sind außen und innen orange, aber es sind keine Mandarinen. Will man die Schale entfernen, kann man sie nicht einfach lösen, sondern man muss die Frucht schälen. Allerdings stelle ich fest, dass man die Schale mitessen kann, wenn man sie vorher sauber macht. Das Innere besteht auch nicht aus mehreren Spalten, sondern besteht aus einem ganzen Fruchtkörper. Das Fruchtfleisch kaut sich wie eine perfekt reife Birne – nicht zu hart, nicht zu weich. Der Geschmack kommt mir entfernt vertraut vor, aber ich kann ihn nicht definieren. Vor allem kann man davon noch mehr essen.

Habe ich bereits erwähnt, dass „TRICK“ eine einmalig irre und lustige Serie ist? Mystery und Komödie sind hier fast in Perfektion verschmolzen. Der Humor basiert in erster Linie auf Slapstick. An dieser Serie ist ein Anime verloren gegangen, aber vielleicht kommt der eines Tages auch noch. Es geht um Yamada (w) und Ueda (m), die zusammen irgendwelche mysteriösen Dinge aufklären, wobei mir die Motivation nicht ganz klar ist. Sie ist eine reichlich durchschnittliche Showmagierin und er ein halbwegs erfolgreicher Autor. Interessant ist, dass dabei alle möglichen Tricks (daher wohl der Name), wie man sie in Zaubershows sehen kann, aufgeklärt werden.

Ich glaube, Yamada ist wirklich eine lebende Animefigur. Sie sieht gut aus, sie ist gerissen (wenn es darum geht, sich den Lebensunterhalt zu verdienen, auch mit Schummeleien), sie ist oft genug schusselig, sie fällt von einer Sekunde auf die nächste in Tiefschlaf, auch wenn Ueda gerade was erklären möchte, sie liegt auf lustig verdrehte Art und Weise und schnarcht, wenn sie schläft.

Ueda dagegen ist ohne all das seltsam genug. Als beide von den Handlangern eines Gegenspielers eingefangen und gefesselt werden, sollen sie verbrannt werden. Sie bittet um ein paar letzte Worte und sagt zu Ueda (auf englisch): „Why don’t you just try and do your best!?… Why don’t you just try and do your best?!?“ („Warum versuchst Du’s nicht einfach und gibst Dein Bestes!?“), worauf er die Fesseln sprengt und plötzlich so vor Kraft strotzt, dass ihm sogar das Hemd wegfliegt. Und dann steht er da, mit seinem Kampfschrei, in einer Pose, mit nach vorne gestreckten Armen, die ich bei Bruce Lee schon mal gesehen habe. Ich bin beinahe vom Stuhl gefallen, weil ich so lachen musste.

Die Hauptdarstellerin heißt Nakama Yukie. Seinen Namen konnte ich mir, wie gewohnt, nicht merken. Mein Gedächtnis für Männernamen ist offenbar kürzer.2

Danach läuft auf dem nächsten Kanal (ich schreibe nie auf, auf welchem) „Manhattan Love Story“.

Ja, der Titel klingt für die meisten wohl reichlich abschreckend. Aber der Titel täuscht ein wenig.

„Manhattan“ ist der Name des Cafés/Bistros/Restaurants (in Tokyo gelegen), in dem ein Großteil der Handlung stattfindet. Die Charaktere sind Anwohner oder Angestellte der Gegend, die das Manhattan zu ihrem Stammlokal gemacht haben. Dabei geht es um die (zum Teil sexuellen) Beziehungen der Charaktere untereinander, wer wen mag oder nicht mag, welche Frau mit welchem Mann eine Beziehung hat und mit wie vielen Frauen dieser schrecklich rückgratlose Typ (kein geringerer als Theaterregisseur Matsuo Suzuki) geschlafen hat, obwohl er verheiratet ist. Klingt ernst. Ist es aber nicht. Der Pächter des Lokals fungiert die ganze Zeit über als Erzähler im Hintergrund. Er redet während einer Episode vielleicht zwei Sätze direkt, alles andere kommt aus dem Off. Der Mann arbeitet die ganze Zeit mit seiner Mimik, die seine Gedanken untermalt – und das kann er richtig gut. Im Hinterzimmer hat er eine Schiefertafel hängen, auf die er das Soziogramm seiner Kundschaft aufgemalt hat. Die Schiefertafel hat er unter einem Kalender versteckt, damit Shinobu, sein Angestellter, sie nicht findet.

Wer Gelegenheit hat, sollte sich das mal ansehen. Man kann auch diese Serie bestimmt irgendwo runterladen, per „Bittorrent“ oder mit einem ähnlichen Filesharing-Programm. Wahrscheinlich ist die Sache dann sogar untertitelt.

Es ist festzustellen, dass ich in Japan viel begeisterter fernsehe, als in Deutschland. Die TV-Serien sagen mir mehr zu, als zuhause, und der Anteil an Animeserien ist dabei nicht wirklich gestiegen… irgendwas machen die Japaner im Fernsehen besser, als Amerikaner – oder Deutsche, deren Serien man in den allermeisten Fällen in den Mülleimer treten kann.3

1 Fast 20 Jahre später waren diese Notizen eine Hilfe oder Inspiration für unsere japanische Freundin Kazu, die zwar in Hirosaki aufgewachsen ist, aber noch nie im Bunpuku gegessen hatte.

2 Sein Name ist Abe Hiroshi.

3 Mein Eindruck ist, dass Japaner ein besseres Händchen für Serien als für Filme haben, und dass Serien ohne Spezialeffekte die besseren sind.

21. Oktober 2023

Dienstag, 21.10.2003 – „Obiwan-sensei wa omae ni koto wo takusan oshiete-ageta!“ to iimasu ka?

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:45

(Das bedeutet: “Sagt man so (auf japanisch) Obiwan hat Dich viel gelehrt?”)

Ich stelle fest, dass Yamazaki-senseis Unterricht besser wird, in meiner subjektiven Wahrnehmung. Das gemeinsame Aufsagen von Sätzen lässt deutlich nach, es kann also nicht nur Gewöhnung sein. Dann kann ich die Angelegenheit viel entspannter angehen, wie mir Kashima-sensei das von Anfang an geraten hat.

Danach schreibe ich eine weitere Mail, die durch einen „Time-out Error“ in den Tiefen des WWW verschwindet. Interessanterweise rege ich mich nicht darüber auf. Shit happens, und vom Grollen bekommt man doch nur Magengeschwüre, frei nach der Richtlinie meines „alten“ Feldwebels Ingolf „Ingo“ Diete:

Schwarz, manche Dinge sind so beschissen, dass man wieder drüber lachen muss.“

Und der Mann hat viel gelacht. (Ich bitte um Vergebung wegen der unfeinen Sprache.)

Die Einführung in das Studium des Buddhismus ist weder spannend noch langweilig, liegt aber im interessanten Bereich. Das Ganze ist etwas rätselhaft. „Nichts ist für die Ewigkeit“ kann man eine der Grundregeln wohl paraphrasieren. Man wird wiedergeboren, aber es gibt gleichzeitig keine Seele, sondern nur Karma – also was genau wird da eigentlich wiedergeboren? So weit ich das verstehe, ist das Karma wie ein Register, in dem schlechte und gute Taten aufgelistet werden. Wenn ein Leben zu Ende geht und das nächste anfängt, bleibt man belastet von den vorhergehenden Leben. Die Wiedergeburten haben eine seltsame Hierarchie, denn man kann als Höllenwesen oder als Tier, als Mensch oder als Gott geboren werden. Was offenbar bedeutet, dass Götter sterblich sind. So weit interessant. Aber nur Menschen können zur Erleuchtung gelangen, durch eigenes Streben oder unter Anleitung eines Buddhas. Götter können das nicht, sie müssen erst als Menschen geboren werden.

Phillips ist kommende Woche nicht da, er hält einen Vortrag in Kanada, von daher kriegen wir 100 Seiten Papier zum Lesen, um uns mit der Geschichte und der Ideenwelt des Buddhismus vertraut zu machen. Dann bin ich ja mal gespannt, wie das war, mit der Mutter von Siddharta und dem weißen Elefanten…

Danach besorge ich mir mit Hilfe von Alex eine Kundenkarte für die „King Kong“ Videothek und stelle befriedigt fest, dass eine japanische Sprachversion von „Star Wars“ (Ep. IV-VI) existiert. Oh, und den „Terminator“ fasse ich bei der Gelegenheit ebenfalls in Auge.

Der Angestellte der Videothek redet so schnell, dass ich kaum verstehe, was er sagt. Mein Dank an Alex für seine Hilfe bei der Angelegenheit. Ein Tag Ausleihe kostet 180 Yen, zwei Tage 230 Yen, sofern es sich nicht um funkelnagelneue Filme handelt. Ob die Preisangaben auch DVDs einschließen, ist mir bislang nicht bekannt geworden. Und eigentlich ist es auch nicht interessant, weil ich keinen DVD-Player besitze und auch keinen hier anschaffen werde. Da die Videothek 24 Stunden lang geöffnet hat, scheint es also günstig, um zwei Minuten nach Mitternacht einen oder mehrere Filme auszuleihen, weil man dann mehr Zeit hat. Nett zu wissen, aber für mich nicht wirklich von Bedeutung.

Alex weist mich noch auf verschiedene Dinge hin, die von minderer oder größerer Bedeutung sein könnten. In einer der nahen Städte findet offenbar jährlich eine Art Roboter-Wettbewerb statt. Dazu kommen Kinder aus aller Welt nach Japan und bauen hier ihre Maschinen zusammen. Da die Kunden meist aus englischsprachigen Staaten anreisen, suchen die Veranstalter Dolmetscher. Alex empfiehlt also, sich dafür zu bewerben, weil man eine Woche lang in einem Drei-Sterne-Hotel wohnt, mit drei warmen Mahlzeiten am Tag und anderen Vergünstigungen. Und das Vokabular sei weitgehend auf den Umgang mit dem notwendigen Werkzeug beschränkt, und darauf, was die Kinder (und ihre Erziehungsberechtigten) so brauchen. Das interessiert mich natürlich sehr.

Zuletzt bemängelt er den mangelnden Zusammenhalt der Austauschstudenten, der dieses Jahr offenbar herrscht. Er sagt, im letzten Jahr habe es zwei Wochen gedauert, bis alle so dicke zusammen waren, dass man halbnackt (!) wilde und vor allem alkoholhaltige Partys im Wohnheim gefeiert habe. „Nach zwei oder drei Wochen Party haben wir uns eigentlich weitgehend wieder beruhigt – nur JP hat weitergemacht wie gehabt“ sagt Alex, und er bedauere nichts von alldem. Na, ich kann mir vorstellen, dass jemand wie JP (ein weiterer meiner Trierer Jahrgangskollegen) die notwendigen Eigenschaften besitzt, eine solche Gemeinschaft zu schaffen und auch zu erhalten. Eine solche Persönlichkeit ist in diesem Jahrgang nicht enthalten. So weit ich das sehe, sind die allermeisten der europäischen Austauschstudenten Nichtraucher und nur Gelegenheitstrinker.

Mein Eindruck ist bisher, dass keiner dabei ist, eine Party so richtig zum toben bringt. Mathieu, „der frische Franzose“, scheint mir am ehesten dafür geeignet, aber er teilt meine Ansicht, dass man den Mund halten sollte, wenn man nichts Sinnvolles zu sagen hat. Man muss eine Konversation erst aus ihm herausziehen. Ansonsten eine gesellige Natur, wie die meisten anderen auch, aber ein Party-Tier habe ich keines gefunden. Und irgendwie beruhigt mich das ein wenig. Wenn ich das recht verstehe, waren es nämlich diese kleinen Orgien im Internationalen Studentenheim, die dafür gesorgt haben, dass „öffentliche“ Partys um 22:00 einzustellen und in den privaten Bereich, in die lächerlich kleinen Zimmer, zu verlegen sind. Es wurde ausdrücklich verboten, außerhalb der nun sehr eng gefassten Regelungen im Kaikan zu feiern; der Eingangsbereich lade zwar dazu ein, er sei aber nur ein Ort für „zivilisierte“ Zusammenkünfte, wenn ich das mal so umschreiben darf. Den O-Ton von Ôta-san auf dem Hinweisschild habe ich nicht mehr im Kopf, aber darauf lief es hinaus.

Alex erklärt mir bei dieser Gelegenheit auch, was es mit den Shimoda Häusern auf sich hat, von denen ich ja eines bewohne. Nach seiner Schilderung ist Ikeda-san der Präsident der Firma, die diese Miethäuser verwaltet, aber die Häuser befinden sich im Besitz einer Dame mit Namen Shimoda. Jene Dame ist offenbar die reichste Person in der Umgebung, wahrscheinlich eine der reichsten Frauen Japans. Sie besitze mehrere dieser Miethäuser, drei Krankenhäuser und wohl auch eine Universität. Er gibt nicht genauer an, welche. Und jene Dame hat wohl ob ihres finanziellen Hintergrundes politische Ambitionen. Gerüchte (?) besagen, dass sie Präfekt (weibliche Form?) von Aomori-ken werden will. Für deutsche Ohren klingt das vielleicht nicht weiter seltsam, aber ich glaube, man kann die Gefühle der Japaner zu dieser Sache möglicherweise damit vergleichen, wenn in der Bundesrepublik Deutschland sich eine Frau für das Amt des Bundeskanzlers bewirbt. Und das vor dem Hintergrund, dass die Geschlechterrollen in Japan etwas rigider sind als in Deutschland.

Was ganz anderes „ereilt“ mich am Nachmittag. Ich habe meine Gastmutter kennen lernen dürfen. Sie heißt „Jin“ (das ist der Familienname), was sich schreibt wie „Kami“, also „Gott“. Wer Piccolo, diesen grünen Kerl aus der Serie „DragonBall“, kennt, weiß, wie man das schreibt, er trägt dieses Kanji auf seiner Tunika. „Dieu“ (frz.) wurde es bei uns untertitelt, wegen der Herkunft der Übersetzungsgrundlage. Ich bin also folglich demnächst Gast im Hause Gottes. Nun ja, das heißt, ich werde es am 29.10. sein. Oh, und diese Frau Jin sieht nicht aus, als sei sie bereits 44 Jahre alt.

Die Familie Jin hat aus diversen Gründen am 01.10. keine Zeit, die „International Festa“ zu besuchen, wo die Austauschstudenten eigentlich ihre Gastfamilien erst treffen sollen. Also bittet sie mich (und Sushanan, eine der Thailänderinnen, die ihr ebenfalls zugeteilt wurde) dafür um Verzeihung und lädt uns für den 29.10. zum Essen ein. Zum Sukiyaki, um genau zu sein. Ich habe keine Ahnung, was das ist, aber sie sagt, ich solle bei der Herstellung helfen, dann wisse ich sehr schnell, um was es sich dabei genau handele. Na ja, das geht schon in Ordnung.

Das Programm ist also eine Art Doppelaktion. Jede der teilnehmenden Familien erhält zwei Austauschstudenten zugeteilt, die sich möglichst in Herkunft und Geschlecht unterscheiden sollen. Hier also ein Deutscher und eine Thailänderin. Warum nicht. Auf den „Clash of Civilizations“ bin ich sehr gespannt. Von Jin-san habe ich einen sehr mütterlichen Eindruck. Sie ist mir auf den ersten Blick sympathisch. Dann erhalte ich ein Blatt, auf dem eine kurze Familienübersicht dargestellt ist. In dem Haus wohnen also das Ehepaar Jin, beide Mitte Vierzig, mit zwei Kindern (eine Tochter von 11 und ein Sohn von 14 Jahren) und den Großeltern, beide 74 Jahre alt. Leider haben die Namen keine Furigana (das sind Schriftzeichen, die mir sagen, wie man die Kanji des Namens zu lesen und auszusprechen hat), also kann ich nur raten. Außerdem wird man sich mir wahrscheinlich sowieso noch einmal vorstellen, wenn ich denn im Wohnzimmer stehe.

20. Oktober 2023

Montag, 20.10.2003 – Follow the yellow Brick Road

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 9:15

Montage erfordern kein frühes Aufstehen. Und interessanterweise gibt es nicht nur zwei Kneipen direkt vor der Uni und eine Sakebrauerei nördlich daneben, nein, die ersten beiden Stunden sind montags grundsätzlich frei!1 Kein Lehrangebot bis 10:20 Uhr! Zumindest für uns Austauschstudenten.

Ich lasse mir also Zeit und gehe erst um 08:30 ins Center. Mein erster Unterricht beginnt um 12:40, also habe ich vier Stunden Zeit, das reicht für zwei lange Berichte per Mail. Eigentlich. Aber das Schicksal (die Technik!) ist gegen mich. Der erste Rechner hat kein MS Word, beim nächsten Rechner ist es zerschossen (scheint eine Krankheit der XP-Rechner hier zu sein), der dritte stellt keine Netzverbindung her, der vierte stürzt ab, sobald ich etwas machen will, was komplizierter ist, als ihn einzuschalten, der fünfte mag den Drucker nicht (nicht installiert) und der letzte, den ich noch freiwillig ausprobiere, hat keine funktionierende Kabelverbindung zum Drucker. Immerhin kann man mit dem hier schreiben. Das Senden kann man auch später in den Zeitplan einschieben.

Bis 12:40 habe ich es dann immerhin geschafft, die Mail vom 10.10. zu verfassen und zu speichern.

Nach diesem Desaster erlebe ich meinen ersten Unterricht „Japanisch A3“.

Noch bin ich mir nicht ganz im Klaren, um was es da heute genau geht. Die erste Aufgabe ist gleich komisch:

Der japanische Regenbogen hat sieben Farben. Ist das in Deiner Heimat anders? Warum ist es anders?“

Ich verstehe nicht ganz, lese die Aufgabe noch einmal. Aber das ist, was da steht. Wir sollen in Gruppen die Regenbögen unserer Heimatländer diskutieren. Ich habe mir seit dem Kindergarten keine Gedanken mehr darüber gemacht, welche Farben der Regenbogen hat. Also versuche ich, die Sache logisch anzugehen.

Der Regenbogen in Japan hat also sieben Farben. Okay, damit kann ich leben.

Aber scheint nicht überall die gleiche Sonne?

Fällt nicht überall der gleiche Regen aus H2O?

Atmen wir nicht alle die gleiche Luft?

Mehr Faktoren für einen Regenbogen fallen mir nicht ein, vielleicht noch der Einstrahlungswinkel der Sonne? Japan liegt auf der Höhe des Mittelmeers, das sollte nicht so sehr anders sein.

Am Ende sind die Studenten sich einig. Der Regenbogen hat überall die gleichen Farben, es gibt keine Unterschiede. Und die Entscheidung ist einstimmig: Deutsche, Franzosen, Thailänder, Chinesen und Koreaner sind dieser Meinung. Der Lehrer und Japaner Yamazaki sagt aber, das sei nicht möglich. Er lacht und fragt, wie das sein könne? Ich lese in dem dazugehörigen Text herum und glaube zu erkennen, dass es darum geht, dass es in Japan viele konkrete Farbbegriffe gibt, die es ermöglichen, die Farben zu benennen und zu identifizieren. In Deutschland z.B. gibt es nicht so viele Begriffe für die einzelnen Farbtöne, die über die Hauptfarben definiert werden, denen sie ähneln, wie „Karmesinrot“ oder „Ultramarineblau“. Es gibt wohl eine Verbindung zwischen den Dingen, die man in einer Sprache ausdrücken kann und der Wahrnehmung, die man als Muttersprachler eben aufgrund der Begrifflichkeiten hat. Dinge, die keine Namen haben, für die es kein Wort gibt, existieren nicht, werden nicht als existent wahrgenommen. Auf gewisse Art und Weise ist das wohl wahr.

Aber eigentlich geht es um Textaufbau und nicht um Naturwissenschaft, Psycholinguistik oder Philosophie. Einfache Textstrukturen sollten an diesem Beispiel gezeigt werden, Einleitung, Hauptteil, Schluss. Das ist alles. Aber es ist auch alles, was ich an diesem Tag von den Ausführungen von Yamazaki-sensei verstehe. Er könnte ebenso gut Chinesisch reden. Für diesen Bereich fehlt mir doch deutlich das Vokabular. Ich empfinde diesen Zustand als sehr frustrierend. Der übrige Sprachunterricht geht. Die Quintessenz herauszuhören, ist machbar, also kann ich dem Unterricht folgen.

Aber der A3 von heute Morgen… hui. Der Text ist wirklich seltsam.

Die wichtigste Funktion eines Begriffs ist sein Zweck, Dinge zu identifizieren“ steht da. So weit, so gut. Den Satz, der mir am wenigsten sagte, übersetze ich grob mit „Wir denken an Freiheit und glauben zu sprechen.“ Wie bitte? Irgendwo muss ich einen Fehler gemacht haben. Ich muss einen Muttersprachler fragen, der auch Deutsch kann. „Fudan wareware wa, Jiyû no mono wo kangae, hanashite-iru to omotte-iru.“ Im Hinterkopf sehe ich bereits Shitaba-sensei mit seinem „Kontext!!“ Schild winken.2

Auch am Nachmittag will die Sache nicht ins Rollen kommen, was das Versenden von Mails betrifft. Der GMX-Server kann nicht gefunden werden. Von keinem der Rechner, den ich ausprobiere. Ist der Server offline? Der Multi-Terabyte-Server von GMX? Das wäre mal ein starkes Stück. Vielleicht stimmt aber auch etwas an der Leitung nach Deutschland nicht. Web.de ist erreichbar. Seltsam, seltsam. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu warten, bis ich wieder an mein Postfach komme.

Magenknurren. Ein bedeutender Bestandteil meines Daseins in Japan. Ich habe mir angewöhnt, am Morgen eine satte Portion Reis zu essen, aber Reis hat eine extrem kurze Halbwertzeit, und am frühen Nachmittag knurrt mir der Magen. Gegen 17:30 komme ich für gewöhnlich zum Essen. Nein, ich muss nicht hungern, um Himmels willen. Das darf man jetzt nicht falsch verstehen. Es ist nur so, dass ich nach dem Frühstück schnell wieder hungrig werde. Vielleicht hängt das mit dem Reis zusammen, vielleicht verbrauche ich vor lauter Stress auch mehr Kalorien.

Jedenfalls hat, weil heute Montag ist, mein Ramenlokal geschlossen. Aber auf dem Weg nach Hause gibt es eine Oden-Bude mit Vordach.

Digital Camera

Dort werden in erster Linie Fleischspieße gebraten. Also Yakiniku. Und die Spieße schmecken wirklich hervorragend, vor allem mit leerem Bauch. Schwein, Rind, Geflügel und Gemüse, und das über Holzkohle gebraten. Ich bezweifle, dass ein Elektrogrill das besser hinbekommt. Aber vor allem sind diese Dinger hier salzig! „Möchten Sie Salz?“ fragt mich die ältere Dame höflich. „Ja, bitte“ antworte ich, nichts ahnend. Dann wollen mir schier die Augen rausfallen angesichts der Salzmenge, die sie an den Spieß wirft. Man kann das Salz nachher vom Fleisch abklopfen. Ich muss also nächstens um „ein wenig Salz“ bitten.

Digital Camera

Außer den Spießen probiere ich auch noch das Oden (mit einem kurzen „o“ wie in „Stock“). Zumindest so weit ich das verstehe, handelt es sich um Oden, muss ich sagen. Da schwimmen seltsame Objekte in einer dunklen Brühe, und ich glaube zu verstehen, dass alles aus Fisch gemacht ist, obwohl es nicht im Geringsten nach Fisch riecht oder schmeckt. Oh, das Ei in der Brühe ist natürlich nicht aus Fisch. Das Stück Daikon (Riesenrettich) natürlich auch nicht. Aber beides ist gut. Ich gehe gesättigt aus dieser kulinarischen Erfahrung hervor und habe auch nicht mehr bezahlt, als wenn ich ein Ramen gegessen hätte. Da kann man öfters hingehen. Aber wegen des vielen Salzes werde ich heute Abend noch drei Tassen Kaffee trinken, um das Zeug wieder rauszuspülen (Kaffee entwässert den Körper, wenn man nicht daran gewöhnt ist).3

Im Fernsehen bringen die Nachrichten am Abend wieder Bilder von Verkehrsunfällen auf der Autobahn. Diesmal drei Tote. In den letzten Tagen verging kaum ein Tag, ohne Berichte über Unfälle mit Toten. Ich frage mich, wie viele Leute eigentlich jedes Jahr auf japanischen Straßen zu Tode kommen? Oder auch allein auf den Autobahnen, auf denen man doch nur 80 fahren darf!? Bringen diese Limits denn gar nichts? Es kann ja nicht sein, dass es hier derartig viele schlechte Autofahrer gibt… vielleicht gibt es auch einfach nicht viel, über das zu berichten sich lohnen würde.4

1 Es ist mir nach all den Jahren nicht mehr erinnerlich, was das eine mit dem anderen zu tun hatte.

2 Der japanische Satz enthält einen Fehler, vermutlich habe ich ihn falsch abgeschrieben. Es muss lauten „Fudan wareware wa, Jiyû ni mono wo kangae, hanashite-iru to omotte-iru“ ?????????????????????????????? und das bedeutet „Üblicherweise denken wir, dass wir frei denken und sprechen.“

3 Die Aussage, dass Kaffee entwässernd wirkt, ist mittlerweile wissenschaftlich widerlegt. Für mich persönlich gilt allerdings, dass warme Getränke schnell zu Harndrang führen.

4 In Deutschland wurden 2003 insgesamt 6613 Verkehrstote verzeichnet, das entspricht etwa 18 Menschen pro Tag. 2016 waren es laut WHO in Deutschland noch 3327 und in Japan noch 5224 im Jahr, also etwa 14 am Tag.

17. Oktober 2023

Freitag, 17.10.2003 – War da heute was?

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 9:41

Eigentlich war nichts los. Oder vielleicht waren es einfach zu viele kleine Dinge?

Ich versuche, das mal zusammenzufassen.

Am Morgen hat mein Schrottrad endlich Luft in die Reifen bekommen. Jetzt kann man bequemer damit fahren, aber wegen der Bremsen werde ich mir noch ein anderes suchen müssen. Zu gefährlich, muss ich einsehen.

Nach dem Unterricht werde ich von zwei einheimischen Studenten zu einem Interview gebeten. Sie erforschen die Unterschiede zwischen japanischen Sportarten und solchen woanders auf der Welt, und wie Sport in anderen Ländern empfunden wird, sei es als Schulsport oder als Vereinssport, welches die populärsten Sportarten in den jeweiligen Staaten sind und welchen Eindruck man dort von japanischem Sport hat.

Die Bibliothek habe ich mal flüchtig in Augenschein genommen. Irgendwie klein. Aber ich habe bestimmt nicht alles gesehen. Und da sehe ich etwa 20 öffentliche Rechner. Moment bitte – 20 Rechner für alle Studenten? Das muss ein Irrtum sein. Es kann sich doch nicht jeder einen Laptop leisten! Ich bin eher bereit zu glauben, dass die Bibliothek der Hirodai nur ein Stockwerk groß ist, als dass es außerhalb des Ryûgakusei Centers nur 20 Computer auf dem Campus gibt.

Sawada-sensei macht wiederholt und mit viel Freude auf das Internationale Fest am 01.11. aufmerksam. Vielleicht (offenbar) erhalte ich dort noch die Chance, meinen Vogelweide loszuwerden. Außerdem sollen wir dort unseren Gastfamilien vorgestellt werden. Auch hier handelt es sich um eine alkoholfreie Zwei-Stunden-Veranstaltung. Auf meine vorsichtige Anfrage hin erklärt mir Sawada-sensei, dass Alkohol auf dem Campus generell verboten sei und man nicht einmal privaten Alkohol mitbringen dürfe. Na denn prost. Aber das Fest findet eh um zwei Uhr nachmittags statt, da sollte man noch keinen Alkohol trinken. Vorführende erhalten kostenlosen Zutritt mit Verpflegung, während alle andern etwa einen Tausender zahlen müssen, um die Unkosten zu decken. Na, dann sing ich doch lieber. Außerdem ist vergessen werden schlimmer als der Tod.1 😉

Ich versende noch ein paar Bilder. Li SangSu, mein koreanischer Nachbar aus dem Erdgeschoss, dessen Name ich mir endlich merken kann, macht mir das Angebot, meine Bilder auf seinen Laptop zu laden und zu gegebener Zeit eine CD zu brennen. Ich komme bestimmt darauf zurück. Nett von ihm. Im Anschluss unterhalte ich mich noch ein wenig mit ihm und zweien der übrigen Koreaner. Die Unterhaltung wird ab und zu etwas chaotisch, weil das Japanisch von SangSu nur etwas besser ist als meines und er daher Jû, der schräg gegenüber von mir wohnt, fragen muss, was denn dies oder das heiße. Er solle es doch auf Englisch versuchen, sagt Jû, aber SangSu winkt ab. Jû lacht sich daraufhin fast tot (leise, aber heftig), zeigt auf SangSu und sagt zu mir: „Der hat zwei Jahre in Australien gelebt und kann immer noch kein Englisch!“ und SangSu sagt „Der behandelt mich dauernd wie einen Sklaven!“ Die sind lustig. Während des Gesprächs stelle ich auch fest, dass die anwesenden Koreaner die ganze Zeit dachten, Karl Marx sei ein Russe gewesen. Wohl wegen des Sowjetkommunismus. Und ich stelle fest, dass sie in Korea zwei Jahre lang Deutsch gelernt haben. In der Oberschule. Da bin ich doch platt. In der koreanischen Oberschule muss man zwei Fremdsprachen belegen und meine männlichen Nachbarn haben Englisch und Deutsch gelernt, und meine weibliche Nachbarin SongMin, sie wohnt in dem Apartment direkt gegenüber, hat wahrscheinlich (wie SangSu sagt, aber ich habe noch nicht gefragt) Unterricht in Französisch genossen. Die Sprache sei bei Schülerinnen beliebt. Die Jungs lernten lieber ein wenig Deutsch, weil Deutschland ein wirtschaftlich bedeutendes Land sei. Schön und gut, aber leider wissen sie nichts mehr davon. Sie können sich vorstellen und dem Gegenüber einen guten Tag wünschen. Aber ein Brot könnten sie wohl nicht mehr kaufen.

Wie dem auch sei, ich finde meine Nachbarn ganz umgänglich, im Gegensatz zu einer Darstellung aus den USA, von wo mir zugetragen wurde, dass Koreaner am liebsten den Tag und vor allem die Nächte mit feucht-fröhlichen und vor allem lauten Partys verbrächten. Jû sagt, dass er sich das in den USA durchaus vorstellen könne, wo es viele koreanische Studenten hinzieht, die eine gewisse Vorstellung vom „amerikanischen Traum“ und den Freiheiten dort haben. Studenten mit mehr Sinn für Disziplin gingen eher nach Japan oder Deutschland, sagt er.

Auf dem Weg nach Hause kaufe ich mir ein Glas Nescafe Instantkaffee und eine Flasche Sake aus „Sake ga nomeru zoeeeee“ Akita.2 Nur 1,8 Liter… wir wollen ja nicht übertreiben.3 🙂 Ich fange in der Preisskala unten an, die Flasche kostet ca. 1300 Yen. Wenn man hier übrigens von „Sake“ redet, dann verstehen Japaner darunter ganz allgemein ein „alkoholisches Getränk“. Das, was sonst wo auf der Welt als „Sake“ verkauft wird, heißt hier Nihonshû“. Grob übersetzt: „alkoholisches Getränk aus Japan. Ich warte also auf eine Gelegenheit, die Flasche zu öffnen. Heute hätte sich eine Gelegenheit bieten können, weil ich Misi die „Inkomplette Liste unhöflicher Begriffe“ (der englischen Sprache)4 vorführen wollte. Aber die Pappnase ist mal wieder nicht gekommen, also bleibt die Flasche vorerst zu.

1 Aus Final Fantasy IX, das ich nie gespielt habe.

2 Aus den Liedern des jap. Duos „Barracuda & Beethoven“

3 Es handelt sich hierbei um die gängigste Flaschengröße.

4 „The incomplete list of impolite words“ von Carl Douglas

15. Oktober 2023

Mittwoch, 15.10.2003 – Born to kill?

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 13:40

Na, so schlimm ist es nicht geworden. Aber der Japanischunterricht heute vernichtet meine gute Laune, die ich am Morgen noch hatte, durch Phrasenbeten als Gruppenaktivität. Ich erwäge, den Vorschlag zu machen, die Sätze aus den Hörübungen nicht mehr gemeinsam, sondern einzeln abhören zu lassen. Die Leistungsunterschiede in unserer Klasse treten dabei sicherlich deutlicher zu Tage. Es sind einige dabei, die die Sätze flüssig aufsagen können, und andere brauchen eine Weile. Auf momentane Art und Weise entsteht ein Mischmasch von Artikulationsgeräuschen, die doch niemand mehr als Sprache erkennen kann. Wie soll man da die Fehler des Einzelnen erkennen und bekämpfen? Ich halte das hiesige Procedere auch weiterhin für pädagogisch fragwürdig.1

Dann sollen wir einen Text lesen und verstehen. Okay. Ich glaube, ich weiß, was drin steht, aber mit dem Erklären könnte ich Probleme haben. Ogasawara-sensei möchte, dass wir den Inhalt noch einige Minuten später wiedergeben können, und zur Ablenkung spielen wir Jan-Ken-Pon. Dabei handelt es sich um ein Spiel, dass bei uns „Schere-Stein-Papier“ heißt. Jetzt kocht meine Galle aber! Ich akzeptiere, dass das Spiel hierzulande beliebt ist und von quasi allen Altersgruppen gespielt wird (aus den gleichen Gründen wie bei uns), aber ich habe das zuletzt gespielt, als ich noch halb so groß war wie heute, vor knapp 20 Jahren. Ich ordne „Schere-Stein-Papier“ sehr eindeutig dem Bereich „Kleinkinder“ zu, und dass ich das hier spielen soll, im Alter von 26 Jahren, bringt mich zur Weißglut. Ich überlege mir, ob ich ausweichend auf die Toilette gehen soll. Aber ich lasse es. Flucht ist kein gutes Mittel, um sich an Umstände zu gewöhnen, die man nicht mag. Also spiele ich Jan-Ken-Pon und versuche anschließend, in drei Sätzen zu erläutern, was in dem Text steht.

Wie es scheint, lebe ich noch. Und alle anderen in meinem Umfeld auch. Was auch immer kommt, es kann nur besser werden. Und ich werde besser damit fertig werden. Kashima-sensei hat mir gleich zu Beginn gesagt, dass ich am besten alles ganz entspannt angehen solle. Alles andere sei Unsinn und werde im Endeffekt nur Probleme bringen. Ich folge seinem Rat in verstärktem Maße. Das wiederum veranlasst Melanie dazu, mir mangelnde Arbeitsmotivation zu unterstellen. Das Problem sehe ich nicht. Ich mache die Arbeit, die man von mir erwartet. Sie arbeitet länger an den Kanji für die Tests, und ich freue mich, dass sie diese Ausdauer aufbringt – aber meine Testergebnisse sind ebenso gut und ebenso schlecht wie ihre. Also was soll’s? Ich fühle mich durchaus in der Lage, mein Arbeitspensum zu steigern, wenn es notwendig wird.

1 Yamazaki-sensei versicherte mir irgendwann, dass er in dieser Methode geübt genug sei, um Studenten mit Problemen heraushören zu können.

14. Oktober 2023

Dienstag, 14.10.2003 – Die Wahrheit ist irgendwo da draußen

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 13:47

Heute weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Am besten am Beginn des Tages.

Zuerst Unterricht bei Yamazaki-sensei. Diesmal ohne gemeinsames Phrasenwiederholen. Hat er den Unmut bemerkt? Wie auch immer. So gut gelaunt war ich nach einem Unterricht schon seit Wochen nicht mehr.

Danach folgt die erste Unterrichtseinheit „Einführung in das Studium des Buddhismus“. In dem Kurs sitzen zehn Leute. Der Dozent ist Professor John Phillips, und er musste nicht erst sagen, dass er Amerikaner ist – man sieht es ihm sofort an. Aber es ist auch nicht nur seine Ausstrahlung, ich fand vor allem diese übertrieben große Gürtelschnalle auffällig, auf der sein Name geschrieben steht. Der Mann ist eigentlich Spezialist für afrikanische Geschichte, genauer für die Haussa in Nigeria. Er spricht deren Sprache und auch Arabisch. Was macht der also in Japan? Japan sei ein Land, in dem Afrika keine „Geschichte“ hat, sondern nur „Anthropologie“. Und wie kommt er zu einem Seminar über Buddhismus? Er sagt, er interessiere sich für Religion im weitesten Sinne.

Man merkt allerdings schnell, dass er überhaupt kein Interesse daran hat, in Japan zu bleiben. Oder hatte: Er hat eine Familie hier. Hm. Vielleicht will er warten, bis sein Nachwuchs einen Schulabschluss hat? Wie dem auch sei. Er lebt bereits seit einigen Jahren in Japan, man sagt, er sei seit zehn Jahren hier, aber schreiben hat er nie gelernt. Als er z.B. „Daikoku“, eine Gottheit, die man mit den Kanji für „groß“ und „schwarz“ schreibt (??), vorstellen möchte, bittet er einen japanischen Teilnehmer, das zu schreiben. Unterrichtsvorbereitung? Mangelhaft. Wenn er japanische Begriffe in den Mund nimmt (die Bezeichnung ist ganz treffend), bluten meine Ohren. Sehr amerikanisch geprägt. Ein wirklich sympathischer Mann, aber irgendwie fehl am Platz.

Nach diesem Unterricht werde ich auf Anfrage endlich über das finanzielle Gebaren hier aufgeklärt. Mir wurde vor einigen Tagen eigentlich nur mitgeteilt, dass ich als AIEJ Stipendiat (das heißt, das Geld kommt aus dem Fond der Universität Hirosaki) nicht auf ein Bankkonto angewiesen sei. Melanie dagegen erhält ein staatliches Stipendium, und dafür braucht sie ein Konto und einen „Hanko“, eine Art Stempel, der als Unterschriftsersatz dient. Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass auch AIEJ Gelder auf ein Konto überwiesen würden, das erscheint mir ein normaler und ordentlicher Vorgang zu sein. Aber das war weit gefehlt. AIEJ Stipendiaten erhalten ihr Geld in bar! 80000 Yen, monatlich, in bar! Saitô-san, die zuständige Angestellte, spricht die Leute dann zu entsprechender Zeit an und bittet um eine Unterschrift, worauf man einen Umschlag mit dem Geld erhält, das einem zusteht. Wer hätte das gedacht? Niemand hat mich jemals darauf vorbereitet, dass es so was noch gibt. Jetzt bin ich seit mehr als zwei Wochen hier, ohne dass mir das jemand gesagt hätte, und auch in Trier hat mich niemand informiert. Aber ich kann mich auch nicht mehr erinnern, ob es in den Unterlagen zu lesen war, die ich erhalten habe. Das hätte mir auffallen müssen, aber ich erinnere mich nicht. Die entsprechenden Personen sollen das bitte nicht als Vorwurf auffassen. Ich war nur etwas fassungslos, dass Transaktionen von diesem Geldumfang in bar getätigt werden.

Dann aber fängt der Spaß so richtig an. Ich habe für meine Wohnung einen Versicherungsbetrag in Höhe von 7500 Yen gezahlt. Davon erstattet mir die Universität 2500 Yen zurück. Aber nur per Überweisung auf ein ordentliches Bankkonto! Ein Konto der Postbank, das ich für meine Nebenkostenüberweisungen eingerichtet habe, wird nicht akzeptiert. Ich will aber kein weiteres Konto eröffnen und kann durchsetzen, dass dieses Geld an Melanie überwiesen wird. Und dann kommt der nächste Scherz.

Die Regierung hat im Rahmen des Antiterrorpakets ein Gesetz erlassen, nach dem Banken keine automatischen Überweisungen (also Daueraufträge) für Personen ausführen dürfen, die weniger als sechs Monate in Japan wohnen. Das heißt, Melanie muss ihre Überweisungen „manuell“ machen, also die Rechnung zur Bank bringen und mit einem Formular das Geld überweisen. Nach sechs Monaten erst kann das Geld von den Firmen per Bankeinzug abgebucht werden. Für ein Bankkonto braucht man auch die „Alien Registration Card“ (die von Japanern vorgenommene Übersetzung für „Gaikokujin Tôroku Shômeisho“), die man erhält, wenn man als Ausländer für länger als 90 Tage in Japan lebt. Für ein Postbankkonto braucht man keine solche Karte, es könnte also damit zusammenhängen, dass die Postbank seltener akzeptiert wird. Aber die Postbank akzeptiert sofort automatische Überweisungen, ohne Wartezeit von sechs Monaten. Zum Glück akzeptieren die Gas- und Stromlieferanten die Postbank.

Später erfahre ich, dass aber die Krankenversicherung nur über eine „ordentliche“ Bank überwiesen werden kann. Na toll. Aber ich gehe mal davon aus, dass ich kein Konto dafür brauche, sondern eine Bareinzahlung tätigen kann. Zumindest habe ich die Hoffnung, dass das geht.

Am Abend gibt Melanie mir die Kundenkarte für den BeniMart, die sie unter Anleitung von Yumi, Marcs Freundin, angeschafft hat. Diese Karten tun folgendes: Zunächst einmal erhält man auf alles, was man kauft, 5 % Rabatt. Das ist nicht die Welt, aber es ist eben genau der Betrag der Konsumsteuer, die auf die Waren erhoben wird. Falls ich es noch nicht erwähnt habe, möchte ich an dieser Stelle einfügen, dass diese Steuer nicht in den aufgedruckten Warenpreis einfließt. Da stehen also z.B. 100 Yen auf dem Schild, aber an der Kasse bezahlt man dann 105. Die Kundenkarte revidiert das also. Und für jeweils 100 Yen Warenpreis erhält man einen Treuepunkt. Und einmal am Tag kann man an einen Automaten gehen und den Strichcode der Karte einlesen lassen. Daraufhin erscheinen die BeniMart Maskottchen (die „Beni-Rangers“) und man sucht einen aus, der dem Kunden eine zufällige Zahl von Punkten schenkt, im Bereich von 1 bis 5. Wenn man eine bestimmte Zahl von Punkten erkauft hat, bekommt man ein Guthaben gutgeschrieben, für das man dann umsonst einkaufen kann. Das ist nicht gerade umwerfend. Ich freue mich weit mehr über die 5 % Rabatt.1

Beni Mart

1 Nach meinem Abgang aus Hirosaki am 03. September 2004 blieb Melanie noch ein paar Tage vor Ihrer Reise nach Tokyo und lebte während dieser Zeit kostenlos von den angesammelten Punkten der vergangenen elf Monate. Die machen also durchaus Sinn.

9. Oktober 2023

Donnerstag, 09.10.2003 – Später Start

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 9:19

Heute also der erste Unterricht ab 08:40. Beim gefürchteten Yamazaki-sensei, von dem Marc wohl gehört hat, dass er tödlich langweilig sei. Aber so langweilig scheint er mir nicht. Meiner Meinung nach ein ganz sympathischer Kerl.

Yamazaki-sensei 2003

Wir starten mit Hörverstehen und simplen Kanji (verschiedene Lesungen der Zahlen). Dann aber bricht das Japanische System voll durch. Dieses hirnrissige Wiederholen von Phrasen aus der Übung im Gruppenrahmen verstößt eindeutig gegen Paragraph 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Ich fühle mich irgendwo bei „180“, wie man so schön sagt.

Dass die Chinesen allesamt besser sind als die Europäer, ist ja noch nicht einmal schlimm, weil nachvollziehbar. Und langweilig oder frustrierend ist Yamazaki auch nicht – aber er ist in pädagogischer Hinsicht voll und ganz Japaner. Nach dem Unterricht sollte man mich eine Weile nicht ansprechen. Meine Kommentare wären nicht sehr feinfühlig.

Dann ist Pause. Nach der Pause folgt die Einführungsveranstaltung für den Kurs „Kulturgeschichte von Tsugaru“. Auf dem Programm stehen Vorlesungen und Ausflüge. Das klingt doch prima. Die Dame, die die Vorlesungen zur Lokalgeschichte hält, Kitahara-sensei, ist offenbar eine Koryphäe auf dem Gebiet und beschäftigt sich außerdem mit der Geschichte der Frauen in dieser Gegend. Immerhin hat sie damit ein überschaubares Feld, weil Tsugaru erst zu Beginn des 17. Jh. besiedelt wurde.

Kitahara-sensei 2003

Nu ja. Sawada-sensei (habe ich erwähnt, dass sie gebürtige Neuseeländerin ist?) bietet uns für morgen eine interessante Gelegenheit, etwas zu erleben. Die Universität besitzt eine Abteilung für Pädagogik und Lehrerausbildung. Daher ist an die Universität ein Kindergarten, eine Grundschule und eine Mittelschule angeschlossen, wo man mit Erziehungsmethoden experimentiert. Im Prinzip eine Schule für Kinder von wohlhabenden und/oder avantgardistischen Eltern. Die zweite Klasse dieser Grundschule arbeitet an einem Projekt, in dem sie Ausländern Hirosaki vorstellen möchten, und zwar in englischer Sprache. Das muss ich erleben. Also trage ich mich in eine entsprechende Liste ein.

Des weiteren möchte ich an dem Gastfamilienprogramm teilnehmen. Wenn zuhause die Rede von solchen Dingen war, dann hatte das was mit „Homestay“ (Wohnen bei der Gastfamilie) zu tun, deshalb war ich da skeptisch. Aber dieses Programm hier ist etwas anders: „Home Visit“. Man füllt erst einmal (wie gewohnt) einen Zettel aus, auf dem man sich kurz vorstellt. Die Formulare gehen an eine Stelle, wo die entsprechenden Angaben von Gastfamilien vorliegen und man vergleicht die Daten. In etwa einem Monat ist die Zuteilung dann beendet und man kommt mit einer Gastfamilie zusammen. Dabei handelt es sich um einen lockeren Austausch. Man trifft sich dann und wann, tauscht Geschichten, Kochrezepte, Erfahrungen, usw. aus. Wenn ich schon einmal hier bin, möchte ich eine solche Gelegenheit nicht verpassen.

Am Abend, so gegen sieben, sitze ich im Ryûgakusei Center und werde kurz verwirrt. Eine ca. 150 cm große Koreanerin (sieht gut aus!) spricht mich an und fragt mich, ob ich im Kaikan (dem Internationalen Wohnheim) wohne.1 Nein, das tue ich leider nicht. Warum? Ihren Ausführungen in japanischer Sprache entnehme ich, dass sie sich fürchtet, im Dunkeln allein nach Hause zu gehen und sucht eine männliche Begleitung. Aha. Sie fragt ausgerechnet mich? Dabei sagen Leute, dass ich eher wie einer von denen aussehe, die im Dunkeln lauern… ich fühle mich geehrt. Wäre ich mit meiner Post fertig gewesen, hätte ich ihr zuliebe den Umweg gemacht, aber ich konnte sie in diesem Moment an jemand anderen verweisen, von dem ich wusste, dass er im Kaikan wohnt.

Später erzählt man mir, dass angeblich gerade Koreanerinnen ungern alleine im Dunkeln nach Hause gehen. Ich wusste nicht, dass Korea so ein übles Land ist. Die anderen Asiatinnen scheinen sich weniger Sorgen zu machen. Aber diese Angabe ist natürlich nicht repräsentativ. Die Chinesin neben mir zum Beispiel fürchtet sich nicht, wie sie sagt. Japan sei doch ein recht sicheres Land.

Ah ja?

Und dritter Dan Karate.

Ah ja!

Einige Minuten darauf treffe ich meine Nachbarn aus dem Shimoda Heights II Haus. Die sind ebenfalls aus Korea. SongMin (w), Jû (m) und noch einer (m), dessen Namen ich mir noch nicht merken kann…2 aber er sieht aus wie die asiatische Version von Thomas Stopp (dies nur für die, denen das was sagt).

Übrigens stelle ich mich gewöhnlich mit Vornamen vor, weil „Schwarz“ für Ostasiaten eine schwierige Vokabel ist. Sie brechen sich dabei die Zunge ab, wie mir scheint. Dann also lieber die einfache Silbenfolge anstatt der Konsonantenbündel.

Darüber hinaus glaube ich geringfügige Verbesserungen in meinem Japanisch festzustellen. Ich habe zwar nur eine unwesentliche Anzahl neuer Vokabeln gelernt, aber die, die ich kenne, fallen mir schneller ein.

1 MinJi. Sie wird später noch Erwähnung finden.

2 SangSu. Auch der wird einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

8. Oktober 2023

Mittwoch, 08.10.2003 – Der Auftakt

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 11:55

Der Tag beginnt mal wieder mit dem Waschen der Wäsche. Das Material von gestern ist dank Sonnenschein schon getrocknet, also kann die nächste Fuhre rollen. Mir kommt der Gedanke, dass ich bequem mit der Hälfte der Hosen und Hemden etc. hätte auskommen können, da ich sowieso andauernd waschen muss und daher auch ständig saubere Kleider vorhanden sind. Ich kann direkt aus der Maschine leben.

Heute will ich mit dem Sammeln der Lehrerstempel beginnen. Unter anderem will ich mal wieder etwas Sport treiben, kann ja nicht schaden. Aber Judo gibt es leider nur im Sommer, und der Rest von dem, was im Winter angeboten wird, wirkt nicht sehr anziehend. Aber es gibt auch einen Kurs für Badminton. Für Anfänger? Eigentlich bin ich keiner, aber ich habe auch seit etwa drei Jahren nicht mehr gespielt, also passt das schon. Dafür werde ich wohl Turnschuhe und einen Schläger brauchen. Aber mit ein wenig Glück kann man letzteres vielleicht leihen.

An dieser Stelle möchte ich Ricci danken, dass sie uns die „praxisorientierten Wörterbücher“ geschenkt hat. Sie sind in der Tat praktisch. Sehr nützlich. „Batterieladegerät“ habe ich darin allerdings auch nicht gefunden. ? Ich werde mir wohl so was kaufen, weil die Nichtauffindbarkeit eines „Hen’atsuki“, eines Umspanners, mir auf die Nerven geht. Oder ich investiere einfach mal in ein Gerät, das man für 230 V Haartrockner verwendet. Vielleicht geht es auch mit einem Haarschneider. Mehr als durchbrennen kann es ja nicht.

Am frühen Nachmittag stelle ich fest, dass ich meine ersten Kurse gleich schon mal verpasst habe. Es hing das Gerücht im Raum, die Kurse für Ryûgakusei, Austauschstudenten, würden erst am 20.10. beginnen. Das war eine Ente, eine Fehlmeldung. Wenn man den japanischen Merkzettel entschlüsselt, kann man darauf lesen, dass nicht die Kurse am 20.10. beginnen, sondern dass man seinen Stundenplan bis zum 20.10. abgegeben haben muss. Tolle Wurst. Das fängt ja gut an. Immerhin ist es noch früh genug, den Badminton-Kurs anzusehen. Er ist ausgelegt auf… vierzig Personen!?! Und ich glaube, etwa so viele stehen auch in der Halle rum. Also… nein, danke. Das ist mir zu viel. Wenn die Halle eine entsprechende Größe hätte, in Ordnung. Aber das hier ist mehr wie eine Sardinenbüchse. Ich lasse das mit dem Hallensport und bleibe bei Liegestützen und Klimmzügen (aber leider gibt es nicht allzu viele vertrauenswürdige Stangen und Rohre in meiner Umgebung).

Ich kann dann ja schon mal meine Bücher für die Japanischkurse kaufen…

Aha. Das Zeug ist also überall auf der Welt teuer. Mehr als 7000 Yen (zwischen 55 und 60 E) für die vier Bücher. Und es werden möglicherweise noch andere Kosten hinzukommen, je nachdem, ob ich für die anderen Kurse noch weitere Bücher brauche. So weit habe ich belegt:

  • Japanischkurse (A1, A2 und A3, insgesamt 10 Leistungspunkte)
  • Moderne japanische Novellen in englischer Übersetzung“ (2 Punkte)
  • Einführung in das Studium des Buddhismus“ (2 Punkte)
  • Moderne Kulturgeschichte von Tsugaru“ (das ist der „Gau“ hier) (2 Punkte)

Wieder verworfen habe ich „Interkulturelle Kommunikation“, weil der Kurs komplett in Japanisch gehalten wird. Und mehrseitige Arbeiten in japanischer Sprache wollte ich eigentlich noch nicht schreiben. Es werden auch angeboten „Techniques of Mathematics“, „Fundamentals of Chemistry“ und „Fundamentals of Polymer Science“. Das ist dann doch nicht so ganz mein Fachgebiet. Die politische Geschichte der Staaten Ost-Mitteleuropas ist auch nicht mein Ding. Und dann wäre da noch „Finanzwesen in Japan“. Na ja… die „Themen in der japanischen Gesellschaft“ hätten mich zwar interessiert, aber leider überschneidet sich dieser Kurs mit „Japanisch A3“. Da kann man nichts machen. Ich bleibe bei meiner Auswahl. Die bringt mir 16 akademische Leistungspunkte, und 14 brauche ich.

Auf dem Weg nach Hause gehen wir noch Ramen essen. „Käse-Ramen“ interessiert mich natürlich brennend, und ich werde nicht enttäuscht. Der Käse ist zwar nur ein Scheibenkäse, wie man ihn zum Beispiel von KRAFT bekommt, aber der Gesamtgeschmack ist umwerfend gut.

Da Melanie am Tag vorher ein SailorMoon Mal- oder Bastelbuch gefunden hat, zeigt sie mir den Laden, wo sie das gekauft hat. Eine Menge Manga stehen da rum, deren Titel mir nichts sagen und die ich mir auch nicht merken kann. Aber in einer Ecke stehen gebrauchte Artbooks und Fanmagazine rum. Und ich finde schnell was, das mich interessiert.

  • ein „Bubblegum Crash“ Artbook für 1300 Yen
  • ein „AirGun Magazin“ (aus dem goldenen Jahr 1997) für 1000 Yen

Das dicke „Akira Club“ Buch für 2800 Yen fasse ich ins Auge, will aber warten, bis ich mein erstes Geld erhalte. Vielleicht ist hier auch Material, das man via E-Bay verkaufen kann. Die Preise sind theoretisch nicht sonderlich hoch, aber die Versandkosten… wenn ich das richtig sehe, kostet ein 2kg-Paket etwas mehr als 2000 Yen. Aber Briefe sind nicht teuer. Ich muss feststellen, was es kostet, einen Umschlag von der Größe B4 zu versenden. Irgendwie müssen aber auch die Bücher, die ich für mich selbst kaufe, nach Deutschland kommen… ich werde mir ein Paket kaufen. Es gibt Reiskartons in einem passenden Format für 60 Yen. Ich packe also zwei Kilo rein und schicke es dann auf dem Landweg nach Hause.

Das „AirGun Magazin“ enthält eine schöne Sammlung von in Japan erhältlichen Luftdruckgewehren und -pistolen mit Zubehör. Originalgetreue Nachbildungen, nur bei genauerem Hinsehen vom Original zu unterscheiden. Dass man dieses (japanische) Magazin ungewöhnlicherweise von links nach rechts durchblättert (also wie zuhause), fällt mir erst nachher auf, als ich das „Bubblegum Crash“ Buch aufschlage – an der falschen, hintersten Seite. Die Preise für die Luftgewehre sind gesalzen. Einige Exemplare haben keine Preisauszeichnung, sondern die Angabe „Y ASK“. „Y“ steht für „Yen“, liest sich aber hier wie das englische „Why“. Durch die umgangssprachliche Mühle gedreht (ich will das jetzt nicht detailliert auswalzen), könnte man es übersetzen mit „Fragen Sie doch!“ („Why, ask!“). Das ist kein Witz! Auffällig an den Luftgewehren ist, dass sie kleine Plastikkugeln von Erbsengröße verschießen. Sie bleiben dann wahrscheinlich im Wald liegen und verrotten in vielleicht 10000 Jahren. Banzai! (Das ist ein Wortwitz durch Ambivalenz.) Der Müll wird peinlich getrennt, aber man ringt sich nicht zum nicht weniger billigen oder teuren Paintball durch, wo man Gelatinekugeln mit Lebensmittelfarbe verwendet, die nach zwei Jahren nicht mehr auffindbar sind. Durch das größere Kaliber würde aber wohl das realistische Aussehen leiden. Die nächstbilligeren Exemplare kosten mehr als 140000 Yen (ca. 1050 Euro), und die Preise gehen runter auf „wenige Tausend“ Yen, aber dafür bekommt man vielleicht noch eine Beretta oder eine Glock oder HK P8. Reichlich unerschwinglich. Also müssen die Bilder reichen. Vielleicht kann man mal an einem Spiel teilnehmen, zum Zuschauen oder mit Leihknarre. In einer Jahreszeit, in der es weder regnet noch schneit, heißt das. Wann ist das eigentlich?

Zuletzt habe ich heute ein Ladegerät für meine Batterien gekauft. Original Panasonic. Für diesen Namen zahle ich dann auch 3400 Yen. Und das Modell war nicht das teuerste. Es gibt Maxell Geräte der gleichen Bauart, die 4800 Yen kosten. Über diese Preise will ich mich aber nicht lange aufregen. Meine Kamera hat endlich wieder Energie und ich kann Fotos machen.

22. April 2011

Ackern im Garten

Filed under: Arbeitswelt,Spiele,Uni — 42317 @ 16:01

Meine Freundin hat also zu Beginn des Monats ihre eigene Magisterprüfung erfolgreich hinter sich gebracht, womit wir nun offiziell ein Akademikerpaar wären. Nur fühlen wir uns nicht so, und wie es aussieht, fühlt sich auch keiner zu akademischer Arbeit hingezogen.
Vorerst bedeutet dies jedoch, dass man nun vom Beginn einer geregelten Freizeit sprechen kann, in dem Sinne, dass es wieder Sinn macht, Spieltermine zu planen, ohne deswegen ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.
Ich habe Anfang April nach dreimonatigem Zurückhalten das “Battlestar Galactica” Brettspiel gekauft, und als Mitbringsel aus den USA haben wir einen Ableger des “FLUXX” Kartenspiels geschenkt bekommen, das könnte man alles mal in Angriff nehmen.

Die Zeit seitdem ist mit nicht wenig fernsehen verbracht worden, da wir natürlich, jeder für sich, eine Menge Zeug haben, dass sich im Laufe der Zeit angesammelt hat, aber nie angesehen werden konnte. Ich selbst habe mittlerweile ein paar Sachen zum ersten oder auch zum dritten Mal gesehen, und muss feststellen, dass die “Powerpuff Girls” Serie besser ist als “Dexter’s Lab”. Trotz diverser Schwächen in einigen der dargebotenen Geschichten sind die Genusshöhen von Bubbles, Blossom und Buttercup höher als die von Dexter.

Man soll aber nicht glauben, ich hätte nichts zu tun. Meine Chefin hat dieses Jahr, begünstigt durch das frühe sommerliche Wetter, mit der Neugestaltung ihres Gartens begonnen, eine Arbeit, die sich seit Jahren aus verschiedenen Gründen verzögert hat. Den Garten selbst haben wir im vergangenen Herbst bereits umgestaltet, und in den letzten vier Wochen ging es an die Anbauten des zum Garten gehörenden Häuschens.
Es handelte sich um einen Toilettenanbau und einen Lagerraum, die weg und durch etwas Neues ersetzt werden müssen. So gibt es ab demnächst einen neuen Lagerschuppen aus Stein anstatt aus Brettern und Dachpappe, und die neue Toilette wird mittels eines noch zu öffnenden Durchgangs mit dem Innenraum des Häuschens verbunden. Die Fläche, die übrig bleibt, soll als Brennholzlager dienen.
Den Aufbau der neuen Raumanordnung übernimmt der Bruder der Chefin, offiziell ein versierter Installateur mit Meistertitel, tatsächlich aber ein respektabel fähiger Allrounder im Handwerksbereich. Lediglich der Abriss und das Hin- und Herschleppen von Material übernahmen Leute wie ich.

Zwei Freunde von Halina wurden angeworben, um bei den Hilfsarbeiten zu helfen, und einen Großteil der ersten Mauer haben die zwei ohne mich abgerissen. Mangels technischem Gerät wurde und wird das mit dem Vorschlaghammer gemacht. Ich kam also für den zweiten Mauerteil an und hörte zu, wie sich die beiden über die Mühsamkeit der Aktion unterhielten – man muss dabei aber beachten, dass der Größere wegen eines Unfalls seinen rechten Arm nicht mehr voll einsetzen kann, außerdem ist er Diabetiker, und dass der Kleinere dürr wie ein Streichholz ist. Es kommt noch dazu, dass beide dauerarbeitslos sind und scheinbar in der Regel bis nach Mitternacht vorm Fernseher hängen und erst gegen Mittag aufstehen. Es ist also ganz klar, dass die von anstrengender Arbeit eine andere Vorstellung haben als ich. Ich sah mir den Rest der Mauer des ersten Schuppens kurz an (uralte Hohlblocksteine, lachlachlach) klopfte binnen 20 Minuten alles weg, und mir wurde gerade mal warm dabei. Abreißen macht Spaß, das wusste ich ja schon. Fünf Bauschuttschubkarren später war der Platz frei und die Ytongplatten für den Neubau konnten her.

Ich weiß natürlich nicht, wie eine ordentliche Ausbildung auf dem Bau aussieht, aber ich könnte mir vorstellen, dass man bereits in der ersten Woche beigebracht bekommt, wie man Steine stapelt – nämlich überlappend, damit sich die einzelnen Schichten gegenseitig stabilisieren.
Die beiden Helfer stapelten so, wie ihnen die Steine gerade in die Hand kamen. Ich erklärte es ihnen dreimal und zeigte es zweimal, aber der Große sagte, das solle ja nur ein paar Tage stehen, und es sei nicht davon auszugehen, dass sich ein Erdbeben ereigne. Der Haufen stehe stabil genug. Nach der Plackerei heute (die beiden hatten die Steine in den Hänger geladen) sei ihm das auch völlig egal.
Ja, mit solchen Sorgfaltsaufgaben ist es möglicherweise wie mit der Zockerei mit gefährlichen Wertpapieren: So lange alles gutgeht, sind alle glücklich, aber wenn es schiefläuft, ist das Geschrei groß (gerade weil es sich hierbei um die Art von “Stein” handelt, die man als Straßenkreide verwenden kann, das heißt die Blöcke sind anfällig für Sturzschäden). Ich gab also der Chefin darüber Bescheid – nicht um zu petzen, sondern wegen der militärischen Grundregel “Melden macht frei”: Das bedeutet, ich mache mich frei von der Verantwortung für diese Nachlässigkeit, indem ich den Handlungsbedarf an eine höhere Stelle abgebe.
Kurz: Die beiden haben weder die Disziplin noch die Energie, eine mittelmäßig anstrengende Arbeit über einen ganzen Arbeitstag durchzuhalten. Wo soll die Energie auch herkommen, wenn man alle halbe Stunde eine rauchen muss? Und “die ernähren sich ausschließlich von Pizza und Fastfood”, wurde mir gesagt. Sie sind ja keineswegs unsympathisch, nur zum Arbeiten sind sie nicht zu gebrauchen. Dabei sollte man doch annehmen, dass man sich wenigstens bei solchen Freundschaftsdiensten Mühe gibt?

Ein ähnliches Muster zeigte sich beim Abriss des zweiten Schuppenteils ein paar Tage später, das heißt eine Mauer von zwei mal zwei Metern, bei der es sich um Hohlblocksteine gemischt mit Ziegelsteinen handelte.
“Hm, mit (elektrischem) Meißelhammer dauert das wohl einen halben Tag. Mit Vorschlaghammer einen ganzen,” sagt der Große.
Soso.
Die meiste Zeit brauchte das Wegfahren des Schutts danach, die zweitmeiste Zeit das Leerräumen der Regale davor. Insgesamt dauerte die Aktion einen Nachmittag. Die Entfernung der Wand selbst brauchte 30 Minuten.

Das Freiräumen drumherum war allerdings mühselig, da sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte eine Menge Erde angesammelt hatte, und die musste abgetragen werden, um eine gerade Lagerfläche zu erhalten und um eine neue Mauer ziehen zu können, deren Vorgänger wohl vor langer Zeit einmal unter dem Einfluss der Erdmassen des höher liegenden Grundstücks dahinter und einiger Baumwurzeln eingestürzt war.
Hätte es sich nur um Erde gehandelt, wäre die Sache ja gut gewesen, aber zuerst zeigte sich, dass nicht geringe Mengen an grobem Schutt mit da lagen, dann entdeckten wir armdicke Wurzeln, und letztendlich legten wir ein kreisrundes Blech frei, in dem sich Erde, Bauschutt, und ein zusammengeknülltes Plastiknetz fanden. Was mochte das sein?

Leider handelte es sich nicht um das Versteck einer geplanten Altersversorgung des Vorbesitzers, sondern, wie einer der Nachbarn anmerkte, um die vermutlich erste Toilette, die das Häuschen irgendwann einmal erhalten hatte. Der viele Sandsteinschutt, der sich im Boden finde, sei außerdem damit zu erklären, dass der Hügel nach Mariahof hinauf, an dessen Fuß das Häuschen steht, am Ende und im Nachhinein des Kriegs als Abraumhalde verwendet worden sei. Wir wühlten also gerade in Kriegstrümmern.

Nach dem Freiräumen konnte die Estrichplatte des neuen Schuppens gegossen werden, und jedes Säckchen Estrich wiegt 40 Kilo. Eine knappe Tonne davon haben wir zur Verwendung für den Neubau vom Parkplatz herschleppen müssen.
Dass die Chefin oft günstiges Arbeitsmaterial einkauft, machte sich auch gleich im ersten Kübel bemerkbar, dessen Inhalt verrührt werden wollte: Der dafür vorgesehene Bohrer (mit aufgestecktem Quirl) signalisierte nach einer Minute mit stinkenden Rauchzeichen sein Ableben. Es musste also von Hand, beziehungsweise mit der Schaufel, gemischt werden. Der Kleine hatte wohl mal im Straßenbau gearbeitet, aber seine körperliche Leistungsfähigkeit reichte nicht aus, um den Estrich so anzurühren, dass das Endprodukt völlig durchfeuchtet war. Seufz. Also nahm ich mir die Schaufel und nahm mich des Problems an. Beim dritten Sack hatte ich die vor Jahren mal gelernte Technik wieder drin und es lief den Umständen gemäß ganz wunderbar, wobei der Kleine beim weniger fordernden Gießen und Glattstreichen gute Arbeit leistete.
Nebenbei lernte ich an dem Tag die Verwendungsfähigkeit von Malzbier als Energydrink zu schätzen, da der enthaltene Traubenzucker auftretende Energietiefs schnell überbrückte.

Ein anderer Nachbar der Gartenkolonie fiel mir übrigens weniger positiv auf, was nichts mit dem Umbau des Grundstücks zu tun hat, mich aber dennoch ärgerte, weil ich das Gefühl habe, dass man mich auf den Arm nehmen wollte.
Während ich den Schutt auf den Hänger lud, der am Vereinsheim der Kleingärtner bereitstand, rief mich der gerade mit Ausbesserungsarbeiten beschäftigte Eigner eines Häuschens (neben jenem Vereinsheim) an: Ob ich einen großen Winkel dabei hätte.
Ich überlegte kurz, was der meinen könnte, sagte dann aber, dass ich ihm leider nicht helfen könne. Anstatt dass er dann sowas sagt wie “Schade, dann halt nicht” oder “Okay, danke”, sah er mich weiter eindringlich an, als erwarte er, dass ich schnell einen “großen Winkel” für ihn stricke oder sowas. Ich ging also davon aus, dass er noch was sagen wollte, so sahen wir uns etwa zehn weitere Sekunden lang an, und als nichts kam, ging ich einfach wieder.
Als ich ein paar Minuten später mit der nächsten Schubkarre zurückkam, rief er mich wieder an: Ob ich einen großen Winkel gefunden hätte. Dass ich nicht darauf kam, was der von mir wollte, und dass er sich nicht klarer ausdrückte, frustrierte mich nicht wenig, und um nichts unfreundliches zu sagen (sollte ich ihm alternativ ein UTM-Gitter anbieten?), gab ich ihm per Körpersprache zu verstehen, dass ich keine Ahnung hatte, von was er redet und ließ ihn erneut stehen.

Nicht, dass ich meine Arbeit nicht mögen würde, aber so langsam ist es genug. Ich verlange doch schon nicht mehr, als ein Dach über dem Kopf und saubere Hände. Ist das zu viel verlangt? Wohl kaum. Aber so manchem potentiellen Arbeitgeber schmeckt vielleicht mein Generalistenstatus nicht, und da ich kein konkretes Tätigkeitsfeld außerhalb des universitären Elfenbeinturms gelernt habe, verstehen sie womöglich auch meine Motivation nicht, genau bei ihnen zu arbeiten.
Ist seinen Lebensunterhalt ohne fremde Hilfe bestreiten zu können, etwa kein Grund? Natürlich will kein Arbeitgeber hören, dass es mir völlig schnuppe ist, wo ich arbeite, so lange ich meine geringen Ansprüche erfüllt bekomme, also sollte ich diesen Gedanken unter Verschluss halten.

10. Februar 2011

MAGNA! CUM! LAUDE!

Filed under: Uni — 42317 @ 13:53

Wenige Monate nach meiner leidlichen Magistrierung hat ein Schulfreund sein Promotionsverfahren bestanden und ich hatte die Ehre und das Glück, zur Thesenverteidigung anwesend gewesen zu sein.

Der Vortrag fand in Homburg auf dem Campus der Uniklinik statt, und hingefahren bin ich mit dem Rheinland-Pfalz-Ticket der Deutschen Bahn, das es für 21 E erlaubt, am Tag des Erwerbs innerhalb von Rheinland-Pfalz und des Saarlandes alle Nahverkehrszüge zu benutzen. Wenn man bedenkt, dass eine gewöhnliche Fahrkarte nach Saarbrücken schon 15,80 E kostet, muss man das als Schnäppchen bezeichnen. Das Dumme ist halt, dass ich ein solches Ticket nicht für meine Besuche der Großeltern (mit dem oft eingeschobenen Spielnachmittag und -abend) verwenden kann, weil es nur am Erwerbstag gültig ist.

Ohne Wartezeit wechselte ich in Saarbrücken den Zug und befand mich zwei Stunden vor Beginn der Veranstaltung im sonnigen, aber auch zugigen und eisig kalten Homburg, wo, im Unterschied zu Trier, stellenweise auf Grünflächen noch Schnee lag. Hätte ich einen späteren Zug genommen, die im Zweistundentakt fahren, hätte ich jedenfalls nicht pünktlich erscheinen können. Ich “freue” mich ja immer, wenn ich im öffentlichen Verkehr maximale Wartezeiten raushole.
Die halbe Stunde Fußmarsch vom Bahnhof zum Campus schlug immerhin etwas Zeit tot, und mit Ausnahme meines Gesichts war mir eigentlich recht warm wegen der Bewegung. Dazu kamen noch zwanzig Minuten, die ich an der Uniklinik brauchte, um das Gebäude zu finden, weil mich zwar ein erstes Schild hinter der Hauptzufahrt in die richtige Richtung wies, auf den danach folgenden Hinweisschildern dagegen das Gebäude Nr. 61 aber nicht mehr angegeben war. Ich ging also einmal zurück zum ersten Schild, um sicherzugehen, dass ich nichts übersehen hatte.

Ich hatte noch knapp mehr als eine Stunde Zeit, als ich endlich das Gebäude und darinnen den richtigen Hörsaal gefunden hatte. Ich las in einer Einführung in die Geschichte der menschlichen “Horizonterweiterungen” von Asimov (Exploring the Earth and the Cosmos, 1982) und hörte nebenher eine Darlegung über irgendwelche Viren von zwei Studenten fünf Meter weiter, die wohl eine Prüfung vorbereiteten.

Um 1555 saß ich dann im Hörsaal. Abgesehen von den vier Prüfern befanden sich noch etwa ein Dutzend weiterer Zuhörer im Raum, zum Großteil seine Studienkollegen, aber auch seine Frau und der Sänger seiner Band, der mit mir der einzige im Raum war, der weder Computer- noch Naturwissenschaften studiert hatte.

Der Vortrag hatte keinen unkomplizierteren Titel als
“Development of a System for Optical High-Resolution Screening of Primary Cultured Cells”.
Ich kann nicht behaupten, einen Großteil der Ausführungen wirklich verstanden zu haben, aber immerhin erlaubte mir meine Allgemeinbildung, die Grundlagen über die Funktionen des Herzmuskels und von Zellen allgemein nachvollziehen zu können.

Es würde mir also schwerfallen, an dieser Stelle ein Protokoll zu verfassen, in dem es um eine automatische Versuchseinheit mit Muskelzellen in Nährlösung, um wechselnde Polarität von Reizstrom, und um ölabweisende (“oleophobe”) Folien geht, die es erlauben, die Versuchsanordnung mittels einer darunter angebrachten Kamera, auf deren Linse ein Öltropfen schwimmt, zu filmen. Ich betone also, dass ich mich auf das beschränken muss, was mir auffallen konnte, und was in meinen verschwommenen Kompetenzbereich passte.

Bei all der Biologie ging nach meinem Ermessen beinahe ein bisschen unter, dass es in erster Linie gar nicht um Biologie, sondern um Informatik, das heißt um die Programmierung der Versuchssteuerung, und die verwendete Hardware ging.
Faszinierend war jedoch eindeutig die ölabweisende Folie (die für eine Anwendung in Olivenölflaschen wohl noch ein wenig unerschwinglich ist), und die Tatsache, dass erstmals viele kleine Behälter mit Nährflüssigkeit und Zellen verwendet wurden, anstatt eines (relativ) großen.

Ich kann die Gründe nur erraten, warum die Dissertation in englischer Sprache verfasst wurde. Ich nehme an, das dies damit zusammenhängt, dass so die Wissensvermittlung zwischen Saarbrücken und Yale (nur ein spontanes Beispiel) einfacher wird, wo doch die hochgebildete Akademikerkaste der USA für den Großteil wissenschaftlicher Publikationen auf diesem Planeten verantwortlich ist.
In Anlehnung daran wurde auch der Vortrag in englischer Sprache gehalten. Der einzige ernstzunehmende Grund, den ich mir dafür vorstellen kann, in Abwesenheit englischer Muttersprachler zumindest unter den Prüfern, ist, dass man dann einfach im Vokabular der Arbeit plaudern kann, ohne sich die Mühe machen zu müssen, sich auch noch die deutsche Terminologie anzueignen. Das ist nicht schlimm, ich habe das auch schon gemacht, damals zum spontan-unwirschen Unmut meiner späteren und aktuellen Freundin.

Wie dem auch sei, die Form des Vortrags war sehr gut, mit Stichpunkten und Bildern aus dem Beamer, die man auch in der letzten Reihe noch hervorragend sehen konnte, und einer schematischen Darstellung des Verfahrens, wie man Zellen, die nebeneinander oder übereinander liegen, als separate Zellen erkennt. Nur das Hören machte hier und da Probleme, weil kein Mikrofon verwendet wurde (und ich frage mich, ob der kleine Hörsaal überhaupt eine Soundanlage hat). Von mir jedenfalls eine “1-” für die Form, das heißt “sehr gut mit kleinen Einschränkungen” wegen der grenzwertigen Lautstärke.
“1-” auch für “display of prowess”. Er schien nur an zwei Stellen, und das waren Rückfragen, kurz unsicher zu werden, zeigte im Großen und Ganzen aber Selbstbewusstsein und genug Gelassenheit, um auch mal zu sagen, dass die Frage zum aktuellen Zeitpunkt und Forschungsstand nicht beantwortet werden könne. Das klingt vielleicht nicht weiter bedeutend, aber viele Prüflinge (zumindest meiner akademischen Stufe) fangen bei Fragen, die sie nicht beantworten können, an, um den heißen Brei herum zu reden, um zum einen das Nichtwissen zu verbergen, und zum anderen in der Hoffnung, durch das bewusste “Wiederkäuen” des vorhandenen Wissens vielleicht noch eine wenigstens halbwegs befriedigende Antwort zu finden.
Nein, ich glaube, das macht einen schlechteren Eindruck, als einfach zu sagen, dass man die Antwort nicht weiß (vielleicht auch nicht wissen kann), und zum nächsten Punkt überzugehen.

Das Englisch hatte Akzent, folgte aber korrekten Betonungsmustern und das Fachvokabular saß beeindruckend gut. Nur ein Detail im allgemeinen Vokabular fiel auf: Er meinte “Rede, Ansprache, Vortrag” und sagte “talk”. Das ist nicht falsch (und der Biologiegelehrte unter den Prüfern verwendete das Wort ebenfalls in dieser Bedeutung), aber nach meinem Sprachgefühl hätte an dieser Stelle der Begriff “presentation” mit weitaus höherer Wahrscheinlichkeit gepasst.
Das ist natürlich Korinthenkackerei. Ganz eindeutig sogar. Aber ich sagte ja, dass ich mich auf solche Punkte beschränken muss, die ich beurteilen kann.

Der Vortrag dauerte nur eine halbe Stunde, danach stellten die Prüfer noch 30 weitere Minuten lang Fragen, wobei der Biologe der fleißigste war – interessanterweise war mir dies vor ein paar Monaten genauso vorhergesagt worden, was bedeutet, dass die gewählte Optimierung der Vorbereitungsstrategie, anders als die schriftliche Arbeit mit mehr biologischem Fokus, tatsächlich wie der Schlüssel ins Schloss passte. Ebenfalls beeindruckend.

Nach kurzer Beratung vor dem Saal verkündeten die Prüfer das Ergebnis:
“Summa cum laude” (“mit größtem Lob”) für den Vortrag, “Magna cum Laude” (“mit großem Lob”) für die Dissertation, wegen der Gewichtung zu Gunsten der schriftlichen Arbeit insgesamt “Magna cum Laude”.

Einer Tradition der Fakultät folgend muss ein Doktorand seinen Talar selbst schneidern, und die Studienkollegen verewigen sich stickenderweise auf dem Rücken. Dazu erhielt er einen vorläufigen Doktorhut, der, ebenfalls einer Tradition entsprungen, etwas von einem Mobile hat, wobei die einzelnen Elemente – ein Modell der Versuchsanordnung, eine Computermaus, eine Gitarre, etc. – auf den Träger des Huts zugeschnitten wurden. Hinzu kam ein “Dr. House” T-Shirt von der Gattin. Im Anschluss bilden wir eine lange Reihe, um die Glückwünsche zu übermitteln. “Magna cum Laude, Du Sack!”

War ja auch ein steiler Pfad, von dem demütigenden, aber scheinbar heilsamen, Schock des Sitzenbleibens in der neunten Klasse zum Magna cum Laude Doktor, der das Feld der Bioinformatik überhaupt erst mit aufbaut.
Hätte ich nicht damals mit echtem Eifer (und ohne egoistische Hintergedanken) ständig die Tafeln sauber gewischt (alle anderen Wischdienstleister, deren Pflicht ja durch die Klasse rotierte, hinterließen in ihrem nachlässigen Unwillen einen Grauschleier, der das Ablesen schwierig machte, also übernahm ich den Dienst allein), wäre ich in der neunten Klasse ebenfalls sitzengeblieben.
Meine Physiknote schwankte zwischen 4 und 5, mit Tendenz zur 5, aber der sonst strenge und oft cholerische Physiklehrer sagte (nach meiner Erinnerung wörtlich): “Eigentlich müsst ich Dir ne 5 geben… aber, hast die Tafel immer sauber gewischt, ich geb Dir ne 4.”

Hätte mir dieser Schock des absoluten Versagens ebenfalls genützt, mich die Kurve kratzen lassen und mich vor der mir anhaftenden Durchschnittlichkeit bewahrt? Ich weiß es nicht. Irgendwie glaube ich es auch nicht. Ich kenne mich ja. Ich wünsche mir nur, dass mir irgendwann mal jemand das effiziente Lernen beigebracht, und ich genügend Selbstreflexion besessen hätte, mein Verhalten zu erkennen und zu ändern.
Nu ja, das ist autobiografische Sentimentalität. Das kommt später mal, also zurück nach Homburg.

Im Anschluss an die Gratulationsrunde noch Speis und Trank in einem Besprechungsraum, Orangensaft und Sekt zum einen, kaltes Büffet zum anderen. Ich habe mich zurückgehalten – ich habe vermutlich mehr als die Hälfte, aber keine ganze Platte alleine gegessen. Obwohl das Angebot sehr verlockend die ganze Platte physisch möglich gewesen wäre.
Ich kann noch nicht mal sagen, was das alles war, weil ich die einzelnen Bestandteile nicht immer erkannt habe. Ich erinnere mich an Weißbrotschnitten mit Pizzabelag, gerollte gefüllte Pfannkuchenscheiben, Wurst im frittierten Teigmantel, irgendwo war Sauerkraut drin, Fleischbällchen, Käse-Trauben-Happen. Ein sehr leckeres Büffet war es jedenfalls. Nicht-kommerzielle Zubereitung eines Verwandten, also Hut ab.

Um 1830 machte ich mich auf den Rückweg, weil ich es natürlich wieder verpasst hatte, mir die Fahrzeiten vorher einzuprägen. Nach dem Rückmarsch, der bis auf einen roten (rosa) Wodka kotzenden Jugendlichen und seine zwei sich vor Lachen kugelnden Freunde ereignislos war, hatte ich eine halbe Stunde bis zum Zug, der am Stück nach Trier fuhr und mir so das Umsteigen ersparte.

5. November 2010

Abrechnung

Filed under: Japan,Uni — 42317 @ 13:28

Ich bin mit dem Stil der Betreuung der Magisterarbeit, wie sie Frau Scholz darbot, sehr zufrieden gewesen. Ich bin selbst völlig ideenlos, wie man ein Thema schlüssig aufzieht und gliedert, von daher hätte ich nie eine Abschlussarbeit schreiben können, wenn sie nicht nach jedem Arbeitsschritt in eine Richtung gedeutet hätte, in die ich meine Energien lenken konnte.
So weit, so gut. Was allerdings die Durchführung einer mündlichen Magisterprüfung anbelangt, so muss ich feststellen, dass Frau Scholz mir einen kräftigen Schubs in Richtung Abgrund gegeben hat.

Ich will die Prüfung nicht schönreden. Es gab da Details, die ich hätte wissen sollen, auf die ich aber nicht kam. Eine rationale Erklärung dafür, warum ein ganzes Jahrzehnt aus der Biografie Oda Nobunagas aus meinem Kopf wie ausradiert war, habe ich nicht.
Dann gab es da Sachen, die ich hätte wissen können, die ich mir aber nicht angeeignet hatte.
Zum Beispiel die Namen der Provinzen der Kinai Region zu der Zeit. Ich habe mich nicht explizit darum bemüht, sie mir zu merken, aber warum ich nicht einfach die nannte, die ich aus meinen Texten kannte? Vermutlich, weil dort nie explizit davon die Rede war, dass die von Nobunaga eroberten Provinzen eben jenes Kinai darstellten. Lamers hat den Begriff nie geklärt, ich dachte, es handele sich lediglich um das direkte Umland von Kyoto. Ich habe „Kinai“ nie bewusst mit dem umfassenden „Zentraljapan“ in Verbindung gebracht, obwohl nichts hätte eindeutiger erscheinen können. Erneut ein Akt mangelnder Kombinationsfähigkeit meinerseits.

Dann kam folgende Frage:
„Wo wurde Nobunaga geboren?“
„In der Provinz Owari.“
„In welcher Stadt?“
„Das weiß ich nicht.“
„Na, in Nagoya!“
„In Nagoya!?!“

Darauf hätte ich eine Antwort wissen können und sollen. Aber nur dann, wenn ich mir die Fußnote auf der entsprechenden Seite im Lamers gemerkt hätte – oder irgendetwas anderes, als das, was ich tatsächlich als gelesen angegeben habe. In meiner vorrangigen Quelle, Japonius Tyrannus, einer Dissertation des Niederländers Jerome Lamers aus dem Jahr 1998, ist auf Seite 32 folgender Abschnitt zu lesen (den ich aus dem Englischen übersetze):

„Oda Nobunaga wurde vermutlich am 9. Juli 1534 auf Burg Shobata in der Provinz Owari (heute Teil von Saori-chô in der Präfektur Aichi) geboren (Tenbun 3.V28).“

Dieser Satz führt zu folgender Fußnote:

„Shobata ist der wahrscheinlichste Geburtsort Oda Nobunagas, obwohl noch zwei andere Burgen hier und da genannt werden: Nagoya, das sich 1534 noch nicht unter der Kontrolle des Oda Clans befand, und Furuwatari, das zu jenem Zeitpunkt noch nicht gebaut war. (…)“

Mein Teil der Schuld: Ich hätte diese Textstelle explizit kennen müssen, aber ich hatte sie vergessen. Shobata ist kein Ort, der mir aus meinem weiteren Studium der japanischen Geschichte bekannt wäre, von daher ist er meinem Gedächtnis wieder entschlüpft. Aber Nagoya? Nagoya ist eine der bedeutendsten Städte Japans und jedermann kann seinen Arsch darauf verwetten, dass ich Nagoya nicht vergessen hätte, wenn es als der definitive Geburtsort angegeben gewesen wäre!
Und damit fing das Drama erst an.

„Welche Taktiken hat Nobunaga verwendet?“
Mir fällt die Schlacht von Nagashino 1579 ein: „Nobunaga hat unter anderem Gräben und Palisaden verwendet.“
„Nein, denken Sie doch mal an Arkebusen.“
„Ich weiß, dass er Arkebusen massenhaft einsetzte…“
„Ja, er hat sie in Wellen eingesetzt… während die erste Reihe nachlud, feuerte die zweite und so weiter.“
Diese Detailinformation ist in keiner meiner Quellen enthalten. In KEINER.
Was eindeutig drin steht, ist, dass Nobunaga bei Nagashino einen langen Wall errichten ließ, dessen linke Grenze die Felsen eines Bergfußes war, und dessen rechte Grenze von einem Fluss gebildet wurde. Die feindliche Kavallerie war somit nutzlos und verblutete in Frontalangriffen auf die Palisaden, hinter denen mehrere Tausend Schützen die Sturmabwehr übernahmen. Meine Aussage war nicht falsch, nur nicht das, was sie hören wollte.

Fast ebenso verlief folgender Dialog:
„Wer ist Matsudaira Motoyasu?“
„Den Namen habe ich noch nie gehört. Ich weiß nur, dass Tokugawa Ieyasu früher mal Matsudaira hieß…“
„Ja, genau, Matsudaira Motoyasu ist Tokugawa Ieyasu.“
Auch das steht in keiner der Quellen, die ich für die Prüfung angegeben habe. Dass Tokugawa mal Matsudaira hieß, hatte ich nebenläufig irgendwo aufgenommen und es mir als Kuriosum gemerkt (zusammen mit der Information, dass er angeblich seinen Stammbaum fälschen ließ, um eine entfernte Verwandtschaft zur Kaiserfamilie zu konstruieren – eine Voraussetzung, um der Shôgun werden zu können und der Grund, warum sein womöglich weniger skrupellose Rivale Toyotomi Hideyoshi es nicht wurde).

Es zeigten sich noch andere Wissensdifferenzen:
Nach meinem Wissen, das ich aus dem Lamers habe, hat Oda Nobunaga die Tochter seines Rivalen Saitô Dôsan geheiratet, der ihn daraufhin bis zu seinem Tod unterstützte. Saitôs Sohn und Nachfolger wandte sich dann allerdings gegen Nobunaga. Laut Frau Scholz war aber auch Saitôs Sohn mit Nobunaga verbündet, und erst dessen Sohn habe sich dem Bündnis der Gegner Nobunagas angeschlossen.

„Nobunaga hat also den militanten Buddhismus bekämpft – wem nutzte das?“
„Letztendlich nutzte es Tokugawa Ieyasu, der als einziger Machtblock übrig blieb.“
„Nein, es nutzte den Jesuiten.“
In der Situation habe ich nicht schnell genug gedacht, um zu widersprechen. Denn nach meiner Quellenlage war diese Aussage schlicht falsch. Die Jesuiten glaubten lediglich, sie würden von der Niederlage der buddhistischen Sektierer profitieren, aber sie taten es nicht. Ihre 30 Jahre währende Bekehrungsmission auf Honshû hatte bis Anfang der 1580er Jahre eine Menge Geld gekostet, aber so gut wie nichts erreicht. Nobunaga bediente sich der Jesuiten, der exotischen Ausländer, um als Gönner aufzutreten, um seinen Ruf und seinen Ruhm zu steigern, aber er hatte kein Interesse daran, die Jesuiten irgendwelche Macht erlangen zu lassen und wusste es zu verhindern. Wegen seiner Gunst betrachteten die Jesuiten Nobunaga als „Christenfreund“, während er eigentlich bekennender Atheist war, und nur sehr oberflächliche Bindungen an die Lotussekte unterhielt. Er hatte auch gar nichts gegen Buddhisten oder andere Religionen. Er hatte nur was gegen Leute, die sich seinem Machtanspruch in den Weg stellten. Die Jesuiten waren eine Art behütetes Haustier. Profitiert haben sie von der Zerschlagung der mächtigen Sekten in keiner Weise.

Ich weiß nicht, welche Quellen Frau Scholz zur Vorbereitung meiner Prüfung verwendet hat – die auf meiner Literaturliste waren es jedenfalls nicht. Fragen zu dem zusätzlichen Aufsatz über den konstruierten Mythos der Samuraitreue bekam ich jedenfalls nicht gestellt. Am Platz von Frau Gössmann lagen alle Bücher, die ich für ihre Themen ausgeliehen hatte. Frau Scholz begnügte sich bei der Durchführung zur Inspiration für Fragen scheinbar mit dem Artikel in der englischen Ausgabe der Kôdansha Enzyklopädie, die ich nicht verwendet hatte.

Zur Verbesserung dieser Darstellung habe ich auf das Prüfungsprotokoll zurückgegriffen, das ich einsehen, aber nicht kopieren darf. Besser gesagt: Ich wollte darauf zurückgreifen. Das Protokoll ist nämlich nur eine extrem kurze Notizensammlung, deren Wert sich auf den kurzen Moment nach der Prüfung beschränkt, weil man wenige Tage später die Details, die man zur Füllung der Lücken des Protokolls benötigt, wieder vergessen hat. Das Protokoll hatte keinen informativen Wert mehr. Zuletzt war der Lamers nach meinem Abschluss über Wochen ausgeliehen, sodass ich erst vor kurzem meine Zweifel habe prüfen können. Und ich hatte Recht mit meinen Zweifeln – na besten Dank!

15. August 2010

Das Jahrzehnt ist zu Ende

Filed under: Sport,Uni — 42317 @ 0:37

Dieser Song kam mir heute spontan in den Sinn, und ich glaube, er trifft meine momentane Stimmung recht gut:

Alles gelaufen, alles vorbei, ich brauch nur noch mein Zeugnis und dann ist Ende mit Uni. Freitag nach der Prüfung hab ich den ganzen Tag nur StarCraft gespielt. Ein ganz neues Gefühl, ohne schlechtes Gewissen Zeit verplempern zu können.

Mein Schulkamerad 001 hat mir zwar empfohlen, nach der Prüfung was zu machen, an das ich mich mein Leben lang erinnern würde… aber das Wegbrechen des Prüfungsdrucks machte mir da einen Strich durch die Rechnung. Ich wollte nur meine Ruhe haben. Das unvergessliche Erlebnis am letzten Prüfungstag stellte sich zum Abend ein: Der Türmechanismus ging kaputt. Die Klinke griff den Riegel nicht mehr. Ich versuchte, die Tür auszuhebeln, aber das ging leider nicht. Ich versuchte, den Riegel mit einem Schraubenzieher zu erreichen, aber auch das schlug fehl. Die Tür öffnet nach innen, in dem Fall zu mir, also konnte ich sie nicht eintreten. In der Situation griff ich zum Werkzeugkasten, nahm den Hammer raus und schlug das Schloss aus der Tür – Pappmachée mit Laminatüberzug. Ich hoffe mal, dass das nicht allzu viel kostet, aber Geldspenden nehme ich gern entgegen. 🙂

Samstag bin ich sechs Stunden durch die Gegend geradelt. Über Gusterath nach Riveris und von Waldrach zurück nach Kürenz. Ausschlafen wollte ich eigentlich. Stattdessen war ich um sechs bereits hellwach und bin um sieben aufgestanden. In den letzten Jahren habe ich mich nach dem Aufwachen grundsätzlich wie durchgekaut und ausgespuckt gefühlt. Scheinbar hat der Schlaf jetzt als Realitätsflucht ausgedient. Ich fänd’s jedenfalls toll, wenn ich öfters so früh aufwachen und vor Energie schier platzen könnte.

Das Aufladen der Batterien meiner Kamera habe ich jedenfalls vergessen, und deshalb gibt’s von der Tour leider keine Bilder. Dabei habe ich ausgerechnet bei Bonerath etwas gesehen, was mir noch nie zuvor untergekommen ist: Ein Wegkreuz zur Erinnerung an den Krieg von 1870-71. Aber ganz allgemein ist die Gegend da schön. Und die Leute scheinen mir wesentlich freundlicher als in der Stadt.

Ganz in der Nähe von Bonerath liegt die Riveris Talsperre, und da wollte ich als Zwischenziel hin. Nun gibt es in Bonerath zwar die Bushaltestelle, die viel sagend “Talsperrenblick” heißt, aber von dem See ist von dort rein gar nichts zu sehen.

Und als ich da unentschlossen in der Gegend rumstand, ob ich links oder rechts fahren sollte, kam ein älterer Anwohner auf mich zu und fragte mich ganz unvermittelt, wo ich denn hinwolle und ob er mir weiterhelfen könne.

Letztendlich bin ich dann links runter gefahren, über einen reichlich holprigen Wanderweg, bis nach Waldrach immer bergab. Und dort stand ich wieder vor der Wahl “links oder rechts”. Nach rechts ging’s nach Ruwer, nach links zur Anhöhe oberhalb von Tarforst. Der Weg nach Ruwer war mit sechs Kilometern angegeben, und es würden wohl nochmal so viele Kilometer bis nach Hause sein. Der linke Weg war kürzer, dafür aber mit einer kilometerlangen Bergstrecke gesegnet.

Wie es meine Art ist, wählte ich den Weg des Schmerzes. Manchmal muss man mit sich kämpfen und auch mal ans Limit gehen. Was ich auch haargenau schaffte. Als ich in Korlingen ankam, war mir kotzübel. Über den letzten Bergkilometer musste ich an jedem Straßenpfosten kurz verschnaufen, weil ich kaum noch einen Schritt machen konnte, der mich nicht viel Überwindung kostete. An Fahren war nicht zu denken. Dafür reichte der Saft nicht aus. Muskelschmerzen hatte ich keine, nur die Energie ging zur Neige. Das mit dem klar Sehen wollte auch nicht mehr so klappen. Mein Sehfeld verdunkelte sich immer wieder etwas, und mein Kopf fühlte sich so dröge an, dass ich mich des Bedürfnisses erwehren musste, mich einfach so in die Wiese fallen zu lassen.

Zuhause zuerst das Fahrrad wankend in den Keller gestellt. So hinüber habe ich mich auch lange nicht mehr gefühlt. Aber es war ein körperliches “Hinüber”, und das ist viel besser als das seelisch-moralisch-psychische Hinüber der letzten Jahre. Ich bin ausnahmsweise mit dem Lift nach oben gefahren, danach eine Birne essen, Brot schmieren, ein Nickerchen, einkaufen, Grillen. Es war die beste Birne, die ich seit langem gekostet habe.

Montag ist Arbeitsamt angesagt. Die werden mir wohl mal meine Krankenkassenbeiträge abnehmen und zumindest einen Teil meiner Miete zahlen. Ich kann, bis ich eine Anstellung finde, mit Hartz-IV nur besser dran sein, als es in den vergangenen Jahren der Fall war, wo ich im Monat ein “freies Geld” von ein paar Dutzend Euro hatte, die von Nebenkosten- und Versicherungsrechnungen aufgefressen wurden. Mein gesamtes Barvermögen beträgt derzeit nicht einmal 700 Euro. Aber ich fühle mich ungleich freier jetzt.

21. Juli 2010

Wir stolpern weiter den Weg entlang

Filed under: Uni — 42317 @ 17:31

Mein mündliches Examen in der Japanologie habe ich heute bestanden. Zum Thema Nobunaga fand ich mein Gehirn wie freigepustet. Es wäre sinnvoll gewesen, eine Zusammenfassung der Zusammenfassung zu lernen, so hatte ich Schwierigkeiten, mich auf die grundlegendsten Daten zu besinnen. Der Teil zur japanischen Bildung ging zu Beginn etwas holprig, war zum Ende hin aber ganz solide, und erst der Abschnitt Populärkultur/Anime riss den Karren noch aus dem Dreck. Eindeutig kein Glanzstück, aber bestanden.

Inoffiziell wurde mir auch mitgeteilt, dass meine Magisterarbeit zur Erreichung des Studienziels ausreichend sei. Die Arbeit weist erhebliche Mängel bei der Einhaltung wissenschaftlicher Arbeitsstandards auf – was mir nie jemand bewusst gemacht hat. Kann es denn sein, dass alle meine Hausarbeiten der vergangenen Jahre nur oberflächlich durchgeblättert worden sind? Aber gut, ebenfalls kein Glanzstück, aber scheinbar bestanden. Der schmückende Rest kann bleiben, wo er will.

Noch drei Wochen Durchhalten, und dann hoffe ich, vom akademischen Arbeiten für den Rest meines Lebens verschont zu bleiben.

16. Juli 2010

Das Wort zum Dreiunddreißigsten

Filed under: Filme,Japan,My Life,Uni — 42317 @ 14:42

Auch dieses Jahr mein Dank an alle, die an mich gedacht haben.
Am frühesten dran war mein Kamerad aus Stuttgart, der mich um acht Uhr morgens nur deshalb nicht geweckt hat, weil just in diesem Moment der Tee vom Abend zuvor wieder raus wollte. Meine Großeltern waren dennoch ebenfalls früh dran und riefen mich um etwa halb Neun an.

Ich habe auch eine sehr interessante Mail von dem Freund erhalten, dessen Namen ich ja auf seinen Wunsch hin nicht im Blog nennen darf. Er hat ganz eindeutig Recht: In der Examensvorbereitungszeit erlebt man die kleinen Dinge des Alltags zum Teil sehr intensiv, und man sollte das nutzen, um besondere Erinnerungen zu schaffen. Ich muss mir noch überlegen, was ich direkt nach der letzten Prüfung am 13. August tun werde.

Ich weiß sehr wohl, welche Spiele ich seit Jahren mal wieder spielen wollte, welche Fernsehserien ich unbedingt noch einmal sehen muss, und welche Flasche Wein ich zum Anlass (oder im Falle) der Übergabe meines Abschlusszeugnisses öffnen werde, aber das ist ja nichts, was man eben mal schnell direkt nach der Prüfung macht.
Hey, vielleicht setze ich mich sofort hin und schreibe eine kurze Zusammenfassung meiner Eindrücke der letzten 10 Jahre? Es ist natürlich möglich, dass ich erst mal ins Bett falle und zwei Tage lang schlafe, aber das muss ja nicht sein, wenn es sich vermeiden lässt.

Der Anruf vom Kameraden Ritter dann tags drauf. Dem geht’s scheinbar gut, Familie gesund, auf dem Sprung zum Verwandtenbesuch am anderen Ende der Welt, und demnächst auch mal wieder berufsbedingt in Wittlich. Dann können wir das TV-Programm ja alsbald absprechen.

Angerufen hat auch mein Vater. Der erzählte, er mache gerade eine künstlerische Pause beim Malen – und habe sich stattdessen zur Abwechslung dem Schreiben zugewandt. Damit schließt sich gewissermaßen eine Lücke, denn auch sein Vater hat in seiner Freizeit kleine Gedichte geschrieben (ich frage mich, ob davon etwas erhalten geblieben ist?), und ich tue es schließlich ebenfalls. Natürlich sucht er einen Lektor, und ich werde das in vier Wochen gern übernehmen. Ich bin auch sehr gespannt, was das wird. Auf Anhieb klingt es nach proletarischer Literatur ohne Einfluss von Marxismus. 🙂

Der Vollständigkeit halber will ich auch die SMS von Karl erwähnen. Da stand nichts Welt bewegendes drin, so wie Karl kein Mann für Welt bewegende Worte ist, aber immerhin eine SMS. Besten Dank.

Der Esszimmertisch bog sich geradezu unter den Geschenken. Melanies Mutter schenkte mir zwei DVD Boxen, “Millenium Actress” und eine Sammlung von Kurosawa Filmen. Dann bekomme ich auch endlich “Yôjimbô” zu sehen, nachdem ich bislang nur die Remakes gesehen habe: “Für eine Handvoll Dollar”, “Last Man standing”, und “Sukiyaki Western Django”. “Rashômon” und “Kagemusha” sind in der Fünferbox leider nicht drin, aber da ich ohne die nicht in Frieden sterben kann, müssen die auch noch irgendwann in meinem Besitz landen.

Ricci schenkte mir die DVD Box “Band of Brothers”. Ich hab mich sehr gefreut, auch wenn ich mir ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen konnte.

Von Melanie kamen “Der 13te Krieger”“Erleuchtung garantiert” und “Soweit die Füße tragen”, in der Filmfassung von 2001. Über “Erleuchtung garantiert” muss ich bei Gelegenheit einen eigenen Blogeintrag schreiben.
Ja, “Der 13te Krieger” ist bestimmt kein Meisterwerk an Charakterdarstellung und erzählerischem Tiefgang. Ich muss zugeben, dass ich den Film in erster Linie deshalb interessant finde, weil hier auf originelle Art und Weise der Spracherwerb jenes Dreizehnten aufgezeigt wird – er ist der arabische Ausländer unter einem Dutzend Skandinaviern. Die reden Norwegisch (nehme ich zumindest an), aber im Laufe der Reise mischen sich immer mehr Begriffe in ihre Dialoge, die der Hauptcharakter, und damit der Zuschauer, versteht. Coole Idee vom Regisseur, oder von wem auch immer der Einfall kam. Aus Sicht der Spracherwerbsforschung sicher nicht ganz lupenrein (immerhin schlussfolgert er im Laufe weniger Monate linguistische Inhalte aus der vagen Körpersprache der Beteiligten), aber wenn man ihm einen hohen Grad an Intelligenz und Intuition zuordnet, ist die Darstellung vertretbar, denke ich.

Von meinem Häuslebauer bekam ich einen Akkuschrauber – einen Ixo von Bosch. Passt in jede Hosentasche und der Akku hält so einiges her. Zwei Aufsätze, um rechtwinklig und nah an Innenkanten schrauben zu können, sind auch dabei. Ich habe den Großteil der Wärmedämmplatten mit einem solchen Ding angeschraubt und fand das Gerät super. Ich hätte allerdings weder gehofft noch gewünscht, einen geschenkt zu bekommen. Aber der Mann war so zufrieden mit meiner Arbeitsleistung (ich fasse das später noch zusammen), dass er mir so ein Ding schenkte (und diverse andere Dinge, u.a. einen Pullover zum Arbeiten im Winter und zwei Gläser Marmelade von seiner Frau). Gut, dass ich vier Tage später Geburtstag haben würde, war ihm in dem Moment vielleicht nicht klar, aber das Timing war für mich jedenfalls unbeschreiblich.

Dann war da noch das schwere Paket aus Stuttgart. Ich will allerdings an dieser Stelle nichts über den Inhalt verraten, da ich mir über den rechtlichen Status nicht ganz im Klaren bin. Loose Lips sink Anime Clubs, also bin ich mal still und füge den Gegenstand nach einer Stunde auspacken und zusammensetzen meiner Reliquiensammlung im heimatlichen Keller hinzu.

Mit der Spielgruppe hatte ich für den Abend ein zwangloses Grillen angeleiert, und wie sich das für mein nur minimal vorhandes Konto an Glückspunkten nunmal gehört, musste es am Nachmittag natürlich kräftig regnen, und auch der Abend blieb von Regen nicht ganz verschont. Wir zogen uns also unter das Vordach am Hintereingang zurück. Wir haben auch nur ganz wenige Leute daran gehindert, auf dem bequemsten, direkten Weg ins Haus zu gelangen (die mussten halt im Bogen um unsere Sitzgruppe herum gehen), und es hat auch nur einer wegen des Geruchs sein Fenster zugemacht. Bei der Gelegenheit bekam ich von Volkers Vater noch eine Flasche toskanischen Wein geschenkt. Dann schaun wir mal, wie sie in zehn oder vielleicht auch erst in 20 Jahren schmeckt.
Eigentlich muss ich dem Regen auch dankbar sein, denn dann wars auch nicht so schrecklich heiß den Tag über, und ich komme wegen der Hitze mit meinen Examensvorbereitungen schon quälend genug voran. So wars ein angenehmer Tag, und ich werd ihn gern in Erinnerung behalten.

11. Juni 2010

Der Marathon geht weiter

Filed under: Spiele,Uni — 42317 @ 15:34

Ich bin noch da. Das wissen die meisten meiner Abonnenten natürlich auch so, aber vielleicht schreibe ich mal was für zwischendurch?

Am 31. Mai habe ich mein mündliches Examen in der Anglistik bestanden, was ich zwei Wochen davor noch für unmöglich gehalten hatte. Denn zum einen bin ich drei Wochen mit der Arbeit hinterher, die sich immer wieder verzögerte, weil ich den Bettelkram einfach nicht mehr sehen konnte, aber auch die Tatsache, dass ich mindestens zwei Tage der Woche zum Bestreiten meines Lebensunterhalts brauche, spielt da eine gewisse Rolle. Aber zum ersten Mal seit Jahren habe ich das Gefühl, dass das Gesamtunternehmen “Hochschulabschluss” irgendwie zu machen ist.

Gedacht war eigentlich, Anfang Mai bereits mit den Vorbereitungen für das Examen in der Japanologie zu beginnen, aber so wie es gelaufen ist, musste ich meinen Prüfungstermin in der Anglistik vom 21. auf den 31. Mai verschieben, weil ich sonst nicht fertig geworden wäre. Das ist dann auch nur unter sträflicher Missachtung des sprachhistorischen Teils gelungen, und am Ende fehlten immer noch zwei Stunden um den kompletten Rest wiederholen zu können.

Ich habe ein Stressbewältigungsseminar in Anspruch genommen, bei dem es allerdings “nur” um Vorbereitung von Vorträgen ging. Aber das war immerhin etwas. Leider waren die angesprochenen Verfahren mir bereits bekannt, oder aber ich war nicht der rechte Typ dafür, wie zum Beispiel Assoziationslisten: Man denke sich ein Thema, hole einmal tief Luft, und schreibe dann innerhalb von drei Minuten so viele damit zusammenhängende Begriffe wie möglich auf ein Liste, die alphabetisch von A bis Z angeordnet ist. Da meine assoziative Spontaneität gegen Null strebt (mir fällt nie was ein, wenn mich jemand fragt, ob ich noch Fragen habe), kriege ich vielleicht vier oder fünf Begriffe hin, sofern wir nicht über ein Thema reden, über das ich WIRKLICH Bescheid weiß.

Ich konnte aus dem Seminar nur wenig, aber immerhin etwas, zum Thema Vermeidung von Blackout mitnehmen. Ich entschied mich daher für eine Einzelsitzung mit der Leiterin – ein verpatztes Examen würde mich mehr kosten als die veranschlagten 15 E. Ein paar Tage zuvor gibt man ein paar Assoziationslisten ab, und beantwortet auf einem Fragebogen Fragen zur eigenen Meinung zur Prüfung, und wie man den Prüfer einschätzt. Auf dieser Basis wird die Sitzung dann vorbereitet.

Ich bin nicht sicher, ob das alles meine Bedürfnisse befriedigte. Ein wichtiger Punkt waren psychologische Kniffe, wie man einem Unzulänglichkeitsgefühl entgegenarbeitet. Dabei habe ich keine Minderwertigkeitskomplexe, auch nicht angesichts meiner Gewissheit, dass ich nicht zum Akademiker geboren bin. Ich bin mir dank guter Freunde über meine Qualitäten durchaus im Klaren, was mich ein bisschen drückt, ist nur der Eindruck, dass es sich nicht um Qualitäten handelt, die man in konkrete Jobchancen umrechnen kann.
Eine weitere Sache ist die Aufbesserung der subjektiven Wahrnehmung:
“Woran denkst Du vermutlich, wenn Du am Morgen der Prüfung aufstehst?”
“Vermutlich an ein Begräbnis.”
“Was ist für Dich das optische Gegenteil von einem Begräbnis?”
“Äh… vielleicht… ein Sonnenblumenfeld?”
“Gut! Wenn Dich das Bild vom Begräbnis überfällt, dann denk an ein Sonnenblumenfeld.”
Oder:
“Lachen hebt das Lebensgefühl. Druck Dir ein paar Witze aus, und wenn Deine Stimmung zu düster wird, dann lies Dir ein paar durch und lach mal.”

Das mit den Witzen habe ich nicht getan… aber der Gedanke an Sonnenblumenfelder, als ich vor der Bürotür der Dozentin saß, ließ mich doch lachen.

Am wichtigsten war aber meines Erachtens, die Prüfungssituation einmal durchzugehen, ein Rollenspiel. Also kurz vor die Tür gehen, hereingerufen werden, förmliche Sprache, Begrüßungsfloskeln, und die Aufforderung “Erklären Sie doch bitte mal, was XYZ ist.” In meinem Fall “ein Korpus”. Ich redete auf Anhieb sechs Minuten lang, mit ein paar Sekunden Pause ab und zu, um den weiteren Redefluss zu koordinieren. Ich glaube, es hat mir sehr geholfen, die Situation ansatzweise schon mal erlebt zu haben, und auch noch erfolgreich hinter mich gebracht zu haben. Der Zuschuss an Selbstbewusstsein gab den Ausschlag, um das Lampenfieber klein zu halten.

Am Sonntag vor der Prüfung bin ich ganz von zuhause ausgerissen, um mir meine gesammelten Audiodateien beim Spazierengehen anzuhören. Ich arbeite diesmal mit einem neuen Verfahren des Lernens: Ich leihe Bücher aus oder kopiere sie, anstatt aber Textstellen nur anzustreichen, spreche ich sie in ein Mikrofon und nehme sie als MP3 Dateien auf, die ich zwecks Wiederholung dann beim Spazierengehen anhöre. Allein die Aufnahmen für die Anglistikprüfung belaufen sich (ohne die Hörtexte der Canterbury Tales) auf über neun Stunden. Ich hatte allerdings am Ende nur zwischen sieben und acht Stunden Zeit, bevor ich ins Bett gehen sollte, denn ausgeschlafen sein ist besser, als auch noch die letzten beiden Stunden irgendwie in den Kopf zu pressen.

Diesen Zeitraum verbrachte ich auf dem Petrisberg, nicht wenig davon auf dem Gelände der ehemaligen Landesgartenschau, wo ich den vermutlich coolsten Spielplatz, der mir je unter die Augen gekommen ist, vorfand.

Ich erinnere mich mal eben an die Zeiten vor über 25 Jahren:
Wir haben alle gern im Sandkasten gespielt, aber leider blieben die Kanäle, die wir gruben, immer trocken. Eine Gießkanne mit Wasser, um Flüsse zu simulieren, wurde nur ganz selten gewährt oder war gar nicht greifbar, und wenn doch, dann versickerte das Wasser recht schnell. Meist wurden Flüsse mit Hilfe des trockenen Oberflächensands simuliert.
Auf dem Petrisbergspielplatz gibt’s dagegen Wasser genug, und das ganze System ist sogar darauf ausgelegt, als Gruppe mit Arbeitsteilung zu agieren.

Ich weiß nicht, wo das Wasser hier oben genau herkommt, aber es macht einen sauberen Eindruck. Wie man sehen kann, holt man es auf drei Arten ins Spielsystem:

Das Rad läuft durch ein kleines, mit Wasser gefülltes Becken. In dem Rad sind becherförmige Schöpfer angebracht. Sie nehmen Wasser aus dem Becken auf und schütten es auf eine Rampe aus, womit sich die obere Kippe füllt, die sich bei entsprechendem Füllstand in die untere ergießt (die nach dem gleichen Prinzip funktioniert), und über die gelangt das Wasser dann in die Kanäle der Bodenkonstruktion. Die Fließrichtung des Wassers kann man dabei grob mit den Gummisperren beeinflussen, die man auf dem Bild erkennen kann.

So mancher Besucher geht allerdings mit etwas Ungeduld an das System heran. Dreht man das Schöpfrad zu schnell, trifft das Wasser aus den Bechern nicht die Rampe Richtung Kippe, sondern geht darüber hinaus und landet gleich wieder unten im Reservoir. Dieses ist auch nur in der Lage, so-und-so-viel Wasser pro Zeiteinheit abzugeben, das heißt, wenn man zu schnell am Rad dreht, trifft man wegen der Fliehkräfte nicht nur die Rampe nicht, sondern kriegt die Schöpfbecher erst gar nicht voll, weil der Pegel im Reservoir nicht schnell genug wieder steigen kann.

Dann gibt es da ganz gewöhnliche Handpumpen:

Immerhin treiben sie ein kleines Wasserrad an. Ich glaube, das ist für den Spaßfaktor nicht ohne Bedeutung, aber ich habe auch gern an solchen Pumpen gespielt, die kein Rad hatten. Der Brunnen an einer der Wanderhütten in der Nähe meines Heimatorts war ein Fixpunkt meiner Waldwanderungen, wenn ich im heißesten Sommer zu Fuß zu etwa zehn Kilometer entfernten Spielnachmittagen aufbrach. Ich muss bei Gelegenheit mal prüfen, ob die Pumpe noch da ist…

Im Hintergrund des Bildes kann man übrigens etwas sehen, was ein bisschen wie ein Marterpfahl aussieht, aber es handelt sich ebenfalls um eine Art Brunnen. In den Holzpfahl sind metallene Wasserröhrchen eingebaut, und der Pfahl steht in einem Becken von vielleicht 80 auf 80 cm. An der Außenseite befinden sich Plastikknubbel, zwei an jeder der beiden zugänglichen Seiten, und wenn man diese pumpend mit dem Fuß betätigt, beginnt Wasser aus den Rohren zu sprudeln, das dann ebenfalls in den Holzkanälen landet.

Zuletzt ist da noch etwas, das optisch mehr herhält, als seine Bedienung Spaß macht:

Ich glaube, das nennt sich “Archimedische Schraube”. Man dreht mal wieder am Rad und schöpft damit im Becken Wasser ab. Das Wasser kommt in Wasserglasmengen oben an und läuft über eine Rinne in ein Drehrad, das so ein bisschen wie eine Turbine aussieht. Man kann es wegen des Aufnahmewinkels leider nicht sehen. Es ist jedenfalls nicht möglich, schnell genug Wasser zu schöpfen, um diese “Turbine” in Gang zu setzen, weil die in Intervallen ankommende Wassermasse dazu nicht ausreicht. Dem entsprechend gering fiel im Zeitraum meiner Beobachtung das Interesse an den Schrauben aus.

Von jedem dieser Konstrukte gibt es zwei, und sie leiten ihr Wasser erst einmal in das bereits erwähnte Kanalsystem.

Die Kanäle leiten das Wasser in hölzerne Rinnen, die ich in den Alpen bereits gesehen zu haben glaube.

Ganz klar, dass die Spielkinder bereits Sand in die Rinnen geworfen haben, um zu sehen, wie er wieder weggespült wird. Stattdessen hält er sich hartnäckig. An dieser Stelle habe ich den Sand mal in die Hand genommen und fand ein sehr feinkörniges Produkt vor, dass sich wirklich toll anfühlte, kein Vergleich zu dem gröberen Bausand, den ich in meiner Kindheit in Kindergartensandkasten und am Spielplatz hatte.

Über die Rinnen landet das Wasser dann im Sandbecken, und ich habe leider verpasst, eine Gesamtaufnahme davon zu machen. An jenem Tag war nicht so wirklich viel los, es regnete zeitweise und es war auch sonst eher bewölkt. Mit entsprechendem Arbeitseinsatz kann man den Sandkasten jedenfalls zu einem Tümpel machen, zur Freude der Kinder, und möglicherweise zum Grauen der Eltern, denen das Waschen der Kleidung obliegt, aber Beobachtungen an einem sonnigen, warmen Tag haben gezeigt, dass der Spaß der Kinder ein bedeutender Motivationsfaktor für die Wäscher und ihre Toleranz ist.

Und, ganz wichtig: An diesem Spielplatz lassen sich Sonnenschirme aufspannen. Wenn ich da an meinen Spielplatz denke… ich muss mich direkt wundern, dass da nicht öfter “Fremdenlegionäre im Wüstenfort” gespielt wurde. Dort gab’s nur pralle Sonne und heißen Sand. Schatten war in den Büschen am Rand des Spielplatzes, in der rostigen Lokomotive und unter der Rutsche gegeben. Aber auf dem Petrisberg gibt’s nicht nur Spielwasser, sondern auch Trinkwasser: Neben den Pumpen, Schrauben und Schöpfern steht ein Brunnen aus Edelstahl, aus dessen Rohr feinstes Trinkwasser strömt, und nicht so eine Durst machende Kalklösung wie bei uns zuhause im Gau, und geschmacklich auch besser als das Leitungswasser im Apartmentblock gegenüber der Uni.

Der Sandkasten am Petrisberg bietet fest integriertes Spielzeug. Unter diesem hier kann ich mir nicht so recht was praktisches vorstellen, obwohl die Funktionsweise eigentlich klar ist:

Aber von weit größerem Interesse sind diese Dinger hier:

Irre, oder? Die haben Bagger im Sandkasten. Nicht diese einkaufstütengroße Mickey-Mouse-Kacke aus Plastik mit der Schaufelkapazität eines Eierbechers, sondern aus Metall, wo man mit echtem Körpereinsatz dran rummachen kann. Okay, sie können ihren Standort nicht ändern, aber auch ein Sechsjähriger kann die Ausrichtung verändern und 360° um sich herum Sand schaufeln (und Wassergräben anlegen), wie’s ihm Spaß macht. Alles, was fehlt, ist die Kurbel, mit der man das Teil vom Sitz aus schwenken kann. Man muss halt absteigen und drücken.

Von meinen sieben Stunden habe ich ca. zwei Stunden am Wasserrad zugebracht, das ist sehr beruhigend. Und noch einmal eine halbe Stunde in dem Bau nebenan, aus dem die Röhrenrutsche rausragt, weil es ganz heftig zu regnen begann. Ansonsten war ich in der Gegend unterwegs, meist auf befestigten Wegen, und entdeckte bei dieser Gelegenheit den Trierer Standort des Deutschen Wetterdienstes.

Irgendwann habe ich auch die Gärten der Trierer Partnerstädte bewundert (Italiener haben scheinbar mehr Ahnung von Gärten als Briten), darunter den kleinen japanischen Steingarten, der von der Stadt Nagaoka gesponsert wurde. Das heißt allerdings nicht, dass sie ihn auch angelegt hätten, also “jemand aus Nagaoka”. Wenn ich mich recht erinnere, zeichnet sich eine Kommilitonin aus meinen Japanisch-Grundkurs dafür verantwortlich. Ist auch hübsch geworden. Ich muss nur gestehen, dass es mir seltsam anmutet, wenn der in den Kies geharkte Fluss von einer Steininsel unterbrochen wird, und auf der anderen Seite fortgeführt wird, anstatt den Stein zu umfließen, aber ich verstehe zu wenig von Steingärten, um das beurteilen zu können.

Um etwa 2115 Uhr fing es wieder an zu regnen, und diesmal wollte es nicht wieder aufhören. Ich beschloss, mit dem Bus nach Hause zu fahren. Da saß ich dann an der Bushaltestelle “Am Wasserturm” und löffelte den Rest aus meinem Joghurtpott, den ich mitgenommen hatte. Ich hätte mir dreißig Minuten dumm rumsitzen sparen können, wenn mir aufgefallen wäre, dass die auf dem Fahrplan angegebene Abfahrtszeit mit “AST” gekennzeichnet ist: Das Anrufsammeltaxi heißt so, weil es nur kommt, wenn man sich zuvor telefonisch angekündigt hat. Um kurz vor Zehn spannte ich meinen Schirm auf und ging halt doch zu Fuß nach Hause.

Am nächsten Morgen um 1045 machte ich mich auf den Weg, “dressed for the occasion.” Und diese Prüfung hatte einen ganz anderen Charakter als die von Mr. Stubbs. Der sitzt üblicherweise mit bierernstem Gesicht dem Prüfling gegenüber, seine Körpersprache allein macht mich (und nicht nur mich) schon nervös, und alle Antworten, die nicht so lauten, wie er es hören will, sind falsch.

“Was sind Kanji?” fragte er mich damals, im November 2005.
Das erwischte mich völlig unvorbereitet. Er hatte in meinen Unterlagen gelesen, dass ich Japanologe bin, und dachte, er täte mir einen Gefallen, von daher nehme ich ihm das nicht übel. Aber in dem Moment brachte mich das völlig aus dem ohnehin kaum vorhandenen Konzept. Japanische Kanji wurden im Rahmen der mir vorliegenden Einführung in die Linguistik von Yule nur in dem Kapitel über die schriftliche Umsetzung von Sprache angerissen. Ich erklärte also etwas von Ideogrammen und Logogrammen, und dass man die aus dem Chinesischen stammenden Zeichen nicht einfach in eine dieser gegebenen Kategorien einordnen könne, weil es sich bei einigen um stilisierte grafische Darstellungen handele, während andere völlig abstrahiert seien, und wiederum ein paar wenige nur wegen ihrer phonetischen Eigenschaften übernommen worden seien.

Er wollte aber hören “Kanji sind Morpheme”. Ja, jetzt, wo Sie’s sagen, fällt’s mir auf. Ich habe mich selbst in der Japanologie nie mit den theoretischen linguistischen Grundlagen der Schriftzeichen auseinandersetzen müssen. Die Beschäftigung mit dem Wortlevel konzentrierte sich auf gebundene Morpheme, also wie man einen Passiv oder einen Kausativ oder was weiß ich noch alles konstruiert. Die Kanji selbst waren halt einfach da. Nicht einmal Frau Katsuki sagte jemals explizit “Kanji sind Morpheme”. Zumindest kann ich mich nicht erinnern. Hier zeigte sich in erster Linie meine Assoziationsschwäche, verschiedene Informationsschnipsel aus verschiedenen Gebieten miteinander zu kombinieren: Wäre ich in dieser Hinsicht begabter, wäre nichts klarer gewesen, als dass Kanji Morpheme sind.

Wie dem auch sei, bei Frau Sand läuft das ganz anders. Während im Herbst 2005 kritisch dreinblickende bärtige Männer am Tisch saßen, wirkte meine Prüferin (und die Beisitzerin ebenso) eher entspannt (was nicht ohne positive Wirkung bleiben konnte), lächelte sogar dann und wann, und sogar einem drögen Beobachter wie mir musste auffallen, dass sie betont langsam sprach, um das bessere Verständnis der Fragen zu gewährleisten (und womöglich auch, um damit Zeit zu schinden). Zu meiner eigenen Überraschung schaffte ich es, meine Sprechgeschwindigkeit unter Kontrolle zu halten. In der “Generalprobe” war mir das noch nicht gelungen. Nach etwa fünf Minuten hatte sich mein Herzschlag normalisiert und ich konnte mich auf die Fragen konzentrieren.

Der Abschnitt Korpuslinguistik lief recht gut. Jargon/Slang nicht ganz so gut, aber auch nicht schlecht. Gefragt, welche Begriffe (aus der Unterweltsprache der Dreißiger und Vierziger Jahre) man denn in der heutigen Sprache finde, vergaß ich natürlich die unverfänglichen Dinge wie “to get roped into something”, oder “a Shill”, oder “Shylock” wäre wohl ein schönes Beispiel mit literarischem Hintergrund gewesen, oder “pot”. Stattdessen wurde mein Gehirn geflutet von einer Fülle sexueller Begriffe in Bezug auf Prostitution (“gobbledeegook”), Homosexualität (“gay” oder “butch”), oder sonstig von der Norm abweichendem Sexualverhalten (“queer”), und irgendwie hatte ich Hemmungen, dies angesichts zweier weiblicher Gegenüber auch zu verwenden. Mir fiel aber “to take the Mickey” ein, weil der Begriff in dem Artikel über Spott als Humorform in der IT Industrie zu finden ist, abgeleitet aus dem “Mickey Finn” der Vierziger, als der Begriff in Drogenkreisen eine Betäubungsdosis bezeichnete (Zigarrenasche in Limonade???), die man jemanden verabreichte, der einem auf den Keks ging und den man auf diese Weise aus der intimen Sphäre der “Opiumhöhle” entfernte.
Ganz und gar kein Glanzpunkt war der sprachhistorische Teil, in dem ich nur kurz Anfang und Ende der mittelenglischen Periode kurz definierte, und mich radebrechend daran versuchte, die Unterschiede des Mittelenglischen zum modernen Englisch darzulegen. An der Stelle rettete mich gewissermaßen der Gong.
Mit 2,3 fiel diese Teilnote schon ein Stück besser aus als mein Abitur.

Im Anschluss an die Prüfung “musste” ich als erstes die Medientechnik besuchen, von der ich weiß, dass da ein Schrankregal voll alkoholischer Getränke rumsteht (die ich als ACT Vertreter zum Großteil selbst dorthin gebracht habe). Zwei Gläser Schnaps wollte ich mir gönnen, doch am Ende sind es fünf geworden, und mein Nachhauseweg verlief nicht ganz so gradlinig.

Aber in diesem Sinne geht es in diesen Wochen weiter. Ich vertone also gerade eine Biografie von Oda Nobunaga, von Jeroen Pieter Lamers, eine Dissertation von 1998. Bei den japanischen Artikeln wäre es wohl besser, wenn ich eine Übersetzung einspreche… das macht das Einprägen einfacher, und letztendlich wird die Prüfung in deutscher Sprache stattfinden.

Der Countdown läuft also, und X = 0 ist am 14. August. Na ja, eigentlich dann, sobald ich die Prüfung in Phonetik hinter mich gebracht habe, was so zwischen dem 10. und dem 14. August angepeilt ist. Der 14. August ist deshalb von Bedeutung, weil ich meine schriftliche Arbeit am 14. Mai abgegeben habe, und drei Monate danach alles unter Dach und Fach sein muss.

Zwischendurch habe ich sogar ein paar Bewerbungen geschrieben… den Großteil an die US Armee in Kaiserslautern, die innerbetriebliche Weiterbilder, Arbeitsleistungsinspektoren, und was weiß ich noch alles braucht, und dafür nicht schlecht zahlt (im Falle meiner Bewerbungen über 1900 E Einstiegsgehalt, brutto, steigt schrittweise im Laufe der Monate und Jahre). Das Bewerbungsverfahren ist denkbar einfach: Man füllt ein Formular aus und schickt es mit der Post nach Lautern. Man braucht kein geschwollenes Anschreiben, kein Bewerbungsbild, keine Zeugnisse, nur eine grobe Darlegung des Lebenslaufs und Erfahrungshintergrunds. Alles, was über das Formular hinausgeht nur auf Anfrage.

Eine Bewerbung habe ich auch an das Bundessprachenamt gesendet, die zwei Stellen für Fremdsprachenassistenten Englisch zu vergeben haben, mit Aussicht auf Verbeamtung als “Regierungsrat” im höheren Dienst. Die wiederum erlauben die Bewerbung per Mail. Dann packt man halt mal alles in eine PDF und versucht sich bei der Gelegenheit an einem Anschreiben. Dort soll man Angehörigen des BMVg (und der Bundeswehr) nicht nur Englisch eintrichtern, sondern soll dabei das “interaktive Klassenzimmer” anwenden, das zufällig auch Teilthema meiner mündlichen Prüfung in der Anglistik war. Das schmiert man dem Personalchef natürlich gleich aufs Brot, dass man in der Richtung bereits Grundlagen hat.
Die zahlen etwa 200 E weniger Anfangsgehalt als die Amerikaner, aber beamtete Sicherheit klingt für mich persönlich verlockender als Gewinnmaximierung.

Ich hab schon gar nicht mehr gewusst, wie Hoffnung riecht. Neuerdings habe ich ernsthaft das Gefühl, dass zur Abwechslung mal alles tatsächlich klappen wird und vielleicht doch nicht kompromisslos auf Blut, Schweiß und Tränen hinausläuft.

21. Januar 2010

So stehen die Dinge

Filed under: My Life,Uni — 42317 @ 17:02

Vielleicht schreibe ich mal ein paar kurze Notizen zu meiner akademischen und gesundheitlichen Lage nieder, damit das Blog nicht möglicherweise den ganzen Januar über brach liegt.

Meine Magisterarbeit hat mittlerweile die Form eines 95 Seiten umfassenden Fließtextes. Hinzu kommen noch Inhaltsverzeichnis, Einleitung, Bibliografie, also bis auf insgesamt etwas mehr als 100 Seiten. Zumindest ist das die aktuelle Prognose, denn das kann sich noch ändern, nachdem ich auf dem kommenden Kolloquium meine bisherige Arbeit vorgestellt habe. Ich werde vermutlich zum Kürzen angehalten, und ich sehe es noch kommen, dass der theaterwissenschaftliche Anteil auf Kosten des historischen vergrößert werden muss. Sobald der Termin allerdings gelaufen ist, werde ich die Arbeit einem bereits freiwillig gemeldeten Leserkreis zur Begutachtung zukommen lassen.

Nerven tut mich auch die noch zu verfassende Einleitung, in der drinstehen soll, wie ich auf das Thema gekommen bin, wo ich die Signifikanz des Themas sehe, und was der Leser auf den darauf folgenden Seiten zu lesen bekommen wird. Aus irgendeinem nicht erfassbaren Grund bin ich mir nicht ganz sicher, wie ich an diesen Teil herangehen soll.

Und am Ende bloß nicht vergessen, dass die Magisterarbeit in dreifacher Ausfertigung vorgelegt werden muss, und zwar gebunden!

Themen für die Japanologie werden sein
– Populärkultur mit Schwerpunkt Anime
(damit ich die Bücher, die der ACT gespendet hat, auch mal in der Hand hatte)
– Schulwesen
– Geschichte mit Schwerpunkt auf dem 16. Jahrhundert, Sengoku-jidai, und insbesondere Oda Nobunaga
(mein Dank an Frank für das “Shôgun” Brettspiel)

Themen für Anglistik:
– Sprachgeschichte mit Schwerpunkt Mittelenglisch
(da könnt ich grad kotzen, weil das so spannend und praktikabel ist)
– Corpus Linguistik mit Schwerpunkt auf Anwendungen im Sprachunterricht
– Slang/Jargon im Englischen

Themen für Phonetik:
– Veränderungen der Stimme im Alter
– Pathologische Zustände des Gehörs
– (noch unentschieden)

Wichtiger noch auf dem akademischen Gebiet ist meine Entscheidung, die Deadline vom 20. April zu kippen. “There’s no chance in hell” (wie man im Amerikanischen so schön sagen kann), dass ich das gesamte verlangte Lesepensum bis dahin bewältigen kann. In dem von mir geplanten Monat zur Vorbereitung auf die mündliche Examensprüfung in der Anglistik hätte ich mal eben alle drei Tage ein Buch lesen und verinnerlichen müssen. Das übersteigt meine Fähigkeiten.

Ergo: Ich greife in den Pott, hole erneut 850 Euro heraus, und bezahle für ein weiteres Semester – womit ich vier weitere Monate Zeit erhalte: Mein Abgabetermin für die schriftliche Arbeit ist der 14. Mai 2010, danach habe ich drei Monate, bis zum 14. August, um alle mündlichen Prüfungen hinter mich zu bringen. Wenn ich will, kann ich meine erste Prüfung gleich am 15. Mai machen. Werde ich nicht, aber in der zweiten Maihälfte will ich Englisch hinter mich bringen. Die anderen beiden Prüfungen kann ich dann frei so verteilen, wie es mir (und den Prüfern) in den Terminplan passt, es gibt keine Vorgabe, wieviel Zeit maximal zwischen den Prüfungen liegen darf. So lange bis Mitte August alles erledigt ist, geht die Sache auf dieser Schiene klar. Ich muss nur alle Examen mit mindestens 4- bestehen.

Abgesehen davon steige ich auf schnellere, wenn auch möglicherweise weniger effiziente, und gleichzeitig kostenintensivere Lernmethoden um: Ich leihe die Bücher nicht mehr und schreibe keine Zusammenfassungen mehr, sondern werde den Krempel kopieren und per Textmarker das anstreichen, was ich ansonsten abgetippt hätte. Aus der Anglistik wurde mir zum Thema “effizient lernen” gesagt, das käme darauf an, was für ein Lerntyp ich sei. Ich hab keine Ahnung. Ich weiß grade mal, dass die aktuelle Pädagogik verschiedene Lerntypen unterscheidet – das ist alles, was ich darüber weiß. Man könnte auch allgemeiner sagen, dass ich das Lernen nie gelernt habe.

Das macht mich zwar arg ärmer, aber es nimmt mir auch Stress, womit ich meine Lebenserwartung nach oben schraube, und damit die Zeit, den finanziellen Verlust wieder einzufahren.

Womit ich bei meiner Gesundheit wäre. In der zweiten Dezemberhälfte hat mich ein lästiger, staubtrockener Husten zum ersten mal seit 1999 zum Arzt getrieben – natürlich genau zwei Tage vor Ablauf des Quartals, ich musste beim Nachfolgetermin also gleich nochmal Praxisgebühr zahlen, ganz zu schweigen von den 32 E, die ich für Medikamente berappen musste. Aber was soll ich machen, wenn ich wegen des Hustens zwei Stunden lang nicht einschlafen kann?

Was sagt der Arzt? Mein Blutdruck ist völlig normal, und auch meine Blutfettwerte sind noch im grünen Bereich. Das “böse” Cholesterin liegt auf einem akzeptablen Wert, und nur das “gute” Cholesterin liegt ein bisschen niedrig, aber deswegen müsse ich mir jetzt keine Sorgen machen. Sorgen machen müsse ich mir bestenfalls wegen des in meiner Familie vorhandenen Hangs zu Herzinfarkten und Schlaganfällen, aber im Gegensatz zu Vater bzw. Großvater habe ich nie geraucht, ich trinke nur selten Alkohol, und auch nicht literweise schwarzen Kaffee.

… und der Herr Großvater war schon wieder in Luxemburg tanken. Diesmal hat er zwar nicht das Bezahlen vergessen, aber den Geldbeutel auf der Ablage zuhause im Esszimmer liegen lassen. Der Pächter ließ sich allerdings überreden, eine Überweisung zuzulassen.

Ein Blick aufs Datum sagt mir, dass es an der Zeit wäre, über den Tellerwäscherjob zu schreiben, den ich vom 17. Dezember 2008 bis zum 22. Januar 2009 hatte… dabei hätte ich diese Wochen gern verdrängt. Das gibt’s demnächst auf Code Alpha – und ich sage das deshalb, damit ich die Sache nicht verschieben kann, bis ich sie tatsächlich vergessen habe.

16. November 2009

Das Omen?

Filed under: Japan,Militaria,Uni — 42317 @ 18:18

Ich habe die offizielle Bestätigung des Themas meiner Magisterarbeit am Freitag, dem 13. November erhalten!?

Ich bin nicht abergläubisch, aber so ein bisschen ungläubig die Stirn runzeln musste ich in dem Fall schon. Das Abgabedatum ist der 14. Mai 2010 – aber bis dahin bin ich längst drüber. Die ganze Sache muss am 20. April 2010 vorbei sein, Arbeit abgegeben und das letzte Wort der mündlichen Prüfungen gesagt, denn an jenem Tag endet die Toleranzfrist innerhalb des nächsten Sommersemesters, bis zu der ich noch keinen weiteren Studienbeitrag in Höhe von etwa 830 E zahlen muss, den ich mir nicht leisten kann.
Am 20. April (auch so’n ganz tolles Datum) endet mein Studium. Egal wie.

Ich schreibe also über “Das Internationale Militärtribunal für den Fernen Osten und seine Darstellung auf der Bühne durch Kinoshita Junji”. Und das ist von mir so formuliert, weil ich verstanden haben möchte, dass mein Schwerpunkt auf der Darstellung eines historischen Vorgangs liegt, und dass ich das Theaterstück “nur” als künstlerische Interpretation desselben mitbehandle. Die Quellenlage zum Theaterstück (“Shinpan”, dt. “Das Urteil”, aus dem Doppelwerk “Kami to Hito to no aida”, dt. “Zwischen Göttern und Menschen”) ist nicht schlecht, aber sie ist mir nicht gut genug, als dass ich mein Hauptaugenmerk darauf legen wollte und sicher sein könnte, auch was gutes zu Stande zu bringen. Denn leider sind die Theaterzeitschriften, die uns zur Verfügung stehen, in diesem besonderen Falle wenig aussagekräftig. Das Stück ist von 1970, wenn ich mich jetzt nicht irre, und das ist über zehn Jahre vor den Jahrgängen, die wir haben. Auch Internetrecherche ergab keine weiteren Ergebnisse. Wir haben umfangreiche Schriften eines Theaterfachmanns namens Ozasa, aber der beschäftigt sich mit Kinoshita nur allgemein und hat einen Schreibstil so frisch wie die stinkende Makrele auf dem Kopfsteinpflaster nach dem Fischmarkt. Ich durfte die Arbeit an den Büchern einstellen, nachdem mir mehrfach der Kopf auf die Tischplatte gefallen war.

Eine Zusammenfassung des Tribunals und des Theaterstücks, sowie die Biographie des Autors und eine Interpretation ist bereits fertig, und als nächstes verfasse ich die Herleitung des Tribunals: Eine Kurzfassung der japanischen Geschichte seit der Meijizeit mit Schwerpunkt auf den Expansionismus, und eine etwas detailliertere Kurzfassung des Pazifischen Kriegs ab Beginn des Konflikts mit China 1931 bis zur Kapitulation 1945. Ich hoffe, das alles auf 10 Seiten unterbringen zu können.

12. Oktober 2009

Geben Sie uns Geld!

Filed under: Uni — 42317 @ 17:55

Tröröö, der nächste Troubadour finanzieller Notwendigkeiten steht vor der Tür.
Diesmal in Form des Bundesverwaltungsamts.

Dieses Amt ist zuständig für das Eintreiben von BaföG-Schulden, und laut Auskunft ist meine erste Rate nach fünf Jahren des maximalen Bewilligungszeitraums fällig: Im kommenden März. Nach meinem Verständnis des in schönstem Beamtendeutsch verfassten Schreibens muss ich die erste Vierteljahresrate in Höhe von 315 E zahlen, und zwar unabhängig von meiner Einkommenssituation und unabhängig davon, ob meine Ausbildungszeit bereits vorüber ist. In diesem Punkt kann ich mich allerdings irren, möglicherweise ist auch allein das Ende der Ausbildung unbedeutend für den Start der Rückzahlungen und geringes Einkommen zählt immer als Aufschubgrund.
Die weiteren Raten kann ich auf jeden Fall mit Hinweis auf ein zu niedriges Einkommen – die Grenze liegt irgendwo knapp über 1000 E – um ein Jahr verschieben, wonach ich erneut begründet verschieben kann oder aber zahlen muss, falls ich kann.

Nach dem augenblicklichen Stand, also ohne mein Aufschubgesuch, müsste ich ab März 2010 bis ins Jahr 2014 hinein monatliche Raten in Höhe von 105 E zahlen. Leider habe ich derzeit nicht so viele Rippen, als dass ich das alles da rausschneiden könnte.
Wenn ich mir auf die Schnelle den gesamten fälligen Betrag (zwischen 5000 und 6000 E)  zinslos leihen könnte, wäre ich sogar in der Lage, einen dicken Batzen Geld zu sparen – aber woher nehmen?
Weitere Sparmaßnahmen bestehen aus Fällen wie “Ausbildung innerhalb des Bewilligungszeitraums abgeschlossen” (oder wenige Monate danach), oder “als einer der besten 30 % der Jahrgangsteilnehmer abgeschlossen”… jaja, völlig ausgeschlossen bei einem derart unmotivierten Fall von “Hauptsache, weg hier!” wie mir.

Was ich auf jeden Fall sofort zahlen muss, sind 25 E Bußgeld. Und zwar dafür, dass ich dem Bundesverwaltungsamt meinen Wohnungswechsel nicht angezeigt habe. Da musste meine Sachbearbeiterin wohl irgendwo anrufen, um herauszufinden, wo ich wohne, und unabhängig von den entstandenen Kosten dieser Arbeit sind pauschal 25 E an Vadder Staat abzuführen. Aber was soll’s, mea culpa, selber Schuld, und das kostet halt Geld. Leb damit oder häng Dich auf, wenn’s das wert ist.

15. Juli 2009

Das Wort zum Zweiunddreißigsten

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 22:43

Zuerst mal Danke an alle, die an meinen Geburtstag gestern gedacht haben.

Meine Oma hat als erste um halb Neun angerufen. Mein Opa war da leider nicht zu erreichen, weil er es dieser Tage vorerst wieder einmal geschafft hat, dem Tod von der Sense zu hüpfen. Nach einigen Schwierigkeiten, die der Herzschrittmacher nicht wettmachen konnte, ist derzeit wieder die Rede von Kur und Reha.

Mein Vater und WSK haben leider abends angerufen, und dienstags ist das keine gute Idee, weil ich da Rennergebnisse auswürfele, den Sheriff manchmal unter Verschonung des Deputys erschieße, oder aber mich mit Dynamit in die Luft sprenge. Dies alles im Kreis werter Kameraden, die ich nicht missen möchte. Dienstag abends nach Acht anzurufen ist jedenfalls keine gute Idee. Dabei möchte ich erwähnen, dass einem das Brummen aus dem Telefonhörer auf den Keks gehen kann. Das könnte an der Internetleitung liegen, allerdings habe ich bemerkt, dass dieses Störgeräusch sich kurzzeitig beheben lässt, indem man am Hörer herumdrückt. Ein Funktionsfehler unseres sicherlich nicht teuren Telefons ist daher nicht auszuschließen, und die Alice-Flatrate möglicherweise völlig unschuldig!

Und da wird mir zugetragen, dass eben jener WSK sich beschwert habe, dass ich seine Kommentare nicht kommentiere. Hm… bislang war ich nach dem Lesen eigentlich der Meinung, alles notwendige sei gesagt worden, wozu also noch weiteres hinzufügen? Ihm sei gesagt, dass ich generell dankbar bin für Kommentare, auch für seine, dass ich dies aber nicht extra noch drunterschreibe. Wenn ich es für sinnvoll erachte, noch etwas hinzuzufügen, werde ich das jedenfalls mit Sicherheit tun.

Sempai Pierre hat angerufen, zum Spieleabend, aber ich will mir zumindest mal einbilden, dass mein Geburtstag seine Hauptmotivation gewesen ist, zumal er ihn kaum vergessen kann, weil der werte Freund nämlich Franzose ist, und welcher Nachfahre der bastillestürmenden Massen könnte einen Geburtstag am 14. Juli vergessen?
Der jedenfalls fand die westliche Beta-Version eines japanischen Spiels nach der Serie “Higurashi no naku no koro ni” so erschreckend schlecht, dass er umgehend Mails an die Lizenzeigner in Japan geschrieben hat. Alles sehr löblich, allerdings muss ich aus eigener Erfahrung sagen, dass es an ein Wunder grenzt, auf offizielle Mails nach Japan irgendeine Antwort zu erhalten, zumal es auch nicht selten in den vergangenen Jahren aussah, als ob sich japanische Lizenzeigner einen Dreck dafür interessierten, was man mit ihren Produkten im Ausland machte. In Sachen Unterhaltung sind Japaner extrem auf den Binnenmarkt konzentriert.

Tolle Sache: VAG hat mir japanische Milchkaffeedosen mit Evangelion Sondermotiven geschenkt! Leider haben nicht alle die Reise ohne Beulen überstanden, aber vielleicht kann man das mit Innendruck wieder hinbiegen? Ich hab sie jedenfalls leergesoffen, mit Wasser gefüllt und ins Eisfach gestellt, und harre nun der Dinge, die da kommen, wie wir bei der Armee gerne sagten.

Apropos Armee, auch mein kommissarischer Feldwebel, mittlerweile vom Tiefpfälzer zum Mittelrheinländer mutiert, hat mich mit einem Anruf bedacht, der von dem Geschrei seines Nachwuchses im Hintergrund nur minimal gestört wurde. Auch der hat mir eine Geschenklichkeit angedeutet. Also, der Ex-Fw natürlich, nicht sein Nachwuchs. Ich bin nicht sicher, womit ich das immer verdient habe, aber dankbar bin ich allemal.

Ricci hat mir einen 15 E Amazon Gutschein geschenkt! Eitel Freude herrschte da. Und Kopfzerbrechen. Was von meiner langen Wunschliste soll ich denn nur kaufen? Nachdem Melanie mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass man für einen Zwanziger einkaufen muss, um versandkostenfrei zu kaufen, war die Wahl gefallen: “Band of Brothers” kommt ins Haus!

Ein paar Leute haben wohl nicht sofort dran gedacht… aber das macht nichts… ich denke auch manchmal erst Wochen später an Geburtstage. Ich wäre also der letzte, der sich deswegen verstoßen vorkommt.

Verdammt, sogar der Mihel hat dran gedacht! Ein bitter  belustigtes “sogar”, möchte ich sagen. Mit nur vier Tagen Unterschied ist seine Tat auch nicht schwer gewesen, aber ich will mal abwarten, wie lang es noch dauert, bis ihm dämmert, dass ich ihm sehr übel nehme, dass er seine Hochzeit vor wenigen Wochen verschwiegen hat, während er anderen Leuten aus meinem Umkreis sehr wohl davon erzählt hat. Aber ich hab auch kein engelsgleich blondes Haar, und überhaupt fehlen mir vielleicht die weiblichen Formen, die es braucht, um meiner für solche Gelegenheiten zu gedenken. Egal. Er ist damit der zweite, der achtkantig aus meinen Dateien geworfen wurde.

Übrigens, meine/unsere Nebenkostennachzahlung… die war nur 160 E stark. Da war ich ein bisschen überrascht, muss ich zugeben. Aber vielleicht war auch die Bombe vom letzten Jahr nur eine Illusion in meiner wirtschaftlichen Dauerdepression?
Doch halt, Korrektur: Sie war dieses Jahr 212 Euro stark und die 160 E sind vom vergangenen Jahr. Die aktuelle Rechnung wurde trotz konstant gebliebenen Verbrauchs von den gestiegenen Energiepreise in die Fäkalientonne geritten.
Wie dem auch sei, ich bin jedenfalls der Meinung, dass ein energieeffizienterer Eisschrank, Energiesparlampen, und nächtlich ausgeschaltete Computer im Vergleich zu früheren Jahren so einiges gerettet haben. Dann kann ich ja dem unibedingten Aderlass im nahen Herbst ein kleines bisschen entspannter entgegenblicken, wenn mich mein Magisterarbeitssemester 800 Flocken kosten wird.

Und die alte Band hat gratuliert. Ist das nicht nett von den undisziplinierten Nervensägen? Na ja, einer der eher Verschollenen hat sich gemeldet und ein Grillen im alten gauischen Domizil vorgeschlagen, mit den Eltern in einem fernen Urlaubsland weilend… da krieg ich ja direkt nostalgische Gefühle! Na, für einen Abend werd ich die Jungs wohl ertragen können.
Scherzle am Rande. Oder wie der Kamerad Jordan aus Karlsruhe zu sagen pflegte:
“Haha, Spässle g’macht, Witzle g’risse.” Natürlich sagte er das nur, wenn jemand Witze auf seine Kosten machte. Zum Beispiel in Anbetracht seiner an eine Kartoffel erinnernde Körperform, von den Armen und Beinen mal abgesehen. Möchte wissen, was aus dem geworden ist… aber da der Suchdienst der Bundeswehr ja völlig inkompetent ist, kann ich das auf die Schnelle vergessen. Ich hab keine Ahnung, nach welchem Muster die jemanden finden. Den Kameraden Roppel haben sie gefunden, obwohl der mittlerweile mindestens einmal umgezogen war. Der Kamerad Ritter war auch nur einmal umgezogen, aber den haben sie nicht gefunden. Und der Kamerad Theuer war gar nicht umgezogen, hat aber niemals ein Schreiben von denen erhalten. Ja, ich habe die beiden letztgenannten sozusagen als Kontrollgruppe eingefügt. Ich gehe nicht davon aus, dass ich derart unbeliebt im Zug war, dass sich niemand außer dem ollen Roppel bei mir melden würde.

Ich schweife ab. Ich schweife ab? Was soll ich denn sonst noch so sagen?
Eine Sekretärin der Anglistik, Frau D., ist mit 62 Jahren in Rente gegangen. Was denn, die war 62? Die sah nicht unbedingt älter aus als 52. Zumindest sah sie jünger aus als die Obersekretärin Frau S., die immer noch da ist, was aber an dem nicht geringen Tabakkonsum der letztgenannten liegen könnte. Raucher der Welt, verwendet Nikotinpflaster! Da ist immer noch Suchtstoff drin, aber immerhin keiner der 4500 Giftstoffe des verarbeiteten Tabaks. Auch die Phonetik lehrende Dozentin Frau O. ist in Rente gegangen, aber die sah auch schon länger aus, als sei sie reif dafür. Und entgegen allen Unkenrufen kam man gut mit ihr aus. Zumindest außerhalb des Sprachlabors. Aber scheinbar – oder offensichtlich – war ihr Humor nicht jedermanns Sache. Der kam manchem ein bisschen grantig vor. Da saß ich anno 2005 im Sprachlabor in der ersten Reihe, der Saal voll. Neben mir eine Tasche auf dem Stuhl.
Da schaut sie mich strafend an und sagt: “Sie erinnern mich an diese BWL-Arschlöcher im Zug, die ihre Taschen auf den Sitz stellen und lieber alles und jeden stehen lassen, aber Hauptsache, die Tasche hat einen Platz. Also, runter damit!” Dabei war das gar nicht meine, die Besitzerin war nur kurz vor Unterrichtsbeginn nach draußen gegangen. Vielleicht “e Angschdbach mache”, wie mein alter Freund HJK manchmal meint? Nee, wohl nicht… ich wollte dieses infame Wort auch nur mal in meine Schlagwörter aufnehmen, mal sehen, ob es irgendwann “Toilettenweisheiten” als den Toppverweis auf mein Code Alpha Blog ablöst?

Auch im Animetric Forum hat man sich meiner erinnert, aber das ist auch nicht schwer, weil der Geburtstag eines Mitglieds automatisch auf der Hauptseite angezeigt wird. Ich würde mich beinahe noch mehr freuen, wenn ich bei den derzeitigen Verlosungen mal wieder was gewinnen würde, was wegen der langen Warteliste der Dinge, die ich vorher sehen möchte, wahrscheinlich erst in ein paar Jahren in meinem DVD Player landet, aber gehabt ist gehabt, und gewonnen ist doppelt so gut wie gekauft.
Und sobald Wettbewerbe und Verlosungen ausgeschrieben werden, kommen sie aus ihren Löchern, die so genanten Lurker. Sie sind eingeschriebene Mitglieder, aber man liest das ganze Jahr über kein Wort von ihnen. Aber wenn es was zu gewinnen gibt… ja dann sind die auf einmal so aktiv wie Ameisen, denen auf einmal verdammt viel einfällt, was sie schreiben und vorschlagen können, um was geschenkt zu bekommen… um ganz ehrlich zu sein, nervt mich das ein bisschen… wozu Preise an Leute verteilen, die kein bisschen daran mitarbeiten, die Popularität der Webseite zu steigern? Mehr Posts, mehr Themen, daraus folgt: mehr Begriffe, über die man das Forum mittels einer Suchmaschine finden kann. Kriegt man von denen aber nicht. Sie behaupten, sie würden Forumseinträge nur lesen. Ja Chekov, basst scho. Vielleicht sollte man Lose verteilen, deren Anzahl sich nach den eigenen Beiträgen in den Diskussionsforen richtet. Das wär fein, vor allem bei der Masse meiner eigenen Beiträge. Ach, vergessen wir das, das wird nicht geschehen, unser Admin ist Demokrat, und er vergibt auch Preise an Leute, die sich nur dafür eingeschrieben haben und danach wieder in den Weiten des WWW verschwinden.

Abgesehen davon habe ich an einem Wettbewerb des Japan-Vloggers BusanKevin teilgenommen (der nennt sich so, weil er auch ein paar Jahre in Südkorea zugebracht hat), dessen Ergebnis noch aussteht. Ja, ich rede von YouTube. Er hat dem zufällig zu ziehenden Gewinner jedenfalls eine Kiste voll japanischen Krempels versprochen, darunter eine große Tüte Wasabi-Furikake (das sind gefriergetrocknete Streusel für den gekochten Reis, dessen Feuchtigkeit die Streusel genießbar macht, ich habe vor Jahren mal in meiner Japanrundmail davon berichtet, und was Wasabi ist, muss ich wohl nicht extra erklären).

Last but not least… es wurde viel geredet über den bundesweiten Studentenprotest im vergangenen Monat, der sich gegen die derzeitige Erscheinungsform der Bachelor und Master Studiengänge richtet. “Fünf Jahre zu spät!” sagt ein Dozent und hat vermutlich Recht. Und da waren wohl einige Protestierer so gefrustet vom bösen Staat, dass sie mit Hilfe von Schablonen diverse Abbildungen und Sprüche mit Lackfarbe an die Unigebäude, auf Böden, und auf Glasscheiben gesprüht haben, die man nicht so einfach wieder runterwischen kann. Herzlichen Dank ihr Arschgeigen. Das macht mir das Anliegen der Aktion so richtig sympathisch. Von mir aus könnt ihr im BaMa Studiengang verrotten, denn Hände abhacken is ja bei uns nich. Dabei kam mir das nach einer Vorzugsbehandlung mit speziellen Arschtrittstiefeln erst als zweites in den Sinn.

19. Dezember 2008

Strategisches Versagen

Filed under: Uni — 42317 @ 15:58

Genau so was habe ich mir gedacht, als ich meine Scheine mit den Studienordnungen verglichen habe – denn meine Anmeldung zur Magisterprüfung habe ich ganz gewaltig in den Sand gesetzt. Wie das?

Ich habe peinlich darauf geachtet, alle notwendigen benoteten Scheine zu sammeln, indem ich die notwendigen Leistungen erbringe… und habe darüber hinaus die so genannten frei wählbaren Veranstaltungen vergessen. Sowohl in der Phonetik als auch in der Anglistik fehlen mir jeweils noch zwei Semesterwochenstunden, also jeweils ein unbenotetes Seminar, wo Anwesenheit und ein kleines Referat ausreicht.

Das Dilemma gestaltet sich folgendermaßen:
Ich bin in einer Zwickmühle gelandet, die ich eigentlich hatte vermeiden müssen. Um die notwendigen Kurse besuchen zu können, müsste ich im kommenden Semester 800 E zahlen, und um meine Prüfungen ein Semester lang vorzubereiten, nochmal 800. Mit dem zweiten Job, den ich neuerdings habe, ist das finanziell zwar möglich, aber ich muss mich ernsthaft fragen, ob ich diese Menge Geld ausgeben will, während meine Hoffnungen, die mündliche Prüfung in englischer Linguistik zu schaffen, gegen Null streben. 1600 E ausgeben, um letztendlich an einem Blackout zu scheitern, wie damals im ersten Anlauf der Zwischenprüfung?

Prioritätenwechsel:
Es hilft mir zwar nicht, dass ich mich gerade in die schönste Wirtschaftskrise seit Anfang der Achtziger manövriert habe, aber in erster Linie sollte ich mich um einen Job bemühen. Meine erworbenen Fremdsprachenkenntnisse sind ja nicht wertlos.
Für den Fall, dass sich da nichts ergibt, kann ich ja immer noch zum Sommersemester wieder in die Uni einsteigen und erst mal die Kurse machen. Was natürlich schwierig sein dürfte, weil ich an vier von sieben Wochentagen arbeite und mir für Kurse nur ein ganzer und zwei halbe Tage zur Verfügung stehen.

Man könnte eine Weihnachtsphobie entwickeln… letztes Jahr bringt sich einer meiner Bekannten um, dieses Jahr stirbt mein Großonkel, und ich fahre mein Studium nach acht Jahren so ziemlich an die Wand.
Was kommt als nächstes?

4. September 2008

Fragen Sie im Dekanat!

Filed under: Uni — 42317 @ 17:20

Ich muss wegen neuer Informationen meinen Eintrag “Ausnahmen für Examenskandidaten” selbst kommentieren. Nach einem Schriftwechsel mit dem Dekanat war ich um einige Informationen reicher, und herausstechend dabei ist die:

“Wenn die letzte zu erbringende Prüfungsleistung innerhalb der ersten vier Wochen des neuen Semesters stattfindet, d.h. in der Zeit vom 1.10. bis 31.10. oder in der Zeit vom 1.4. bis 31.4., dann müssen Sie sich nicht zurückmelden. Erfolgen noch Prüfungsleistungen nach diesen genannten Zeiträumen, melden Sie sich bitte zurück, da Sie eben die Dienstleistung der Universität auch noch in Anspruch nehmen.”

Das bedeutet, ich habe bis zum 30. April Zeit (weil es keinen 31.04. gibt) und muss daher meine Arbeit spätestens im Januar abgeben (weil die mündlichen Prüfungen drei Monate nach Abgabe der Arbeit stattfinden). Wenn denn jemand fragt, wie ich eine auf sechs Monate ausgelegte Arbeit in vier Monaten schreiben konnte, muss ich halt (wahrheitsgemäß) sagen, dass ich mir keine Studiengebühren leisten kann und nur dann effektiv arbeiten kann, wenn ich mittels eines Vorgesetzten oder eines Zeitlimits unter Druck stehe.

Und noch eine Information, die für Examenskandidaten interessant sein könnte:

“Die Angabe der Themen der mündlichen Prüfungen auf dem Anmeldeformular ist nicht verbindlich und kann in Absprache mit dem Prüfer jederzeit geändert werden.”

17. August 2008

Über die Verbesserungswürdigkeit von Verbesserungen

Filed under: Uni — 42317 @ 14:25

Ich habe im Laufe meines Studiums acht Hausarbeiten geschrieben.
Zu einer davon bekam ich einen kurzen mündlichen Kommentar, nachdem mir nach dem Empfang der Note “3” die Frage entrutschte, ob sie denn wirklich so schlecht gewesen sei.
Zu einer weiteren bekam ich sechs Zeilen eines handschriftlichen Kommentars.
Erst bei der Abholung der Note meiner allerletzten Hausarbeit wurden mir in einem ausführlichen Gespräch die Gründe dafür dargelegt, warum sie nur mit einer “2” benotet worden war.

Im Laufe dieses Gesprächs hatte ich mehrere “Aha!” Erlebnisse, auf die ich jetzt nicht weiter eingehen muss, weil es mir um etwas umfassenderes geht, nämlich das gängige Procedere bei der Abhandlung individueller Hausarbeiten.

Alle Fachbereiche, denke ich, bieten für das Grundstudium Kurse an, in denen man lernt, wie man Hausarbeiten so verfasst, dass der Prüfer sie nicht als Beleidigung seiner akademischen Ehre auffasst, und die meisten Fakultäten und viele Dozenten haben ganz eigene Auffassungen davon, wie zum Beispiel richtig zitiert wird, aber auch das ist nur ein kleiner, nervender Aspekt des hiesigen akademischen Ausbildungsprozesses. Dazu zählt auch das seltsame Phänomen innerhalb meiner eigenen Fakultät, dass die einen Dozenten eine Arbeit benoten und zurückgeben, während andere nur die Note bescheinigen und die Arbeit einbehalten, mit dem Hinweis, das sei so üblich. Ich muss nicht verstehen, warum das in einem Büro “so üblich” ist und zwei Meter nebendran nicht.

Denn was mich so richtig stört, ist das praktische Nichtvorhandensein von Feedback. Ich schreibe eine Hausarbeit und erhalte eine Note darauf, aber wenn ich nicht gezielt nachfrage, wird man mir nicht einfach so erzählen, wie die Note begründet worden ist. Ist das eine Art Test? Eine Art Sieb, mit dem man die Spreu vom Weizen trennen will? Denn nur wirklich motivierte Studierende werden nachfragen und auf Anfrage Verbesserungsvorschläge für künftige Arbeiten erhalten, worauf sie diese verbessern und entsprechend höhere Noten erhalten können. “Hoffentlich-ist’s-bald-vorbei” Studenten wie meine Wenigkeit kommen erst am Ende ihres Studiums auf die Idee, nach sowas zu fragen, und ich wage zu behaupten, dass ich in der Mehrheit bin.

Durch das Nichtaussprechen solcher Informationen wird jedenfalls die akademische Leistungsfähigkeit und gegebenenfalls die Motivation der Studierenden gedämpft, denn “selber Nachfragen zeugt von Intelligenz” hin oder her, ich erwarte eigentlich von meinem Dozenten, dass er von sich aus auf meine Schwächen als Verfasser eingeht und sie mir erläutert, anstatt sich die Würmer aus der Nase ziehen zu lassen. Ein Sprechstundentermin dauert in der Regel 15 Minuten, und ich denke, das ist genug Zeit, die gegebene Note darzulegen.

Aber wenn man im Magisterstudiengang unterwegs ist, dann macht das eigentlich gar nichts aus. Die einzige Note, die für den Abschluss von Bedeutung ist, ist die Note auf die Examensarbeit, alles andere spielt überhaupt keine Rolle. Wenn ich mich denn all die Jahre gerade so mit der Parole “4 gewinnt” durch die Seminare gewurschtelt habe, dann aber in einem Anflug von Genie eine 1A Magisterarbeit hinlege, dann ist das ja toll, aber der umgekehrte Fall wäre tragisch, denn eigentlich würden ja über Jahre gesammelte, mehrheitlich sehr gute Seminarsnoten mehr über meine Fähigkeiten aussagen, als die Abschlussarbeit allein, denn es ist ja nur eine Arbeit, und Scheiße passiert halt.

Aber egal, in Bezug auf die geschilderte Verbesserungswürdigkeit von Verbesserungen wird die Situation in der folgenden Zeit kritischer, und das liegt daran, dass sich Bachelor und Master Studiengänge durchgesetzt haben – und in diesen Studiengängen zählt jede Note. Da wird es wesentlich wichtiger, ein gutes Feedback zur Arbeit zu erhalten, um Wiederholungsfehler zu vermeiden.

Aber vielleicht wird auch das Teil eines Aussiebeverfahrens, denn mir scheint, dass das System elitisiert wird. Wie erfuhr ich von einem meiner Dozenten der Anglistik?
“Sie sind verpflichtet, bestimmte Module (Seminare) zu belegen, und wenn sie eines der Pflichtmodule nicht schaffen, dann sind Sie raus. Auf die Art und Weise hätte ich nie meinen Doktor geschafft!”

Ich habe mir nicht selbst eine Übersicht verschafft, von daher kann ich nicht sagen, ob die Aussage so absolut stimmt. Aber es klingt schon so ein bisschen nach Zwangsjacke, zumindest im Vergleich zu den laissez-faire Magisterzeiten, wo man seinen Stundenplan bauen konnte, wie es Spaß machte. Die Möglichkeiten, sich auf breiter Basis Wissen anzueignen, das vielleicht auch mal ein bisschen außerhalb der offiziellen Einschreibung liegt, fällt jedenfalls flach, und das finde ich persönlich sehr schade.

12. August 2008

Ausnahmen für Examenskandidaten?

Filed under: Uni — 42317 @ 14:56

Aus gegebenem Anlass habe ich beim Studentensekretariat hinterfragt, ob man weniger oder möglicherweise keine Studienbeiträge zahlen müsse, wenn man nach der Anmeldung für die Examensprüfung ins nächste Semester rutscht.

“Studienbeiträge” – nicht zu verwechseln mit Semesterbeiträgen – ist ein Euphemismus, der mit dem Begriff “Studiengebühren” viel besser umschrieben ist. Grob gesagt liegt jedem Fachbereich eine individuelle Regelstudienzeit zu Grunde, die irgendein Gremium auf Grund des erfahrungsgemäß notwendigen Zeitaufwands ermittelt hat, das heißt, die Regelstudienzeit kann sich von Fach zu Fach unterscheiden. Wenn man diese Regelstudienzeit in Rheinland Pfalz um eine festgelegte Zahl von Semestern überschreitet, muss man jene Gebühren zahlen, das heißt im Falle unserer Universität einen Semesterbeitrag in Höhe von etwas mehr als 170 E und einen Studienbeitrag in Höhe von 650 E.

Die erste Mitteilung, die ich als Antwort erhielt, war dergestalt, dass ich im September noch nichts zahlen muss, weil meine Zahlungspflicht erst im kommenden Sommer beginnt. Das heißt, ein Japanologe im Magisterstudiengang hat 17 Semester Zeit, fertig zu werden, und muss erst ab dem 18. Semester zahlen. Wenn man also nicht hin und wieder an depressiver Lethargie leidet, ist das auch ganz bequem zu schaffen (leider ist der nur durchschnittliche deutsche Student überdurchschnittlich anfällig für Stressdepressionen). Vielleicht sollte man mittlerweile sagen, dass man im Magisterstudiengang 17 Semester Zeit hatte, denn nach Einführung der Bachelor und Master Studiengänge werden Magister und Diplomanten scheinbar aussterben.

So weit, so gut. Aber meine allgemein gestellte Frage war damit ja nicht beantwortet. Auf eine erneute Nachfrage erreichten mich also noch zwei Antworten, die ich hier zusammenfassend wiedergebe:

§14 der Landesverordnung über die Einrichtung von Studienkonten vom 5. Juli 2007 besagt:

” …die Pflicht zur Entrichtung des Studienbeitrages entsteht mit der Rückmeldung, Studienbeiträge werden mit ihrer Entstehung fällig. (…) eine Verrechung ist nicht möglich…”

Die 650 Euro sind in voller Höhe zu entrichten, unabhängig davon, ob die Abschlussarbeit schon angemeldet ist und unabhängig davon, ob man sich bereits 2 Monate später wieder exmatrikuliert.

Wenn Ihnen so ein Fall bekannt ist, hat das Fach einen Fehler gemacht. Kann aber nur bei Magisterstudiengängen passiert sein. Mittlerweile achten die Dekanate jedoch darauf, weil in der Einschreibeordnung festgelegt ist, dass Sie für jede Prüfung eingeschrieben sein müssen. Auch wenn die letzte Prüfung knapp in ein neues Semester fällt, müssen Sie die Rückmeldung vornehmen.  Da die Studienbeiträge bei Rückmeldung fällig werden, sind auch diese zu zahlen.

Im gleichen Atemzug kann ich die Frage so manches Komilitonen beantworten, wie es denn um finanzielle Unterstützung während der Zeit, während der man seine Abschlussarbeit schreibt, steht.

Dazu bin ich beim BaföG Amt vorstellig geworden, nachdem ich von denen seit fünf Jahren nichts mehr wissen wollte. Ich bin direkt überrascht, dass mit einigen neuen Mitarbeitern wohl auch der Umgangston wesentlich freundlicher geworden ist. Die beiden Sachbearbeiter, die ich zwischen Herbst 2000 und Sommer 2003 kennen lernen durfte, waren meist eher unwirsch, wenn man ihnen Rückfragen stellte.

Man kann für die Dauer der Abschlussarbeit bis maximal zum 15. Fachsemester Förderung beantragen, auch wenn diese über die Bewilligungsfrist eines möglicherweise vorher existierenden BaföG Anspruchs hinausgeht. Dieses Examens-BaföG (ich weiß nicht, ob es offiziell so heißt) ist allerdings ein Volldarlehen, das bedeutet, man muss es in voller Höhe (BaföG normalerweise nur die Hälfte) zurückzahlen, außerdem, ebenfalls anders, kommen 5 % Zinsen hinzu.

In meinem Fall heißt das, dass ich mich bis spätestens vergangenen März hätte anmelden müssen, um noch Anspruch auf solche Unterstützung zu haben. Die Dame vom BaföG Amt verwies mich an das Studentenwerk.

Auch beim Studentenwerk kann man ein Darlehen beantragen, und das weiß scheinbar kaum einer, es heißt offiziell “Examensabschlussdarlehen”. Das Infoblatt zählt sieben Punkte auf, deren kurzgefasste Kerninhalte folgendermaßen aussehen:

– Die Höchstsumme beträgt 1800 E
– Man braucht einen deutschen Bürgen mit regelmäßigem Einkommen
– Zwei Professoren oder Dozenten müssen die akademische Leistungsfähigkeit bescheinigen
– Das Darlehen wird mit 3 % verzinst, allerdings erst ab zwei Monate nach Ablegen des Examens.

16. April 2007

Ich bin ich

Filed under: My Life,Uni — 42317 @ 18:06

In Bezugnahme auf meinen Beitrag “In der Kritik” aus dem vergangenen Dezember:

Heute war die Vorsprechung der Japanologie zum Sommersemester 2007, und ich kam nicht umhin, in eigener Sache ein paar Dinge zu sagen, die so manchem Anwesenden jener Vorbesprechung vielleicht etwas hart erschienen sein mögen:

“Nachdem ich vor einem halben Jahr ebenfalls in dieser Erscheinung gesprochen habe*, wurde mir daraufhin über mehrere Ecken zugetragen, dass das doch irgendwie peinlich sei und den Ruf der Japanologie schädige…”
(Ein Seitenblick zu Frau Professor Gössmann, die diese Information ungläubig zur Kenntnis nahm und mich von dem Vorwurf entlastete.)
“Das wäre dann der Punkt. Und zuletzt hat es mich in meinem ganzen Leben noch nicht interessiert, was irgendwelche Leute von meinem Äußeren halten – und wem das nicht passt, der kann bleiben, wo der Pfeffer wächst. Das wäre dann wohl geklärt – kommen wir also zum Anime Club…”

Vielleicht hätte ich hinzufügen sollen, dass ich Kritik gerne persönlich und unmittelbar entgegennehme, und mir nicht die Kritik selbst, sondern die vermittelte Form nicht gepasst hat.
Aber ich habe gesagt, was ich sagen wollte und ich fühle mich ganz gut dabei.

* gemeint ist “in meinem schwarzen Anzug”, siehe Foto im Beitrag vom 02. Dezember 2007.

23. März 2007

Toilettenweisheiten

Filed under: Uni — 42317 @ 19:40

Überall hinterlassen Leute irgendwelche Sprüche an den Wänden der Toiletten, und da wir hier ja an der inoffiziellen “Karl-Marx-Universität” sind, ist die Zahl politisch motivierter “Weisheiten” nicht gering.

Da schreibt zum Beispiel einer: “Elite ist undemokratisch!”

Nun, seit wann ist die Natur demokratisch?
Zum einen gibt es Leute, die mit einer Art von Begabung geboren sind. Man sollte Begabungen fördern und sie zum Wohle der Gemeinschaft einsetzen, das sind soziale Anforderungen an die gegebene Situation, aber im Grunde handelt es sich um eine zufällige Zuweisung der Natur. Soll man solche Begabungen ignorieren, damit sich niemand zurückgestellt vorkommt?
Zum anderen gibt es Leute, die hart für ihren Erfolg arbeiten, und diesen Erfolg auch erleben, seien sie nun natürlich begabt oder nicht. Will man diesen Leuten ihre Mühen zum Weiterkommen verbieten, weil es dem demokratischen (?) Egalitätsgedanken widerspricht?
Ich fühle mich selbst nicht für irgendetwas Brauchbares begabt (und ehrgeizig bin ich auch nicht) – aber ich habe deswegen keine Komplexe und verstecke die nicht unter einem linken Pseudointellektualismus.

21. März 2007

Learning to fly

Filed under: Uni — 42317 @ 12:16

Die Frau Dr. Gerbig ignoriert entweder meine Anfrage, ihr Postfach, oder ihre Seminarvorbereitung unterhalb der technischen Ebene. Ihr StudIP-Eintrag sagt aus, dass sie in der Anglistik der Uni Trier zu finden sei, aber auf deren Homepage wird sie nicht unter den Dozenten aufgelistet, dem entsprechend hat sie keine Angaben zu Büro oder Sprechzeiten. Also: Anfrage vor Ort.
“Ach,” sagt die Frau Daewel, “die Frau Gerbig war eine Weile nicht da. Sie kommt zum Sommersemester wieder. Ich habe ihr auch im Februar eine private Mail geschrieben, aber scheinbar ist die Adresse veraltet.”
Ist ja ne tolle Wurst. Wenn die erst auftaucht, wenn das Semester beginnt… pfff, ich hab sowas von verloren! Das bedeutet, dass meine kommunikativen Bemühungen um Aufnahme in den Kurs (in dem ich mittlerweile auf Platz 15 der Warteliste vorgerückt bin!) bis zur letzten Stunde der Wahrheit warten müssen.

Und weil das Leben weiter geht, fasse ich eine Bewerbung bei der Lufthansa ins Auge… und bei Japan Air Lines am besten gleich dazu.

2. März 2007

Nimm das!

Filed under: Uni — 42317 @ 16:42

Und am besten gleich zwei!

Die Bürokratie beutelt mich mal wieder und schubst mich an den Rand des Abgrunds. Frisch-fromm-fröhlich-frei setze ich mich letztlich am Morgen an den Rechner, um mich in ein benötigtes Seminar der Anglistik einzutragen, und ZACK! Ohrfeige!
“Das Seminar ist bereits voll. Sie befinden sich auf Warteplatz 16. Sie werden im Falle eines frei werdenden Platzes benachrichtigt”, bekomme ich da zu lesen. Nett… vor allem im Hinblick darauf, dass mein Studium finanziell nicht zu schaffen ist, wenn nicht an sofort alles nahezu perfekt läuft – und das fängt beim Ergattern eines freien Platzes in Seminaren an.
Die Damen und Herren mit DSL zuhause schmeißen sich vor der Nachtruhe um 00:01 mal noch schnell ans StudIP, um sich einzuschreiben. Meine bittere Wahrheit ist bislang: Ich kann mir einen Anschluss gar nicht leisten. Und deswegen bin ich neun Stunden zu spät dran. Also ist der Kurs bereits voll. Und der alternative ebenfalls. Geld haben hat Vorteile. Leider bin ich in eine Arbeiterfamilie hineingeboren.
Mehr als der Dozentin zu schreiben und um eine Extrawurst zu bitten, kann ich jetzt nicht machen.

Eines muss ich dabei gleich klarstellen: Ich könnte mir auf privater Basis genug Geld leihen, um ein Semester in die Gebühren hinein zu studieren. Aber ich werde es nicht tun. Nein, das hat nichts mit Stolz zu tun.
Vielleicht kann sich ja jemand eine Vorstellung davon machen, was für eine seelische und psychische Belastung es für mich bedeutet, mit geliehenem Geld zu verlängern, um dann möglicherweise an einer der drei mündlichen Prüfungen zu scheitern?
Nicht nur, dass ich klar feststellbar unter Prüfungsangst leide und sich alles, was ich mir an Wissen aneigne, sich in der Stunde der Wahrheit in einem Haufen zusammenhangsloser Informationsschnipsel verwandelt… der Druck, der dadurch entsteht, dass mir die Leihgabe eine zusätzliche seelische Bürde auflädt (ich würde meine Sponsoren schließlich nicht enttäuschen wollen), würde meine psychische und auch meine körperliche Gesundheit sehr in Mitleidenschaft ziehen.

Ich stelle fest, dass mich meine Anglistik Zwischenprüfung schwer beeinflusst hat. Beim ersten Versuch bin ich glatt durchgefallen. Klarer Blackout. Aber: Ich habe einige Fehlerquellen bei der Vorbereitung aufspüren und eliminieren können.

In den zweiten Versuch bin ich mit weit besseren Gefühlen gegangen. Ergebnis: “4-“.
Geschafft mit der Gnade der Prüfer, die mein “sehr gutes Englisch” als Begründung dafür anführten, mir keine glatte “5” gegeben zu haben.

Ich kann mich strukturiert vorbereiten und mir alles anlesen, was ich an Stoff brauche, aber wie ich den eiskalten Schweiß, das Zittern der Hände und die Hyperventilation mit dem einhergehenden luftigen Gefühl im Kopf und den brodelnden Magen weg bekomme, hat mir noch niemand klar machen können.

Im Nachhinein kommt mir auch meine wenige Tage danach stattfindende Phonetikprüfung wie ein eher unverdientes Gnadengeschenk vor: Statt der im Nebenfach üblichen 15 Minuten wurde ich 35 Minuten lang geprüft – ofenbar hatte ich erst dann genug Aussagen gemacht, die meine Endnote von “2” rechtfertigten.
Ich sollte mich aber auch nicht schlecht reden… jener Professor hält die Prüfungen in der Art eines lockeren Gesprächs, das kostet Zeit, und ich kann mich auch nur an eine Stelle erinnern, wo ich mich in der Klemme fühlte.

Abschlussprüfungen sind von Natur aus doppelt so lang. Allein der Gedanke daran verursacht ein Gefühl der ausweglosen Beklemmung. Hätte ich mich auf mein Abitur vorbereitet, wie ich das hier mit großen Prüfungen mache (drei Monate lang jeden Tag fünf bis acht Stunden), hätte ich einen Prüfungsschnitt von besser als “2” rausholen können, ohne einen Tag im Unterricht gewesen zu sein. 🙂
Vielleicht auch nicht… aber mein Abitur kommt mir als Prüfung heutzutage so richtig lächerlich vor. Abgesehen von der mündlichen Prüfung in Biologie, wo ich für den vielen Unsinn, den ich – statt eines strukturierten Vortrags – geredet habe, ja auch nur eine “4” bekommen habe.

Das Problem scheint das Gleiche geblieben zu sein. Die gewünschte Hauptinformation fällt mir ein, aber ich kann sie nicht erläutern, weil mir das “Drumrum” nicht in einer Form einfällt, die ich auch verbalisieren kann. Ich scheitere an der Realisation von “explizitem Wissen”. Ich war schon immer ein impliziter Typ.

19. November 2006

Der japanische Blick nach Asien

Filed under: Japan,Uni — 42317 @ 14:14

Da ist mir im Laufe eines aktuellen Hauptseminars ein Aufsatz von einem Herrn Tanaka in die Hände gekommen, betitelt mit “Enkan no soto he” – “Aus dem Ring heraus”.

Der Text beschäftigt sich mit dem sich verändernden Verhältnis der Japaner zum asiatischen Kontinent, bedingt zum einen durch den japanischen Export von Populärkultur in Form von allen möglichen Medien, und zum anderen eigentlich noch mehr durch die steigende Beliebtheit von Importen aus Asien, seien es nun Möbel, Nahrungsmittel oder Popstars, und wie Asien demnach in japanischen Medien dargestellt wird.

Zur Darstellung der Entwicklung greift der Autor zu völlig legitimen Argumenten, aber ich muss doch hier und da ein wenig darüber lächeln. Bestimmend für das Verhältnis der Japaner zum Kontinent, sagt er, sei bisher eine gewisse Distanz gewesen. Japaner seien ganz überrascht, wenn man sie als Asiaten bezeichne. Darin mag viel Wahrheit liegen, aber dieser Umstand überrascht mich nicht. Welcher gestandene Engländer würde kein süffisantes Lächeln aufsetzen, wenn man ihn als Europäer bezeichnet? Bestimmte Bewusstseinszüge scheinen allen Inselvölkern inne zu wohnen. Vielleicht sollte man eine entsprechende Umfrage auf Madagaskar starten: “Betrachten Sie sich als Afrikaner?”

Dass die geistige Distanz der Japaner zum Kontinent unter anderem auch auf einem aus dem öffentlichen Bewusstsein weitgehend verdrängten mehrjährigen, zügellosen imperialistischen Feldzug inklusive einiger Millionen Toter und Erniedrigter beruht, steht da natürlich nicht, aber ich will es der Vollständigkeit halber dennoch erwähnen.

Also Japan wendet sich wieder Asien zu. Japaner fahren nach Korea und schwelgen darin, dass es dort so schön sei, “wie früher in Japan”. Man schwelgt also in romantischer Verklärung und es gelangt überhaupt nicht ins Bewusstsein, dass man den Koreanern damit Rückständigkeit bescheinigt. Und was soll das eigentlich heißen “Da ist es wie früher in Japan”? Was heißt “früher”?
Die Frage beantwortet sich mir nicht so einfach, aber ein Umstand aus der Populärkultur zeigt meines Erachtens grob in die Richtung der Wahrheit:
Wenn Japaner in meinem Alter von “Shôwa Idols” reden (= Popstars der Shôwa Ära), dann meinen sie Sänger und Sängerinnen aus den Achtziger Jahren, und die sind gerade mal das letzte Jahrzehnt der genannten Ära. Dabei fängt das Shôwa-Zeitalter mit der Thronbesteigung des Kaisers Hirohito anno 1926 an. Das Zeitgefühl der Japaner, deren Konservative gerne die 2000jährige Geschichte des Kaiserhauses betonen, reicht also scheinbar im Allgemeinen nicht weit.

Von der Romantik zum Pragmatismus: Im Mittelpunkt japanischer Aufmerksamkeit stand die meiste Zeit im Laufe der Geschichte der Teil der Welt, von dem man etwas lernen zu können glaubte. Das war eine ganze Weile China, in der Neuzeit war es Europa, in der Folge des Zweiten Weltkrieges waren es die USA. In Anbetracht der wirtschaftlich schnell aufsteigenden und expandierenden Volksrepublik China scheint es mir also wenig verwunderlich, wenn kontinentale Angelegenheiten wieder näher – oder ganz – ins Zentrum der japanischen Aufmerksamkeit rücken.

Es ist natürlich ganz richtig, wenn Tanaka sagt, dass die Massenmedien einen bedeutenden Anteil am Fortschreiten dieser “Rückbesinnung auf Asien” haben. Mir persönlich dünkt allerdings, dass die Medien exotische, romantische und zum einen heilsbringende, zum anderen Grauen erregende Aspekte hervorheben, während die im Gegensatz zur bunten Fernsehwelt in tristem, unpopulären Grau von Zahlenkolonnen erscheinenden wirtschaftlichen Anreize lediglich von dafür zuständigen Kreisen wahrgenommen und aufgegriffen werden. Die potentiellen Absatzmöglichkeiten für japanischen Stahl in China reißen im Frühstücksprogramm halt keinen so richtig vom Frühstück weg. Nur bei Bomben im Irak oder hübschen Koreanerinnen hält man beim Kauen vielleicht mal für fünf Sekunden inne.

China und Korea sind geografisch relativ nahe an Japan gelegen. Aber Asien ist groß, sehr groß, mit einer kaum überschaubaren Vielzahl von kulturellen Färbungen. Asien fängt gewissermaßen in Istanbul an und endet in Tokyo. Ein Großteil Asiens ist also ein fernes Land, und wegen dieser Entferntheit, sagt Tanaka, werde Asien zum Teil zu einem gewissermaßen fiktiven Ort.
Wenn man nicht weiter darüber nachdenkt, klingt das natürlich toll. Aber dass man sich in Ermangelung von Fakten ein Gewirr aus Gerüchten, Überlieferungen und Halbwahrheiten zu einer subjektiven Realität zusammenstrickt, ist auch nichts Neues. Ich glaube, die Römer wollten der Nachwelt weismachen, die Karthager würden neugeborene Kinder ihren Göttern opfern, indem sie sie bei lebendigem Leib in einen geweihten Glutofen warfen.

Und die multimediale Welt ist voll dabei, uns, je nach persönlichem Geschmack, in unserer Meinung zu bestärken, da wir gerne aufnehmen, was wir glauben wollen und alles andere lieber vergessen. Da heißt es bei uns zum Beispiel, in Japan ginge alles diszipliniert und wohl organisiert vor. Das beschere den Japanern ihre wirtschaftliche Stellung in der Welt. Als negative Konsequenz seien arbeitende Japaner und vor allem die dortigen Schüler einem erheblichen Stress durch Leistungsdruck ausgesetzt und viele stürzten sich vom Dach der Schule, weswegen man da oben Zäune gebaut hat. Zum anderen seien Japaner aber auch gleichzeitig so ausgeglichen – wegen des Buddhismus. Und sie essen in erster Linie gesunde kleine Reisbällchen mit Fisch drauf oder drin.
Wer auch immer sich das ausgedacht hat, muss woanders gewesen sein als ich. Aber ich fasse ja nur verschiedene Ansichten zusammen; bislang habe ich noch niemanden getroffen, der von allen diesen Punkten gleichzeitig überzeugt war.

Und die Konstruktion einer subjektiven Realität läuft in Japan eben nicht viel anders als bei uns. Auch die Leute dort weben und knüpfen sich den Flickenteppich Asien, wie es ihnen am besten gefällt – zusammengesetzt aus all dem, was man im Fernsehen so mitbekommt. Exotik und Romantik, Heil und Horror. Und alles scheint darauf zu beruhen, dass man “die Asiaten” für rückständig hält.
In Südkorea sieht man die Werte und Tugenden des Konfuzianismus, die man im eigenen Land verloren glaubt, in Zentralasien sieht man Brutstätten für den internationalen Terrorismus, in Südostasien wechselt ein General gewaltsam den anderen ab und in Nordkorea sitzt die nukleare Bedrohung vor der eigenen Haustür, wie das in einem anderen politischen und geografischen Zusammenhang einmal in Kuba zur Realität zu werden drohte… und leider fehlt den Japanern der JFK, der das hinbiegt.