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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

6. Februar 2024

Freitag, 06.02.2004 – Zieh mit, Feuer, zieh mit mir…

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Heute Morgen gehe ich noch einmal im Schnellverfahren Grammatik und Kanji durch, aber bei letzteren gibt es nicht mehr viel rauszuhauen, weil ich mich zu sehr auf die Grammatik gestürzt habe in den letzten Tagen. Zu allem Überdruss komme ich auch noch spät weg und schaffe es gerade noch, vor dem Unterricht da zu sein und einem dringenden Bedürfnis nachzukommen.

Zwei Drittel der Klausur sind an sich nicht schwer, aber das letzte Drittel hat es in sich. Da werden unter anderem die Dialogtexte aus dem Lehrbuch abgefragt, und ich hatte kein wie auch immer geartetes Interesse daran, diese auswendig zu lernen. Die exakten, einzusetzenden Vokabeln sind mir daher auch fast unbekannt.[1] Und natürlich ein Kanjitest. Wenn ich davon die Hälfte richtig habe, schätze ich mich bereits recht glücklich. Bei zwei Zeichen weiß ich weder Lesung noch Schreibung, aber immerhin die Bedeutung. Ich schreibe die Bedeutung in das freie Feld und hoffe, dafür vielleicht noch einen halben Punkt rausholen zu können. Wie üblich gehöre ich zu den letzten vier, die ihre Arbeit abgeben. Ich hoffe auf 60 %. Mehr als 50 % werden es wohl immerhin werden.

Ich kümmere mich dann um meine E-Mails und finde eine von meiner Mutter vor. Offenbar war mein letzter Brief an sie etwas… scharf formuliert. Ihr aktuelles Schreiben erfüllt den Zweck einer beruhigenden Geste. Ich sehe ein, dass ich meine Wortwahl wohl etwas unklug getroffen habe. Ich habe wohl irgendwann in meinem Tagebuch geschrieben, dass es kalt sei, was meine Mutter dazu veranlasst hat, mir ein „Notpaket“ zu besorgen, mit Handschuhen und anderen (von ihr nicht näher genannten) Sachen drin (die sie wegen der extremen Postgebühren aber nicht versandte). Ich schrieb zurück, dass ich schon alleine klarkäme. Natürlich bin ich dankbar, dass sie sich Sorgen macht, aber derartige Dinge treffen einen empfindlichen Punkt: Ich komme mir nicht gerne bemuttert vor. Es gibt mir das Gefühl von Abhängigkeit. Leider ist meine Abneigung gegen dieses Gefühl in meine Antwort eingeflossen. Ich muss diplomatischer sein. Und weniger emotional reagieren. Es tut mir leid.

Ich hatte in diesen Tagen auch schriftlichen Kontakt zu meinem Bruder. Ich finde es sehr beruhigend, dass ihm seine Arbeit offenbar zusagt… auch wenn er überhaupt nicht aussieht, wie man sich einen Metzger vorstellt. Ich wünsche ihm jedenfalls alles Gute für den weiteren Weg, den er gewählt hat. Auch wenn er mich für diesen Abschnitt für völlig bekloppt halten und möglicherweise der Meinung sein wird, dass ich mich zu sehr für seine Privatangelegenheiten interessiere. Aber trotz aller Meinungsverschiedenheiten: Bruder bleibt Bruder. Und ich habe mehr als 20 Jahre gebraucht, um das zu verstehen. Es ist unnötig, darüber zu witzeln, dass das daran liege, dass ich alt und weise geworden sei. Ich bin nämlich eigentlich weder das eine noch das andere. Zumindest noch nicht. Allen jungen Leuten, die sich zuhause mit ihren Geschwistern in den Haaren liegen, sei gesagt, dass man viel besser miteinander auskommen wird, wenn man sich nicht mehr jeden Tag auf der Pelle sitzt.

Da heute Freitag ist, schließt das Center bereits um 17:00, also weiche ich in die Bibliothek aus, aber dort ist das nahende Semesterende immer noch deutlich zu spüren. Die Jungs und Mädchen schreiben sich immer noch die Finger an ihren Arbeiten wund und man muss immer noch eine Zeitlang warten, bis man endlich einen Platz bekommt. Natürlich könnte ich auch in den großen CIP-Pool ausweichen, aber das Procedere stört mich da ein wenig: Straßenschuhe aus- und (für mich) viel zu kleine Latschen anziehen, Studentenausweis abgeben, sich in die Liste eintragen.[2] Zumindest ist das ab fünf Uhr nachmittags so. Ich habe aber Glück; Jû wird gerade fertig mit was auch immer er hier gemacht hat und überlässt mir seinen Platz. Er werde seinen Geburtstag leider nicht feiern, sagt er.

Karl schreibt mir, dass er meine Bestellung (ich habe ihn um eine Kopie von „Combat Mission“ gebeten, damit ich mit Misi spielen kann)[3] auf den Weg geschickt hat und dass ich ihm vier Euro Porto schulde. Ich überweise sie auf sein Konto und harre der Dinge, die da kommen.

Als ich nach Hause komme, darf ich auch gleich wieder losstiefeln, weil Melanie das Tomatenmark für die Hackfleischsoße vergessen hat. Die Soße wird auch gut, wenn auch sehr „knoblauchlastig“ und mit einem seltsamen Gewürz geschärft, das aussieht wie Chilipulver und in stärkerer Konzentration nach Pfeffer schmeckt. Was habe ich da gerade gegessen? Aber es rafft mich keine Vergiftung dahin und damit bin ich zufrieden.

Wir sehen uns die Aufnahme der aktuellen Episode von „Ace wo nerae!“ an und ich komme zu dem Schluss, dass es ein interessantes Spiel wäre, sich vor den Fernseher zu setzen und jedes Mal einen Schnaps zu trinken, wenn Hiromi „Ojôfuji…“ sagt, in diesem schmelzend zarten Ton, den sie dabei so gekonnt draufhat. Zur Erklärung: „Ojôfuji“ ist die Bezeichnung, die sie gegenüber ihrem Vorbild (?) Tatsuzaki Reika verwendet, und das bedeutet etwa „hohe Tochter“ oder „junge Dame“, soweit ich das interpretieren kann. Alternativ dazu könnte man zwei Trink-Teams bilden. Die einen trinken bei „Ojôfuji“ und die anderen heben immer dann einen, wenn Hiromi sich mit Hingabe auf dem Tennisplatz räkelt, weil sie – mal wieder – angesichts der Härte des Trainings zu Boden gesunken ist. Und jedes Mal, wenn sie auch noch den Staub vom Boden im Gesicht hängen hat, einen Doppelten. Das könnte ein lustiger Abend werden.
Die Darstellung der Beziehungen der einzelnen Charaktere zueinander erweckt den Eindruck, dass eine Beziehung zwischen Hiromi und Reika weitaus wahrscheinlicher ist, als das Zusammenkommen von Hiromi mit… diesem jungen Kerl mit der „Drei-Wetter-Taft-Frisur“… „Tôdô“ heißt der. Seinen Vornamen kann ich mir nicht merken. Jedenfalls sehe ich hier das auffälligste Yuri-Team, das mir je unter die Augen gekommen ist. Das Vokabular verstehen natürlich nur Insider, und es reicht mir auch voll und ganz aus, wenn nur die es verstehen.

Zuletzt bleibt für den Abend noch „Skyhigh 2“, was sich als lohnende Serie herausgestellt hat. Die Hauptdarstellerin (Shaku Yumiko) würde eine ganz hervorragende SailorPluto abgeben – sollte „SailorMoon“ je so weit kommen. Ich würde das begrüßen. Vermutlich habe ich das bereits erwähnt. Die Uhr zeigt nach Mitternacht. Ich bin müde und ich spüre keine Motivation mehr, mir auch noch die Aufnahme von „Doll House“ anzusehen. Das kann warten. Es handelt sich eh um eine der Serien, über die man lachen kann, weil sie eigentlich ganz furchtbar schlecht sind.


[1] Das japanische System baut stark auf das Auswendiglernen von Daten, eine solche Art von Klausur ist also nur folgerichtig.

[2] … und schlecht geheizt, möchte ich hinzufügen.

[3] Ich besitze eine lizenzierte Kopie von dem Spiel, aber das Original wollte ich mir nicht über den halben Globus hinweg schicken lassen.

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