Die Zeit bleibt nicht stehen
Der August beginnt sein letztes Drittel. Die vergangene Woche brachte in erster Linie brütende Hitze, weswegen ich froh sein könnte, dass der Teppichladen aus Krankheitsgründen geschlossen ist. Ja, könnte, denn Geld brauch ich ja trotzdem. Zwei Tagesjobs haben den Großteil des entstandenen Verlusts bislang wieder ausgeglichen, und ich habe noch zwei weitere Jobs in Aussicht, die noch Realität werden könnten.
Letzten Sonntag aber war ich erst mal bei “Brot und Spiele”, bei der 5,50 E Sparversion in den Kaiserthermen. Von dem Theaterspektakel im Amphitheater wurde mir zwar erzählt, dass man was verpasst habe, wenn man nicht dabei war, aber Gesamtkosten von über 30 E sind mir dann doch zuviel angesichts der aktuellen Situation. Immerhin tritt da jedes Jahr eine professionelle Gladiatorentruppe aus Italien auf, von daher nehme ich an, dass die Produktionskosten auch kein Pappenstiel sind.
Dennoch, Melanie und meiner Wenigkeit blieb dann also das Römerlager in den Thermen inklusive Exerziervorführungen, Show and Tell (eine kurze und prägnante Übersetzung dafür, dass da Leute mit Ahnung rumstanden, die man mit allen möglichen themenbezogenen Fragen löchern konnte), und einem ebenso gearteten Vortrag der Gladiatorentruppe Ars Dimicandi.
Es wurden verschiedene Typen von Kämpfern mit ihrer Ausrüstung gezeigt, und welche Vorteile sie jeweils besitzen, wie zum Beispiel ein runder, glatter Helm, an dem Netze oder Stichwaffen leicht abgleiten, oder Beinschienen, deren Länge auf die Größe des Schildes abgestimmt ist, oder zuletzt, welche Vorteile eine leichte Bewaffnung und Panzerung in Sachen Beweglichkeit bietet.
Interessante Sache, aber nicht so ganz umfassend. Jetzt weiß ich, dass Netze an runden Helmen abgleiten, aber auch, dass so genannte Flügel am Helm die Wirkung eines Dreizacks vergrößern, weil da Kanten sind, an denen er hängenbleiben kann – es hat niemand erklärt, warum ich als Arenakämpfer also einen Helm mit Flügeln überhaupt tragen sollte.
Auch das übrige Lager hatte so einiges zu bieten, aber was soll ich groß fotografieren? Klar, da hingen Waffen und Rüstungen rum, und es gab Schmieden und Handwerkszelte, wo sich der Römerfan mit allem möglichen Zeug eindecken kann. Der Exerzierplatz war interessanter.
Die IVte Kohorte führte Ausbildungsdrill mit lateinischen Kommandos vor, und die XVte Legion zeigte Kampfdarstellungen im Trupprahmen und sorgte dabei für die Unterhaltung der Kinder.
Angetrieben von einem Decurio mit einer Stimme, als sei er dem Bläck Föös Song “Am Arsch der Welt” entstiegen, rückten die Legionäre im Schutz ihrer Schilde vor
Die Kinder bewarfen den Trupp unter wildem Kriegsgeschrei mit Lederbällen
Nachdem der Feind seine Munition verschossen hatte, stürmten die Legionäre in den Haufen
Man wünscht sich beinahe, nochmal 8 zu sein.
Mein Respekt auch für die “Römer”, die das immerhin mehrfach wiederholten, in dieser Hitze und in realistisch nachgebildeten Rüstungen, die inklusive Helm über 20 Kilo wiegen.
Eine kleine Einlage gab es im Römerlager, als ein Trupp Legionäre der IVten Kohorte eine “einheimische Siedlung” stürmten. Das heißt, da waren auch ein paar Hütten, in denen man sich einen Eindruck vom antiken, nicht-römischen Trierer Leben machen konnte. Die Soldaten brachen da ein und nahmen die Frauen mit – die sie 50 m weiter für wenige Dinare zum Kauf anboten. Der Spaß daran waren z.B. die Frauen, die sich gegenseitig den Preis runter redeten:
“Die kann gar nicht kochen und auch nicht nähen!”
“Die schlägt ihren Mann!”
Oder der Treverer Bauer, der dann meinte:
“Och, ich weiß nicht, ob ich die wiederhaben will… ihr werdet bestimmt gute Freunde.”
Wenn wir schon mal da waren, wollte Melanie sich auch nicht das römische Essen entgehen lassen, das in Form von Snacks angeboten wurde, wie zum Beispiel als Brotaufstrich oder -belag (weiß der Geier, was genau das war), oder als gefüllte Datteln. Nebenbei sei gesagt, dass die Römer den Müsliriegel erfunden haben, nur hatte er bei ihnen nicht die heute übliche Riegelform, sondern war ein kleines Bällchen. Schmeckte aber genauso und hatte lediglich keine Schokoladenanteile.
Ein kleines Kochbuch hat sie auch mitgenommen, mal sehen, was man daraus ziehen kann.
Außer einem leichten Sonnenbrand gab’s jedenfalls nichts, was ich hätte bedauern müssen an dem Tag.
Ein Zusammenschnitt von “römischen Szenen” befindet sich auf meinem YouTube Kanal.
Am Montag ging’s dann allerdings zur Sache: Da stand ein Umzug an, bei dem zwei Wohnungseinrichtungen zu einer einzigen werden sollten. Bemerkenswert dabei war, dass eine der beiden Wohnparteien mit mir zusammen ein oder zwei Phonetikseminare besucht hat. Die Zielwohnung befindet sich in Sichtweite vom Bahnhof hinter der Güterstraße, die auszuräumende Wohnung #1 in der Innenstadt, und #2 in Trier West.
Zunächst mal war ich eine Stunde zu früh dran. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, ob der Termin um “halb 10” oder um “10:30 Uhr” angesetzt war… und ich komme eigentlich lieber eine Stunde zu früh als eine Stunde zu spät. Die beteiligten drei Damen waren schon am Werkeln (Schrank und Bett abbauen), und als erste Aufgabe fiel mir das Kaffeeholen zu.
Pünktlich um halb 11 waren dann auch die anderen beiden Helfer da: Alexander aus Bitburg, der demnächst nach Trier umziehen möchte, weil es einfach näher an der Uni ist, und Alvaro aus Guatemala, der gerade noch dabei ist, die deutsche Sprache zu lernen. Aber das machte nichts, weil sein Englisch immer noch besser als sein Deutsch ist, und weil unsere Auftraggeberin bereits einige Jahre in Argentinien verbracht hat.
Eine ganz gemütliche Sache – abgesehen davon, dass am Kellereingang der Zielwohnung die größte Kellerspinne saß, die ich in Deutschland je live gesehen habe – bis wir nach einer spendierten Pizza in Trier West ankamen.
Weil es sich um einen Arbeitsauftrag handelte, der mit sperrigen und schweren Sachen verbunden war, habe ich darauf verzichtet, meine Kamera mitzunehmen, sonst hätte ich zweifelsohne schon gleich ein Bild von dem Haus vom Parkplatz aus gemacht. Mein erster Eindruck von der Anzahl der Stufen war zu hoch gegriffen, nach gründlicher Zählung muss ich sie zurückschrauben:
Vom Parkplatz zum Haus führen knapp 40 Stufen. Vom Eingang in den ersten Stock sind es über dreißig, vom ersten in den zweiten Stock sind es knapp 20, und von zweiten in den dritten Stock nochmal 20. Insgesamt 103 Stufen.
In der ersten Fuhre nahm sich jeder was aus der Einzimmerwohnung und brachte es zum Transporter, allerdings wurde mir deutlich, dass wir das nicht durchhalten würden. Also teilte ich uns nach Ebenen ein: Parkplatz-Haustür, Haustür-Erster Stock, Erster Stock-Dritter Stock. Alexander nahm freiwillig die unterste Ebene (das heißt, er hatte nicht nur die Stufen, sondern auch die pralle Sonne zum Gegner), Alvaro übernahm die Mitte, und ich das obere Drittel, und wir reichten die Sachen in dieser Kette weiter.
Zwei Stunden später waren wir mit dem Einladen fertig, und mir haben die Knie nicht mehr so sehr gezittert, seit meine Belastungsfähigkeit zuletzt im Januar 1998 im verschneiten Eyachtal bis über ihre Grenzen getestet wurde. Die Auftraggeberin war so nett, mir ein Handtuch zu überlassen, weil mir andauernd der Schweiß in die Augen lief. In der Zielwohnung war dann um 1800 alles fertig. Auspacken und einräumen würden die Bewohnerinnen natürlich selbst.
Bereits kurz vor Mittag kam eine ältere Dame am Transporter vorbei, die wohl ein Haus in der Nähe erstanden hatte, und wissen wollte, was für Mieten man hier verlangen könne, und sie wolle auch in naher Zukunft von Saarlouis nach Trier umziehen. Ich gab ihr meine Telefonnummer und versprach ihr, mich im Falle eines Auftrags darum zu kümmern, dass ein Arbeitskräftegesuch in der Uni aushängen würde. Ein Umzug allein mit einer Dame um die sechzig ist ja völlig illusorisch. Ich warte jedenfalls darauf, dass sie anruft.
Ein weiterer kleiner Auftrag ergab sich aus dem Umzug: Die Wohnung in Trier West musste auch gestrichen werden. Da die anderen beiden sich noch unsicher waren, ob sie am Mittwoch Zeit haben würden, bekam ich den Auftrag – mit der Option, dass eben einer der beiden anderen noch hinzukommen sollte.
Gemessen an der Arbeitszeit standen mir also zunächst 80 E zu; weil ich aber kein Wechselgeld hatte, bekam ich einfach mal 100 in die Hand gedrückt. Da arbeite ich gerne wieder.
Nach einem leichten Muskelkater am Dienstag kam ich dann am Mittwoch Morgen pünktlich an. Folie auspacken und Leisten verkleben, Steckdosen und Lichtschalter abschrauben, Farbe rühren. Ich sollte das besser alleine machen, hieß es – weil die Arbeit auf fünf Stunden ausgelegt war, und wenn sie von zwei Leuten gemacht würde, lohne sich das finanziell nicht so sehr.
Unerwartet erschien Alvaro aber dennoch, und ich denke, dass es an diesem besonderen Tag auch besser war: Ich hatte nämlich noch nicht an meine Lohnsteuererklärung gedacht, und die Abgabefrist lief heute (also am 19.08.) ab.
Ich strich die großen Flächen, Alvaro übernahm die Ecken und Engstellen, für die die Rolle zu breit ist. Im Anschluss reinigten wir noch das Bad und die Kochecke, und nach drei Stunden waren wir fertig, also etwa um 1230, wofür jeder von uns 35 E erhielt. Die Firma dankt.
Ich glaube, in dieser Woche mehr Trinkgeld erhalten zu haben, als in den vergangenen fünf Jahren im Teppichladen, weil anscheinend niemand glaubt, dass Teppiche schwer oder anstrengend zu handhaben seien… vielleicht stimmt aber auch die Regel, die wir während der Arbeitszeit beim Klavierbauer aufstellten: Je höher und je niedriger das Einkommen des Kunden, desto niedriger das Trinkgeld – weswegen man ganz klar bevorzugt für die goldene Mitte arbeiten sollte, von der ich bislang immer am großzügigsten bezahlt worden bin.
Hm… das lässt sich wegen der auch nicht geringen Anzahl von kleinbürgerlichen Teppichkunden aber so nicht halten… es muss tatsächlich mit der Auffassung von Teppichen zusammenhängen.