Kratzer an der Fassade
Du fühlst dich stärker, weil du Fehler nie vergibst,
du bist das Maß aller Dinge, die du selber liebst.
Hast du die Frage je gestellt:
bist du zu gut für diese Welt?
Du hast nie gefragt, hast an nichts geglaubt,
du hast dein Leben auf Sand gebaut.
Gegen den Strom, mit dem Kopf durch die Wand –
wann fängt deine Zukunft an?
Ein Weg ohne Ziel ist unendlich weit,
weisst du, wieviel Zeit dir noch bleibt?
Bist du wirklich der, für den du dich dich hältst?
Bist du zu gut für diese Welt?
Es handelt sich hierbei um einen Songtext, um die zweite Hälfte eines Songtextes, um genau zu sein. Die erste Hälfte ist etwas flacher, meiner Meinung nach, von daher gebe ich nur die stärkere, zweite Hälfte an.
Ich habe das Lied in den vergangenen Wochen mehrfach gehört, weil es sich auf der Playlist meines MP3 Gerätes befindet, und ich muss mir eingestehen, dass mich der Text in meinem Innersten berührt. Er ruft eine emotionale Reaktion hervor, und ich finde das allein bereits beunruhigend, weil ungewohnt, und man kann sich denken, dass ich darüber hinaus keine fröhlichen Gedanken mit dem Inhalt verbinden kann. Vielleicht sind es auch nur Erfahrungen in meinem persönlichen Umfeld, die mich diese Worte in diesen Tagen besonders spüren lassen. Wer weiß.
Der ursprüngliche Text ist tatsächlich in deutscher Sprache geschrieben, es handelt sich um keine Übersetzung, die man vermuten würde, wenn man den Ursprung erfährt: Es handelt sich um einen deutschen Soundtrack zur Serie Pretty Cure.* Ich war gleich doppelt sehr überrascht, zuerst von der Serie selbst, sogar von der überraschend guten Synchro, und dann von dem deutschen Soundtrack. Deutsche Soundtracks zu japanischen Animeserien sind immer so ein bisschen “wat dat denn hier…” und *Nase-rümpf*. Aber hier schien die Sache gut gelaufen zu sein.
Der Stil hat immer noch so ein bisschen was von der westlichen “Pokemon” Musik, an die sich der eine oder die andere vielleicht erinnert, aber das gesamte Erscheinungsbild ist ansprechender (für mich zumindest) und, wie an dieser Stelle, “tiefer”. In der Regel würde man von einem Soundtrack zu einer Mahô Shôjo Serie (= über Mädchen, die sich in weltrettende Alter Egos verwandeln) eher Blumen und Schmetterlinge erwarten, als Denkanstöße zur Selbstreflexion.
Deutsche Soundtracks zu solchen Serien kann man meist gleich in die Tonne treten, man erinnere sich an das deutsche SailorMoon Desaster, von dessen Techno-/Dancefloor-Rhythmen ich heute noch Ohrenbluten bekomme, weil auch nach zehn Jahren der Nostalgieeffekt völlig ausgeblieben ist.
Die japanischen Originaltexte finde ich persönlich gewöhnlich besser als die der westlichen Gegenstücke, deren Autoren den Zuschauer für ein kritikunfähiges Kind oder einen sabbernden Halbdebilen halten mögen, aber ich muss gestehen, dass auch weniger konnotatives Sprachverständnis eine Rolle dabei spielt, mich japanische Texte nicht ebenso fühlen zu lassen, wie einen guten deutschen.
* Ich habe andieser Stelle die englischsprachige Beschreibung von ANN verlinkt, weil es auf Wikipedia zwar einen deutschsprachigen Eintrag zur Serie gibt, ich allerdings gerade überhaupt keine Motivation verspüre, den vorhandenen Text in eine brauchbare Form zu bringen, wie ich das mit dem “Yoshitsune” Eintrag letztlich machen musste, dessen ursprünglicher Autor eine stilistische Null ist…