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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

2. Februar 2008

Begegnungen – die Familie

Filed under: Arbeitswelt — 42317 @ 17:26

Ich stelle immer wieder fest, dass man im Dienstleistungsgewerbe interessante Begegnungen mit seltsamen Menschen hat, bzw. dass man interessante Begebenheiten erleben darf, was nicht letztendlich der Grund dafür ist, warum ich den Job eigentlich sehr gern mache. In den letzten beiden Wochen waren es aber drei kurz nacheinander, die ich erwähnen möchte.

Kurz vor der Messe war ein Ehepaar im Laden, das einen modernen Teppich ohne ein prototypisches Orientmuster suchte. Ich sage deshalb “prototypisch”, weil Otto Normaldosenbiertrinker beim Stichwort “Orientteppich” an einen Isfahan oder Keshan denkt, bzw. an diese Muster, weil er nicht weiß, dass man es Isfahan/Keshan, benannt nach dem jeweiligen Handelsplatz dieser klassisch-persischen Muster, nennt. (Es existiert auch u.a. die Umschrift “Kashan”). Viele Muster, wie zum Beispiel Rauten auf Kelim (Webteppiche) oder Gabbeh (eine Art von Design) sind ebenfalls klassisch, werden aber mangels Bekanntheit als modern wahrgenommen. Außerdem zählt man auch chinesische Teppiche zu den Orientalen.

Besagtes Ehepaar hatte nun auch zwei Kinder dabei, einen Jungen von fünf Jahren und ein blondes Mädchen, vielleicht sieben Jahre alt. Da sich ein längeres Beratungsgespräch entspann, während dem ich nur in Bereitschaft in der Gegend rumstand, für den Fall, dass die Kunden etwas bestimmtes sehen wollten oder sollten, begannen die Kleinen nach zwei vollen, langweiligen Minuten, ihre Schuhe auszuziehen und fröhlich auf den Teppichstapeln herumzuturnen. Der Vater fragte, ob das in Ordnung sei und es wurde gestattet. Die Töchter des Hauses haben das in dem Alter auch gemacht, also warum nicht. Nur von den kleinen Stapeln sollte man runter bleiben, weil die schnell umkippen, und von den gerollten Teppichen, denn die sind deshalb gerollt, weil sie keine Knicke vertragen.

Weitere knapp zehn Minuten später waren die Teppichstapel allein zu langweilig geworden, also zupfte mich das Mädchen am Ärmel und sagte bittend: “Spiel mit uns!” und “Du musst uns fangen!”
Fangen spielen im Laden? Nee, das geht nicht. Außerdem bin ich mir dafür zu alt.
Daraufhin wurde ich unter fröhlichem Lachen hin und her geschubst (das heißt, es wurde versucht), und die Freude war groß, als ich dabei rückwärts über einen dick zusammengefalteten Kundenteppich stolperte und mich zwangsläufig in einer Sitzposition wiederfand. Sofort hatte ich 40 Kilo Kindfleisch auf dem Rücken, die mich dazu aufforderten, sie durch die Gegend zu tragen. Also tat ich ihnen den Gefallen und trug sie zu einem Stapel  weiter vorne, wo ich sie vorsichtig wieder absetzte.

Zu guter Letzt wurde ich von den Stapeln aus angesprungen, um dieses Herumtragen zu wiederholen. “Sie müssen es deutlich sagen, wenns Ihnen zuviel wird,” sagte der Vater zu mir, aber ich winkte ab und sagte “Ich hab ein dickes Fell.”
Dennoch muss ich gestehen, dass die Angelegenheit mit der Zeit anstrengend wurde, und nach einer Viertelstunde holte die Chefin den Hund runter, damit die Kinder von mir abließen und sich mit dem sanftmütigen Hund beschäftigen konnten, was sie auch prompt taten.

Der Hund ist es von klein auf gewohnt, dass Kinder auf die Stapel kletterten und er sie von unten “bedrohlich” anbellt, und wenn sie auf den Boden wollen, zwickt er sie ins Bein. Nicht fest, eher andeutungsweise, und niemand der Anwesenden hatte da irgendwelche Bedenken. Es wäre auch unnötig gewesen.
Bis zum Ende der Beratung hatten es die Kinder jedenfalls geschafft, den Hund ebenfalls zu ermüden, aber es wird mal ganz gut für ihn gewesen sein, so verwöhnt und kugelrund wie er ist.

Als es dann vorbei war und die Kunden drei Teppiche zur Ansicht mitgenommen hatten, sagte die Chefin zu mir: “Die haben Sie aber schön auf Trab gehalten, was?”
“Ja, allerdings,” gab ich zurück, “und ich hätte auch nicht gedacht, dass mich der Hund mal retten würde.”