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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

31. Januar 2024

Samstag, 31.01.2004 – SailorMoon, quo vadis?

Filed under: Japan,Manga/Anime,My Life — 42317 @ 7:00

Minako gibt sich endlich als SailorVenus zu erkennen (wenn auch nur Rei gegenüber), und sie hat die übelste Verwandlungssequenz von allen! Da hat jemand bei der Planung ein bisschen übertrieben. Ein bisschen viel Pathos schwingt da mit. Außerdem sieht ihr Gesicht im Profil nicht sonderlich gut aus. Gut, das Gesicht sieht auch von vorne nicht wirklich überzeugend aus. Minako sieht offenbar ständig bekifft aus. Sogar Ami sieht besser aus, wenn auch bürgerlich-braver. Ich will Venus immerhin zu Gute halten, dass sie für die Rolle die richtige Ausstrahlung hat. Zumindest nach meinem Empfinden, will ich vorsichtig ergänzen.
Hm… Minako kniet wirklich sehr inbrünstig vor dem Altar. Aber Japaner denken sich ja wenig bei Religion – es kann ja nicht schaden, noch ein paar weitere Gottheiten mit zu verehren. Leider hat der Christengott da eine Ausschlussklausel… egal. Wie es der Zufall will, liegt Reis Mutter just auf dem kleinen Friedhof vor der Kirchentür – daher die spätere Enthüllung, weil Rei ja zufällig zur rechten Zeit am rechten Ort erscheint.

Ich werde endlich mit meinem Bericht über den 31.12.2003 fertig – was war das für ein Kampf! Ich habe an dem Tag wohl wirklich genug für eine ganze Woche erlebt.

Am Nachmittag gehen wir ins Ito Yôkadô, weil ich den „Bôbobo“ Soundtrack kaufen will. „Shiawase“ von Money Lover finde ich, aber „Wild Challenger“ von JINDOU bleibt verschollen. Ja, der sei gerade ausverkauft. Ich solle einfach nächste Woche noch einmal vorbeikommen, am Montag komme die nächste Lieferung.
Melanie kauft den Soundtrack von „Ô-oku“. Das ist die Bezeichnung für den innersten Teil des Palastes des Shôguns, wo die Frauen wohnen. „Oku“ heißt „innen“ und deswegen nennt man Ehefrauen allgemein auch „Oku-san“ – das ist eben die Person, die im Haus ist, bzw. bleibt. Der Soundtrack ist ganz nett, aber ich finde ihn irgendwie unpassend. Das Hauptthema wird mit Akkordeon gespielt und hört sich mehr an wie aus einem Drama um eine Pariser Theatertruppe.

Derzeit scheinen „Tom & Jerry“ auf einem Höhenflug in Japan zu sein. DVD und VHS Sammlungen werden angeboten, und es läuft sogar ein „endloses“ Band vor der Multimedia-Abteilung. Ich bleibe gerne stehen und sehe ein bisschen zu. Ich stelle fest, dass auch in Japan gewisse Stellen synchronisiert wurden, aber zum Glück wurde auf einen Hintergrundsprecher verzichtet. Spike, der Hund, und Nibbles, die kleine Maus, haben auch im Originalton Text und der wurde natürlich japanisch vertont. Leider wurden auch verschiedene Lautäußerungen neu vertont, und das finde ich weniger reizend. Seltsamerweise aber nicht alle, also bin ich mir nicht sicher, was das Studio sich dabei gedacht hat. Auf jeden Fall freue ich mich sehr, dass die „Tom & Jerry“ Cartoons endlich käuflich zu erwerben sind. Ich habe schon lange darauf gewartet. So ungefähr… knapp 20 Jahre. Jetzt bleibt natürlich zu hoffen, dass das nicht auf Japan beschränkt bleibt.

Nachdem wir bei den CDs fertig sind, landen wir eher zufällig in der Manga-Abteilung, weil ich eine „Bôbobo“ Büste dort gesehen habe. Der Manga liegt komplett zum Verkauf aus. Ich kaufe mal Band 1. Die Serie ist von 2001, wie ich im Innenteil lese… und dies hier ist die 17. Auflage? Wow, scheint sich gut verkauft zu haben – sonst gäbe es wohl auch den Anime nicht.

Wir gehen ins „Skylark“ zum Essen. Es ist nicht ganz so gut wie das „Saizeriya“ in Tokyo, aber ich bin zufrieden, auch mit den Preisen. Die Pizza schmeckt, sie hat 25 cm Durchmesser und man bekommt sie für umgerechnet etwa 3,60 E. In Japan ist das ein sehr entspannender Preis. Ich probiere auch einen Hamburger. Er ist besser als bei McDonald’s und größer. Aber ich stelle dennoch fest, dass Hamburger einfach nicht etwas sind, was ich öfters essen will. Bemerkung am Rande: „Hamburger“ sind in Japan generell das, was sie auch überall auf der Welt sind, aber es gibt auch etwas, das nennt sich „Hamburg“ – dabei handelt es sich um Hackbraten!

Der „Bôbobo“ Manga erweist sich als lustig und vor allem als anfängerfreundlich. Alle Kanji sind mit ihren Lesungen versehen, so dass man nicht erst suchen muss, wie man den Krempel liest, bevor man zum Verständnis der Bedeutung schreiten kann. Außerdem sind Kanji in Manga allgemein auch oft genug so klein, dass das ungeübte Auge nur einen Farbklecks oder chaotische Linien sieht. Ganz zu schweigen von den Eigenkreationen mancher Autoren. Ich glaube, ich werde mir irgendwann die ganze Reihe kaufen – das sind 11 Bände. „Irgendwann“ bedeutet allerdings, dass es nicht mehr während meines diesjährigen Aufenthaltes sein wird.[1]


[1] Dies geschah aber nie und ich habe im Laufe der Jahre auch das Interesse verloren.

30. Januar 2024

Freitag, 30.01.2004 – Anstöße

Filed under: Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Ich sitze in der Bibliothek und bearbeite meine Post; in den Pausen komplettiere ich meine Abhandlung über die grundlegenden Begriffe des Buddhismus. Sogar ein brauchbarer Schluss ist mir eingefallen. Ich muss allerdings noch jemanden finden, der sie auf Fehler durchgeht.

Misi geht an mir vorüber, bleibt dann stehen und fragt mich, ob ich ihm nicht einen Denkanstoß geben könne, über was er denn seine eigene Arbeit schreiben könnte. Das grobe Thema ist „Japanische Kultur“. Ei, das ist aber fein, dann horche mal: Ich empfehle ihm, den starren Formalismus der japanischen Kunst zu untersuchen. Stichwort: Der japanische Schüler einer Kunst hat das erklärte Ziel, die „Perfektion“ seines Meisters perfekt zu imitieren. Japaner arbeiten in der Kunst ja offenbar immer noch nicht darauf hin, etwas weiter zu entwickeln, sondern bestmöglich zu imitieren – das würde, zum Teil zumindest, die grausige, wenn auch beliebte, Musik bei „Kohaku“ erklären und überhaupt die armen Vorstellungen, wenn mal einer von den tollen Stars nicht drum herum kommt, live zu singen…

29. Januar 2024

Donnerstag, 29.01.2004 – Musik

Filed under: Japan,Musik,My Life — 42317 @ 7:00

Das bedeutendste Element des Tages ist der Unterricht zur Kultur von Tsugaru. Aber der Inhalt ist heute eher gesamt-japanisch. Kitahara-sensei überrascht uns außerdem mit ihren Fähigkeiten am Klavier. Sie spielt seit ihrem vierten Lebensjahr und ist studierte Musiklehrerin. Sie erläutert, dass die gesamte moderne japanische Musik nur auf dem Kulturimport seit der Mitte des 19. Jh. beruhe. Die einzigen ur-japanischen, also wirklich traditionellen Klänge, die man heute noch zu hören bekommt, sind die Neujahrseinspielungen im Kaufhaus (die sich wegen der um zwei Töne kürzeren, klassischen japanischen Tonleiter für mich eher nach einer Beerdigung anhören als nach Neujahr), und vielleicht noch Sondervorführungen von Koto-Musik. Das meiste von dem, was selbst Japaner für Tradition halten, wurde erst in den vergangenen 150 Jahren eingeführt. Was damit zusammenhängen mag, dass Japaner ein reichlich kurzes historisches Bewusstsein haben. Was vor dreißig Jahren geschehen ist, ist schon lange her, hat sich quasi bereits vor Urzeiten abgespielt. Interessiert keinen mehr. Kitahara-sensei erklärt des Weiteren die japanische Musikpädagogik und die Schwierigkeiten, die Japaner hatten, die unbekannten Töne des Westens zu intonieren, da das traditionelle japanische Notensystem nur fünf Klänge kennt. Sie erwähnt, dass sie eine große Sammlung von Nationalhymnen zuhause habe, und das interessiert mich natürlich sehr. Aber die Angelegenheit hat Zeit und es sollte kein Problem sein, die Dame zu kontaktieren.

Im Anschluss will ich im Center einige Daten brennen, aber ich muss feststellen, dass nur die XP-Rechner auch Brenner-Hardware eingebaut haben. Also müssen die Daten verschoben werden. Misi bietet mir an, seinen Memorystick zu verwenden, aber ausgerechnet auf dem einzigen Rechner, der frei ist, sind die Treiber seines Speichers nicht installiert und die CD hat er natürlich nicht da. Ich muss also noch warten.

Am Abend beglückt uns SangSu mit der Hälfte des Öls, das Angela hinterlassen hat. Er hat auch gerade Besuch von einem Freund aus Korea, der, wie’s der Zufall will, deutsche Pädagogik studiert. Zumindest hat er damit angefangen. Nach einem Jahr Deutschunterricht beherrscht er grundlegende Sätze, aber ich bohre auch nicht weiter nach. SangSu pumpt derweil das Öl ein wenig zu enthusiastisch und unser Tank läuft über. Jetzt macht der Untersatz, den Melanie gekauft hat, zwar Sinn, aber vielleicht hätte man das Öl besser mit einer Zeitung oder den Papiertüchern in der Küche aufsaugen sollen, anstatt mit einem unserer Geschirrtücher…

28. Januar 2024

Mittwoch, 28.01.2004 – Frau Bärenfeld

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Es schneit wieder. Nicht in rauen Mengen wie gestern, aber auffällig.

Im Unterricht von Ogasawara-sensei behandeln wir zum wiederholten Male Vokabular, wie man es beim Arzt brauchen kann. Die anwesenden Chinesen begründen die „ruppige“ Art und Weise chinesischer Ärzte und Schwestern übrigens mit den niedrigen Gehältern, die man diesen Leuten in China zahle. Natürlich drücke das aufs Gemüt der betreffenden Personen.

Danach folgt die wohl letzte Stunde zum Thema „Moderne japanische Novellen in englischer Übersetzung“. Thema ist Murakami Haruki, „The Second Bakery Attack“. Ich kenne den deutschen Titel nicht, aber die Geschichte soll sich in der Sammlung „Der Elefant verschwindet“ befinden. Wenn man sich leichte literarische Kost zu Gemüt führen möchte (bei Murakami eher ungewöhnlich), dann, glaube ich, ist das hier genau richtig.

Bis 14:20 habe ich dann noch etwas Zeit, aber ich folge einer Laune und gehe bereits in der Mittagspause in die Halle, um zu sehen, ob Mei, BiRei oder XiangHua vielleicht dort anzutreffen sind. Ich gehe ausnahmsweise eine andere Route dorthin, durch den zweiten Stock, anstatt durch den ersten. Ich komme an einem Hörsaal vorbei, aus dem ich eine mir bekannte „TV-Stimme“ hören kann. Deutsche Sprache, bekannter Stil… ich muss nicht viel vom Inhalt hören, um nach fünf Sekunden zu wissen, dass hier das „Fest der Völker“ von Leni Riefenstahl gezeigt wird. Ich bin neugierig und stehle mich in den Saal. Deutsche Originalfassung mit japanischen Untertiteln. Hier sitzen ein halbes Dutzend japanischer Studenten und eine Dozentin mit Namen Kumano. Es handelt sich um einen Kurs der Medienwissenschaft, sagt sie. Sie erlaubt mir zu bleiben und ich nehme Platz. Noch zwanzig Minuten sind übrig. Ich hatte schon ganz vergessen, wie militant die Sprache dieses Films ist! Der Reporter redet hier nicht von „Sportlern“ oder „Teams“, sondern oft genug von „Streitkräften“.

Leider gibt es keine Abschlussdiskussion, wie ich es mir erhofft hatte. Der Unterricht ist wegen des Umfangs des Films bereits um 20 Minuten überzogen worden. Dabei hätte mich die Meinung der Zuschauer wirklich interessiert. Das sei aber kein Problem, sagt Kumano-sensei. Ich solle mich per E-Mail melden, und früher oder später werde der Kurs sich zu einem abschließenden Umtrunk treffen (als ob es die normalste Sache der Welt wäre, dass man am Ende des Semesters zusammen einen heben geht – ach, ich bin ja in Japan…). Da könne man das nachholen, sagt sie. Aber so groß ist mein Interesse dann auch nicht, dass ich den Kurs ausgerechnet bei der Abschlussfeier stören möchte.

Wir gehen noch in ihr Büro und unterhalten uns ein bisschen über verschiedene Dinge. Sie hat eigentlich frz. Literatur studiert, und man sieht das auch an der Ausstattung ihres Büros. Viele frz. Bücher stehen in den Regalen rum. Sie sei dann über Literaturverfilmungen und Kino zur Medienwissenschaft gekommen.

Ihr wichtigster Punkt im Laufe des knapp einstündigen Gesprächs ist allerdings das Nachlassen der allgemeinen Höflichkeit in Japan. Oha! Ich sperre die Ohren auf. Nach ihrer Meinung greift der Egoismus immer mehr um sich und färbt auf die Umgangsformen ab. Mehr und mehr (jungen) Leuten ginge die Fähigkeit, die Bedürfnisse und Meinungen anderer in das eigene Denken mit einzubeziehen, verloren. Ich wage schließlich den Vergleich mit Deutschland – der durchschnittliche Deutsche ist international nicht für seine höflichen Umgangsformen und bedachten Ausdrucksweisen bekannt.

Ich interpretiere, dass Japan eine sehr hohe Stufe an (zur Schau getragener) Höflichkeit besitzt, was sich vor allem in der Sprache niederschlägt, dass sich hinter dieser Fassade jedoch ein relativ hohler Körper befindet. In Deutschland dagegen scheint mir eine allgemein zwar niedrige, aber dafür stabile Höflichkeit vorzuherrschen. Deutsche Umgangsformen scheinen rau und abweisend zu sein, aber bis zum Kern der Person ist es, anders als in Japan, nicht weit und man findet sehr herzliche Menschen vor. Man kann in Japan schnell oberflächliche Bekanntschaften schließen, aber die Distanziertheit der Japaner ist größer als die von Deutschen. Man muss recht weit gehen, um hinter die Fassade blicken zu können. Deutsche haben kaum Fassade. Sie reden frei heraus und treten dabei schon mal jemandem auf die Füße. Aber ich bin kein Sozialwissenschaftler und habe nichts zu dem Thema gelesen, also kann ich nur von meiner persönlichen Wahrnehmung sprechen.

Schließlich ist es an der Zeit, in die Halle zu gehen, um Mei zu treffen, und auch Kumano-sensei möchte was essen. Ich verabschiede mich also. Ich bin ein paar Minuten zu früh in der Halle, also mache ich ein paar Hausaufgaben. Um 14:30 bin ich bereits ziemlich sicher, dass sie nicht mehr auftauchen wird, aber ich mache mit den Hausaufgaben weiter und verlasse die Halle erst um 15:30 wieder. Ich habe das Gefühl, dass meine Keigo Klausur (über japanische Höflichkeitssprache) voll in die Hosen gehen wird.

Ich gehe Richtung Bibliothek und nehme dabei bewusst den Umweg durch ein paar Lehrsäle. Und der Expedition ist Erfolg beschieden: Pünktlich zum Versiegen meines alten finde ich einen neuen Kugelschreiber, mit 75 % Füllung in der Mine. Und nicht nur das. Das Radiergummi kann ich auch brauchen, nachdem mein altes verschwunden ist, das Mathe- und das Biologiebuch lege ich auf das Pult, damit man sie sofort findet, das private Notizbuch und die Handschuhe nehme ich mit, um sie im Fundbüro abzugeben. Aber mein Gedächtnis ist kurz und ich habe den Krempel immer noch in meinem Rucksack, als ich schließlich nach Hause gehe…

In der Bibliothek schreibe ich dann noch ein Stück Text zum 31.Dezember und verfasse außerdem sechs Seiten meiner Hausarbeit. Das ist bereits doppelt so viel wie maximal verlangt, aber leider bin ich mit meinen Darlegungen noch nicht ganz fertig. Vor allem fehlt der Schluss ja noch.

Hausaufgaben und Tagebuch halten mich bis 01:00 wach. Und in fünf Stunden und dreißig Minuten darf ich schon wieder aufstehen. Ich glaube, Tagebücher sind nur für Workaholics. Und eigentlich bin ich gar keiner.

27. Januar 2024

Dienstag, 27.01.2004 – Arbeitsentlastung

Filed under: Japan,Manga/Anime,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Wegen der Schneemassen, die heute Morgen vom Himmel fallen, wird der Gang zur Uni wieder zur Rutschpartie, aber im Gegensatz zu Melanie schaffe ich es, ohne Bodenkontakt anzukommen.

Der Unterricht läuft wie immer vor sich hin und in unserem Buddhismus-Seminar erfahren wir, dass es eine Abschlussklausur und eine Hausarbeit geben wird. Aber Prof. Philips sagt, dass ihm zwei bis drei gründlich durchdachte Seiten völlig genügen würden. Das ist doch was… denn wenn ich meine Kommentare zusammenfasse, die ich in den letzten Wochen über das Thema niedergeschrieben habe, kann ich damit schon ein kleines Buch füllen, und den Rest kann ich dann noch mit der Beschreibung der grundlegenden Begriffe auffüllen. Ich glaube, ich lasse die Lebensdaten von Siddharta Gautama und meine Kommentare zu seinem Leben einfach weg, dann passt das schon. Meine einzige Sorge ist wieder der Schluss der Arbeit. Ich muss ja zu einer Art Schlussfolgerung kommen, oder überhaupt eine Art Schlusskommentar verfassen. Aber da fällt mir wohl schon noch was ein.

Wegen technischer Grundsatzfragen besuche ich Philips nach dem Unterricht in seinem Büro und schaffe es tatsächlich, zwei Stunden zu bleiben. Allerdings muss ich zugeben, dass ich das „Betriebsverhältnis“ etwas geölt habe. Philips redet gerne über Afrika, er kommt eher früher als später auf dieses Thema und ich muss nur eine oder zwei Fragen stellen, um Geschichten aus Nigeria zu hören und seine Homepage vorgeführt zu bekommen, auf der man unter anderem eine Bildergalerie vorfindet. Auf diesen Bildern sieht man einen wesentlich jüngeren Prof. Philips, mit Farbe im Haar und ohne Bürobauch, auf seiner Expedition in Westafrika. Ich muss allerdings kein Interesse an der Geschichte und den Kulturen Afrikas heucheln, falls das jemand meint. Ich interessiere mich tatsächlich, wenn auch relativ oberflächlich, für diese Dinge.

Außerdem war er in der Lage, mir ein afrikanisches Restaurant zu empfehlen, für das ich noch nicht einmal nach Tokyo fahren muss. Das Restaurant befindet sich in Akita, und man serviert dort – ich höre die Witze bis nach Japan – äthiopische Küche. Jetzt kann ich äthiopische Küche natürlich überhaupt nicht von nigerianischer unterscheiden (von der ich nur weiß, dass sie sehr fleischhaltig sein soll, wie mein nigerianischer Bekannter Bede sagt), aber ich möchte es mir nicht entgehen lassen, afrikanisch zu essen. Mal sehen, wann ich nach Akita komme.

Danach gehe ich in die Bibliothek, sehe nach meiner Post und schreibe an meiner Hausarbeit. Das Animetric Forum versorge ich mit einer Sammlung von japanischen Zähleinheitsbegriffen, und bei E-Bay werden zwei weitere Artikel eingestellt.

Ich komme relativ spät nach Hause und natürlich habe ich beim Einkaufen wieder die Mandarinen vergessen. Trotz des daher „akuten Vitaminmangels“ genieße ich das Essen, das Melanie gekocht hat. Fleischröllchen mit… Füllung. Fast eine Art Roulade. Leider erweisen sich die Pilze in der Füllung als ein wenig zäh… man kann sie natürlich essen, allerdings ich glaube nicht, dass es geplant ist, dass man die Dinger beim ersten Bissen komplett mit rauszieht. Aber der Gesamtgeschmack ist sehr gut. Das möchte ich noch einmal essen. Ich habe allerdings keine Ahnung, was man mit diesen Pilzen machen muss, damit man sie auf Anhieb abbeißen kann.

Wir können uns endlich… nein: Ich kann mir endlich die Bôbobo Episode von der letzten Woche ansehen (Melanie bekommt davon eher innere Blutungen), und die Serie erweist sich weiterhin als unterhaltsamer Nonsens – schon beinahe Nihilismus. In der Serie wird dauernd gekämpft (nach einem Muster, wie man es in DragonBall schon gesehen haben mag: der Held zieht von einem Gegner zum nächsten), aber die Figuren machen so viel Unsinn nebenher, dass überhaupt keine Spannung darüber aufkommt, wie denn der Kampf ausgehen könnte. Man vergisst ihn beinahe vollkommen. Aber Bôbobo hat für mich andere Qualitäten, es ist gerade das Chaos in der Handlung (Handlung?), das den Reiz für mich ausmacht.
Hey, und morgen erscheint der offizielle Soundtrack! Das heißt, das Titel- und das Endlied, natürlich auf getrennten Singles für jeweils 1000 Yen. Dann muss ich ja bei nächster Gelegenheit gleich mal einkaufen gehen.

26. Januar 2024

Montag, 26.01.2004 – Eine Unachtsamkeit

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Der heutige Tag bringt uns eine Ladung Schnee ins Haus. Nach Hirosaki, heißt das, also nicht wörtlich nehmen bitte. Binnen kurzer Zeit fallen dreißig Zentimeter Neuschnee, bevor eine Pause eintritt. Trotzdem fahren auch weiterhin einige Irre mit dem Rad in der Gegend herum, darunter Misi und SangSu. Ich frage mich, was Misi beim Radfahren so treibt, er sieht bei seiner Ankunft im Center immer aus, als sei er 10 km gerannt, und nicht nur knappe zwei Kilometer mit dem Rad gefahren. SangSu sieht auch nie so mitgenommen aus.

Yamazaki-sensei kündigt an, die A3-Klausur über alles schreiben zu lassen, was bisher behandelt wurde. Alle Vokabeln, alle Satzstrukturen, alle Kanji. Das kann ja heiter werden. Ich hätte lieber zwei kurze Arbeiten geschrieben, statt einer großen. Dann habe ich ja noch ein paar Tage Zeit, das alles zu wiederholen.

Ich gehe in die Bibliothek, wo mir Kazu über den Weg läuft. Sie bittet mich, ihr bei kleineren grammatikalischen Problemen zu helfen, die sie mit dem Deutschunterricht hat. Natürlich machen ihr die Artikel zu schaffen. Wer ist auch auf die glorreiche Idee gekommen, im Deutschen männliche, weibliche und neutrale Artikel einzuführen?

Ich gehe im Anschluss zur Post, um ein paar verkaufte Bücher zu verschicken und überprüfe meinen Kontostand bei der hiesigen Postbank. Der Betrag für das Gas ist wie gewünscht abgebucht worden, und der Strom wird noch dazu kommen. Ich sollte also jeden Monat etwa 12000 Yen einzahlen, um meine laufenden Kosten bestreiten zu können. 8000 Yen davon entfallen auf das Gas. Das scheint viel zu sein, aber wir „arbeiten“ auch zu zweit daran, während die Studentin, die vorher in unserem Apartment gewohnt hat, alleine eine Rechnung von 7000 pro Monat auf die Beine gestellt hat – möglicherweise hatte sie den Boiler immer auf „Standby“, also die kleine Flamme immer an. Also will ich mich nicht beschweren. Außer über den Umstand, dass es vermutlich billiger wäre, das Wasser mit Strom zu heizen, anstatt mit Gas.

Zurück in der Bibliothek beginne ich, Quellen für meine Hausarbeit zu sammeln und frage mich, wie ich 15 Seiten voll bekommen soll. Oh, natürlich mag Frau Prof. Gössmann da einwenden, dass ich damit wohl kein Problem haben dürfte, aber für die Hausarbeit über Ôe Kenzaburô hatte ich ein mehr oder minder konkretes Konzept im Hinterkopf. Das Konzept fehlt mir für die Arbeit, die Vesterhoven haben möchte, derzeit völlig. Ich beschließe, erst einmal die Arbeit zu erledigen, die schnell von der Hand geht – die Hausarbeit über Buddhismus für Prof. Phillips. Ich habe mir so viele Gedanken über das seltsame Zeug gemacht, dass man daraus doch bestimmt eine Hausarbeit basteln kann, vor allem, weil diese Hausarbeit auch nicht schrecklich lang sein muss. Aber wie üblich bin ich nicht davon überzeugt, dass mein Schreibstil mir sehr viele Freunde auf der akademischen Schiene machen wird, zumal ich hier ein Essay nach angloamerikanischem Muster schreiben muss. Ich hatte für formalisiertes Schreiben noch nie viel übrig.

Am Abend hat Melanie eine Überraschung parat, die niemandem in der gleichen Situation sonderlich schmecken würde. Sie vermeidet den Kontakt mit ihrem Mentor gerne, weil sie gezwungen ist, mit diesem über kompliziertere Angelegenheiten als den täglichen Speiseplan oder Grammatik auf Japanisch zu sprechen. Einen deutsch sprechenden Mentor zu haben (wie ich), macht das Leben leichter. Melanie hat es gegen meinen Rat, sich frühzeitig um Informationen über die Zuschussgelder zu bemühen, unterlassen, sich deswegen mit „ihrem“ Professor zusammenzusetzen. Ich habe am Morgen bereits die Mitteilung über das Auslaufen der Meldefrist in meinem Postfach im Sekretariat gefunden, nachdem ich einige Zeit, eigentlich seit dem 22.12., nicht mehr hineingesehen hatte. Die Meldefrist ist am 21.01. ausgelaufen. In meinem Fall ging es bei dem Zuschuss um knapp 5000 Yen, aber Melanie hat ein höherwertiges Stipendium. Ihre Versäumnis könnte sie 13000 Yen kosten – etwa 85 E, wenn der Professor nicht ein paar Augen zudrückt. Weitere Kommentare sind überflüssig. Aber ich habe ja selbst erst im letzten Moment die Kurve gekriegt, worüber mich also aufregen?

25. Januar 2024

Sonntag, 25.01.2004 – Der Hausrat wächst

Filed under: Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Wir stehen ganz bequem erst um zwölf Uhr auf. Ich spüre keinerlei Nachwirkungen vom gestrigen Abend, und das spricht für die Qualität des japanischen Sake, der da serviert wurde. Gut, ich will nicht sagen, dass ich von allen möglichen Nachwirkungen verschont geblieben bin – ich habe nämlich einen ungeheuren Durst, also das, was man bei mir zuhause im Bliesgau „Nachbrand“ nennt. Aber dieses Problem löst man ja recht einfach, indem man sich einen Liter Boco oder Aquarius in den Hals schüttet, ein Frühstück zu sich nimmt und gegen den seltsamen Geschmack im Hals die Zahnbürste ins Feld führt.

Im Anschluss an derlei Notwendigkeiten muss die Bude auf Vordermann gebracht werden, und bis ich mit allem fertig bin, ist es bereits 13:40. Ich überlege, zu so „später Stunde“ erst gar nicht mehr in die Bibliothek zu gehen, weil ich heute eh nichts Ganzes mehr auf die Reihe kriegen werde, in der kurzen Zeit, in der der Zugang zu dem Rechnern noch offen ist. Ich gehe dann aber doch.

Die Zeit ist knapp, ich schreibe nur einen Bericht, den vom 30. Dezember, aber mit dem werde ich immerhin ganz fertig. An Silvester war ja doch einiges los, der Bericht vom 31. Dezember wird also lang, und 50 Minuten, bevor die Bibliothek hier zu macht, will ich auch nicht mehr damit anfangen. Es wird wahrscheinlich ohnehin zeitlich notwendig sein, den Bericht in zwei Teile zu trennen.

Um fünf gehe ich dann Einkaufen und anschließend nach Hause. Aha, Angela hat uns in der Zwischenzeit ihren halben Hausrat hinterlassen, darunter zwei Regale und einen Wäscheständer, außerdem einen Sessel, den ich aus dem Erdgeschoss nach oben trage, und zuletzt noch eine Menge von kleinerem Kram, den ich in seiner Gesamtheit gar nicht komplett erfassen möchte. Die Wohnung füllt sich… meiner Meinung nach etwas zu sehr, aber man gewöhnt sich ja an vieles, und vielleicht ist der Krempel ja auch irgendwann von Nutzen.

24. Januar 2024

Samstag, 24.01.2004 – Bye-bye, Angela

Filed under: Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Nach vier Stunden Schlaf wieder eine Episode „SailorMoon“. Während Naru und Ami wohl Freundinnen werden, fasst Usagi den Plan, Mamoru etwas zu schenken (ich glaube, es sind Plätzchen), nur um vor seiner Haustür festzustellen, dass er offenbar mit einer gleichaltrigen Frau ausgeht und verleugnet, Usagi zu kennen. Usagi ist darüber sehr unglücklich und so weiter und damit hat sich die heutige Handlungsweite auch eigentlich schon erschöpft. Für die nächste Episode wird ein Venus-Einsatz angekündigt, und aus den Bildern muss ich entnehmen, dass Minako wohl in dieser Interpretation dem christlichen Glauben anhängt, so inbrünstig, wie sie in der Kirche kniet.

Wir schlafen weiter bis Mittag. Dann gehe ich in die Bibliothek und schreibe alles Notwendige und Machbare. Um 17:00 gehe ich wieder nach Hause, esse, und wir machen uns fertig, mit Angela nach Nishihiro zu gehen, wo sie ihren Abschied feiern wird. Vor dem Circle K treffen wir Daniel und Nora, beide aus Rumänien, die mir bisher noch nicht bewusst über den Weg gelaufen sind. Ah so, Nora arbeitet an ihrem Doktor und ist selten an der Uni, während Daniel eigentlich gar nicht nach Hirosaki gehört, er besucht sie nur. Und der macht bitte was? Der Mann ist Professor für Mathematik! An der Universität von Tokyo… an der Tôdai! Ja, wenn’s weiter nichts ist… Die Tôdai steht zumindest in dem Ruf, dass dort nur Asse ihres Fachs beschäftigt werden.

Wir gehen zum „Sunkus“ (ebenfalls ein Konbini) in Nishihiro und warten auf weitere Leute. Angela verfährt ähnlich wie ich: Sie lädt nicht ein, sie kündigt nur „Veranstaltungen“ an, damit sich niemand schlecht vorkommen muss, weil er/sie einer Einladung, trotz Zusage vielleicht, nicht folgt, daher gibt es auch keine Einladung per definitione. Nach wenigen Minuten kommt David. Wie auch sonst immer hat er seine Querflöte in dem dazu passenden kleinen Koffer dabei. Wir wollen noch auf Paula und Irena warten. Ich unterhalte mich mit David über die kulturellen Vorteile einer Großstadt und die Eintönigkeit japanischer Popmusik. Und ich möchte von ihm wissen, warum er seine Flöte ständig mit sich herumtrage. Eine Art Schatz vielleicht? Er erinnere mich da deutlich an jemanden, der sich von seinem Laptop nicht trennen kann. David sagt, seine Mutter habe sie vor 20 Jahren für 2000 Pfund in England gekauft – oh, in Ordnung, das Ding ist ein Schatz. Und vor 20 Jahren waren 2000 Pfund wohl sogar noch einiges mehr wert als heute. Sein Vater ist übrigens Mexikaner, daher sein Familienname „Texeira“. David hat 15 Jahre in Mexiko gelebt, bevor er nach Neuseeland gekommen ist, vor nur sechs Jahren.

Irena und Paula kommen wohl nicht. Also gehen wir schon mal los und fallen vorerst zu fünft in dem ausgesuchten Lokal ein, dessen Namen ich mir (noch) nicht gemerkt habe. Ich erinnere mich nur, dass das Schild rot, die Schrift schwarz und der Laden recht klein war.[1] Rechts hinter dem Eingang steht ein Tisch, an den man vielleicht zehn Leute quetschen kann. Links hinter dem Eingang befinden sich, etwas erhöht, drei Tische in japanischer Art, also ohne Stühle, zum Knien. Direkt gegenüber vom Eingang, knapp zwei Meter davon entfernt (und diese Schätzung ist großzügig bemessen), befindet sich bereits die Theke. In der äußersten rechten Ecke befindet sich die Toilette und gegenüber davon der Eingang zur Küche. Wir platzieren uns um die japanischen Tische. Das begrüße ich zwar nicht, aber ich kann mit dem Rücken zur Wand und damit halbwegs bequem zu sitzen. Wir bestellen ein allgemeines Nomihôdai, das kostet hier 1500 Yen pro Nase, dafür kann man alles auf der Getränkeliste trinken, bis man umfällt. Aber es gibt ein Zeitlimit von 120 Minuten, die letzte Bestellung muss dann um 22:15 erfolgen. Wir fangen schon mal an und nach und nach treffen weitere Gäste ein: Valérie, Mélanie, Luba, Ramona, Dave mit seiner Freundin (aus der Mongolei), zwei Japanerinnen und ein Japaner, die mir nicht näher vorgestellt werden, und schließlich auch Alex, der wegen einer Prüfung für ein paar Tage aus Rumänien angereist ist. Den „richtigen“ Namen von Daves Freundin habe ich schon wieder vergessen. Das mongolische Original ist ein wahrer Zungenbrecher, also verbleiben wir bei der japanischen Interpretation „Oyuna“.

Bis auf David trinken wir auch alle ziemlich was – er sagt, er habe Alkohol versucht und nichts daran gefunden. Von daher bleibt er der Nüchterne, der zuletzt noch lacht. Die große Masse trinkt Bier, ich halte mich an warmen Nihonshû (das ist das, was der Ausländer „Sake“ nennt). Was Melanie (meins) und Ramona da trinken, heißt „Sour“ (also „Sauer“), und es handelt sich um eine Reihe von Fruchtsirup-Präparaten in poppigen Farben mit einem Anflug von Alkohol (und auch nur mit einem Anflug von Geschmack), von dem man überhaupt nichts mitbekommt. Wahrscheinlich deutlich weniger als 5 %.

Mit David und Daniel unterhalte ich mich über alles Mögliche, aber ich habe den größten Teil bereits wieder vergessen. Aus irgendeiner (alkoholisierten) Laune heraus frage ich Daniel, was „Irrationale Zahlen“ denn nun eigentlich seien. „Das willst Du gar nicht wissen…“ sagt er und lacht. Eigentlich hat er Recht. Aber: „Das sind Zahlen, die man nicht als Bruch ausdrücken kann, grob gesagt“, fährt er fort. „Zum Beispiel die Quadratwurzel von 2.“ Der Rest des Gesprächs versickert irgendwo zwischen Trommelfell und Gehirn.

Um 22:15 bestelle ich dann erst meinen vierten Pott Sake, aber ich werde nicht mehr ganz fertig. Auf einmal wird abgeräumt und es heißt, die Kneipe schließe jetzt. So früh???
Merke: Nomihôdai mit Zeitbegrenzung lohnt sich zumindest in diesem Lokal nicht. Ich glaube nicht, dass ein kleiner Krug Sake hier 400 Yen kosten kann. Die Zeitbegrenzung macht die Sache völlig hinfällig. Ich will von dem Zeug ja auch was haben, und der Genuss ist einfach nicht gegeben, wenn man sich den Reiswein einfach so in den Bauch schüttet, nur um das „All you can drink“ voll auszunutzen.

Wir ziehen also ab und suchen uns einen anderen Laden. In der Straße vor dem klitzekleinen Bahnhof von Nishihiro finden wir das „Skatt Land“ und kehren dort ein. Dort hängt ein Angebot aus, für 2500 Yen ein „Tabe-Nomihôdai“ zu machen, also Essen und Trinken so viel man kann, natürlich mit Zeitlimit. Ich frage mich ernsthaft, wie interessant dieses Angebot aus wirtschaftlicher Sicht ist. Aber ich kümmere mich nicht weiter um die Preise und folge der Herde bei der Order des Angebots für alle. Alex bestellt ein paar Pizzen (30 cm Durchmesser) und die sind gar nicht schlecht. Vor allem der starke Gebrauch von Käse kommt meinem Geschmack sehr entgegen. Zwei Stunden später haben wir auch das hinter uns und brechen auf, diesmal nach Hause.[2]

Es ist kalt, der Schnee auf der Straße ist festgefahren und die Bürgersteige sind ebenfalls spiegelglatt. Wir gehen zu Fuß, also Melanie, Angela und ich, in Richtung Nakano. Und Angela merkt man den Alkohol deutlich an. Dennoch geht sie recht flott, was mich hin- und herreißt zwischen dem Bedarf, auf Melanie zu warten, die nie sonderlich schnell geht, und der Notwendigkeit, nahe bei Angela zu bleiben, damit ihr in ihrem Zustand nichts (oder weniger) passiert. Melanie hat ihre Sinne noch weit besser zusammen als Angela, also entscheide ich mich für die zweite Option. Und Angela landet auch zweimal auf dem Boden, weil sie ausrutscht. Ich stelle sie jeweils wieder auf die Füße. Sie dürfte etwa 50 kg wiegen, keinesfalls mehr, stelle ich dabei unweigerlich fest. Dabei ist sie etwa so groß wie ich. Um 01:15 sind wir zuhause und können schlafen. Die Kleider werden wir morgen komplett waschen müssen… der Kneipengeruch ist sehr auffällig daran haften geblieben.


[1] Das Lokal heißt „Hattachi“ und schreibt sich wie „88“

[2] Das „Skatt Land“ war die einzige Kneipe, in der ich mich je wohl gefühlt habe. In Japan durfte bereits damals dort nicht geraucht werden. Leider hat das Lokal ein paar Jahre später dicht gemacht.

23. Januar 2024

Freitag, 23.01.2004 – Strategischer Einkauf

Filed under: Filme,Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Heute gibt es neues Geld und ich wende 20.400 Yen davon dafür auf, mir einen Kanjitank mitsamt Schutztasche zu kaufen. Ricci hat den PW-9100 von SHARP empfohlen und Nora ein Modell von CASIO. Ich entscheide mich für den SHARP PW-9800. In erster Linie wegen des Angebotspreises von 20.000 Yen, das sind 6.000 Yen weniger als der aktuelle Neupreis des Gerätes. Ich rausche ins Daiei und finde dort nur noch das Ausstellungsmodell vor, der gesamte Restbestand ist bereits weg. Das würde ich Glück nennen. Vor allem bekomme ich das Ausstellungsstück für 1000 Yen weniger. Für 1400 Yen kommt noch eine Schutztasche dazu und die Sache ist perfekt.

Um für alle Nicht-Japanologen zu erläutern, was ein Kanjitank ist, erläutere ich kurz die Eigenschaften des Gerätes. Es handelt sich um ein elektronisches Wörterbuch von der Größe eines luxuriösen Taschenrechners, aufklappbar, wobei der obere Teil der Bildschirm ist, von dem man die gewünschten Informationen abliest. Aber welche Informationen hat der Tank zu bieten? Man könnte hierzu die 214 Seiten starke Anleitung zu Rate ziehen, aber das Gerät ist, ein wenig japanische Lesefähigkeit vorausgesetzt, weitgehend selbsterklärend.

Im Datenspeicher befinden sich 33 Lexika verschiedener Art, darunter

  • Japanisch-Englisch
  • Englisch-Japanisch
  • Englisch-Englisch (in Form des „Oxford Advanced Learner’s Dictionary“ mit Stand 2000, was das Gerät auch für die Anglistik ganz brauchbar macht)
  • ein Bungo Lexikon (falls man sich mit klassischem Japanisch beschäftigt)
  • ein Katakana Lexikon (für japanisierte Fremdwörter)
  • ein Kanjilexikon (falls man eine Lesung nachschlagen muss)
  • ein Kommunikationslexikon für Geschäftsleute (sowohl jap.-engl. als auch engl.-jap.)
  • ein Speziallexikon für Computerterminologie
  • ein Speziallexikon mit neueren Begriffen (wie z.B. „BSE“) mit Stand 2002, unterteilt nach Themen wie „Sport“, „Gesellschaft“, „Wissenschaft“ und „Kultur“
  • ein medizinisches Lexikon mit Erklärungen zu Symptomen, Krankheiten, Lebensmitteln
  • ein Anatomielexikon, in dem man den Aufbau des Körpers (mit Bildern!) nachvollziehen kann, inklusive der wichtigsten Organe, Blutgefässe, Nervenbahnen, Gehirnregionen usw.
  • ein Reiselexikon, das alle möglichen Situationen vom Flughafen bis zu Restaurants und Hotels einschließt, inklusive allerlei Fragen, Wünsche und Beschwerden
  • Speiselexika mit Erklärungen zu verschiedenen landeseigenen Gerichten in Englisch, Italienisch, Französisch, Spanisch, Deutsch, Koreanisch und Chinesisch

Ich habe das deutsche Lexikon in dieser Sparte einmal durchgesehen und fand Erläuterungen zum Aufbau einer Speisekarte, Begriffe wie „Menü“, „Vor-“, „Haupt-“ und „Nachspeise“ erklärt werden. Es gibt Glossare zum Thema Bier, Wein, Fleisch, Fisch, Gemüse, Desserts, und auch Beschwerdetermini, wie man z.B. eine kalte Suppe wieder zurück in die Küche schickt und dabei den Anforderungen der Höflichkeit gerecht bleibt.

Von einigen der als deutsch aufgeführten Gerichte habe ich allerdings noch nie gehört oder habe sie nie gegessen. Z.B. „Räucherlachs mit Meerrettich“, „Riesengarnele mit Kräutersoße und Butterreis“, „Birne Helene“ oder „Strammer Max“ (offenbar eine Art Käsetoast). Natürlich stehen da nur kurze Beschreibungen und keine ganzen Rezepte.

In dieser kleinen Maschine findet man so viele Sachen, dass ich wohl nie die Möglichkeit haben werde, alles davon ausschöpfen zu können. Und angetrieben wird das Ding von gewöhnlichen Batterien, also keine überteuerte Knopfzelle oder ähnlicher Unsinn. Dann also: Auf gute Zusammenarbeit.

Nach dem Unterricht von Ogasawara-sensei gehe ich in die Bibliothek, schreibe einen Bericht und kümmere mich um meine Post. Vor einigen Tagen habe ich eine Anfrage an die Gemeinde Gersheim geschrieben, ob man mir Tipps geben könne, wie ich möglich kostengünstig heizen kann. Die Anfrage wurde auf die Ämtern eigene, kuriose Weise beantwortet: Die Gemeinde Gersheim verwies mich gleich ganz nach oben an das Bundesumweltministerium. Ich schilderte auch denen meine Situation, von wegen Japan und Ölheizung und Größe der Fensterflächen. Als Antwort bekam ich eine Weiterleitung an eine sechste Person, die die Ausführungen zu meiner Situation überhaupt nicht gelesen zu haben schien: Der oder die Sachverständige (an der Sinnigkeit dieser Bezeichnung in diesem Kontext bestehen Zweifel meinerseits) forderte mich dazu auf, meine Räumlichkeiten und vor allem die Fenster auf Euronorm XYZ-Hastdunichtgesehen umzurüsten!

Na, vielen Dank für das Gespräch. Ich habe doch ganz klar in meine Ausführungen geschrieben, dass ich in Miete wohne (ergo: meine Wohnung also nicht ohne weiteres umbauen kann) und dass ich in Japan bin, wo die Leute noch nicht einmal wissen, wie man „Euronorm“ schreibt, nicht zuletzt wegen des Diphthongs. Also heize ich einfach weiter wie gehabt.

Und ich rechne die Sache ein bisschen durch, kalkuliere den durchschnittlichen Bedarf und den durchschnittlichen Kerosinpreis (etwa 27 Cent/Liter) und komme auf 150 E, mit denen ich den ganzen Winter über (einen Raum) heizen kann. Gut, nehmen wir an, dass der Winter noch kräftig zulangt und rechnen mit 200 E für den Winter. Als Laie gehe ich davon aus, dass ich demnach (mit einem Ofen, wie ich ihn hier habe) ein Wohnzimmer, ein Esszimmer und eine Küche für etwa 600 E heizen könnte. Dann frage ich mich natürlich, wo die vierstelligen Eurobeträge zuhause herkommen? Der Heizölpreis lag doch Ende 2003 in Deutschland bei nur (?) knapp über 30 Cent pro Liter? Jetzt weiß ich natürlich nicht, ob die tolle Grafik, aus der ich das entnommen habe, auch die Steuern mit einbezog.[1]

Misi erscheint in der Bibliothek und sieht reichlich verschwitzt aus – weil er immer noch, trotz der Straßenglätte, mit dem Fahrrad fährt. Das ginge schneller, sagt er, und das reicht ihm als Grund. Viel Glück weiterhin. Obwohl er mir eigentlich vernünftiger erscheint als SangSu.

Um acht Uhr komme ich nach Hause. Ich verarbeite etwas Restgemüse, indem ich es mit dem Reis verkoche. Schmeckt wirklich gut. Und wenn ich schon beim Experimentieren bin, versuche ich mich an Milchreis, indem ich einen Becher Reis in der fetten Morinaga-Milch koche. Das Endergebnis ist recht fest, der Boden knusprig braun. Man kann es essen, aber es nicht das, was ich haben wollte. Ich glaube, das wird mir Gelegenheit geben, die Einstellung „o-Kayuu“ am Reiskocher auszutesten = „Brei“. Ich hätte gleich drauf kommen sollen.

Das Produkt wird dadurch besser, zwar immer noch leicht braun am Boden, aber immerhin als Brei erkennbar. Ich muss noch am Geschmack arbeiten und sollte etwas mehr Milch verwenden, um den Reis weicher zu kriegen.

Wir sehen uns einen Spätfilm an, aus purer Neugier, eine US-italienische Koproduktion. „Attack the Mummy“ („Greif die Mumie an“ – hä?) heißt der Streifen laut Programmheft. Ich glaube, die meinen wohl eher „Attack of the Mummy“ („Angriff der Mumie“). Und der Film ist ebenso schlecht, wie es der Titel verspricht. Da ist eine Art Scheich in Ägypten, der, aufbauend auf einem jüngst entdeckten Grab, einen Freizeitpark (!) eröffnen will, in dem die Besucher Geld dafür zahlen sollen, aus einem Zug heraus (mit Hilfe irgendeiner technologischen Hexerei) reanimierte Mumien (!) und das Innere des unterirdischen Grabmals zu bewundern. Der mumifizierte und natürlich bandagierte Pharao persönlich (!) kommt bei Ankunft des Zuges aus seinem Sarkophag und erzählt den Gästen mit monotoner Stimme was über sich (!) und verschwindet anschließend wieder hinter seiner Klappe. Natürlich gibt es einen Fehler in dem Kontrollsystem und die Mumien drehen am Rad, vor allem der Pharao, der offenbar durch Mauern gehen kann und den Helden (und die Frau an dessen Seite) durch die Gänge scheucht, bis er endlich bezwungen werden kann. Wie das so üblich ist, stürzen die Höhlen natürlich in sich zusammen, nachdem der Pharao tot ist und die Helden knapp entkommen sind.

Überraschenderweise war der Film nicht synchronisiert, sondern nur untertitelt. Aber das war auch das einzig Gute daran. Man hörte einigen Stimmen an, dass Englisch nicht ihre Muttersprache ist, und ich sage deshalb „Stimmen“ und nicht „Schauspieler“, weil der Film klar hörbar nachvertont worden ist, obwohl die Mundbewegungen mit den gesprochenen Lauten völlig übereinstimmen, das heißt, es handelt sich nicht um eine übersetzte Synchronisation. Das Schönste aber war, dass es keine einzige Außenaufnahme gab, sondern alles in einem Studio gedreht worden, und in einem billigen dazu. („Unser Studio hat einiges an Geschichte zu bieten… 1975 stand Steven Spielberg da draußen auf dem Parkplatz und sagte, er würde sich lieber lebendig häuten lassen, als hier zu arbeiten.“)[2] Alle Großaufnahmen von den Gewölben sind im Sandkasten gemacht worden, mit einer Modelleisenbahn, und die Aussicht aus den Fenstern der Eisenbahn ist jenseits jeder Proportionalität – die Leute, die draußen rumlaufen, sehen etwa 50 % größer aus als die im Zug. Die Spezialeffekte scheinen vom heimischen PC zu stammen. Um 03:00 ist der Film zu Ende. Und was haben wir darüber gelacht…


[1] In der Tat lagen meine Heizkosten am Ende des Winters weit unter 150 Euro. Und die vierstelligen Beträge zuhause rühren von der Tatsache, dass mein Elternhaus keinerlei Isolierung aufwies.

[2] Frei nach einer „Simpsons“ Episode, deren Titel mir entfallen ist (mit Homer als Manager einer Countrysängerin)

21. Januar 2024

Mittwoch, 21.01.2004 – Bücher vom Sponsor

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Heute ist Mittwoch, da ist unser Literaturseminar bei Vesterhoven angesagt, aber ich habe „Aghwee the Sky Monster“ von Ôe Kenzaburô noch nicht zu Ende gelesen. Ich hole die letzten drei Seiten am Morgen nach. Melanie geht bereits um 08:10 aus dem Haus, ich folge 15 Minuten später – wegen des Lesens. Aber das war zu knapp. In einer Viertelstunde zur Uni schaffe ich bei normalen Straßenbedingungen, aber derzeit ist der Bürgersteig mit Schnee und Eis bedeckt, und ich komme zwei Minuten zu spät.

In unserem heutigen Japanischkurs unterhalten wir uns über unsere Eindrücke von Ärzten, Krankenhäusern und dem ganzen Drumherum. Chen, der am wenigsten verpeilte Doktor, meint, er sei nach seiner Ankunft in Japan ganz überrascht davon gewesen, wie freundlich die japanischen Ärzte mit ihren Patienten umgingen. In China sei das ganz anders und die Ärzte und Krankenschwestern gingen mit den Patienten recht „streng“ um. „Wie können Sie es wagen, krank zu werden und damit der volkseigenen Volkswirtschaft zu schaden!“ war mein stiller Gedanke. Tei, der Programmierer, lacht laut und sagt „Chen muss es wissen – er ist selber ein chinesischer Arzt!“ Chen wedelt darauf abwehrend mit den Händen und meint „Nein, nein! Ich bin ein freundlicher Arzt!
Es wurde herzlich gelacht an diesem Morgen.

Eine Mail von Prof. Fuhrt macht mir in der Pause zwischen dem Sprachkurs und dem Literaturseminar kurz und bündig klar, dass ich bis morgen Mittag 12 Uhr Zeit hätte, meine Wunschliste an Material bei ihm abzugeben, die ich mir im Wert von knapp 5000 Yen zusammenstellen konnte. Natürlich habe ich die Ankündigung bereits vor Wochen erhalten, aber ich habe zwischenzeitlich nicht mehr daran gedacht. Ich marschiere umgehend ins Daiei und finde schnell, was ich suche: Den SHARP PW 9100. Es handelt sich dabei um eines jener elektronischen Kanjilexika, von denen jeder, der Japanologie studiert, eines haben sollte. Es passt in jede Jackentasche und ist definitiv leichter als der Hadamitzky oder der Nelson, die doch ein paar Kilo auf die Wage bringen.

Nachdem ich die Ankündigung damals erhalten hatte, hatte ich auf der Homepage von SHARP nachgesehen, was diese Dinger eigentlich kosten und fand dort Preise von mehr als 40.000 Yen vor. Das liegt völlig jenseits meiner „taktischen“ Möglichkeiten und ist deutlich mehr, als die 15.000 bis 20.000 Yen, die mir Ricci in Aussicht gestellt hatte. Jetzt stehe ich im Daiei und finde wieder einmal bestätigt, dass einmal selbst sehen besser ist, als auf 100 Leute zu hören. Die Seite von SHARP ist längst nicht mehr aktuell, und ich muss annehmen, dass die Werbeseiten für die einzelnen Geräte kurz nach der Veröffentlichung bereits nicht mehr aktualisiert werden, so dass überall nur der Preis steht, den das Lexikon bei seiner Erstveröffentlichung gekostet hat. Hier im Kaufhaus finde ich Preise bis 20.000 Yen. Und das ist bereits das Nachfolgemodell PW 9800. Da stecken mehr Wörterbücher drin als in dem älteren Modell. Es handelt sich allerdings um einen Angebotspreis. Ich beschließe, lieber noch einmal Rücksprache zu halten, weil 20.000 Yen ja die maximale Förderung von 5000 Yen überschreiten und wie das zu handhaben sei.

Prof. Fuhrt erklärt mir daraufhin, wie die Sache in der Praxis läuft: Man schreibt nicht etwa eine Liste, erhält Geld, kauft die Artikel auf der Wunschliste und legt dann die Quittungen vor. Nein, nein, man schreibt seine Wunschliste, reicht sie ein und das „Seikyo“ (das ist der in die Uni integrierte Laden für Studentenbedarf neben der Mensa) besorgt dann das Material zu dem günstigsten Preis, für den die Vertragspartner dieses Geschäftes es anbieten, wenn überhaupt. Zuzüglich der Gewinnspanne, die für das Unternehmen abfallen sollte. Den Angebotspreis kann ich also vergessen. Der PW 9100 kostet im Angebot derzeit 15.000 Yen, nach Ablauf der Angebotsfrist wieder 22.000. Das heißt, der Zuschuss von 5000 Yen würde nicht einmal den Mehrpreis ausgleichen. Prof. Fuhrt empfiehlt mir, dann lieber bei dem Angebot im Daiei zuzugreifen (und den Kanjitank ganz aus eigener Tasche zu zahlen) und für die 5000 Yen lieber ein paar Bücher besorgen zu lassen, die ich vielleicht schon eine Zeit lang im Auge habe. Ich denke auch darüber nach, einen Memorystick, den es im Seikyo zu kaufen gibt, auf die Liste zu schreiben, aber das Ding hat bei einem Preis von 4500 Yen nur eine Kapazität von 64 MB, und das ist mir zu wenig. Ich möchte schon 256 MB haben, aber die kosten in diesem Laden auch so um die 9000 Yen und mehr. Dann also Bücher. Ich habe eine laaaange Liste von Büchern, die mich interessieren, aber die meisten haben nichts mit meinem Studium zu tun. Ich gehe die Liste durch und entscheide mich für zwei Bücher. Zum einen „Krieg dem Terror – Krieg dem Islam?“ von Peter Scholl-Latour, ein dickes Buch mit Hardcover, das mir bisher ein wenig zu teuer war, und, um meinem Studienfach gerecht zu werden, eine Art Biografie (?) mit dem Titel „Herrscher im Reich der Aufgehenden Sonne“ von P. & S. Seagrave. Damit überschreite ich die 5000 Yen zwar ein wenig, aber das sollte verkraftbar sein. Ich bin auch gespannt, wie gut das laufen wird, wenn die Typen vom Seikyo mir diese Bücher in deutscher Sprache besorgen sollen.

Statt in die Bibliothek gehe ich dann ins Center, und wie es der Zufall will, sitzt Misi gerade am richtigen Rechner. Ich zeige ihm das Demo von „Combat Mission Afrika Korps“ und es gefällt ihm. Ich komme deshalb auf die Idee, mir von Karl eine Kopie des Spiels schicken zu lassen, um die „Gemeinde“ zu vergrößern. Ich würde damit die CM Gemeinde nach Ungarn ausweiten, nachdem bisher nur Karl, Mihel und meine Wenigkeit zu den mehr oder minder aktiven Spielern gehören. Andreas will ich mal ausklammern. J

Um 14:20 wollte ich eigentlich Yui treffen, wegen meiner Bankgeschäfte. Aber sie hat es offenbar vergessen. Und das wird auf theatralische Art und Weise deutlich. Um 14:18 stehe ich am Fenster zum Hauptplatz und sehe Yui mit (Kobayashi) Mio aus der Mensa kommen. Aha, dann wird sie ja gleich antanzen. Ja, von wegen, die beiden biegen vor der Tür nach links ab und verlassen die Bühne ruhigen Schrittes, ohne das Gebäude, in dem ich mich befinde, zu betreten. „Theatralisch“ ist das deshalb, weil ich mir vorkomme wie in einer Slapstick-Komödie.

Um unser Bratöl zu entsorgen, besorge ich alte Zeitungen aus einem Altpapierstapel. Sie sollen das Öl aufsaugen und anschließend im Brennbaren Müll landen. Ich nehme also einen Stapel Zeitungen mit – und vergesse ihn im Center, als ich um 17:30 in die Bibliothek wechsele. Ich verspüre wenig Motivation, jetzt noch mit einem Bericht anzufangen, also überprüfe ich nur noch mein Konto bei E-Bay, um zu sehen, was meine Verkäufe so machen, dann mein Bankkonto, um zu sehen, ob inzwischen noch mal jemand seine Ware bezahlt hat und letztendlich auch die beiden Foren, in denen ich neuerdings Mitglied bin: Animetric und Battlefront.com.

Ich merke allerdings, dass ich zu dem Combat Mission Forum auf Battlefront.com nicht viel beisteuern werde. Der größte Teil der Gespräche dort interessiert mich nicht genug, um auch was dazu beitragen zu wollen. Außerdem suche ich in erster Linie Leute, die gute After Action Reports schreiben, und ganz besonders lieb wäre es mir, wenn ich jemanden finden könnte, der einen Bericht über meine Karte „Gersheim“ schreiben könnte. Ich stelle eine entsprechende Anfrage ins das Forum und warte ab, was daraus wird.[1]
Animetric dagegen bietet mir als allgemeines Anime Forum mehr Interessenfelder und ich glaube, dass ich dort Stammgast bleiben werde.

Mir stürzt hier gerade zum ersten Mal ein „Windows 2000“ Rechner ab. Ich wundere mich. Das habe ich noch nicht erlebt. Ich wechsele vorsichtshalber den Rechner.

Auf dem Weg nach Hause „ergötze“ ich mich am Wetter. Es taut nicht einfach nur – nein, es regnet. Nicht stark, aber spürbar. Ganz toll ist das.


[1]   Rien.

20. Januar 2024

Dienstag, 20.01.2004 – Das Fett muss weg

Filed under: Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Wir kommen spät weg, weil ich getrödelt habe, ich gebe es zu. Melanie entschließt sich daher, mit dem Bus zu fahren. Um 08:20, im morgendlichen Berufs- und Schülerverkehr? Ich sehe das gar nicht ein, aber sie tut es trotzdem. Ich gehe lieber zu Fuß und habe daher freie Bahn, mich mit der mir eigenen Geschwindigkeit fortzubewegen. Also etwa doppelt so schnell als der übliche Spaziergang zur Uni. Ich habe noch 25 Minuten Zeit, aber ich brauche bestenfalls 15 Minuten bis zur Universität. Ich bin fünf Minuten vor Unterrichtsbeginn im Lehrsaal, Melanie kommt zu spät. Sie hat einen Bus später nehmen müssen, weil der, den sie nehmen wollte, zu dem fraglichen Zeitpunkt bereits weg war. Ällabätsch. Und selbst wenn sie zu dem Zeitpunkt in einen Bus Richtung Uni eingestiegen wäre, als wir uns an der Haltestelle getrennt haben, wäre sie bestenfalls gleichzeitig angekommen, weil der Verkehr etwa mit der Geschwindigkeit vorwärtsgekommen ist, mit der ich mich im Schnitt fortbewegt habe.

Der Tag läuft in geregelten, unspektakulären Bahnen, bis auf die Tatsache, dass ich die Eröffnung meiner Yahoo Adresse auch dem entsprechenden Personenkreis mitteile. Jin Yûtaka ist der erste, der mir schreibt. Er hat offenbar gerade nichts zu tun und gratuliert mir als erster zur neuen Adresse.

Aber der Abend beschert mir ein tolles Abendessen. Melanie hat ein Rezept gefunden, Kartoffelsalat in eine Scheibe Schinken zu wickeln und zu frittieren. Und das schmeckt ganz ausgezeichnet – auf jeden Fall für jemanden, der behauptet, nicht kochen zu können. Was wir jetzt allerdings mit dem Öl machen, das wir zum Frittieren verwendet haben, ist uns noch nicht ganz klar. Es wäre sicher besser gewesen, ein Öl zu benutzen, das bei Raumtemperatur gerinnt und sich als Block lagern oder wegwerfen lässt. Aber das Bratfett bleibt flüssig. Und man darf es nicht einfach den Abfluss runterspülen, sagt Melanie. Wir werden eine geeignete Lösung finden müssen.

19. Januar 2024

Montag, 19.01.2004 – Beschreibung lesen!

Filed under: Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Ich stehe um 08:30 auf, weil ich um 10:20 Yui treffen will, damit ich meine Miete für den Januar zahlen kann, die bereits seit drei Wochen überfällig ist. Bevor Yui im Center eintrifft, erkläre ich noch schnell Valérie, wie man den Scanner bedient. Sie will einen handschriftlichen (japanischen) Text als Bild ausdrucken. Ich halte es für einfacher, die etwa 400 Zeichen einfach abzuschreiben und sauber auszudrucken, aber sie meint, das sei nicht wichtig.

Yui trifft schließlich ein, gewissermaßen im Halbschlaf. Sie sei bis um 01:30 wach gewesen und um 06:00 wieder aufgestanden. Von daher ist sie auch ganz dankbar, dass ich nur an den Bankautomaten will. Außerdem muss sie ihre Referatsnotizen für einen Unterricht heute noch in Reinform bringen. Ich versuche, die Sache kurz zu machen und nutze die Gelegenheit, den Michinoku Bankautomaten auf dem Campus auf seine Eignung zu testen, meine Miete zu verarbeiten. Bitte warten… nee, is nich. Der Automat nimmt die Karte nicht an. Das heißt, ich kann meine Miete nur an dieser einen Bankfiliale einzahlen und muss dafür den Umweg über Nishihiro machen. Aber immerhin ist das nur einmal im Monat und ich muss mich selbst daran erinnern, dass ich vor einigen Wochen noch sehr froh war, dass sich die Bank in Nishihiro befindet, nur ein Stück abseits vom Nachhauseweg, und nicht weiter in Richtung Stadtmitte. Für den Moment bittet Yui mich jedoch, die Miete auf Mittwoch zu verschieben, wenn das möglich sei. Ja, auf die paar Stunden kommt es dann auch nicht an, und Mei war mit ihrer Miete auch schon zwei Monate im Verzug, ohne dass Ikeda deswegen den Zeigefinger erhoben hätte.

Danach gehe ich ins Center zurück und prüfe meine Post. Ein unzufriedenes E-Bay Mitglied, dem ich was verkauft habe, beschwert sich über Transportschäden und dass es sich nicht um Neuware handele. Als ob ich je behauptet hätte, Neuware zu verkaufen. Es funktioniert offenbar… wenn ich schreibe vor kurzem erst in Japan gekauft!, dann heißt das nicht, dass die Ware neu ist – gebrauchte Sachen muss man auch kaufen, die gibt es nicht umsonst. Aber offenbar löst die Formulierung beim Kunden gewisse, wünschenswerte Vorstellungen hervor. An den Transportschäden bin ich allerdings mehr oder weniger Schuld, weil ich vergessen habe, das Buch in eine Papphülle zu packen. Ich nehme das Buch kurzerhand zurück, erstatte den Kaufpreis und lasse es nach Gersheim schicken. Das läuft mir nicht weg.[1]


[1] Das Buch, Evangelion Storyboard Zeichnungen Band 4, wurde mangels Nachfrage aber nie verkauft und landete drei Jahre später im Müll.

18. Januar 2024

Sonntag, 18.01.2004 – Geburtstagsfeier

Filed under: Dawning Universe,Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Die Bibliothek ist heute wieder voll zugänglich und ich kann wieder einen Bericht schreiben, über den 24. Dezember. Es ist dann zwar noch Zeit übrig, aber nicht genug, um den Bericht zum 25. Dezember noch fertig zu bekommen, also wird der vertagt. Ich arbeite stattdessen nach langer Zeit wieder an „Code Alpha, meinem ureigenen Werk, das ich so lange vernachlässigt habe. Aber die lange Zeit war notwendig, um zu erkennen, dass ich eine Menge Mist geschrieben habe, damals, in den wilden und motivationsreichen Tagen des Jahres 1997. Vor allem die Dialoge sind von einem derart feierlichen Ernst, dass es mir heute Brechreiz verursacht. Ich beginne also, sämtliche Dialoge zu überarbeiten. Das muss natürlicher klingen und nicht nach einer Telenovela. Über weitere Kürzungen und Zusätze kann ich nachdenken, nachdem ich mit diesen pathetischen und gestelzten Gesprächen fertig bin.

BiRei liest währenddessen immer noch an ihrem Schnulzenroman – und schläft dabei ein. Und ich habe keinen Fotoapparat… sehr schade. Was muss ich auch so vergesslich sein! Mei sehe ich kurz beim Verlassen des Hauses um kurz vor fünf.

Nach dem Essen gehen wir zu Misi, wo Paula ihren 25. Geburtstag feiert. Wir sehen wieder 16 Gäste aus 11 Nationen, und SangSu ist und bleibt die größte Spaßquelle. Ich lerne auch Gabriel kennen, der wie Paula aus Chile stammt. Allerdings ist er angehender Musiklehrer und sie Biochemikerin. Urrgh. Sie sollte sich mit Oliver Riffmaster Müller unterhalten, der würde wohl verstehen, von was sie redet. Ich kann ihren Erklärungen nicht sehr gut folgen. Zumal ich wenig Ahnung von dem englischen Vokabular dieser Fachrichtung habe, ihr Englisch nicht das Beste und mein Spanisch nicht vorhanden ist. Paulas Motivation, ausgerechnet in Japan zu studieren, kann ich nicht recht nachvollziehen. Mehr als der Partnerschaftsvertrag ihrer Uni mit der in Hirosaki scheint nicht dahinter zu stecken. Am meisten stört mich in diesem Moment der Raum voller Stimmen, der es notwendig macht, den Lautstärkepegel durch lautes Sprechen noch weiter zu heben. Gabriel hat sich für seine Abschlussarbeit als Thema die japanische Musikpädagogik ausgesucht. Er sei fasziniert davon, wie hoch die musikalische Bildung des durchschnittlichen Japaners ist.

Um 00:30 brechen wir auf, bevor uns SangSu an Ort und Stelle einschläft. Immerhin scheint er zu müde, um sich weiter mit Alkohol zu füllen. Aber er ist bereits in einer sehr lustigen Stimmung, wenn auch nicht ganz so extrem wie das letzte Mal, als wir ihn auf dem Weg nach Hause fast tragen mussten. Uns kommt dabei zu Gute, dass Michiko ebenfalls nach Hause möchte und ein Taxi gerufen hat. Sie hat mehr als zwanzig Minuten zu fahren bei den hier üblichen Geschwindigkeiten, bis sie zuhause ist, und die Fahrt führt quasi direkt an unserer Haustür vorbei. Mir gefällt weder die Idee, mit einem Taxi zu fahren, noch ihr die gesamten Kosten zu überlassen. Aber mit einem munter drauflos schwatzenden SangSu im Gepäck erscheint mir ihr Angebot annehmbar. Der Fahrer hat sich bestimmt gefragt, was für seltsame Gestalten er da in seinen Wagen gelassen hat. Wir liefern SangSu vor seiner Tür ab und er ist durchaus in der Lage, selbst für alles weitere zu sorgen, aber er hat offenbar das starke Bedürfnis, sich militärisch zu verabschieden, als ob ich gerade seine Bude inspiziert und als Saustall bezeichnet hätte. Jetzt fragen sich auch die Nachbarn im Haus, was für Gestalten da unterwegs sein könnten (die Antwort wird ihnen nicht schwerfallen).

Wir wollen ins Bett und heizen zuvor den Schlafraum ein wenig mit, indem wir die Verbindungstür aufmachen und den Ofen heizen lassen. Statt wärmer wird es aber kühler, und nach 15 min stellen wir fest, dass Melanie die Balkontür offengelassen hat, als wir weggegangen sind. Dann kann der Ofen ja lange brennen, bis es warm wird. Bis zum Sommer mindestens, möchte ich annehmen.

17. Januar 2024

Samstag, 17.01.2004 – Spaziergang

Filed under: Japan,Musik,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Strahlend blauer Himmel und frühlingshafte Temperaturen – was bedeutet das? Ich erlebe gerade die siebte Schneeschmelze seit Dezember letzten Jahres. Das Tropfwasser von den Dächern kann man schon in Litern pro Minute messen, der Schnee auf dem Bürgersteig ist so aufgeweicht, dass man nur noch an schattigen Stellen in Gefahr läuft, auszurutschen, und auf der Fahrbahn ist bestenfalls noch Schneematsch zu finden. Winter in Hirosaki kommt mir vor wie mancher April in Deutschland. Aber darüber habe ich mich ja bereits ausgelassen. Und mein Ölhändler hat mir bereits mitgeteilt, dass der schneereichste Monat immer noch der Februar sei. Danach gehe es beständig bergauf. Im Februar, soso… also genau dann, wenn Ricci und Ronald hier antanzen wollen. Ich glaube, aus Melanies „Kultour-Planungen“ wird nicht viel, wenn das eintritt, was man mir erzählt. Andererseits ist von all dem anderen Zeug, das man mir erzählt hat, auch nicht viel eingetreten.

Ich würde liebend gerne etwas brauchbares über die heutige SailorMoon Episode sagen, aber leider gibt es nicht viel darüber zu sagen. Es handelt sich um eine Leerlaufepisode ohne viel Handlung, und die bedeutendste Handlung dürfte sein, dass Minako bis auf weiteres die Stadt verlässt und meint: „Die schaffen das schon“. Wirklich, da war nicht mehr, was ich für erwähnenswert halten würde. Auf Genvid.com kann man Zusammenfassungen in englischer Sprache lesen, wenn man das möchte.

In der Bibliothek werden heute die Computer gewartet und sind dem Publikumsverkehr nicht zugänglich, also keine Berichte heute. Stattdessen immer noch „Oberschülerausstellung“ in der Mensa. Die Kôkôsei bevölkern noch immer zu Hunderten den Campus, die Mensa wurde mit einem „Welcome“ Schild verziert. Ich mache zwei Fotos von der Masse. Und eigentlich könnte ich bei der Gelegenheit auch was essen. Angeblich sind die Ramen hier nicht schlecht. Und wo ich schon mal da bin, könnte ich auch mal damit anfangen, die Vokabeln für die Abschlussklausur zu lernen.
Der Organisationsgrad in der Mensa ist mal wieder ein klassischer Fall japanischer Ordnung. Auf den Tischen stehen Pappschilder mit den Namen der Schulen. Als ob es zu Schlägereien kommen würde, wenn Leute von verschiedenen Schulen am selben Tisch sitzen. Dabei setzen sich Leute, die sich kennen, ganz automatisch zusammen, auch ohne Hinweisschild, und eine Masse von identischen Uniformen wirkt doch geradezu magnetisch auf andere, die die gleiche tragen. Zumindest denke ich das.
Ich esse meine (recht gute) Nudelsuppe und überprüfe Einträge in meinem Notizbuch auf ihre Aktualität. Und zuletzt bediene ich mich noch großzügig aus einer Obstkiste, die offenbar zur freien Verfügung auf einem der Tische rumsteht.

Ich bewege mich wieder in Richtung Heimat, aber am „Circle K“ fasse ich den Plan, in Richtung Westen weiterzugehen (also „nach links abzubiegen“), um den nächsten Daily Yamazaki Konbini aufzusuchen. Das Wetter ist gut und ich bin in Laune für einen Spaziergang. In Tokyo gab es im Daily Yamazaki kleine Modelle von deutschen Panzern aus dem Zweiten Weltkrieg zu kaufen, also warum nicht auch hier?

Der gesuchte 24h-Markt liegt dann aber doch weiter weg, als ich dachte, und das gesuchte Spielzeug finde ich auch nicht. Na hurra. Jetzt kann ich auch noch die letzten 500 m bis zum Book Off gehen. Dort kaufe ich dann zwei weitere Storyboard Bücher von „Shin Seiki Evangelion“, Band 4 und 5, die jeweils einige Episoden aus der TV Serie abdecken. Band 5 beinhaltet die letzten vier oder fünf Episoden. Die Bücher kosten jeweils etwa 7,50 E. Das erste davon, mit Bleistiftskizzen der Filme, habe ich für 40 E verkauft. Warum sollte ich also die hier nicht für 20 E oder mehr loswerden? Außerdem lachen mich ein paar CDs an. Ich kaufe „Punch the Monkey“, eine Sammlung von Remixes des „Lupin III.“ Soundtracks[1], den Utena OST „Virtual Star Hasseigaku“ („Hasseigaku“ bedeutet „Embryologie“ und ich habe keine Ahnung, was ich aus dem Titel machen soll), die Alben „Irâvatî“ und „Enfleurage“ von Hayashibara Megumi, und Beethovens Achte – dirigiert von Karajan, gespielt von den Berliner Philharmonikern, aufgenommen in Deutschland, und der Japanexport aus der „Berliner Grammophon“ Reihe „Karajan Gold“. Billiger als für 7 E kriege ich die in diesem Zustand auch in Deutschland nicht.

In diesem Zusammenhang fällt mir eine weitere Klassiksammlung auf: Bachs gesammelte Werke, Teil 1 bis 6. Es handelt sich dabei um sechs Kartons jeweils von der Größe eines großen Wörterbuchs, u.a. deutsch beschriftet (wie könnte es anders sein), um die Namen der einzelnen Stücke anzugeben. Jedes Paket kostet 3000 Yen, also etwa 22 E, und von der Größe ausgehend, nehme ich an, dass da mehr drin ist, als einfach nur eine CD mit einem Booklet mit Erläuterungen. Ich interessiere mich allerdings zu wenig für Bach, um sechsmal 22 E dafür zahlen zu wollen. Mit Beethoven oder Wagner wäre das was anderes, aber auch der Blick in meinen Geldbeutel sagt mir, dass ab sofort bis zur nächsten Geldvergabe am 23. Januar Ausgabesperre zu herrschen hat. Der Ausflug nach Tokyo hat das existierende Polster völlig aufgezehrt.

Es stellt sich dann auch heraus, dass auch diese CDs keine Fehlkäufe waren. Vor allem der Utena Soundtrack ist, dank der Stimme von Kamiya Maki, der Überflieger der letzten Wochen. Die Lieder können Dauerschleife laufen und dabei austesten, was die teuren Panasonic Akkus so herhalten: Man kann damit sechs Stunden Musik abspielen, bevor ihnen der Saft ausgeht. Das finde ich sehr positiv.


[1] Der Autor des „Lupin“ Manga nennt sich „Monkey Punch“.

16. Januar 2024

Freitag, 16.01.2004 – Prüfungstag

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Heute finden an der Universität breitangelegte Prüfungen statt, mit denen ich aber nicht viel zu tun habe. Es handelt sich um die Eingangsprüfungen der Hirosaki Daigaku. Das bedeutet, dass Hunderte von Oberschülern herkommen, um sich auf ihre „HiroDai Eignung“ prüfen zu lassen, und die Prüfungen dauern ein paar Tage, wie mir scheint. Das ganze Wochenende? Ich gehe also nur zur Universität, um meine Berichte zu schreiben. Immerhin erreiche ich heute die Marke vom 23.12., das Gros des Besuchs in Tokyo steht noch bevor.

Um 17:20 sehe ich BiRei an einem der Arbeitsplätze ohne Computer und schaue mal vorbei. Sie liest einen vom Umschlag her sehr schmalzig anmutenden Liebesroman. Meine Güte, warum liest sie das? Weil ihr schmalzige Liebesgeschichten gefallen, sagt sie. Na denn.

Um 17:40 wollte ich eigentlich nach Hause gehen, aber wie so oft stolpere ich kurz davor im Internet über diverse Artikel, deren Auffinden ich, äh, gewissermaßen provoziert habe. Es handelt sich um Abhandlungen über Taktiken für das Spiel „Combat Mission“. Die müssen also erst einmal gespeichert werden. Und weil ich in der „Gegend“ bin, erzählt mir die Hauptseite von Battlefront.com gleich auch das allerbeste vom Tage: Von „Combat Mission“ gibt es inzwischen einen dritten Teil, „Combat Mission Afrika Corps“ (kurz CMAK).
Der erste Teil („Beyond Overlord“) deckte die Kampagnen im Westen vom Tag der Landung in der Normandie im Juni 1944 bis zu Kapitulation im Mai 1945 ab, der zweite Teil („From Barbarossa to Berlin“) behandelte die Ostfront im Zeitraum vom Einmarsch in die Sowjetunion bis ebenfalls zum Zusammenbruch im Mai 1945, während der dritte Teil sowohl die Kämpfe in Nordafrika von Tripolis bis nach El Alamein und zurück nach Tunis, als auch die gewagte und blutige deutsche Landung auf Kreta und die Schlachten nach der alliierten Invasion Italiens bis zur „Gotenlinie“ zum Thema hat.
Uh ja, das muss ich haben. Aber der Preis liegt derzeit bei 35 Dollar, und bei E-Bay wird das Spiel für 25 E und mehr gehandelt. Nee, nee. Ich habe Zeit. Bis ich in der Lage bin, mir das Spiel kaufen zu können, wird der Preis wohl deutlich unter 20 E gefallen sein. „Beyond Overlord“ wird inzwischen auch schon für 5 E gehandelt, etwa zwei oder drei Jahre nach seinem Erscheinen.

Jedenfalls halte ich mich mit derlei Dingen bis 19:00 auf. Melanie nimmt mir „Doraemon auf, für Atashi’n’chi bin ich früh genug zuhause. Entgegen unserem eigentlichen Plan sehen wir uns um acht Uhr nicht Oku-sama wa Mahôjin an. Es handelt sich dabei um die japanische Version von „Bewitched in New York, wo sich ein Geschäftsmann plötzlich mit einer sympathischen Hexe als Ehefrau und einer widerspenstigen Schwiegermutter aus demselben Metier gesegnet sieht. Der Untertitel lautet auch schon Bewitched in Tokyo. Also, das Konzept ist seit Bezaubernde Jeannie ja schon nicht mehr originell, spätestens. Wir entscheiden uns für Kaze no Tani no Nausicaä. Es sollte schwer sein, diese Wahl zu bereuen, da Studio Ghibli immer ein Garant für gehaltvolle Unterhaltung ist. Wir verpassen dann eben die ersten 20 min von „Skyhigh 2.

Wir haben für Skyhigh bereits vor Wochen Werbung gesehen, und wir gingen damals davon aus, dass es sich um einen Film handele. Aber wir haben nach der Werbung nie wieder was davon gehört, und auch eine gründliche Untersuchung der TV-Zeitschrift lieferte keine Beweise, dass er jemals ausgestrahlt worden war. Die Werbung zeigte ein dunkles Steintor in einer finsteren Umgebung, Schwertkämpfe und versprach Spannung. Aber die Sendung blieb unauffindbar. Jetzt haben wir ab heute also Skyhigh 2. Es handelt sich hierbei um eine Serie. Trotz einiger Verständnisschwierigkeiten ist es relativ einfach, der Handlung zu folgen. Man bemerkt die Manga-Grundlage. Zunächst einmal ist da Izuko. Sie ist die Wächterin des Tores zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Toten. Und wie es scheint, geht es um Seelen, die entweder noch was zu tun haben, oder aus einem anderen Grund hier vor dem Tor eine Entscheidung treffen müssen. (Die Seite Jdorama.com wird mir später verraten, dass es sich um das Tor des Hasses handelt, wo alle Leute Zwischenstation machen, die auf nicht natürliche Art und Weise umgekommen sind und nun Gelegenheit erhalten, es dem Schuldigen heimzuzahlen.)

Heute stehen vier Personen vor dem Tor. Ein alter Mann, eine Art Gangster, und zwei kleine Mädchen im Vorschulalter. Alle haben gemeinsam, dass sie bei einem Busunglück ums Leben gekommen sind. Natürlich wissen die Leute erst einmal nicht, dass sie tot sind. Daraufhin legt ihnen Izuko die Umstände ihres Todes dar und warum sie hier sind. Es stellt sich heraus, dass der Busfahrer alkoholisiert war und wegen dieser Sache auch nicht viel Reue zeigt. Der alte Mann ist bereits Witwer, der Gangster lässt auch niemanden zurück, an dem ihm viel liegt, aber die Eltern der beiden Mädchen sind – gelinde gesagt – entsetzt und befinden sich in einem entsprechend verzweifelten Zustand. Der Vater versucht sogar, den Busfahrer zu töten, schafft es aber nicht.

Während die beiden Mädchen vor dem Tor mit Wachsstiften munter vor sich hin malen, stellt Izuko die beiden Männer vor die Auswahlmöglichkeiten, die sich ihnen bieten:
Erstens können sie einfach beschließen, die Sache auf sich beruhen zu lassen und in den Himmel gehen. Das bedeutet in dem hier gegebenen Kontext, dass sie sich auf die Wiedergeburt vorbereiten können.
Zweitens können sie als Geister bis in alle Ewigkeit auf der Erde wandeln.
Drittens können sie sich für „Noroi Korosu“ entscheiden. „Noroi“ ist ein Wort, dass man in der Horrorabteilung von Videotheken hier häufig findet. Es heißt wohl „verflucht“. „Korosu“ heißt „töten“. Im Klartext bedeutet es, dass die Geister der Toten die Möglichkeit bekommen, die Person zu töten, die für ihren Tod verantwortlich ist – das wäre im heutigen Fall der Busfahrer. Diese Option führt allerdings unweigerlich in die Hölle. Deswegen „noroi“.
Jetzt mag man darüber streiten, warum der Lebenswandel offenbar unwesentlich für Himmel oder Hölle ist – der Gangster war bestimmt kein „ehrbarer Bürger“ im Sinne einer vertretbaren Ethik und Moral. Es kommt anscheinend nur darauf an, wie man sich hier vor dem Tor entscheidet. Ob dann alle, die auf natürliche Art und Weise sterben, unweigerlich in den Himmel kommen, wird nicht gesagt, oder zumindest hätte ich es nicht verstanden.

Der Gangster entscheidet sich dazu, in einem wenig überzeugenden Weihnachtsmannkostüm während einer Art Vorführung in dem Kindergarten der beiden Mädchen zu erscheinen und den Eltern und Kindern die Bilder zu bringen, die die beiden Mädchen vor dem Tor gemalt haben. Es scheint übrigens so, dass dieser Kindergarten eine Art Schnittstelle ist. Jeder, der von dem Tor kommt, um die Umstände nach seinem Ableben zu untersuchen, taucht, unsichtbar, in diesem Kindergarten auf. Nur einer der Jungen dort kann die Personen sehen (der junge Schauspieler ist derjenige, der zuletzt Daigorô, den Sohn des Ronin Ogami gespielt hat), und ich frage mich, wie lange es noch dauert, bis man ihn in eine Klapsmühle einliefert, weil er dauernd Leute sieht, die offenbar nicht da sind.

Der alte Mann währenddessen erscheint in der Zelle, wo der Busfahrer seine Untersuchungshaft verbringt, und verteilt ihn an der Wand. Der Gangster steigt mit den beiden Mädchen an der Hand die Treppe zum Himmel hoch. Der alte Mann erscheint nicht mehr, man kann also nur stark vermuten, dass er die Treppe in die andere Richtung nehmen muss. Was umso trauriger ist, weil er sich, wie ich später lese, eigentlich auf ein Wiedersehen mit seiner Frau gefreut hat, die im Himmel auf ihn wartet.

Das ist auch etwas, was ich mir weiter ansehen werde. Die Geschichten sind interessant und spannend, und außerdem sieht Shaku Yumiko (Izuko) gut aus, ihre Ausstrahlung allgemein scheint mir wie gemacht für diese Rolle. Ich würde sie sofort für die Rolle der SailorPluto vorschlagen. Die melancholische Aura kann sie gut rüberbringen.

15. Januar 2024

Donnerstag, 15.01.2004 – Neue Serien

Filed under: Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Am Morgen schneit es noch immer. Meine Spuren auf dem Balkon von gestern Nacht wurden beschönigt.

Ich werfe einen Blick in die TV-Zeitschrift. Heute ist Donnerstag = Serientag. Um 21:00 bringt ABA die Realverfilmung des Manga- und Animeklassikers „Ace o nerae!“, was neues Futter für Animesuki.com bedeuten könnte. Ich nehme an, dass man den alten Klassiker ausgegraben hat, nachdem sich „Prince of Tennis“ als so verkaufsstark herausgestellt hat. Der Unterschied zwischen den beiden Serien ist der, dass „Ace o nerae“ eine weibliche Hauptrolle hat und nicht so überzogen mit ausgefeilten Techniken und Spieltaktiken arbeitet.
Danach läuft etwas mit dem Namen „Dollhouse“. Wie es scheint, geht es um eine Gruppe von Tänzerinnen, die in der Unterwelt aufräumen. Aha. Dann bin ich mal gespannt. Probieren kann nicht schaden. Dann habe ich ja Programm von 19:00 bis 23:00. Mal sehen, was am Ende davon übrig bleibt.

Einige Stunden später: „Ace o nerae!“ werde ich mir weiter ansehen, trotz der Schwächen, die die Serie bietet. Dass man sofort erkennt, dass es sich um eine Manga-/Animeadaptation handelt, muss kein Nachteil sein. Manche Kameraeinstellungen sind von einer Art, wie man sie, im übertragenden Sinne, eigentlich nur in Manga findet. Ich kann leider nicht genauer ausführen, wie ich das meine. Was aber so richtig dämlich aussieht, ist die Tatsache, dass die Tennisbälle mit dem Computer animiert wurden. Aber vielleicht ist das auch besser so. Manche Darstellerinnen machen den Eindruck, als hätten sie nie zuvor einen Tennisschläger in der Hand gehabt. Die Hauptfigur, Oka Hiromi, wälzt sich so oft auf dem Boden (vor Erschöpfung oder weil sie stürzt), dass der Anblick zur Gewohnheit wird und schon beinahe erotisch wirkt. Zuletzt interessiere ich mich nicht die Bohne für Tennis.
Aber… der Satz an Darstellerinnen sieht generell gut aus. Allein das wäre schon ein Grund für mich. Aber ich habe auch ein echtes Interesse daran, zu erfahren, wie die Geschichte weitergeht… wir erleben hier die Tennisversion von „Attack No.1“ („Mila Superstar“), und mich interessiert, wie Hiromi binnen der paar Episoden (deren Handlung innerhalb der Sendezeit, also von Winter bis Frühjahr 2004, spielt), vom Underdog zum Tennis-As wird.

File:Acetennis.jpg

Auch „Doll House“ kann man sich bedenkenlos ansehen, auch wenn die Damen nicht ganz so cool wirken, wie sie das vielleicht sollen. Ich glaube, die Gratwanderung zwischen „niedlich“ und „cool“ ist hier ein wenig in die Hose gegangen. Aber es scheint ganz interessant zu werden. Die männlichen Rollen sind betont schwach gehalten, um die Damen in einem noch überlegeneren Licht darstellen zu können. Und natürlich haben die drei Polizisten, die allesamt das Lokal frequentieren, in dem die Truppe tanzt, keine Ahnung, dass sie auf der Bühne das weibliche Gegenstück zum A-Team bewundern – abgesehen von der Tatsache, dass die Damen keine sich fast von allein verteidigenden Festungen aus allerlei Müll zusammenbasteln, wie es die Crew von Hannibal für gewöhnlich vorexerziert. Es scheint, dass die Gruppe komplett aus straffälligen Mädchen besteht („Mädchen“ ist das falsche Wort, die sind alle über 21), deren Energien von Reika, dem Kopf der Truppe, in „sinnvollere“ Bahnen gelenkt werden.

File:Dollhouse.jpg

14. Januar 2024

Mittwoch, 14.01.2004 – Balkonkommando

Filed under: Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Es schneit, mit Sturmböen. Aber es ist sonst nicht viel los. Ogasawara-sensei lässt uns Neujahrserlebnisse austauschen, und Vesterhoven behandelt Ôe Kanzaburô – da kann ich immerhin ein bisschen fundiert mitreden. Um 14:20 treffe ich Mei in der Halle, weil ja Mittwoch ist. Danach gehe ich in die Bibliothek, schreibe einen Bericht und stelle drei Artikel bei E-Bay ein.

Am Abend schneit es immer noch. 10 cm luftiger Pulverschnee sind im Verlauf des Tages dazugekommen. Eigentlich will ich richtig früh ins Bett, aber der CMBO After Action Report Might makes Right schlägt mich in seinen Bann. Immerhin bin ich um 22:00 damit fertig und kann mich hinlegen. Aber dann: Melanie hat Kopfschmerzen. Sie sagt „da draußen“ sei ein Geräusch, das ihren Ohren Schmerzen bereite. Ich horche in die Stille und höre die Schiebetüren leise gegeneinander schlagen, wenn ein Windstoß stark genug an die Außenscheibe prallt. Nein, das sei es nicht. Ich horche weiter. Schließlich höre ich ein kaum wahrnehmbares Geräusch, wie ein Klopfen, und es hört sich an, als würden kleine Eiszapfen in den Schnee vor dem Fenster fallen. Ich muss mich arg konzentrieren, um das Geräusch wahrnehmen zu können. Ob ich es bitte abstellen könne. Ich habe noch keine Ahnung, wie, aber ich ziehe mich wieder an, stelle mich in die 40 cm Schnee auf dem Balkon und schlage mit der Stahlbürste alle Eiszapfen ab. Das stellt sie zufrieden. Denn gute Nacht.

13. Januar 2024

Dienstag, 13.01.2004 – Rien ne va plus?

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Für heute ist Regen gemeldet, mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 %. Stattdessen scheint am Morgen die Sonne. Wir gehen zum Unterricht. Aber der Gong verhallt scheinbar ungehört. Außer Melanie und mir befinden sich im Raum nur drei Chinesen, das sind der Programmierer und zwei der drei verwirrten Doktoren. Na gut, Chen, der dritte Doktor, ist weniger verwirrt. Aber abwesend. Das heißt, dass etwa zehn Leute fehlen. Zu allem Überfluss fehlt uns aber auch der Lehrer. Ich gehe ins Center und frage Kubota-sensei. Er sagt, er habe Yamazaki-sensei heute morgen schon beim Kopieren gesehen. Wir warten noch bis um 09:00, die Chinesen sind bereits vor zehn Minuten gegangen. Ich gehe noch einmal ins Center und frage, wo Yamazaki-sensei sein Büro habe. Der habe keines, heißt es. Außerdem sei heute Unterricht wie an Montagen angesetzt. Aha. Das hätte er mir ruhig schon vor 15 Minuten sagen können… ist mir völlig entfallen.

Dann habe ich also erst um 1240 Unterricht und noch Zeit für dies und das. Unter anderem kann ich meine Post vom letzten Wochenende bearbeiten. Meinen Plan, meine Fotos vom Dezember an Karl zu mailen, gebe ich mangels Motivation angesichts der Bilderzahl auf. Ich muss wegen der Begrenzung der Mailgröße jedes Bild einzeln verschicken, und das ist mir einfach zu zeitraubend. Ich werde mich in dieser Hinsicht einfach auf die CD verlassen, die ich selbst hier bereits gebrannt habe. Ich schreibe Karl eine entsprechende Nachricht und will erst wieder Bilder schicken, die im Januar gemacht wurden. Falls es davon überhaupt welche geben wird – Ronald hat mir mein Kabel noch nicht geschickt. Die Plastikschüssel, die ich ebenfalls habe liegen lassen, hat eh nur 100 Yen gekostet, die kann er ruhig behalten, aber ich brauche mein Kabel, sonst kann ich keine Fotos machen. Ich musste schon hinnehmen, dass ich keine Fotos von dem Neujahrsessen bei Familie Jin machen konnte… wer weiß, was ich sonst noch verpasse.

Ich gehe zum Unterricht. Und da sitzen Melanie, Sushanan, Yong, eine Koreanerin, deren Namen ich mir noch nicht gemerkt habe, und meine Wenigkeit. Da fehlen immer noch einige Leute. Und vor allem: Wo sind die Chinesen abgeblieben? Wir warten. Nicht auf die Chinesen, sondern auf den Lehrer. Der erscheint nämlich ebenfalls nicht. Nach zehn Minuten gehe ich wieder einmal ins Center, um zu fragen, was denn heute hier eigentlich laufe. Saitô-san ist da. Ich versuche ihr klar zu machen, was ich will. Und ich bin noch nicht fertig mit meinem unstrukturierten Redefluss, als Yong mich von der Tür her ruft. Ist Yamazaki-sensei aufgetaucht? Ich lasse Saitô-san stehen, die mich jetzt wahrscheinlich für endgültig bekloppt hält, bei dem seltsamen Zeug, das ich da von mir gegeben habe. Ich bedanke mich für ihre Zeit und gehe nach draußen zu Yong. Sie zeigt mir einen Anschlag am Schwarzen Brett, in DIN A3 Format, auf dem groß zu lesen ist, dass der A3 Unterricht heute komplett ausfalle. Die Hauptinformation ist sogar mit einem Filzstift markiert worden. Peinlich, peinlich. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

Dann habe ich ja heute richtig viel Zeit. Ich gehe in die Bibliothek, schreibe drei Berichte und starte meine beiden japanischen Mailadressen, „otokorashii42317“ bei Yahoo und „kurosamurai“ bei Hotmail. Letztere Adresse wurde mir freundlicherweise von Hiroyuki eingerichtet, der hier eine angenehme Eigeninitiative an den Tag legte, obwohl sie nicht notwendig gewesen wäre. Ich habe in einem meiner letzten Berichte erwähnt, dass ich eine japanische Adresse brauchte und er hat auf diese Art und Weise reagiert. Leider ein paar Stunden zu spät, da ich bis dahin bereits die Yahoo Adresse gestartet hatte. Aber was soll’s… dann hat er seine höchstpersönliche Kontaktadresse zu mir. Nebenbei schaffe ich es auch, alle Mails zu schreiben, in denen ich irgendwelche Fragen beantwortet haben wollte, die mir in den letzten Wochen so eingefallen sind. Bis jetzt musste ich das immer wieder verschieben.

Um etwa 19:30 gehe ich nach Hause. Nieselregen. Und der geht nach 20 Minuten in Schnee über. Immerhin war dann die Wettervorhersage nicht falsch – es hat bestimmt 30 Minuten lang geregnet heute, bevor es zu schneien begonnen hat.

Eigentlich wollte ich unseren Kerosinvorrat wieder auffüllen, aber es scheint, dass der Laden um 19:00 zu macht, also bin ich zu spät dran und muss es morgen wieder versuchen. Ich kaufe daher nur einen neuen Sack Reis und ansonsten Getränke und Nori im BenyMart. Ich will nicht viel essen heute Abend, also mache ich nur ein Go Reis für mich alleine, Melanie hält sich an die Instant Ramen. Um 22:00 beschließe ich, dass ich allmählich ins Bett gehen könnte, aber vorerst hindern mich daran das Geschirr und dieser Eintrag. Im Normalfall dauern diese Tätigkeiten am Ende des Tages etwa eine Stunde, aber ich will auch den Brief noch lesen, den meine Mutter mir geschrieben hat. Beantworten kann ich ihn ja später.

12. Januar 2024

Montag, 12.01.2004 – Invasionsvorbereitungen

Filed under: Japan,Manga/Anime,My Life — 42317 @ 7:00

Heute lacht die Sonne wieder, und damit beginnt die sechste Schneeschmelze des laufenden Winters. Wegen der Schneefälle in letzter Zeit gibt es auch einiges zu schippen, und die Leute kippen den geräumten Schnee für gewöhnlich in die kleinen Bäche, die sich offen durch das gesamte Stadtgebiet ziehen. Anderswo hätte man diese Bäche wohl zubetoniert und unterirdisch laufen lassen, aber nicht hier im Norden. Die Einschnitte finden im Winter ihren wahren Verwendungszweck als Schneeendlager. Zum Teil sind die Vertiefungen gar nicht mehr zu erkennen. Im Gegenteil: Wo sich vor kurzem noch der Bach entlang schlängelte, und das etwa einen Meter unterhalb der Straße, befindet sich jetzt eine Hügelkette aus Schnee, etwa zwei Meter hoch.

Am Abend wird ein so genanntes „Special“ der Serie Mujin Wakusei Survive gesendet („Überleben auf einem unbewohnten Planeten“), was ich mir aufnehmen lasse. Als ich aber endlich nach Hause komme und das Band laufen lasse, stelle ich fest, dass es sich dabei um einen dieser unnötigen Rückblicke, eine Zusammenfassung der vergangenen Episoden, also lediglich um „Szenenrecycling“, handelt. Ich habe das bisherige Geschehen noch ganz gut im Kopf, also wäre es reine Zeitverschwendung, mir das anzusehen. Abgehakt. Aber zu meiner großen Freude wird die Animeserie Montana in den kommenden Wochen wiederholt. Natsukashii! Der volle Titel der Serie lautet übrigens Bôken Kôkû Gaisha Montana, übersetzt etwa Abenteuerfluggesellschaft Montana. Wobei „Montana“ der Vorname des Protagonisten ist. Ein Abenteurer mit Hut und Lederjacke. Und sein Vetter heißt Henry. Ein Archäologe mit Hut und Lederjacke. Und „Jones“ ist ihr Familienname.

… bei genauerer Überlegung und unter Zuhilfenahme meines bisherigen Tagebuchs fällt mir ein, dass ich im vergangenen Oktober bereits davon berichtet habe, dass „Montana“ hier im Fernsehen läuft.

Melanie kauft im Sunday Home Center eine weitere Pfanne. Erstens brauchen wir eine (je nachdem, was wir essen wollen) und zweitens sind die Dinger gerade im Angebot, für etwa die Hälfte des Originalpreises. Und wir brauchen die Pfanne auch aus dem gleichen Grund, aus dem wir auch die ausklappbare Matratze kaufen, die ebenfalls dieser Tage im Preis reduziert sind: Wir werden demnächst Besuch bekommen, und es soll ja niemand auf den Reisstrohmatten schlafen müssen.

Der Rest des Tages vergeht mit Hausaufgaben.

11. Januar 2024

Sonntag, 11.01.2004 – SMAPurai

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Wegen der in den letzten beiden Tagen rapide gesunkenen Temperaturen (nachts, heißt das) säuft unser Ofen mehr Öl als gewöhnlich. Die Tagestemperaturen sind in Ordnung, aber nachts kühlt es sehr ab und der Ofen braucht eine Zeitlang, bis er das Zimmer auf Temperatur gebracht hat. Er läuft zwei Stunden lang in Dauerschleife. Sobald er sich bei 24 Grad wieder ausschaltet, sinkt die Temperatur, und der Ventilator, der die warme Luft aus dem Ofen pustet, ist noch nicht ausgelaufen, bis die Temperatur wieder auf die untere Grenze von 21 Grad gesunken ist, und die Flamme wird aufs Neue entzündet. Ich lasse also in den kommenden Tagen den Ofen nachts auf 12 Grad heizen, um dem Auskühlungseffekt entgegenzuarbeiten. Vielleicht spare ich dadurch Material.[1] Aber auch sonst ist heute ein echter Wintertag. Kräftiger Wind mit teils sehr starken Böen treibt den Schnee übers Land, und davon nicht zu wenig. Es schneit den ganzen Tag, bis etwa um 22:00, dann erst ist wieder Ruhe. Aber bis dahin liegen schon 40 cm Neuschnee auf unserem Balkon.

Ich muss mich heute um einige Lesearbeit kümmern, die ich vernachlässigt habe. Schrecklich viel ist es nicht. Was mich viel mehr wurmt, ist der Arbeitsauftrag, einen wissenschaftlich vertretbaren Text jeweils über Uhren und über Universitäten zu schreiben, jeweils etwa eine Seite lang. Das Ganze muss natürlich in japanischem Essaystil verfasst werden, und die Japaner (vertreten durch Yamazaki-sensei) sind da sehr penibel. Ich muss quasi für jede zweite Zeile ins Lehrbuch schauen, ob ich mich auch an die vorgeschriebene Reihenfolge von Argumentation und Untermauerung gehalten habe… ich könnte diesen ganzen formalistischen Krempel auf den Mond schießen! Der Leseteil meiner Arbeit besteht u.a. aus der „Diamantenen Sutra“, natürlich buddhistischer Natur. In den Pausen lese ich Teile eines „Combat Mission“ After Action Reports, also die schriftliche Darlegung eines Schlachtverlaufs, gespielt mit dem Strategiespiel „Combat Mission“. Die ersten Kapitel sind jeweils die Aufstellungsphasen der Spieler, welche Truppen sie warum wohin gestellt haben, und es ist lustig zu lesen, wie sich die beiden Gegner gegenseitig abwägen und zum Teil völlig aneinander vorbei denken. Das Spiel dürfte also einige Überraschungen parat halten, für beide. Und natürlich für mich als Leser.

Um 20:00 startet ein neues Samurai TV-Drama, „Shinsengumi“ heißt es, und das Besondere daran ist, dass Katori Shingo eine der Hauptrollen besetzt. Katori Shingo ist Mitglied der Band SMAP, und sieht eigentlich eher wie ein Milchbubi aus, und nicht wie jemand, der als Samurai überzeugend wirkt. Und Shingo hat nicht etwa eine Hauptrolle – er hat die Hauptrolle. Es geht wohl um zwei Freunde, die 1854 die erzwungene Öffnung Japans erleben und auch begrüßen, aber wohl völlig verschiedene Auffassungen von der Art und Weise der weiteren Entwicklung haben. Ich interpretiere, dass einer der beiden in zehn Jahren für das Shogunat und der andere für die „Reformer“ arbeiten wird, die letztendlich den Sieg davontragen. Die Geschichte beginnt mit einem kurzen Ausflug ins Jahr 1864 und ich glaube, dass sich die beiden Freunde zu diesem Zeitpunkt als Feinde gegenüberstehen. Aber ich kann mich auch irren. Ich werde mir weitere Episoden ansehen, um sicherzugehen. Auch wenn Katori Shingo wirklich nicht überzeugend wirkt. J

Schließlich sehen wir den zweiten Teil von „Jurassic Park“ im Fernsehen – nur um wieder die ewig gleichen Synchronstimmen zu hören. Ich bin es so richtig satt, diesen Mist zu hören, aber ich nicht vor, einen Stereovideorekorder zu kaufen, nur, um auf O-Ton umschalten zu können.


[1]   Das Haus verfügte über keinerlei Isolation, da nutzte auch Minimalheizen nichts

10. Januar 2024

Samstag, 10.01.2004 – Armed and harmless

Filed under: Japan,Manga/Anime,My Life — 42317 @ 7:00

Heute läuft, endlich nach der Neujahrsunterbrechung, die erste SailorMoon Episode des neuen Jahres. Und das Jahr fängt gar nicht gut an. Meine Hoffnungen, die Serie könnte in großem Stil Eigenleben entwickeln, zerschlagen sich weitgehend. Ja, Kunzyte hat Usagi/SailorMoon zwar mit einem Yôma „infiziert“ und im Anschluss sogar vom Krankenbett entführt, aber statt mal so richtig Amok zu laufen, ihre Senshi aufzumischen oder sonstiges Unheil zu stiften, liegt sie im Negaversum einfach nur rum – schlafend auf einer Art Steinbett. Merkur kommt zwar, sie zu retten, bald gefolgt von den übrigen Senshi und Tuxedo Kamen, aber Usagi heilt sich im Prinzip selbst. Bäh, wie einfallslos. Ich fühlte mich ein bisschen an die Geschichte von Rasputin erinnert, dem man genug Gift ins Essen getan hatte, um damit zehn Elefanten niederzustrecken, der aber darauf nur herzhaft rülpsen musste – es ist anzunehmen, dass sein ständiger Alkoholmissbrauch ihn quasi gerettet hat. Aber gut, Usagi rülpst nicht. Sie macht die Augen auf, gähnt, und ist wieder bester Dinge, als sei nichts geschehen. Kunzytes Gesicht war einfach toll.

Venus hat sich noch immer nicht zu der Truppe bequemt und so langsam frage ich mich, welche dramatischen Ereignisse sie dazu bewegen könnten, sich den anderen so richtig anzuschließen. Ich fürchte: Es wird der Endkampf sein. Komatsu Ayaka scheint die leichteste Rolle zu haben, gemessen an ihrer Bildschirmpräsenz. Aber dafür rennt sie auch rum, als hätte sie an der Uhu-Tube geschnüffelt. Mit abgestreckten Armen, als sei sie der Meinung, fliegen zu können, wenn sie schnell genug läuft. Es ist jedes Mal aufs Neue lustig.

Ich bin müde, also schlafe ich weiter, bis 12:00. Vorher war da kein Wachwerden.

Ich will in der Bibliothek aber auch noch mindestens einen Bericht schreiben, also mache ich mich baldigst mit Melanie zusammen auf den Weg. Das heutige Wetter muss ich als „warm“ bezeichnen. Man spürt die Sonne richtig auf der Haut. Nach 500 Metern verstaue ich Schal und Handschuhe wieder im Rucksack, weil ich merke, dass es sonst nicht mehr lange dauern wird, bis ich in Schweiß ausbreche. Ja, wo ist er denn, der harte Hirosaki-Winter, der angeblich Mitte November anfangen und bis Mitte März andauern soll? Wo sind die unglaublichen Minustemperaturen, die man mir prophezeit hat? Wo sind die Berge von Schnee? Bis jetzt haben sich Frost, Schnee und Eis noch nicht länger als drei Tage am Stück halten können. Und die angekündigten „zwei bis sechs Meter Schnee“ habe ich bis dato nur in Form von Abraumhalden gesehen. Ich erinnere mich an härtere Winter in Deutschland. Ich gehe derzeit davon aus, dass der Winter in Hirosaki generell nicht härter ist als in Deutschland, dass aber diese Legende von Leuten, die möglicherweise nicht sonderlich winterfest sind, mehr oder minder absichtlich gepflegt und von Generation zu Generation weitergegeben wird. Vor zwanzig Jahren sei der Winter viel härter gewesen, heißt es, unter anderem von Professor Vesterhoven. Ja, das ist mir klar. Vor zwanzig Jahren war auch Winter in Deutschland noch richtiger Winter. Was interessiert mich die Wetterlage in Japan von anno 1983/84? Ich bin jetzt da. Ich wollte hier mal einen richtig extrem verschneiten, sibirisch kalten Winter erleben und werde bisher herb enttäuscht.

Enttäuscht bin ich auch von der Bibliothek. Die nutzt nämlich den Feiertag am Montag, um übers Wochenende Urlaub zu machen. Also wieder kein Bericht heute. Wir gehen stattdessen in die Stadt. Dort gibt es einen Laden, wo man gegen Entgelt eine oder mehrere Stunden im Internet surfen kann. Ein Internetcafé möchte ich es nicht nennen. Es ist ein Laden, der gebrauchte Manga, CDs und sogar Schallplatten verkauft und zwei Quadratmeter für Internetnutzer frei gemacht hat. Im hintersten Eckchen von dem Laden kann man auch Videospiele spielen und, wie sollte es anders sein, Sammelkarten tauschen oder die entsprechenden Kartenspiele spielen. Der Preis für eine Stunde Internet liegt bei 200 Yen, also etwa 1,50 E. Und man bekommt ein Getränk umsonst dazu. Ich erinnere mich, dass Mitte der Neunziger Jahre eine halbe Stunde im Karstadt (Saarbrücken) mal 5 DM gekostet hat, ohne irgendwelchen Service. Melanie kauft eine Stunde und erlaubt mir, schnell meine Post durchzugehen. Den Rest der Zeit verbringe ich damit, den Laden nach brauchbarem Material zu durchsuchen.

Das Angebot an CDs von Tomoyasu Hotei (er hat sowohl den Antagonisten in „Samurai Fiction“ als auch den dazu gehörenden Soundtrack gespielt) und TWO MIX gefällt mir, aber was mir nicht gefällt, sind die Preise. Aber ich kaufe zwei Soundtracks von „Yû Yû Hakusho“, in erster Linie, weil Ogata Megumi mit von der Partie ist und in zweiter Linie, weil man die bestimmt auch wieder mit Gewinn verkaufen kann. 900 Yen pro CD sind annehmbar als Einkaufspreis. Hm… aber bei dem Zustand der Plastikhülle hätte ich das gleiche Produkt im Book Off wahrscheinlich für die Hälfte bekommen. Da wäre zum einen „Karaoke Battle Royal“ und „Music Battle 2“. Die Karaoke CD ist ein Doppelpack. Auf der ersten CD befinden sich die Originallieder, auf der zweiten CD die Instrumentalversionen. Das Booklet präsentiert alle Songtexte, die Titel sogar in lateinischer Umschrift. Leider stellt sich am Abend heraus, dass beide Produkte nicht genug zu bieten haben, als dass ich sie behalten wollte, also werden sie für den Verkauf vorgemerkt.[1]

Der Laden hat aber, wie ich feststelle, wirklich altes Material. Ich sehe in einer Ecke Kartonstapel und Ausstellungsmodelle von „Sega Saturn“, „Super NES“, alte GameBoys aus der ersten Produktionsreihe (1989) und „Playstation“ Konsolen, daneben ebenso altes Zubehör – zum Beispiel die Bazooka für das Super NES, von der ich bisher angenommen hatte, ihre Existenz sei nur ein Gerücht.

Es gibt also auch GameBoys und Gameboy Pocket Modelle. Hm… jetzt habe ich bereits seit Monaten das „SailorMoon R“ Spiel in meiner Schublade rumliegen und möchte es ausprobieren… aber die Color GameBoys sind mir zu teuer, die alten sind mir zu schlecht (und sie brauchen vier Batterien) und für die Pocket GameBoys brauche ich spezielle, kleinere Batterien – also verwerfe ich den Gedanken wieder.

Schließlich finde ich auch Artbooks, aber das Angebot ist schwach, und der Zustand ist fragwürdig. Zuletzt gibt es hier eine ganze Wand mit alten Schallplatten und LDs, und gerade Schallplatten sind etwas, das jemand, der jünger als 20 Jahre ist, bestenfalls noch vom Hörensagen kennt, wenn er nicht mal beim Aufräumen des Dachbodens zufällig auf eine verstaubte Kiste der Eltern oder Großeltern gestoßen ist. Aber die Titel, die hier herumliegen, sagen mir alle nichts, obwohl die Mehrzahl nicht japanischen Ursprungs ist.

Weil sonst nichts mehr da ist, sehe ich mir die alten Manga eben auch noch an. Und ich werde nach wenigen Sekunden fündig. Ich finde einen SailorMoon Anime-Manga. Also nicht einen Band der ursprünglichen Manga, sondern einen Band der Veröffentlichung, die die Geschichte anhand von Bildern aus der Animeserie nacherzählt, mit Sprechblasen und so. Und wie es der Zufall will, handelt es sich um einen ganz besonderen Band. „Besonders“ deshalb, weil er mir etwas über die Originalfassung verrät, was ich schon lange habe wissen wollen. Es handelt sich um Band #8, und das Kapitel, bzw. die Episode, behandelt den Tod von Zoisyte. In der deutschen Version der Serie nun sagt er im Angesicht des Todes an dieser Stelle: „Kunzyte… lass mich in Schönheit sterben…“, worauf Kunzyte die Illusion einer Blumenwiese mit rieselnden Rosenblättern erzeugt, um ihm den Wunsch zu erfüllen.[2]

So (ha!), jetzt gibt es in der japanischen Version natürlich auch diese Blumen und die Blütenblätter, aber Zoisyte sagt: „Kunzyte-sama… anata no Ude no naka ni shinitai…
Für alle die, die des Japanischen nicht mächtig sind: „Verehrter Kunzyte… ich möchte in Deinen Armen sterben…
Man beachte den feinen Unterschied. Die Blumen waren also nur nettes Beiwerk und Kunzytes höchsteigene Idee. Ich sehe aber von einem Kauf ab. So wichtig ist es nun auch wieder nicht, und es reicht mir, zu wissen, was ich wissen wollte.

Wir gehen schließlich wieder. Und es hat wieder zu schneien begonnen. Mal sehen, wie lange es diesmal hält. Es schneit nicht einmal eine Stunde lang, und obwohl es in manchen Augenblicken ziemlich kräftig vom Himmel schneit, reicht der Schneefall nicht einmal aus, um als Verzierung für die freigeschmolzenen Stellen zu dienen.
Auf dem Rückweg nach Nakano gehe ich ins kleine Naisu Dô und kaufe die HK MP5. Sie hält von nahem betrachtet, wirklich nicht viel her, aber eigentlich will ich, sobald das Wetter es zulässt, nur ein paar Bilder davon machen und sie dann verkaufen. Wohl kaum nach Deutschland.
Den Einkauf der Getränke will ich auf später verschieben, vor allem, weil ich jetzt ein relativ großes Paket mit mir rumschleppe. Nicht schwer, aber sperrig. Und was würden Kunden und Belegschaft wohl davon halten, wenn ich mit einer Maschinenpistole im Gepäck in den Supermarkt marschiere?

Zuhause stopfe ich eine dreifache Portion Reis in mich hinein und sehe mir „Sazae-san“, „Crayon Shin-chan“ und natürlich „Bobobôbo Bôbobo“ an. Ich bewundere immer wieder die Eigenschaft dieser Serie, einen Aufbau wie „DragonBall“ zu haben (die Gruppe kämpft sich von einem Gegner zum nächsten), aber nicht einen Moment lang eine Art Spannung aufkommen zu lassen, wie man sie von dieser Art von Geschichte eigentlich erwarten sollte. Bôbobo und Donpachi machen im Angesicht ihrer Gegner so viel Unsinn, dass man völlig vergisst, dass da eigentlich gerade ein Kampf stattfindet, oder eher „stattfinden sollte“. Diese Kämpfe gehen ganz schnell vonstatten, ohne einen Zweifel daran zu lassen, wer am Ende gewinnen wird – nämlich der Nasenhaarfighter Bôbobo.

Um etwa 21:00 gehe ich dann einkaufen und kehre danach vor den Fernseher zurück. Ich bin mir allmählich ganz sicher, dass Azama Miyû, die die Rolle der SailorJupiter bekommen hat, Werbung für ADSL-Flatrate Internetanschlüsse macht. Für den Werbeclip hat man ihr, warum auch immer, einen Schnurrbart in ihr hübsches Gesicht geklebt, und ich habe eigentlich kein Talent dafür, mir Gesichter zu merken. Aber die Stimme aus der Werbung versichert mir mehr und mehr, dass sie es sein muss. Jetzt frage ich mich natürlich, was Azama Miyû bereits so bekannt gemacht hat, dass sie in der Werbung gelandet ist. Japanische Werbung baut sehr auf bekannten Gesichtern aus Film und Fernsehen auf. Ich glaube kaum, dass ihre „unglaubliche“ Leistung in der Werbung ihr genügend Referenzen verschafft haben, um in der SailorMoon Serie eine der Hauptrollen zu spielen. Oder umgekehrt. Ihre offizielle Homepage ist leider nicht erreichbar (seit Wochen), also kann ich über den bisherigen Verlauf ihrer Karriere keine Aussage machen.


[1]   Kein Mensch wollte das kaufen, YûYû Hakusho ist zu unbekannt.

[2]   Ist natürlich auch ein Witz der Dialogregie…

9. Januar 2024

Freitag, 09.01.2004 – Ein guter Nachbar weniger

Filed under: Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Heute soll, nach der Weihnachtspause, also der Unterricht wieder beginnen, nur um am Montag wegen eines Feiertages wieder unterbrochen zu werden. Immerhin ist es ein ganz interessanter Feiertag. Die jungen Herrschaften, die in diesem Jahr 21 Jahre alt werden oder es letztlich bereits geworden sind, feiern den Umstand, dass sie jetzt Erwachsene sind und nicht mehr unter der Aufsichtspflicht ihrer Eltern stehen. Ja, das würde ich ebenfalls feiern, wenn ich bereits Student wäre und immer noch… aber lassen wir das.

Natürlich schneit es am Morgen wieder. Gegen 11:00 jedoch reißt die Sonne spürbare Löcher in die Wolkendecke und unsere Eiszapfen beginnen, von der Dachrinne zu fallen. Um die Mittagszeit ist es dann wieder bewölkt, bevor man richtig beginnen konnte, das schöne Wetter zu genießen. Ich mache mich auf den Weg zur Universität. Wenige Minuten darauf kommt die Sonne wieder durch. Das Eis auf der Straße wurde bereits zum größten Teil in unansehnlichen Matsch verwandelt, aber der festgetrampelte Schnee auf dem so genannten Bürgersteig hält sich noch munter.

Vor dem Unterricht habe ich jetzt keine Zeit mehr, einen Bericht zu schreiben, und mir ist auch nicht danach, mit einem anzufangen, also beschäftige ich mich anderweitig. Zum Beispiel lösche ich eine Reihe von Downloadprogrammen auf verschiedenen Rechnern im Center, inklusive anderen Programmen, die der reinen Unterhaltung dienen. Natürlich ist das überflüssig, da die entsprechenden Personen in spätestens zwei Tagen wieder ihre Daten CDs auspacken und den Krempel gleich wieder installieren. So wird mir immerhin nicht langweilig.

Zum Unterricht erscheint gerade mal die Hälfte der eingetragenen Studenten, aus nicht näher bekannten Gründen. Auch Straßenglätte hat bisher niemanden abgehalten. Ich muss annehmen, dass einige den freien Montag nutzen, um das Wochenende noch mal so richtig lang zu machen. Was mir bei näherem Nachdenken eröffnet, dass wir beide, sowohl Melanie als auch ich, völlig vergessen haben, dass am heutigen Morgen eigentlich eine Nachholstunde des A3 Kurses stattgefunden hat.

Nach dem Unterricht gehe ich in die Bibliothek, aber ich habe nur 55 Minuten Zeit, also lasse ich das Schreiben gleich ganz bleiben und richte mir die seit langem überfällige japanische Mailadresse bei Yahoo Japan ein, damit ich Mails in japanischer Sprache versenden und auch lesen kann, was mir der GMX Server ja verweigert. Ich überprüfe bei der Gelegenheit auch mein E-Bay Konto. Trotz längerer Abwesenheit ist es noch existent (es wäre auch ein schlechter Witz, wenn man es löschen würde, nur weil der Kunde sich seit drei Monaten nicht mehr gemeldet hat), dann kann der internationale Handel ja rollen.

Um 17:00 verlasse ich die Bibliothek wieder, sammele Melanie auf und gehe mit ihr nach Hause. Mit SangSu, den wir wenige Augenblicke später ebenfalls auf der Straße nach Süden treffen. Er geht gleich nach Hause, weil er aufräumen möchte oder muss, und wir gehen erst noch einkaufen, um was zu trinken und zu knabbern für Jûs Party zu besorgen. Danach muss ich erst mal was essen. Und weil Melanie keinen Reis essen möchte, ich aber schon, kann ich endlich mal wieder das Kochwasser so misshandeln, wie es mir Spaß macht. Ich nehme gemahlene Nüsse, eine Zehe Knoblauch, eine ausreichende Menge Salz, Sojasoße und einen Tropfen „Tonkatsu“ Soße. Melanie isst den Reis am liebsten pur, also nur Reis und Wasser. Das kann man zwar essen, aber… ich möchte Salz am Essen haben. Ohne Salz fehlt mir was.

Und kaum bin ich fertig, klingeln auch schon Irena und Misi an der Tür, die nicht sicher sind, in welchem Apartment SangSu eigentlich lebt. Wir gehen also gemeinsam hin. Die Besucherzahl hält sich in Grenzen, im Grunde sind nur Misi, Irena, SungYi, Melanie, SongMin, Jû, Michiko, SangSu und ich anwesend. Angela ist leider nicht da, Valérie ist noch nicht aus Neukaledonien zurück und Paula hat eine Sportstunde um diese Zeit.

Wir haben dennoch eine Menge Spaß beim Essen und Trinken und an unserer Unterhaltung, die sehr auf Anspielungen auf SangSus „unkonventionellem“ Verhalten aufbaut, das ja immer wieder für eine Portion Spaß sorgt. Er sei recht chaotisch, sagt Jû, aber SangSu sei im Bereich Mathematik sehr begabt. Ich bin leider überhaupt nicht in der Lage, das zu beurteilen.

Jû zieht also morgen früh aus, nach Shimoda Heights I, weil das Wohnen dort billiger ist, außerdem braucht man alleine nicht unbedingt 2 ZKB. In die Wohnung neben SangSu will er nicht einziehen, und ich bin nicht ganz sicher, warum. Habe ich das richtig verstanden, dass er gerade eben gesagt hat, dass es in einer Wohnung, die so lange leer gestanden hat, Geister geben könnte? Er sagt im gleichen Atemzug, dass er nicht an Geister glaube, von daher bin ich mir über den genauen Inhalt der Argumentation nicht ganz im Klaren.

Michiko hat ihre Abschlussarbeit abgegeben und hofft natürlich das Beste. Im März findet die Abschlussprüfung statt, wofür wir ihr alle fest die Daumen drücken. Dahin, dahin… eine hübsche Frau weniger auf dem Campus. Außerdem ist es angenehm, mit ihr zu sprechen. Sie redet klar und deutlich und nicht zu schnell, und das, ohne den Eindruck zu erwecken, sie täte das mit Absicht. Jin Eiko macht das so und ich komme mir immer ein bisschen doof dabei vor. Aber natürlich kann ich die Gründe verstehen. Immerhin macht es die Kommunikation einfacher, vor allem am Telefon, wo man ohne Gestikulation auskommen muss.

SongMin und SungYi gehen leider ziemlich früh, bereits um halb zehn. Sie wohnen ja im Frauenwohnheim und dort gibt es einen Zapfenstreich, soweit ich weiß. Um 22:00 wird die Tür zugemacht. Der Rest labert sich noch bis um halb zwölf durch den Abend und verfolgt SangSus immer verwirrter und verwirrender werdende Kommunikation. Ein Bier nach dem anderen entfaltet seine Wirkung. Schließlich packen wir zusammen und entsorgen den Müll, wie es im Regelbuch steht.

Ich muss oben nur noch mein Geschirr spülen und diesen Abend in meinem Tagebuch festhalten, dann bin ich fertig und lege mich um 00:20 aufs Ohr. Meine Sporteinlage lasse ich heute weg… mein Magen fühlt sich nicht sonderlich gut nach dem ganzen Zeug, das ich da unten gegessen habe. Sporteinlage? Ich glaube, die habe ich nur unzureichend erwähnt. Als ich damals den Entschluss gefasst habe, an dem Wettbewerb im Armdrücken teilzunehmen, habe ich ja begonnen, Liegestütze zu machen. Nach meinem Technischen KO gegen den kleinen Japaner habe ich diesen Abendsport allerdings nicht aufgegeben, sondern mich ständig gesteigert. Ich mache immer nur zehn am Stück, dafür aber, mit ein paar Sekunden Pause dazwischen, zehn solcher Wiederholungen. Schlecht kann das ja nicht sein.[1]


[1] Diese Angewohnheit fand ein Ende, als es wieder wärmer wurde und der Aufwärmeffekt einem Schwitzeffekt wich. Ich habe in diesem Bereich keinerlei Disziplin und höre auf, sobald die Laune dazu verflogen ist, außerdem verabscheue ich Schwitzen (wenn’s nicht in der Sauna ist).

8. Januar 2024

Donnerstag, 08.01.2004 – Der Ofen ist aus

Filed under: Japan,Manga/Anime,My Life — 42317 @ 7:00

Und wieder hat es über Nacht geschneit. Und es schneit am Morgen auch gleich weiter. Die Sichtweite beträgt, großzügig geschätzt, etwa 100 Meter. Ich schreibe heute zwei Berichte, weil am 14. und 15. Dezember nicht schrecklich viel los war, und die Einträge für den 16. und 17. Dezember dürften, wenn überhaupt, nicht viel länger werden. Ich gehe auch noch mal ins Center, um die Umschläge der Bücher einzuscannen, die ich verkaufen will. Darunter befindet sich ein Dôjinshi der Animeserie „Tsukihime“, mit dem eindeutig deutschen Titel „Freude“. Auf dem Cover werden ein paar Zeilen aus der „Ode an die Freude“ zitiert. Allein deswegen habe ich den Band gekauft. Erst nachher war mir klar geworden, dass das eine Dummheit gewesen sein dürfte, weil in Deutschland niemand jemals etwas von Tsukihime gehört haben dürfte. Ich hatte es auch nicht, bis ich im „Mandarake“ in Tokyo ein Poster zu Gesicht bekommen hatte, vor drei Wochen etwa. Das mir natürlich nichts über den Inhalt verraten hat. Aber die deutsche Aufschrift auf dem Cover war eben auffällig, und das Cover sah auch sehr dezent aus. Der Inhalt war weniger dezent und sah aus, als würde es sich um eine Reihe von Bleistiftskizzen handeln. Also weg damit… Aber die „Ode an die Freude“ auf einem Hentai Manga anzubringen empfinde sogar ich als pure Blasphemie.

Misi ist natürlich auch an diesem Tag nicht weit und erkundigt sich bei mir, wie E-Bay denn so funktioniere. Ich erkläre es ihm und er ist interessiert. Er sagt, dass es jedoch keine ungarische „Abteilung“ von E-Bay gebe, und ich habe keine Ahnung, wie man es in diesem Fall anstellt, irgendetwas per E-Bay nach Ungarn zu verkaufen. Erst einige Stunden später komme ich auf den Gedanken, dass er ja mit E-Bay.com international handeln kann. Es ist ja vollkommen egal, wohin man sein Zeug verkauft, Hauptsache, man verdient Geld damit und gerät nicht aufgrund von irgendwelchen Zollgesetzen in Schwierigkeiten. Ich glaube auch, dass man zumindest als Verkäufer kein Plastikgeld haben muss. Ich werde das auch im eigenen Interesse mal prüfen.

Zurück in der Bibliothek meldet mir das System, dass ich noch 82 Seiten Papier ausdrucken könne und dass mein Nutzerprofil mit 1,28 Gigabyte zu groß sei – ich solle mich bitte auf 300 MB beschränken. Ja, das ist kein Problem, ich kann meine Musik auch von der CD runter anhören. Also lösche ich die Musik und lande so bei knapp 100 MB, was eigentlich nur meine Worddateien und der WinAmp Player ist, hinzu kommen noch ein paar Bilder, aber das ist alles.

Während des ganzen Tages schneit es munter weiter, bis auf ein paar wenige Momente, in denen die Wolken offenbar kurz Luft holen, bevor sie die nächste kalte Ladung rauspusten. Bis zum Abend liegen 20 cm Neuschnee in der Landschaft herum. Melanie freut sich natürlich über den Schnee, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er den Weg nach und von zu Hause gefährlich macht. Auf der Hauptstraße hat sich ein Eispanzer von 2 cm Dicke gebildet, knochenharter, festgefahrener und spiegelglatter Schnee.

Am Abend sehen wir uns eine weitere der in diesen Tagen startenden Serien an. Hier geht es um eine junge und natürlich reichlich unkonventionelle Anwältin, die von den Ryûkyû Inseln (Okinawa und dergleichen) nach Tokyo kommt, um das Erbe ihres Vaters anzutreten. Hm, aber was heißt jung… dem Aussehen nach zu urteilen dürfte die gute Frau schon ein Stück über Dreißig sein, und wenn sie dem japanischen Durchschnitt folgt, dann ist sie noch einmal knapp zehn Jahre älter als sie aussieht.[1] Eine der Hauptrollen ist ein Richter, der wohl ein Freund ihres Vaters war. Itô Shirô heißt der Schauspieler, und er hat bereits in der Serie „Taiho shichau zo!“ („You’re under Arrest“) den Chef des Polizeireviers Bokutô gespielt. Wie es scheint, ist seine Rolle hier ganz ähnlich, vielleicht ein bisschen weniger trottelig. Ich werde die Serie weiterhin ansehen. Sie scheint nicht schlecht zu sein, und etwas juristisches Vokabular kann ja nicht schaden. Wenn jemand einer Brutalität meinerseits zum „Higaisha“[2] fällt, dann bin ich ein „Hannin[3]. Wenn ich mich erwischen lasse, brauche ich einen „Bengoshi[4], der aber nicht viel machen kann, wenn es einen „Shônin“[5] gibt.

Kurz nach zehn kommt SangSu vorbei und teilt uns mit, dass es wegen Jûs Umzug eine kleine Feier geben werde. Ah ja, Jû verlässt uns hier ebenfalls in den Shimoda Heights II und zieht in ein kleineres (und daher billigeres) Apartment in den Shimoda Heights I, wo ja auch Misi, Paula, Irena, Valerie, Mei und BiRei wohnen. So sei es denn. Allerdings habe ich bei dem mehr oder minder chaotischen Wortschwall, den SangSu da ablässt, den Verdacht, dass er uns gleich bitten möchte, diese Feierlichkeit bei uns abhalten zu können. Warum auch immer, aber Melanie vermutet das gleiche, bis er dann damit rausrückt, dass die Party bei ihm stattfinden wird. Seine seltsame Argumentation kommt daher, dass er der Meinung ist, dass es bei ihm zu kalt sein dürfte, weil seine Heizung nicht funktioniere. Sie gehe aus und an, wie es dem Gerät beliebe.

Ich sehe mir den Ofen an, und Melanie begleitet uns. Es handelt sich um das gleiche Modell wie unserer, und stelle zuerst fest, dass das Ding auf Styroporblocks gelagert ist. Das heißt, dass bei der leisesten Bewegung sofort der Erdbebenfühler des Geräts reagiert und den Ofen abschaltet. Aber man kann den Ofen auch nicht einfach von den Blöcken herunterheben, weil das Verbindungsrohr, das die Abgase vom Ofen in den Kamin führt, dann nicht lang genug ist! Welcher Idiot hat denn das verbrochen? Des weiteren ist das Thermometer des Ofens kaputt. Es zeigt eine konstante Temperatur von 9 Grad Celsius an, auch als der Raum bereits auf schätzungsweise 25 Grad aufgewärmt ist. Man muss den Ofen also manuell bedienen. „Dauerheizen“ drücken, bis es warm genug ist und abschalten, bis es wieder kühl wird.

Und weil SangSu ein unterhaltsamer (und wohl anhänglicher) Mensch ist, zeigt er uns noch eine Reihe von zum Teil eingescannten Familien- und Privatfotos seit Anfang der Achtziger Jahre, inklusive der Fotos, die er während seines Wehrdienstes gemacht hat. Gegen Mitternacht treibt es mich dann allerdings doch so langsam ins Bett und wir verabschieden uns. Bevor ich allerdings in sanften Schlummer versinken kann, muss ich noch meine Kanjiliste für den nächsten Test fertig schreiben.


[1]            Die Darstellerin Takashima Reiko ist Jahrgang 1964, also 40 Jahre alt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung.

[2]            Opfer

[3]            Täter

[4]            Verteidiger

[5]            Zeugen

7. Januar 2024

Mittwoch, 07.01.2004 – Law and Order in China

Filed under: Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Am Morgen verschwindet unser Wäscheberg endlich weitgehend. Hat auch lange genug gedauert, um die Auswirkungen unserer Reise nach Tokyo niederzukämpfen. Ich gehe zur Bibliothek und schreibe meine übliche Post. Misi meldet mir währenddessen, dass Paula uns alle eingeladen habe, ihren Geburtstag zu feiern. Aus nicht näher bekannten Gründen in seinem Apartment. Misi hat übrigens am 12.07.(1978) Geburtstag und füllt damit die Liste der Juligeborenen weiter.

Ich stelle auch weitere Artikel bei E-Bay ein, um auf diese Art und Weise mein deutsches Konto weiter mit Geld zu versorgen, vergesse darüber völlig, zum Frisör zu gehen und gehe am Abend mit Melanie gemeinsam nach Hause. Ich lasse mich von ihr dazu breitschlagen, einen Umweg über Nishihiro (Hirosaki West) zu gehen, weil sie noch im Animedia vorbeischauen will, wo wir unsere Weihnachtsgeschenke gekauft haben.

Wir gehen also zum ersten Mal nach fünf Uhr und nach Anbruch der Dunkelheit durch Nishihiro und es fällt uns somit zum ersten Mal auf, wie viele Restaurants und Kneipen es hier eigentlich gibt, die sich tagsüber hinter Rollos und unscheinbaren Wänden verbergen. Es gibt sehr viele Gelegenheiten, das eine oder andere auszuprobieren. Vor allem ist es ja gar nicht weit von unserer Haustür weg. Im Laden kauft Melanie schließlich ein paar „One Piece“ Buttons, die sie an ihrer Tasche befestigen möchte. Mich lacht ein „Utena“ Poster an, aber ich kaufe es nicht. Vermutlich werde ich es ganz sein lassen. Das Poster ist schön, aber… irgendwas fehlt ihm. Ich kann den Mangel auch nicht benennen. Für gewöhnlich würde ich darüber nachdenken, es zu kaufen, um es weiter zu verkaufen, aber der Transport von Postern… ich weiß nicht.

Der weitere Rückweg führt uns wie üblich am „kleinen Naisu Dô“ vorbei, und wenn wir schon dabei sind, können wir auch mal kurz reingehen. Ich hatte die Regale vor einigen Tagen bereits durchstöbert, war aber unschlüssig geblieben. Ich fand den Besuch damals auch nicht weiter erwähnenswert. Aber manche Gedanken reifen erst mit der Zeit. Also habe ich heute eine ungefähre Vorstellung von dem, was ich so brauche. Was ich aber erst heute entdecke, ist eine Luftpistole, die nach der HK MP-5 gestaltet wurde. Und das Ding soll nur 1500 Yen kosten? Das werde ich mir überlegen. Das Modell ist allerdings lediglich aus Plastik, und den Erklärungen des Verkäufers entnehme ich, dass das Ding irgendeinen Schaden hat.[1] Aber es wird sich bestimmt jemand finden, der bereit ist, einen Preis über 15 E dafür zu bezahlen… ich werde darüber nachdenken. Ich kaufe auf jeden Fall drei Manga für den „Export“ und einen für mich – einen Dôjinshi-Klassiker von 1993, für 500 Yen. „Mun-Mun-Moon“ heißt der Band, und ich bin mir sicher, dass ich den nicht mehr hergeben werde.[2]

Am Abend laufen im Fernsehen natürlich die üblichen eher uninteressanten Shows, aber ein Beitrag interessiert mich intuitiv. Es handelt sich um eine Sendung, die dem staunenden japanischen Publikum Beiträge vorführt, die von den Studiogästen dann mit offenem Mund und ungläubigen Gesichtern zur Kenntnis genommen werden. Meist handelt es sich um reinen journalistischen Müll, für den die BILD Zeitung vielleicht noch eine Ecke auf Seite 3 frei hätte.

Heute geht es um ein Geschehen in China. Das hat wohl mein Interesse erregt und ich sah davon ab, umzuschalten: Handlungsort ist Peking, vor einigen Jahren. Ein einheimischer Geschäftsmann, Ende Dreißig, nimmt sich ein Zimmer für eine Nacht in einem Mittelklassehotel. In dem Zimmer neben dem seinen übernachtet ein gerade frisch verheiratetes Paar. Da das Hotel nicht das Beste ist, gibt es in den einzelnen Zimmern keine Toiletten, diese befinden sich am Ende des Flurs. Die junge Ehefrau geht also mitten in der Nacht auf die Toilette, der Gang ist unbeleuchtet und sie kehrt, verschlafen und nicht sonderlich aufmerksam, in das falsche Zimmer zurück, zu dem Geschäftsmann. Aus dem, was sich in der Geschichte später noch so abspielt, muss ich (interpretierend) entnehmen, dass es wohl zu sexuellen Handlungen gekommen ist, die jener Geschäftsmann offenbar (im wahrsten Sinne des Wortes) stillschweigend hingenommen und als Serviceleistung des Hotels betrachtet hat. Das klingt wirklich unverkennbar nach BILD Zeitung. Aber es wird noch besser, und das reicht schon irgendwo an Rosamunde Pilcher heran.

Nachdem er am folgenden Morgen aufwacht, vermisst der Ehemann seine Frau und findet sie nebenan in einem fremden Bett, nachdem ihr ein Schrei des Entsetzens entwichen war. Zeterzeter, der Ehemann verständigt die Polizei. Die Polizei? Wie bitte? Ja, und so geht’s weiter: Der Geschäftsmann wird wegen Verführung einer verheirateten Frau zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Chinesen sind da offenbar knallhart. Bei der Frau wird außerdem eine Schwangerschaft festgestellt, worauf sie von ihrer Familie verstoßen wird (!) und fortan als einfache Akkordnäherin schuften muss. Aber damit nicht genug! Nach drei Jahren macht sie ihn ausfindig und besucht ihn im Gefängnis, um ihm mitzuteilen, dass er Vater eines Jungen geworden sei. Er scheint die Nachricht zumindest nicht negativ aufzufassen. Kurze Zeit darauf wird sie krank, verliert ihren Arbeitsplatz und muss umziehen, wovon der Mann im Gefängnis allerdings nichts erfährt. Er wird aus der Haft entlassen und findet wieder eine gut bezahlte Arbeit, aber die Frau findet er nicht mehr. Erst einige Jahre später trifft er sie zufällig in einer Nebenstraße in Peking wieder, wo sie mittlerweile als Autowäscherin ihr Dasein fristet und sich und ihren Sohn so vor dem Verhungern bewahrt. Natürlich heiraten die beiden und leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Wie aus dem Kitschroman.[3]


[1]  Das Spielzeug hatte keinen Schaden, der Verkäufer wollte mir nur zu verstehen geben, dass die Ware ohne Munition (tama = Kugeln) verkauft wird.

[2]  Der Band wurde ziemlich genau 20 Jahre später weggeworfen. Es musste ja nicht sein, dass mein Sohn ihn findet, und ich hatte auch seit fast 20 Jahren nicht mehr reingesehen.

[3]  Das ist so abstrus wie die BILD-Geschichte von dem Mann, dem nach dem Pinkeln die Toilette um die Ohren fliegt, weil seine Frau nach einer Reinigungsaktion terpentingetränkte Lappen hineingeworfen hat: Er trägt Verbrennungen an seinen edlen Teilen davon, und dann lassen ihn die Sanitäter auch noch vor Lachen auf der Treppe fallen, als sie die Geschichte hören, und der Mann bricht sich dabei auch noch ein Bein. In einer Alternativversion fliegt ein Kugelblitz durch das offene Fenster, zwischen seinen Oberschenkeln hindurch und explodiert in der Kloschüssel. BILD am SONNTAG, Ende der 1980er.

6. Januar 2024

Dienstag, 06.01.2004 – Wintereinbruch

Filed under: Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Über Nacht hat es geschneit, mit allen logischen Konsequenzen, daher ist der Anmarsch zum Center entsprechend langsam. Die Bibliothek hat auch wieder geöffnet, wenn auch nur bis 17:00. Und eigentlich brauche ich einen Haarschnitt. Der Laden hat bis 18:00 geöffnet, also will ich warten, bis ich an den Computern fertig bin. Oh ja, die Post muss ja auch noch weg. Ich habe zwei Artbooks hier liegen, die verkauft sind und versendet werden müssen. Meine Güte, kommt heute alles auf einmal?

Gestern war nichts mit Berichte schreiben, weil ich mein altes Notizbuch vergessen hatte… also wieder ein Tag verloren. Aber es ist ja nur ein Tag. Mein Adressverzeichnis kann und muss ich allerdings endlich aktualisieren, nachdem ich von meinem Bruder die Adresse unseres Vater erhalten habe. Der wohnt immerhin in der Schulstraße. Und ich hatte Recht, dass er keine Hausnummer über 100 hat… er wohnt in der Nummer 39. Wird jetzt vermerkt und hoffentlich auch nicht mehr vergessen oder verlegt.

Zum Frisörladen komme ich dann um 17:05, aber da sitzt noch ein Kunde und die Dame bittet mich, doch bitte morgen wieder zu kommen. So lange werde ich noch warten können.

5. Januar 2024

Montag, 05.01.2004 – Wiedereröffnung

Filed under: Japan,My Life — 42317 @ 7:00

Das Center öffnet ab heute nach der Weihnachtspause wieder seine Pforten, also lasse ich mich nicht zweimal bitten. Immerhin hat mein Newsletter schon genug Urlaubstage gesehen. Die Monbusho-Stipendiaten (das schließt Melanie ein) sollen erscheinen, um den Empfang ihrer Zuwendungen zu quittieren.

Natürlich sind wir auch sehr gespannt, wie viel (elektronische) Post uns so über Weihnachten erreicht hat, und wir sehen uns sehr unterschiedlichen Ergebnissen gegenüber. Meine Mailbox zeigt einen Inhalt von 42 Mails an, die seit dem 22. Dezember eingetroffen sind. 27 davon sind reiner Spam und vier weitere sind ebenfalls eher überflüssig, wie z.B. der GMX Newsletter. Macht immerhin 11 Mails von mir bekannten Personen. Melanie dagegen hat noch nicht einmal ein halbes Dutzend Nachrichten erhalten. Das wundert mich doch sehr, bedenkt man, wie viele Mühen sie auf sich nimmt, um allen möglichen Leuten Post zu schreiben, also „materielle“ Post, echte Briefe aus Papier mit Briefmarke und Poststempel, nicht nur elektronische Mails. Ich bedauere sie.

Von Ricci ist zu hören, dass Februar in der Tat der letzte Monat sei, in dem es Ronald noch möglich sein werde, nach Hirosaki zu kommen, um uns zu besuchen. Also noch mitten im Winter. Ich hatte darauf spekuliert, dass sich dieser Besuch in den März verlagern ließe, um mehr von der schönen Umgebung in Hirosaki zu haben, die man unter der Schneedecke bestenfalls erahnen kann. Außerdem ist im Winter hier oben im Norden noch weniger los als im Sommer. Ich gehe also mit Melanie zur Touristeninformation am Rande des Schlossparks, gegenüber vom Rathaus, um in Erfahrung zu bringen, was man hier so machen kann über die kalten Tage. Wie erwartet, ist das Angebot recht spärlich.

Im Erdgeschoss, wo man die Informationsstelle findet, befindet sich auch ein Souvenirladen für Mitbringsel aus lokaler Produktion und einer dieser „Megalampignons“, wie sie zum Neputa-Fest in Massen durch die Gegend gezogen werden. Es handelt sich um einen gigantischen Lampenschirm, in diesem Fall ca. drei Meter hoch und ebenso lang, ein mit Reispapier bespanntes Gestell aus Draht und Holz in Form einer Kampfszene. Ich bedauere, meine Kamera nicht mitgenommen zu haben. Ach ja, ich vergaß: Es kommt ja noch hinzu, dass ich überhaupt keine Fotos machen könnte, selbst wenn ich die Kamera dabeihätte, weil der Bilderspeicher der Kamera voll und das Übertragungskabel noch immer in Tokyo ist.

Es gibt um die Ecke, im gleichen Gebäude, auch ein japanisches Restaurant, das sehr gemütlich aussieht, und weil uns gerade danach ist, gehen wir was essen. Ich habe bisher noch keine Gelegenheit gefunden, frittierte Garnelenschwänze zu essen, also bestelle ich das und verwirre die Kellnerin mit dem Wunsch, die dazu gehörenden Soba-Nudeln warm essen zu wollen. Ja, die Garnelenschwänze sind hervorragend, und nicht so fett, wie ich das wegen des Frittierens vermutet hatte. Ein gutes Stück Arbeit.

Auf den Tischen befinden sich kleine vorbereitete Formulare, auf denen man seine Meinung zum Restaurant eintragen kann: wie man die Atmosphäre findet, wie das Essen geschmeckt hat, ob die Menge ausreichend war und ähnliche Fragen. Wir sind zufrieden. Die Frage, ob wir mit der Menge zufrieden seien, beantworten wir höflich, da der durchschnittliche Japaner, für den hier Essen gemacht wird, höchstwahrscheinlich eine bescheidenere Vorstellung von einer ausreichenden Portion hat.
Auf der Theke, wo man bezahlt, steht ein großer Korb Äpfel. „Bitte bedienen Sie sich!“ steht auf einem Zettel. Oh, ich habe nichts einzuwenden gegen einen Apfel zum Nachtisch. Melanie fragt noch einmal, ob das auch tatsächlich in Ordnung sei. Ja natürlich, sagt die Bedienung (und außerdem hat ein Gast, der vor einer Minute gegangen ist, sich auch einfach so einen Apfel rausgenommen), aber dann bittet sie uns, kurz zu warten und verschwindet in der Küche. Was denn nun? Ein paar Sekunden später erscheint sie wieder – mit einer Tüte Äpfel, fünf Stück. Wir bedanken uns und gehen wieder. Zurück ins Center.

Im Center treffen wir Jû und SongMin. Sie hat ihre Frisur geändert und ihre Haare braun färben lassen. Sie sieht älter damit aus. Aber das klingt eigentlich viel zu negativ. „Sie sieht erwachsener aus.“ Das trifft es viel besser. Es steht ihr und sie sieht gut so aus. Auch Tanja und Mareike sind da und schreiben an ihrer Post. Mareike erzählt, sie habe ihren Geldbeutel irgendwann nach Weihnachten verloren und ihn am Neujahrstag wiederbekommen. Das heißt, sie konnte ihn auf der Polizeiwache abholen. Der komplette Inhalt war noch vorhanden, alle Karten, jeder einzelne Geldschein. Für meine Begriffe schier unglaublich. Das erinnert mich an eine Hass-Schrift (besser kann man es nicht nennen), die ich vor zwei Jahren einmal per Mail zum Lesen erhalten habe. Der betreffende Text war geschrieben worden von einem Austauschstudenten, wie ich annehmen muss, dem in einem Schwimmbad in Tokyo (?) der Geldbeutel aus dem Schließfach gestohlen worden war und der daraufhin kollektiv alle Japaner zu einer niederen Lebensform erklärt hatte, auch nicht zuletzt wegen der wohl umständlichen bürokratischen Vorgänge, die so eine Anzeige („gegen Unbekannt“) wahrscheinlich mit sich bringt. Man hatte den Fall wohl nicht mit dem Enthusiasmus bearbeitet, den der Bestohlene sich gewünscht hatte. Natürlich hatte ich Verständnis für seine Situation, aber ich konnte den Text damals nur zur Hälfte lesen, bis mir das Gekeife dieses Idioten auf die Nerven ging und ich seine überbordenden Anfeindungen von meiner Festplatte löschte. Ich glaube, in einer Stadt mit 12 Millionen Einwohnern gehen pro Tag eine ganze Menge solcher kleinen Anzeigen bei der Polizei ein, und warum sollte man gerade seiner mehr Aufmerksamkeit widmen? Zumindest war das meine Auffassung von seiner Laune, die da rüberkam.
Wie dem auch sei. Jû hält uns den schlagenden Beweis vor Augen, dass sich das Einkaufen während der Neujahrsfeiertage lohnt: Er hat sich eine Digitalkamera zugelegt, Neupreis: 30.000 Yen, Verkaufspreis: 10.000 Yen. Das ist deutlich. Also merke: Bei strategischen Anschaffungen auf jeden Fall Hatsu-Uri nutzen!

Am Abend sehen wir uns eine der Serien an, die die dieser Tage neu anlaufen. „Die Sieben vom Achten Graben“ (wohl eine Adressangabe innerhalb der Stadt) heißt die Show übersetzt etwa. Ein Samurai Drama. Aber wir finden es schlicht langweilig.

4. Januar 2024

Sonntag, 04.01.2004 – Neujahrsfeier

Filed under: Japan,Manga/Anime,Musik,My Life,Spiele — 42317 @ 7:00

Wir stehen um 09:10 auf, weil wir von Familie Jin zum Mittagessen eingeladen worden sind. Zumindest hieß es, um 12:00 sollten wir da sein. Für einen Saarländer klingt das nach Mittagessen. Auf der Straße liegt Schnee, nachdem es gestern Abend zu schneien begonnen hat. Es ist nicht sehr viel, eine dünne, aber geschlossene Schneedecke, und auf jeden Fall genug, um zu Fuß gehen zu müssen. Eine Fahrt mit dem Fahrrad will ich nicht riskieren. Wir müssten also um 11:15 spätestens aufbrechen.

Bis dahin kann ich noch in den „Fushigi no Umi no Nadia“ OST reinhören, den ich gestern gekauft habe. Ich stelle fest, dass man drei Vierteln des Soundtracks anhört, dass die Serie eine GAINAX Produktion ist, das heißt, man hört, dass die Nadia-Musik die Vorstufe zum „Evangelion“ Soundtrack ist, und zwar ganz deutlich. Das ist schade, aber kein Grund für mich, enttäuscht zu sein. Der größte Teil vom Rest besteht aus wirklich brauchbaren Gesangsstücken, obwohl auch darunter welche sind, denen man entweder die „Evangelion“ Verwandtschaft anhört, oder aber, dass die Musik zu den besten „SailorMoon“ Zeiten, also Ende der Achtziger bis Anfang der Neunziger, geschrieben wurde. Gleiche Instrumente, demnach sehr ähnliche Klangelemente, und nur die Melodie unterscheidet sich wirklich von der „Vorlage“. Und natürlich ist die Sängerin eine andere. Aber in den allergrößten Teil der Titel muss ich nur wenige Sekunden hineinhorchen, um zu wissen, dass ich keine Überraschungen erleben werde. Die Unterschiede zum EVA OST sind dafür zu minimal. Ich frage mich ernsthaft, ob ich die CDs behalten soll… im Prinzip könnte ich zwei davon verkaufen.

Wir gehen zeitig los und sind pünktlich bei den Jins, die das Essen in den „alten“ Teil des Hauses verlegt haben, wo wir in einer Räumlichkeit von der Größe von 12 Matten Platz nehmen. Sushanan ist nicht da, und man teilt mir mit, dass ihr „Termin“ erst am 12.01. sei. Die Großeltern sind bedauerlicherweise ebenfalls nicht mit von der Partie, aber ich frage nicht weiter nach. Es wird einiges geboten. Da wäre zum Beispiel ein Topf Oden, dessen Inhalt noch besser schmeckt als der, den ich bei Prof. Fuhrt gegessen habe. Daneben gibt es auch Sushi zum selber rollen. Aber ich bin nicht ganz sicher, ob der Begriff „Sushi“ hier angebracht ist, da bei dem Begriff jeder gleich an kleine Reisröllchen mit Algenumwicklung und eine irgendwie geartete Kernfüllung denkt. Es sind mehr als die üblichen Zutaten vorhanden, darunter Gurken, Krabben, Fischwurst, Schinken, Fischstreifen, usw., aber sie werden in die Nori wie in eine Tüte eingerollt und so mit der Hand gegessen. Und das Ganze hätte auch bequem doppelt so viele Leute satt gemacht.

Während des Essens erfahre ich, dass Jin Eiko (die Gastmutter) keine Fischprodukte mag. Auch solche Japaner soll es geben. Warum dieses? Sie kommt aus einem Dorf bei Hachinohe an der Ostküste von Aomori-ken und ist die Tochter eines… Fischers. Sie wurde in ihrer Kindheit so sehr mit Fisch gefüttert, dass sie keinen mehr sehen kann. Jin Yûtaka (der Vater) macht währenddessen Fotos von dem Ereignis, das ich nicht fotografieren kann, weil meine Kamera voll ist und ich mein Übertragungskabel bei Ronald in Tokyo habe liegen lassen. Dazu macht er auch kurze Videos mit der gleichen Kamera, die er mir via E-Mail zusenden will.
Er sagt, er sei Arzt mit Schwerpunkt Nuklearmedizin (Radiologe). Und weil er Nukleartechnik so interessant findet, hat er vor einigen Jahren einmal die Gelegenheit genutzt, ein Atomkraftwerk in der Normandie zu besichtigen, wohl zusammen mit einer Gruppe von entsprechenden anderen Wissenschaftlern. Er findet diese Kraftwerke generell interessant, während ich für ein solches Interesse wenig Verständnis habe. In Deutschland sind AKW nicht sehr beliebt.

Zum Nachtisch, und da musste ich doch ein wenig lachen, gab es eine Tasse Instantkaffee, den das Ehepaar von einem „Ausflug“ nach Korea über Weihnachten mitgebracht hat, in den Milch und Zucker schon eingearbeitet sind. Weiterhin gibt es eine Reihe von japanischen Süßigkeiten, die man zu Neujahr serviert, die so richtig chemisch aussehen, und meiner Meinung nach auch ebenso schmecken. Hm, ja… ich habe schon besseren Kaffee getrunken. Und die Süßigkeiten… ich belasse es bei der Probierportion. Aber ich muss mich im Ablegen meiner diesbezüglichen Ehrlichkeit noch etwas üben. Ich sage, es schmecke „interessant“. Es fällt mir schwer, Dinge zu loben, die nicht meinen Geschmack treffen.

Yûmiko hat offenbar Interesse an einer Vortragsform namens „Rakugo“ gefunden. Oder sie ist daran „interessiert worden“. Ich sagte ja bereits, dass sie einen Sprachfehler hat, und Marc erzählt mir später, dass Rakugo in Japan derzeit ein geschätztes Mittel sei, Sprachfehler auszubügeln und deutliches Sprechen zu lernen. Angeblich machen das viele Kinder und auch Leute vom Fernsehen, die mit Sprechen ihre Brötchen verdienen. Hm, dann würde ich dem lispelnden Nachrichtensprecher von NHK eine solche Kur empfehlen. Warum auch immer Yûmiko zum Rakugo gekommen ist, sie hat in bester japanischer Manier zwei kurze Episoden auswendig gelernt und trägt sie uns vor. Als (noch) Laie bin ich mir nicht sicher, warum diese Vortragsart deutliches Sprechen erleichtern soll, denn wie es scheint, besteht eine Kür daraus, möglichst schnell einen Text herunterzurattern, der voller Wort- und Lautspiele ist und sich daher wohl nur dem Muttersprachler voll eröffnet. Ich verstehe gerade mal 10 % der gesagten Begriffe, verstehe keinerlei Zusammenhänge und weiß auch nach der „übersetzten“ Darlegung des Inhalts immer noch nicht so recht, was ich da eigentlich gerade gehört habe und was daran eigentlich lustig ist. Aber es war eine sehr beeindruckende Darstellung von schnellem Sprechen wie von einem japanischen Eddie Murphy.
Yûtarô hält sich wie üblich mit der Interaktion zurück, erscheint mir heute aber wesentlich entspannter als sonst. Immerhin beteiligt er sich an den Gesprächen, und macht nebenher allerlei Unsinn mit seiner Schwester, die Gefallen daran findet, sich von ihm huckepack durch den Raum tragen zu lassen.

Während die Kinder, Melanie und Mutter Eiko bereits zum Spielen übergehen, esse ich noch ein bisschen weiter. Von daher kann ich das Kartenspiel nicht wirklich gut erklären. Auf den Rückseiten der Karten steht jeweils ein Gedicht. Einer der Spieler liest es vor und die übrigen Spieler müssen offenbar die Karte finden, auf der das erste Silbenzeichen des Gedichtes aufgedruckt wurde. Wer am Ende die meisten hat, gewinnt. Aber all das sehe ich nur aus dem Augenwinkel, während ich mit Vater Yûtaka eine Basisdiskussion über Atomstrom führe.
Ich stoße erst zu der Spielgruppe, als Yûmiko ein „Hamtarô“ Poster auspackt. Auf der einen Seite ist Hamtarô selbst, auf der anderen Seite ist Ribon-chan abgebildet (man muss die Namen der Hamster nicht wirklich kennen, aber in Japan kennt sie jedes Kind). Aufgabe dieses Spiels ist nun, den Hamstern mit verbundenen Augen Nase, Augen und Mund zu aufzulegen. Natürlich führt das zu den abwegigsten Ergebnissen, vor allem, wenn der Mund, der die Form einer „3“ hat, die auf dem Rücken liegt, auf dem Oberkörper landet und frei heraus als „Oppai“ („Brüste“) bezeichnet wird, oder aber, wenn er im Unterkörperbereich landet und dem entsprechend „Kintama“ („Goldene Bälle“) genannt wird – eine japanische Scherzbezeichnung für nicht schwer zu erratende männliche Körperteile. Das sorgt für Belustigung, aber noch mehr erstaunt mich der offene Umgang mit Begriffen, die, nach meinem Empfinden, in meinem kulturellen Umfeld in den Tabubereich fallen, sofern man sich nicht in einem wirklich intimen Personenkreis befindet. Das ist hier zwar prinzipiell gegeben, Familie ist Familie, aber immerhin befinden sich auch zwei „Außenstehende“ im Raum.

Auch solche Treffen scheinen in Japan kurz zu sein, und wir werden um 15:00 wieder nach Hause gefahren. In Deutschland bleibt Besuch ja grundsätzlich bis mitten in die Nacht, sofern nicht etwas Dringendes dagegenspricht. Die Eltern setzen sich also nach vorn, Melanie und ich sitzen hinten, und die Kinder… ja, die werden auf der Kofferraumfläche des Jeep-artigen Fahrzeugs „gestapelt“.[1] Es sieht lustig aus, aber für sehr sicher halte ich das nicht. Ich habe überhaupt das Gefühl, dass das Benutzen der Sicherheitsgurte in Japan sträflich vernachlässigt wird, auch im Winter, auf vereisten Straßen. Wer die Sicherheitsgurte erfunden hat, dachte sich auch was dabei. Mein Kumpan Kai verwendet auch keinen, weil er nicht im Auto verbrennen will, weil die Gurtschließe sich verkanten oder die Plastikteile diese zuschmelzen können, wie er sagt. Ich glaube, die meisten machen das aus schierer Bequemlichkeit. Zum Abschied bekommen wir eine Tüte Äpfel. Wie erwartet.

Da der Tag noch jung ist, können wir auch noch Wäsche waschen. Ich will mir auch noch mehr von meinen neuen CDs anhören, aber die Batterien wollen nicht mehr. Diese No-Name Batterien haben noch nie viel getaugt… In Deutschland habe ich mal zwei Akkus von Duracell gekauft, die was herzumachen scheinen. Ich gehe also ins Sunday Home Center und kaufe ein paar Markenakkus von Panasonic und hoffe, dass sie ihr Geld wert sind.


[1] „SUV“ war zumindest mir damals noch kein Begriff.

3. Januar 2024

Samstag, 03.01.2004 – Punkte sammeln

Filed under: Filme,Japan,Manga/Anime,My Life — 42317 @ 9:22

Nach dem Aufstehen arbeiten wir unseren Wäscheberg weiter ab und machen uns gegen 15:00 auf den Weg nach Osten – zum Book Off und ins Kaufhaus „Sakurano“. Das heißt, wir schaffen es noch bis zum Book Off – das Sakurano verschwindet unauffällig hinter der Suchaktion nach Schnäppchen in dem Second Hand Laden. Im Book Off läuft heute außerdem eine Aktion wegen Neujahr, „Hatsu-uri“, „Erster Verkauf (des Jahres)“, nennt sich das und wird in so ziemlich allen bedeutenden Kaufhäusern und Läden durchgeführt. Hätte ich das gewusst, wäre ich nicht von einem Schrein zum anderen getingelt, sondern hätte mich nach Sonderangeboten umgesehen. Die Schreine laufen mir nicht weg, die Neujahrsangebote schon. Aber was soll’s? Ich kümmere mich um das Hier und Jetzt. Die Verkaufsaktion im Laden wird lautlich untermalt von… markiger Marschmusik!? Immer wieder das gleiche Stück, stundenlang. Ich mag Marschmusik, und ich finde auch das laufende Stück gar nicht schlecht, aber diese Tretmühle ist wirklich anstrengend… ich tue also mein Bestes, nicht weiter hinzuhören.

Ich gehe zuerst die Regale mit den DVDs durch und ich bin geschockt. Es zeigt sich, dass es billiger ist, die Anime DVDs in Deutschland im Laden zu kaufen oder in den USA zu bestellen, als sie im Ursprungsland gebraucht zu kaufen! Nee, ohne mich. So nötig habe ich es dann doch nicht. Aber mehrere Soundtracks finden meinen Gefallen und ich verlasse 7040 Yen ärmer und neun CDs reicher den Laden. Und weil heute ja noch Sonderverkaufstag ist, bekomme ich pro 1000 Yen ein Los gutgeschrieben, mit dem man verschiedene Sachen gewinnen kann… u.a. ein Mountainbike, ein Urlaub in einem Ryôkan mit Onsen (= eine japanische Pension mit heißen Quellen zum Baden), eine Digitalkamera oder eine Soundanlage von SONY. Ich trage also meine Daten ein, mache meine Kreuzchen an den gewünschten Preisen und werfe das Los in die Trommel. Die Losaktion findet landesweit in allen Book Off Läden statt, also mache ich mir nicht die geringsten Hoffnungen auf einen Preis. Was wir auf jeden Fall bekommen, sind je eine echt stabile Stofftüte mit „Book Off“ Aufdruck und zwei Tüten Kartoffelchips.

Das Rabattsystem lädt immer wieder zum Einkaufen ein. Fünf Prozent des Warenwertes werden als Bonuspunkte gutgeschrieben und jeder Punkt gibt einen Abzug von 1 Yen auf den nächsten Einkauf, wenn man den Bonusgutschein vorlegt. Meiner Meinung nach ist dieses System verlockender, als wenn man die 5 % einfach vom Kaufpreis subtrahiert. Man erhält den Rabatt nämlich nur, wenn man noch einmal hingeht und was kauft.

Draußen ist es bereits dunkel. Wir vergessen deshalb die Idee mit dem Sakurano wieder und fahren nach Hause.

Zum Schluss noch ein Wort an alle, die auch in Japan den Genuss von Milch nicht vermissen wollen: Vom Kauf der Marke „Teishibô Gyûnyû“ möchte ich dringend abraten. Der Geschmack mag relativ normal erscheinen, aber die Milch riecht wie ein Betriebsunfall bei BASF. Ich rate dazu, möglichst fette Milch zu trinken. Melanie und ich sind hängen geblieben bei Milch der Firma „Morinaga“, die u.a. ganz leicht an dem Aufdruck „4.0 %“ zu erkennen ist. Ja, diese Milch hat tatsächlich vier Prozent Fettgehalt. Und sie schmeckt ganz hervorragend, vergleichbar mit der „Bärenmarke“ Milch in Deutschland. Der Geruch ist immer noch nicht ganz das Wahre, aber deutlich besser als bei dem „Billigprodukt“.

Und vielleicht sollte ich bei dieser Gelegenheit den Begriff „Billigprodukt“ in Bezug auf Milch näher definieren. Die billige Milch, die ich keinem empfehlen möchte, kostet 148 Yen pro Liter. Das sind derzeit etwa 1,10 E. Die Morinaga Milch kostet pro Liter gleich 198 Yen, also ca. 1,50 E. Das würde ich teuer nennen, bedenkt man, was Milch in Europa so kostet. Ich kann auf Milch voll und ganz verzichten, bis auf die ein oder zwei Liter, die ich pro Jahr so trinke. Aber Melanie ist eine leidenschaftliche Kakaotrinkerin, die es sich, angestachelt durch die Tatsache, dass man hier „Nesquik“ kaufen kann, nicht entgehen lässt, immer einen Liter im Kühlschrank stehen zu haben. Allerdings muss ich auch dazu sagen, dass die Milch bereits einige Tage vor Erreichen des Haltbarkeitsdatums reduziert wird. Es ist also keine Seltenheit, die Morinaga schon für 148 bis 168 Yen zu bekommen.

Freitag, 02.01.2004 – On the Road again

Filed under: Japan,My Life,Spiele,Sport — 42317 @ 9:15

Spätes Aufstehen verkürzt unsere möglichen Ausflugszeiten ganz erheblich. Wir wollen (sie will) einen weiteren Schrein besuchen, außerdem war im Fernsehen nach unserer Interpretation die Rede von einer Festveranstaltung im Schlosspark. Wir fahren also dorthin und durchsuchen den Park, finden aber nichts. Am Abend werden wir herausfinden, dass es sich bei der Ankündigung im Fernsehen um Werbung für eine Sendung gehandelt hat, die heute ausgestrahlt (d.h. vor wenigen Tagen aufgenommen) wurde, und nicht für eine aktuelle Veranstaltung.

Der Schrein, den wir ansteuern, ist klein, das heißt nicht nur das Gebäude an sich, sondern auch was das Gelände betrifft. Aber der Spielplatz daneben ist sehr geräumig. Melanie urteilt, dass die Mamori, die Talismane, die es hier zu kaufen gibt, sehr schön seien und lässt es sich natürlich nicht entgehen, einen davon zu kaufen. Eigentlich habe ich nicht vor, mir ein Exemplar zuzulegen, weil ich an derlei Dinge nicht glaube, aber wenn ich schon im Lande bin, kann ich ja dennoch ein wenig Geld darin investieren, um überhaupt einen solchen Talisman zu haben – Japanologie verpflichtet. Aber nicht heute.

Von dem Spielplatz aus hat man einen schönen Ausblick auf den Nordwesten der Stadt. Am Abhang des Hügels steht ein Hinweisschild, auf dem Ash Ketchum warnt, „nicht zu nah!“ an den steilen Abhang heranzutreten. Zu jeder anderen Jahreszeit (als Winter) ist es bestimmt schön hier oben, aber die blattlosen Büsche und Bäume sehen zusammen mit dem tristen Wetter wirklich traurig aus.

Wir fahren ins Ito Yôkadô, um für Ricci das von ihr gewünschte Stofftier zu kaufen. Leider ist es in der gewünschten Größe nicht mehr vorhanden, also muss ein kleineres Exemplar ausreichen. Das nächstgrößere ist ein wenig teuer. Wir fahren nach Hause. Melanie will auf dem Weg zurück noch bei Ricci anrufen, und weil das von meinem „passiven“ Telefon aus nicht geht, suchen und finden wir eine Telefonzelle, vor einem der zahlreichen kleinen Krankenhäuser der Stadt. Meine Blase drückt seit geraumer Zeit, und weil es inzwischen dringend wird, will ich die Gelegenheit nutzen, um in dem Krankenhaus eine Toilette aufzusuchen. Aber der Eingang ist verschlossen. Ich setze mich also auf mein Fahrrad, um nach Hause zu fahren, bevor ich gezwungen bin, in einem Schatten an der Hauswand zu verschwinden. Melanie hat was dagegen – ich solle auf sie warten und mich gefälligst nicht so anstellen. Da hat mein Hebel im Kopf mal wieder „klick“ gemacht und ich bin losgefahren. Und das schnell. Wie kommt sie eigentlich auf die Idee, mir zu sagen, wann ich nach Hause fahren kann und wann nicht? Ich glaub, mein Schwein pfeift! Ich bin alt genug, um das nach Dringlichkeit zu entscheiden. Das lasse ich mir doch nicht verbieten, nur, weil Melanie offenbar der Meinung ist, ich sei irgendwo an ihr festgewachsen oder umgekehrt… vor allem will ich gar nicht wissen, wie viel Strafe man hierzulande so fürs Urinieren in der Öffentlichkeit zahlt. Aber mit sinkendem Druck steigt dann aber auch meine Laune wieder und ich nehme ihr das nicht weiter übel.

Das Packpapier (um das Stofftier) des Kaufhauses werfen wir zuhause umgehend in den tiefsten Müllsack den wir haben, weil das Zeug nach angebranntem Plastik stinkt. Widerlich.

Am Abend kommt eine weitere interessante Sportsendung. Interessant deshalb, weil sie reichlich verrückt ist. Aber die Ideen gefallen mir. Da ist z.B. ein Japaner namens Noritake, offenbar ein Entertainer aus dem japanischen Privatfernsehen, und er tritt, unterstützt von einem ebenfalls japanischen Torwart, gegen Oliver Kahn im Elfmeterschießen und im „Shoot Out“ an. Im Olympiastadion in München.
Shoot Out“ bedeutet, dass man ab der 16-Meter-Linie in Richtung Tor zu dribbeln beginnt und fünf Sekunden Zeit hat, den Tormann zu umspielen und den Ball wegzutreten. Ins Tor natürlich.
Kahn gewinnt das Elfmeterschießen und Noritake das Shoot Out. Am Schluss folgt dann also noch einmal ein Elfmeterschießen, um den Sieger zu bestimmen. Kahn gewinnt, weil Noritake einen Ball an die Latte pfeffert. Kahn tat hier wohl auch sein Bestes, um seinem (japanischen) Image als beinharter „Fußballkämpfer“ gerecht zu werden. Sein Gesicht ist wie gemacht dafür, brutal auszusehen. Und offenbar erregte der Wettstreit auch in Deutschland genügend Aufmerksamkeit: Man sieht die Sportseite der BILD Zeitung, wo ein Bericht und ein großes Foto des Ereignisses dargestellt sind.

Der nächste Wettkampf ist so seltsam, dass man meinen könnte, dass nur Japaner auf eine solche Idee kommen können. Die sportliche Grundlage ist Golf. An einer vorgegebenen Linie werden nur Abschläge gemacht, während 250 Yards weiter, im Zielgebiet quasi, eine Gruppe von Baseballveteranen Aufstellung genommen hat, deren Aufgabe es nun ist, die eintreffenden Bälle zu fangen. Wer die meisten Bälle fängt, gewinnt.
Weiterhin gibt es ein Spiel gegen die Uhr. Es werden zwei Teams gebildet, zu je drei Mann; das Zeitlimit liegt bei zwei Minuten. Spieler 1 schlägt den Ball 250 Yards weit etwa dahin, wo Spieler 2 steht, und rennt los. Spieler 2 schlägt den Ball weitere 250 Yards weit zu Spieler 3, dessen Aufgabe es ist, den Ball über eine immer noch recht weite Strecke möglichst nah an das Loch heranzubringen, während Spieler 1 den Ball einlochen soll – nach einem Lauf von mehr als 500 Metern in dieser kurzen Zeit. Die Sieger erreichen das Ziel in 1:53 Minuten, während die Verlierer mehr als zwei Minuten brauchen, weil der Schlag von Spieler 2 völlig abseits gelandet war.

Donnerstag, 01.01.2004 – Affentanz?

Filed under: Japan,My Life,Spiele,Sport — 42317 @ 9:05

Das Jahr des Affen hat also heute offiziell begonnen und Melanie fühlt sich so lebendig, dass sie für heute eine Tour vorbei an mehreren Schreinen der Stadt geplant hat. Die Straßen sind frei, also kann man bedenkenlos mit den Rad fahren. Zunächst ist der Himmel allerdings bewölkt. Zehn Minuten nach Abfahrt scheint dann aber die Sonne trübe durch die Wolkendecke, nur um fünf Minuten darauf wieder zu verschwinden, um einer eiskalten Portion Schneeregen Platz zu machen. Ich freue mich tierisch über diese Entwicklung. Hoffentlich bleibt das Wetter nicht so, sonst passiert es noch, dass ich die Schreintour äußerst unangenehm in Erinnerung behalten werde.

Wir kommen an der Hauptpost vorbei, und dort offenbart sich uns ein besonderes Phänomen japanischer Dienstleistungen, und ich brauche ein paar Minuten, bis ich begriffen habe, was ich da eigentlich sehe. Da stehen zwei Herren im Dienstanzug am Straßenrand, bewaffnet mit einer großen Plastikkiste und einem noch größeren Postsack. Alle paar Sekunden hält ein Wagen, das Beifahrerfenster wird geöffnet und die Person in dem Auto übergibt ein dickes Bündel von Briefen oder Postkarten, die sofort in dem Postsack verschwinden. Dann fährt das Auto weiter, um dem nächsten Platz zu machen. Alle paar Sekunden hält ein Fahrer am Straßenrand, um Post loszuwerden.
Natürlich wird hier keine gewöhnliche Post weitergereicht. Ein „Post Drive-In“ wäre zwar ein interessantes Konzept, aber ein bisschen extravagant, denke ich. Nein, hier geht es um Grußkarten zu Neujahr. Japaner versenden unglaubliche Mengen an Neujahrsgrüßen, und ich nehme an, dass es den Rahmen der Postämter sprengen würde, wenn jeder, der Karten verschicken will, versucht, in der Nähe des Schaltergebäudes einen Parkplatz zu finden. Und wie es hier zugeht, würde es zu ernsthaften Staus im Stadtgebiet kommen, wenn jeder Absender anhalten und aussteigen müsste, um den Briefkasten aufzusuchen. Also ist diese Sammelaktion eine wirklich gute Idee. Und das Interesse ist groß. In Deutschland reicht noch nicht einmal die Weihnachtspost aus, um eine solche Dienstleistungsmaßnahme zu rechtfertigen.

Während wir noch staunend an der Straßenecke stehen und entsprechende Fotos machen, hört auch der Schneeregen wieder auf. Das beruhigt meine Nerven doch sehr. Die Sonne setzt sich wieder durch. Wir fahren die Hauptstraße in Richtung Norden entlang, ein Stück zu weit, wie wir bald feststellen, aber das tut unserer Sache keinen Abbruch, weil auf Melanies Plan so ziemlich alle Schreine im Nordosten Hirosakis stehen, also biegen wir die nächste Straße ein und fangen beim Hachiman-Schrein an, nach dem auch gleich das Stadtviertel benannt wurde. Für hiesige (= ländliche) Verhältnisse ist am Schrein die Hölle los, wenn ich mir diesen paradoxen Vergleich erlauben darf. Hier sieht es nicht anders aus als vor dem Tempel und dem Schrein gestern Nacht. Da steht eine Schlange von mehr als 50 Metern Länge und etwas mehr als zwei Metern Breite, und alle diese Leute warten darauf, ihr erstes Gebet des neuen Jahres sprechen zu können.
Jetzt muss man natürlich nicht annehmen, dass Japaner unheimlich religiös seien. Ich wage zu behaupten, dass Religion, sei es Shintô oder Buddhismus, zwar tief in der Kultur verwurzelt ist, aber in dem Bewusstsein der Menschen nur sehr oberflächlich vorhanden ist. Ich behaupte, die sind alle eher deshalb hier, „weil man das an Neujahr halt so macht.“ Die Schlange ist, verglichen mit dem Weg, schmal genug, um bequem daran vorbeigehen zu können, wenn man, wie wir beide, einfach nur mal schauen will, was hier so abgeht.
Wie jeder andere japanische Schrein verkauft auch dieser hier eine größere Anzahl von Talismanen für verschiedene Angelegenheiten; in erster Linie, wie schon der Meji-Schrein, für Gesundheit, Liebe, Reisen und natürlich Prüfungen jeder Art. Und wo ich schon von verkaufen, bzw. Verkäuferinnen spreche: hübsche junge Damen in rotweißer Tracht! Seien es nun „echte“ Tempeldienerinnen („Miko“) oder Schülerinnen/Studentinnen, die hier nebenher jobben – ich glaube, ich komme im Sommer noch mal her. Ich kann doch nicht nach Japan kommen, ohne ein Bild von einer Miko zu machen…

Wir wollen auch noch andere Schreine abklappern, und auf dem Weg zu den Fahrrädern kaufen wir „Yaki-imo“ = geröstete Süßkartoffeln. Und solch seltsame Kartoffeln habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gegessen. Die schmecken gar nicht nach Kartoffeln, und eigentlich habe ich den Verdacht, dass man diese länglichen Kartoffeln eine Woche lang in Zuckerwasser oder Honig einlegt, bevor man sie röstet. Aber die Dinger schmecken wohl tatsächlich so… gar nicht schlecht.[1] Ansonsten gibt es auch hier glasierte Bananen; und große Fleischspieße – für 400 Yen? Ich bin doch nicht meschugge… an den Dingern ist vielleicht so viel Fleisch dran, wie an zwei „normalen“ Spießen, und zwei Spieße kosten mich an der Bratbude auf dem Nachhauseweg gerade mal 140 Yen. Nee, Ihr dürft die hier ruhig behalten.

An den anderen Schreinen ist bedeutend weniger los. Weniger Leute bedeuten niedrigere Preise. Und natürlich wird der Tag nicht jünger, die meisten Leute dürften also bereits fertig sein mit ihrem Neujahrsritual. Und man merkt, dass bald die Dunkelheit hereinbrechen wird. Ich bin auch ganz froh, irgendwann wieder zuhause zu sein. Es ist mir doch zu kühl, um stundenlang mit dem Rad in der Gegend rumzugondeln, vor allem wenn ich wegen Melanie so langsam fahren muss, dass mir davon nicht warm wird.

Wir sehen uns am Abend dann eine Art Sportsendung an. „Wer ist der stärkste Mann?“ heißt die. Eine Reihe von Freizeit- und Profisportlern – und wohl auch „Profikörperkultisten“, so möchte ich sie mal nennen – treten gegeneinander in verschiedenen Disziplinen an. Die Disziplinen sind recht ausgewogen, es geht mal um Kraft, mal Technik, Ausdauer oder Geschicklichkeit. Wie es scheint, handelt es sich bei allen Teilnehmern um bekannte Gesichter aus der japanischen Sportpresse, und zum Teil auch aus dem Werbefernsehen, wie zum Beispiel ein gewisser Kane (engl. Lesung wie „Cain“) Kosugi, der hier in der Show einen weitaus weniger sympathischen Eindruck macht als in der lustigen Currywerbung, in der er auftritt. Ansonsten sind da ein Turner, ein Rugbyspieler, zwei Footballspieler, ein Baseballspieler (alle diese Leute sind Japaner), und als besondere Gäste sind unter anderem der amerikanische Kraftsportler Bob Sapp und der japanische Yokozuna Akebono Tarô dabei, der mit seinem Bart um den Mund und dem Ring am Öhrläppchen so richtig normal aussieht. Abgesehen davon, dass er 203 cm groß ist und 200 kg wiegt. Man sieht ihm die Größe wegen seiner Breite nur nicht so an. Von Bob Sapp hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie gehört, bevor ich nach Japan gekommen bin. Hier ist er im öffentlichen Bewusstsein allgegenwärtig, als Werbeträger auf Plakaten, im Fernsehen, in den Kaufhäusern und so weiter. Es handelt sich dabei um einen riesigen Afroamerikaner von zwei Metern Größe und 170 kg reiner Muskelmasse.

Zu den Disziplinen: Da wäre zum Beispiel eine Disziplin mit der Bezeichnung „Gallon Throw“. Wer an der Reihe ist, nimmt ein mit Haltegriffen versehenes kleines Fass von 10 kg Masse aus der Halterung und nimmt Ausgangsposition ein, mit dem Rücken zu einer aufgestellten Wand. Ziel des Spiels ist, das Fass mit beiden Händen über den Kopf hinweg über diese Wand hinter sich zu schleudern. Das Spiel beginnt bei fünf Metern und die Höhe steigert sich in jedem Durchgang um 25 cm. Der Rugbyspieler gewinnt schließlich mit einer Wurfhöhe von 5,75 Metern. Akebono nimmt ebenfalls daran teil. Bob Sapp scheint sich hier zurückzuhalten.[2]

Als kleines Intermezzo werfen auch ein paar andere Gäste. Es handelt sich bei diesen um eine Handvoll Sportler, die offenbar alle irgendwann eine Goldmedaille im Hammerwerfen gewonnen haben. Es treten an (ich habe die Namen nicht alle notiert) ein Amerikaner, ein Weißrusse, ein Slowene, ein Ungar, ein Japaner und ein Russe namens Ilya Konowarow (das zumindest entnehme ich der jap. Schreibung seines Namens auf dem Bildschirm), der aussieht wie eine „Power-Version“ von Volker Greimann – in erster Linie wegen der Frisur und der Brille, aber auch die Gesichtskonturen finde ich sehr ähnlich. Leider sehe ich mich nicht in der Lage, ein Bild aufzutreiben, das diese Aussage auch untermauern könnte. Aber gut – die Jungs hier fangen bei sechs Metern Höhe überhaupt erst an und steigern in Schritten von 50 cm.
Der Japaner gewinnt den Durchgang mit 7,50 m, aber er will den Vorjahresrekord des Amerikaners (7,75 cm) schlagen und lässt 7,80 m einstellen. Er schafft sie und steigert auf acht Meter. Auch die schafft er. Und er ist klug genug, an dieser Stelle aufzuhören.

Bob Sapp nimmt an einer Disziplin teil, die „Spin Off“ heißt. Das Spielfeld ist etwa 5 x 5 Meter groß und in zwei Dreiecke aufgeteilt, eine rote und eine blaue Hälfte. In der Mitte liegt eine Kugel von 1,50 Meter Durchmesser, aus einer Art Plastik, mit einem Gewicht von einem Zentner. Aufgabe ist nun, die Kugel aus der Spielfeldhälfte des Gegners herauszurollen, also von der Matte herunter. Das Los entscheidet, wer gegen wen antritt, und es stellt sich heraus, dass „sugoi“ („super“, „toll“) offenbar das einzige Wort ist, das der gute Bob auf Japanisch beherrscht. Er zieht die Nummer „9“ und eine Stimme hinter der Kamera sagt „kyû“, was er dann wiederholt.
Wie ich bereits sagte, ist Bob Sapp ein reiner Muskelberg von zwei Metern Höhe und einem Kampfgewicht von 170 kg. Ein ehemaliger Footballspieler, wie er angibt. Der ihm zugeteilte Gegner ist, äh, 165 cm groß und 68 kg schwer. Es ist nicht schwer zu raten, wer diesen Zweikampf gewinnt… Sapp gewinnt überdies die Disziplin als Ganzes, und nur der schmale, aber blitzschnelle Turner hätte ihn beinahe den Sieg gekostet.

Ansonsten gibt es u.a. Bockspringen, ab 150 cm bis auf drei Meter Höhe, was natürlich allein der leichte Turner schafft, während sich die Footballspieler als zu schwer erweisen, um sich in solche Höhen zu schwingen.
Das LKW-Ziehen gewinnt der Footballspieler Kawaguchi, der ein bisschen aussieht, als sei er der ältere Bruder des Autors Mishima Yukio. Der zweite Footballspieler unter den Teilnehmern, Satomi Kôhei, kommt übrigens aus dem gleichen Team wie Kawaguchi, ist aber ein oder zwei Jahre jünger. Kôhei ist also ein Kôhai. Das kann als „Japanologenwitz“ durchgehen.
Der jüngere Footballspieler ist dann derjenige, der den „Flag Catcher“ Wettbewerb gewinnt. Man legt sich flach bäuchlings auf den Boden, Blick weg vom Ziel, springt auf Signal auf, sprintet zehn Meter, stürzt sich in eine Grube voll mit Styroporflocken und „reißt“ eine der angebrachten Fahnen an sich. Es ist immer eine Flagge weniger als Sportler vorhanden sind, bis nur noch einer übrigbleibt. Wieder scheitert der Turner erst in einer Finalausscheidung.

Satomi gewinnt auch den „Gunshot Drop“. Der Bewerber rennt los, etwa zwei Meter weiter befindet sich am Rand der Sprintstrecke eine Apparatur, wo man im Vorbeirennen auf einen Schalter schlagen muss. Dieser Schalter löst einen Mechanismus an der Decke der Halle aus, der einen Ball senkrecht nach unten fallen lässt und Ziel der Sache ist es, den Ball zu berühren, bevor er auf die Matte aufschlägt. Start ist bei einer Strecke von zwölf Metern, und bei 13 m bleibt nur noch Satomi übrig – was mich ein wenig wundert, weil er ja ein recht massiger Footballspieler ist. Hier hätte ich erwartet, dass der windschnittige Turner gewinnt.

Interessant ist auch der Wettkampf, in dem zwei der Sportler, deren Gewicht möglichst übereinstimmen muss, mit einem flexiblen Seil verbunden sind und in entgegengesetzten Richtungen loslaufen, um am Ende ihrer Laufmatten den „Siegerschalter“ zu drücken. Die maximale Dehnbarkeit des Seils ist natürlich an einem Punkt erschöpft, wo man mit ausgestrecktem Arm noch etwa 50 cm bis zum Schalter hat. Man muss also schnell laufen und sich im richtigen Moment hinwerfen, um Halt auf der Matte zu erhalten, sonst wird man vom Gegner umgerissen und verliert. Landen beide gleichzeitig, kommt es darauf an, wer mehr Ausdauer dafür aufbringt, sich langsam vorwärts zu arbeiten und den entsprechenden Versuchen des Gegners entgegenzuwirken. Wenn man den Arm zu kühn ausstreckt, kann es ebenfalls sein, dass man vom Gegner umgerissen wird. Hier gewinnt Kawaguchi. Zum ersten Mal in der Geschichte dieser Sendung, wie es heißt, an der er offenbar schon mehrfach teilgenommen hat.

Sehr interessant eigentlich. Es würde mir durchaus Spaß machen, die eine oder andere Disziplin selbst einmal auszuprobieren.


[1] Kartoffeln („Solanum tuberosum“) und so genannte Süßkartoffeln („Ipomoea batatas“) sind auch nur entfernt verwandte Gewächse, aus der Ordnung der Nachtschattenartigen.

[2]   In einer kurzen Einblendung zu Beginn einer Werbepause sieht man Bob Sapp das Fass werfen: Es fliegt auf auf und davon, weit über das Gestell hinaus. Vielleicht hat man Bob nicht teilnehmen lassen, um für mehr Spannung zu sorgen.