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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

26. Januar 2024

Montag, 26.01.2004 – Eine Unachtsamkeit

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Der heutige Tag bringt uns eine Ladung Schnee ins Haus. Nach Hirosaki, heißt das, also nicht wörtlich nehmen bitte. Binnen kurzer Zeit fallen dreißig Zentimeter Neuschnee, bevor eine Pause eintritt. Trotzdem fahren auch weiterhin einige Irre mit dem Rad in der Gegend herum, darunter Misi und SangSu. Ich frage mich, was Misi beim Radfahren so treibt, er sieht bei seiner Ankunft im Center immer aus, als sei er 10 km gerannt, und nicht nur knappe zwei Kilometer mit dem Rad gefahren. SangSu sieht auch nie so mitgenommen aus.

Yamazaki-sensei kündigt an, die A3-Klausur über alles schreiben zu lassen, was bisher behandelt wurde. Alle Vokabeln, alle Satzstrukturen, alle Kanji. Das kann ja heiter werden. Ich hätte lieber zwei kurze Arbeiten geschrieben, statt einer großen. Dann habe ich ja noch ein paar Tage Zeit, das alles zu wiederholen.

Ich gehe in die Bibliothek, wo mir Kazu über den Weg läuft. Sie bittet mich, ihr bei kleineren grammatikalischen Problemen zu helfen, die sie mit dem Deutschunterricht hat. Natürlich machen ihr die Artikel zu schaffen. Wer ist auch auf die glorreiche Idee gekommen, im Deutschen männliche, weibliche und neutrale Artikel einzuführen?

Ich gehe im Anschluss zur Post, um ein paar verkaufte Bücher zu verschicken und überprüfe meinen Kontostand bei der hiesigen Postbank. Der Betrag für das Gas ist wie gewünscht abgebucht worden, und der Strom wird noch dazu kommen. Ich sollte also jeden Monat etwa 12000 Yen einzahlen, um meine laufenden Kosten bestreiten zu können. 8000 Yen davon entfallen auf das Gas. Das scheint viel zu sein, aber wir „arbeiten“ auch zu zweit daran, während die Studentin, die vorher in unserem Apartment gewohnt hat, alleine eine Rechnung von 7000 pro Monat auf die Beine gestellt hat – möglicherweise hatte sie den Boiler immer auf „Standby“, also die kleine Flamme immer an. Also will ich mich nicht beschweren. Außer über den Umstand, dass es vermutlich billiger wäre, das Wasser mit Strom zu heizen, anstatt mit Gas.

Zurück in der Bibliothek beginne ich, Quellen für meine Hausarbeit zu sammeln und frage mich, wie ich 15 Seiten voll bekommen soll. Oh, natürlich mag Frau Prof. Gössmann da einwenden, dass ich damit wohl kein Problem haben dürfte, aber für die Hausarbeit über Ôe Kenzaburô hatte ich ein mehr oder minder konkretes Konzept im Hinterkopf. Das Konzept fehlt mir für die Arbeit, die Vesterhoven haben möchte, derzeit völlig. Ich beschließe, erst einmal die Arbeit zu erledigen, die schnell von der Hand geht – die Hausarbeit über Buddhismus für Prof. Phillips. Ich habe mir so viele Gedanken über das seltsame Zeug gemacht, dass man daraus doch bestimmt eine Hausarbeit basteln kann, vor allem, weil diese Hausarbeit auch nicht schrecklich lang sein muss. Aber wie üblich bin ich nicht davon überzeugt, dass mein Schreibstil mir sehr viele Freunde auf der akademischen Schiene machen wird, zumal ich hier ein Essay nach angloamerikanischem Muster schreiben muss. Ich hatte für formalisiertes Schreiben noch nie viel übrig.

Am Abend hat Melanie eine Überraschung parat, die niemandem in der gleichen Situation sonderlich schmecken würde. Sie vermeidet den Kontakt mit ihrem Mentor gerne, weil sie gezwungen ist, mit diesem über kompliziertere Angelegenheiten als den täglichen Speiseplan oder Grammatik auf Japanisch zu sprechen. Einen deutsch sprechenden Mentor zu haben (wie ich), macht das Leben leichter. Melanie hat es gegen meinen Rat, sich frühzeitig um Informationen über die Zuschussgelder zu bemühen, unterlassen, sich deswegen mit „ihrem“ Professor zusammenzusetzen. Ich habe am Morgen bereits die Mitteilung über das Auslaufen der Meldefrist in meinem Postfach im Sekretariat gefunden, nachdem ich einige Zeit, eigentlich seit dem 22.12., nicht mehr hineingesehen hatte. Die Meldefrist ist am 21.01. ausgelaufen. In meinem Fall ging es bei dem Zuschuss um knapp 5000 Yen, aber Melanie hat ein höherwertiges Stipendium. Ihre Versäumnis könnte sie 13000 Yen kosten – etwa 85 E, wenn der Professor nicht ein paar Augen zudrückt. Weitere Kommentare sind überflüssig. Aber ich habe ja selbst erst im letzten Moment die Kurve gekriegt, worüber mich also aufregen?

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