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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

8. Januar 2024

Donnerstag, 08.01.2004 – Der Ofen ist aus

Filed under: Japan,Manga/Anime,My Life — 42317 @ 7:00

Und wieder hat es über Nacht geschneit. Und es schneit am Morgen auch gleich weiter. Die Sichtweite beträgt, großzügig geschätzt, etwa 100 Meter. Ich schreibe heute zwei Berichte, weil am 14. und 15. Dezember nicht schrecklich viel los war, und die Einträge für den 16. und 17. Dezember dürften, wenn überhaupt, nicht viel länger werden. Ich gehe auch noch mal ins Center, um die Umschläge der Bücher einzuscannen, die ich verkaufen will. Darunter befindet sich ein Dôjinshi der Animeserie „Tsukihime“, mit dem eindeutig deutschen Titel „Freude“. Auf dem Cover werden ein paar Zeilen aus der „Ode an die Freude“ zitiert. Allein deswegen habe ich den Band gekauft. Erst nachher war mir klar geworden, dass das eine Dummheit gewesen sein dürfte, weil in Deutschland niemand jemals etwas von Tsukihime gehört haben dürfte. Ich hatte es auch nicht, bis ich im „Mandarake“ in Tokyo ein Poster zu Gesicht bekommen hatte, vor drei Wochen etwa. Das mir natürlich nichts über den Inhalt verraten hat. Aber die deutsche Aufschrift auf dem Cover war eben auffällig, und das Cover sah auch sehr dezent aus. Der Inhalt war weniger dezent und sah aus, als würde es sich um eine Reihe von Bleistiftskizzen handeln. Also weg damit… Aber die „Ode an die Freude“ auf einem Hentai Manga anzubringen empfinde sogar ich als pure Blasphemie.

Misi ist natürlich auch an diesem Tag nicht weit und erkundigt sich bei mir, wie E-Bay denn so funktioniere. Ich erkläre es ihm und er ist interessiert. Er sagt, dass es jedoch keine ungarische „Abteilung“ von E-Bay gebe, und ich habe keine Ahnung, wie man es in diesem Fall anstellt, irgendetwas per E-Bay nach Ungarn zu verkaufen. Erst einige Stunden später komme ich auf den Gedanken, dass er ja mit E-Bay.com international handeln kann. Es ist ja vollkommen egal, wohin man sein Zeug verkauft, Hauptsache, man verdient Geld damit und gerät nicht aufgrund von irgendwelchen Zollgesetzen in Schwierigkeiten. Ich glaube auch, dass man zumindest als Verkäufer kein Plastikgeld haben muss. Ich werde das auch im eigenen Interesse mal prüfen.

Zurück in der Bibliothek meldet mir das System, dass ich noch 82 Seiten Papier ausdrucken könne und dass mein Nutzerprofil mit 1,28 Gigabyte zu groß sei – ich solle mich bitte auf 300 MB beschränken. Ja, das ist kein Problem, ich kann meine Musik auch von der CD runter anhören. Also lösche ich die Musik und lande so bei knapp 100 MB, was eigentlich nur meine Worddateien und der WinAmp Player ist, hinzu kommen noch ein paar Bilder, aber das ist alles.

Während des ganzen Tages schneit es munter weiter, bis auf ein paar wenige Momente, in denen die Wolken offenbar kurz Luft holen, bevor sie die nächste kalte Ladung rauspusten. Bis zum Abend liegen 20 cm Neuschnee in der Landschaft herum. Melanie freut sich natürlich über den Schnee, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er den Weg nach und von zu Hause gefährlich macht. Auf der Hauptstraße hat sich ein Eispanzer von 2 cm Dicke gebildet, knochenharter, festgefahrener und spiegelglatter Schnee.

Am Abend sehen wir uns eine weitere der in diesen Tagen startenden Serien an. Hier geht es um eine junge und natürlich reichlich unkonventionelle Anwältin, die von den Ryûkyû Inseln (Okinawa und dergleichen) nach Tokyo kommt, um das Erbe ihres Vaters anzutreten. Hm, aber was heißt jung… dem Aussehen nach zu urteilen dürfte die gute Frau schon ein Stück über Dreißig sein, und wenn sie dem japanischen Durchschnitt folgt, dann ist sie noch einmal knapp zehn Jahre älter als sie aussieht.[1] Eine der Hauptrollen ist ein Richter, der wohl ein Freund ihres Vaters war. Itô Shirô heißt der Schauspieler, und er hat bereits in der Serie „Taiho shichau zo!“ („You’re under Arrest“) den Chef des Polizeireviers Bokutô gespielt. Wie es scheint, ist seine Rolle hier ganz ähnlich, vielleicht ein bisschen weniger trottelig. Ich werde die Serie weiterhin ansehen. Sie scheint nicht schlecht zu sein, und etwas juristisches Vokabular kann ja nicht schaden. Wenn jemand einer Brutalität meinerseits zum „Higaisha“[2] fällt, dann bin ich ein „Hannin[3]. Wenn ich mich erwischen lasse, brauche ich einen „Bengoshi[4], der aber nicht viel machen kann, wenn es einen „Shônin“[5] gibt.

Kurz nach zehn kommt SangSu vorbei und teilt uns mit, dass es wegen Jûs Umzug eine kleine Feier geben werde. Ah ja, Jû verlässt uns hier ebenfalls in den Shimoda Heights II und zieht in ein kleineres (und daher billigeres) Apartment in den Shimoda Heights I, wo ja auch Misi, Paula, Irena, Valerie, Mei und BiRei wohnen. So sei es denn. Allerdings habe ich bei dem mehr oder minder chaotischen Wortschwall, den SangSu da ablässt, den Verdacht, dass er uns gleich bitten möchte, diese Feierlichkeit bei uns abhalten zu können. Warum auch immer, aber Melanie vermutet das gleiche, bis er dann damit rausrückt, dass die Party bei ihm stattfinden wird. Seine seltsame Argumentation kommt daher, dass er der Meinung ist, dass es bei ihm zu kalt sein dürfte, weil seine Heizung nicht funktioniere. Sie gehe aus und an, wie es dem Gerät beliebe.

Ich sehe mir den Ofen an, und Melanie begleitet uns. Es handelt sich um das gleiche Modell wie unserer, und stelle zuerst fest, dass das Ding auf Styroporblocks gelagert ist. Das heißt, dass bei der leisesten Bewegung sofort der Erdbebenfühler des Geräts reagiert und den Ofen abschaltet. Aber man kann den Ofen auch nicht einfach von den Blöcken herunterheben, weil das Verbindungsrohr, das die Abgase vom Ofen in den Kamin führt, dann nicht lang genug ist! Welcher Idiot hat denn das verbrochen? Des weiteren ist das Thermometer des Ofens kaputt. Es zeigt eine konstante Temperatur von 9 Grad Celsius an, auch als der Raum bereits auf schätzungsweise 25 Grad aufgewärmt ist. Man muss den Ofen also manuell bedienen. „Dauerheizen“ drücken, bis es warm genug ist und abschalten, bis es wieder kühl wird.

Und weil SangSu ein unterhaltsamer (und wohl anhänglicher) Mensch ist, zeigt er uns noch eine Reihe von zum Teil eingescannten Familien- und Privatfotos seit Anfang der Achtziger Jahre, inklusive der Fotos, die er während seines Wehrdienstes gemacht hat. Gegen Mitternacht treibt es mich dann allerdings doch so langsam ins Bett und wir verabschieden uns. Bevor ich allerdings in sanften Schlummer versinken kann, muss ich noch meine Kanjiliste für den nächsten Test fertig schreiben.


[1]            Die Darstellerin Takashima Reiko ist Jahrgang 1964, also 40 Jahre alt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung.

[2]            Opfer

[3]            Täter

[4]            Verteidiger

[5]            Zeugen

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