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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

17. April 2024

Samstag, 17.04.2004 – GTD II / Great Teacher Dominik, die Zweite

Filed under: Arbeitswelt,Japan,My Life,Zeitgeschehen — 42317 @ 7:00

Ich stehe um 09:00 auf. Der Tag ist sonnig, aber kühl. Ich setze mich in die Bibliothek und beginne mit meiner Post. Da kommt auch was Interessantes geflogen: Mein alter Kamerad Ritter wird demnächst mit seiner Ausbildung für den gehobenen Polizeidienst im Lande Rheinland-Pfalz beginnen. Das ist doch was!

Ah, und ich bin wieder mal spät dran… ich gratuliere Kai und Frank drei, bzw. zwei Tage verspätet zum Geburtstag. Und ich kann endlich den dritten Zug des Stadtkampfes beenden. Allerdings schreibt Frank auch, dass er bis Donnerstag keine Zeit haben wird. Dann warte ich eben. Ich habe ja auch genug zu tun, um mich nicht zu langweilen. Aber wahrscheinlich wird er dafür besser bezahlt.

Und auch Ritter bekommt Appetit auf Combat Mission… sehr schön. Eine Vergrößerung der Gemeinde ist mir immer Recht. Allerdings mache ich mir angesichts seines Ausbildungsbeginns keine Hoffnungen auf ein Spiel in absehbarer Zeit, auch wenn mir die Idee gefallen würde, gegen einen Feldwebel zu spielen. Außerdem liegt mein Hauptinteresse derzeit bei Kampfberichten, und außer Frank kommt derzeit nur Misi in Frage. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie begeistert Karl von der Idee wäre, einen Bericht in englischer Sprache zu schreiben. Ausführliche Berichte liegen ihm im Blut, habe ich das Gefühl, aber ob er sich die Mühe auf Englisch machen will, ist eine andere Frage. Ich klammere ihn vorerst aus. Die beiden Michaels (Harz und Ritter) sind des Englischen zwar ebenfalls mächtig, aber alles andere als passionierte Schreiber. Die halten sich beide am liebsten kurz. Ich erinnere mich, dass der Herr Harz auf eine Anfrage von mir hin mal einen Bericht über ein Gefecht von dreißig Spielzügen gegen Karl in fünf Zeilen untergebracht hat… das war etwa so befriedigend wie Nudeln ohne Salz und Käse.

Um 11:48 kommt Misi zu mir und fragt mich, ob ich bereit wäre, den Englischunterricht im „York Culture Center“ noch einmal zu übernehmen. Ihm sei heute nicht danach, er hasse den Job sowieso, und Alex sei nicht da. Wie, heute? Ja, heute, um 13 Uhr. Also… jetzt!? In etwas mehr als einer Stunde, und ohne Lehrbuch, weil sie damit fertig seien. Aus dem Stegreif… ja, aber sicher doch! Ich kann die 2000 Yen gebrauchen, außerdem gefällt mir diese Art von Arbeit. Ich suche mir zwei Berichte aus der „Japan Times“ aus und lege mir damit mein wenn auch mageres Konzept zurecht. Ich sehe also zu, dass ich mit meinem Schreibkram fertig werde und fahre um 12:35 ins Ito Yôkadô.
Die Übernahme ist kein Problem und „meine“ Kursteilnehmer sind recht überrascht, mich noch einmal hier anzutreffen. Nachdem alle eingetroffen sind (vier Leute wie beim letzten Mal), erläutere ich, warum ich hier bin und warum die heutigen Inhalte etwas provisorisch erscheinen könnten. Natürlich habe ich mich bei der Auswahl von meinen persönlichen Interessen leiten lassen, aber ich musste ja auch Themen verwenden, von denen ich Ahnung habe. Ich kündige also eine freie Diskussion an.

Erstes Thema: Die umstrittenen Sahalin Inseln.
Sahalin interessiert hier im Raum niemanden, keiner braucht diese Inseln nördlich von Hokkaidô, wo es außer Fisch nichts zu geben scheint; außer konservativen Politikern scheint es niemanden zu geben, den Sahalin interessiert. Bis auf Ozaki-san, den Herrn um die sechzig. Er sagt, dass Sahalin sehr wohl an Japan zurückgegeben werden sollte und er nennt auch einen pragmatischen Grund, der mit Patriotismus, mit japanischem „Blut und Boden“, direkt nichts zu tun hat: Da oben gibt es nicht nur Fisch, sondern, wie er sagt, auch Erdgasvorkommen in einem bisher nicht näher bekannten Ausmaß. Aha, so läuft der Hase! Natürlich gibt es Leute, die eben wegen der Erdgasvorkommen auch auf Erdöl hoffen, das Japan unabhängiger von Importen machen würde.

Zweites Thema: Mülltrennungsvorschriften im Vergleich
Im Großen und Ganzen halte ich an dieser Stelle einen Monolog über die Unterschiede des japanischen Recyclingsystems zum deutschen, aber ich komme zu keinem Ergebnis, welches ich für besser halten würde, da ich die Hintergedanken der jeweiligen Entwickler nicht kenne. Außerdem nutze ich die Gelegenheit, mich über die Schrottkarren im Naturschutzgebiet auszulassen.

Drittes Thema: Die japanischen Jieitai[1] im Irak
Natürlich sind sich alle einig, dass der Irak ein gefährliches Pflaster ist und dass die Familien zuhause mit Recht um das Leben ihrer Angehörigen in Uniform bangen, aber ebenso herrscht darüber Einigkeit, dass der Einsatz auf lange Sicht einen positiven Effekt haben wird. Neben wirtschaftlichen Vorteilen, die sich aus dem Aufbau des Irak ergeben, wird auch das Prestige Japans steigen, dass mit seiner Bautruppe die Lebensverhältnisse im Irak verbessern hilft und keine Besatzungs- oder Sicherungstruppe ist. Allerdings habe ich auch den Eindruck, dass die Tatsache, dass man japanische Leben für irakische Leben riskiert, eine bittere Pille ist, die man aber in die Backentasche schiebt, um sie nicht schlucken zu müssen. Natürlich ist derlei Denken nur menschlich.
Danach kehre ich mit trockener Kehle in die Bibliothek zurück und schreibe den Bericht zum 10. April.

Im Animetric Forum erhalten wir derzeit „Liveberichte“ aus Litauen, wo wohl eine Art Bandenkrieg tobt. Da hat wohl eine Gruppe ethnischer Russen (klassisch in Trainingsanzügen) einen litauischen Metalfan (lange Haare, Nietenleder-Outfit) ins Krankenhaus geprügelt, worauf sich die langhaarigen Metalfans mit kahlköpfigen Skinheads verbündet haben (!), um sich bei den Russen „Respekt“ zu verschaffen. Die Skinheads (40 Mann) haben daraufhin (angeblich ohne Beteiligung der Metalfans) acht von den Russen in die Mangel genommen, und auf der Straße geht das Gerücht, dass einer davon tot sei. „Wir kämpfen hier ums Überleben!“ sagt Cabala, der Autor, „Wenn wir ihnen nicht die Faust zeigen, werden uns die Russen weiter angreifen!“
Ich frage mich, ob wir auf der Linie Königsberg, Brest-Litowsk und weiter nach Süden nicht vielleicht eine Mauer hochziehen sollten…

Um 17:00 gehe ich mit Melanie in den Park, weil heute das Kirschblütenfest beginnt. Mit dabei sind außerdem SangSu, Jû und Mélanie. Die Lufttemperatur beträgt acht Grad und fallend, weil die Sonne in wenigen Stunden untergehen wird, und wenn man normale Kleidung ohne Jacke trägt, ist das ziemlich kühl. SangSu überlässt Mélanie daher seine Jacke. Er scheint härter im Nehmen als er aussieht. Wir fahren auch am Tempel vorbei, der auf dem Weg liegt, weil Jû noch nie dort war und es da auch ein paar schöne Motive für die Kamera gibt. Die Kirschblüten sind noch nicht alle aufgesprungen, das könnte noch ein oder zwei Tage dauern, aber die meisten strahlen uns bereits von den Bäumen entgegen.

SangSu, Melanie, Mélanie, Dominik, Jû hinter der Kamera

Wir treffen im Park auch Masako, eigentlich genau richtig, weil ich ihre Mailadresse überprüfen will. Da sie mit der Uni fertig ist, hat ihre Uni-Mail-Adresse ihre Gültigkeit wohl verloren und ich brauche eine neue, um Kontakt halten zu können.
Der Park ist gut besucht und einige Leute sind schon schwer am Feiern. Ein paar junge Leute sprechen dem Sake kräftig zu und spielen Jan-Ken-Pon; der Verlierer muss ein Kleidungsstück ablegen. Vielleicht sollte ich statt „Leute“ besser „Männer“ sagen, da sich ihre Freundinnen (leider) nicht beteiligen und nur amüsiert zusehen, wie sich ihre Begleiter öffentlich zum Affen machen und sich in Gefahr begeben, sich edle Körperteile abzufrieren. Einer steht schon in Shorts da.

Als wir wieder gehen, schlage ich vor, ins „SkattLand“ was essen zu gehen, aber mein Vorschlag scheitert an finanziellen Bedenken. Jû sagt, er sei diesen Monat bereits ziemlich pleite, und Mélanie hat keine Jacke dabei, da sie die geliehene ja eher früher als später zurückgeben muss. Auf dem Weg nach Hause verliere ich die anderen vier kurzzeitig aus den Augen, weil ich über eine Ampel fahre, die hinter mir rot wird und mich von der Truppe abschneidet. Ich finde mich allein und fahre schnellstens zu der roten Brücke, wo sie vorbeikommen müssen, wie ich vermute. Nach fünf Minuten allerdings kommt noch niemand, also muss ich annehmen, dass sie einen anderen Weg gefahren sind (was eigentlich eher unwahrscheinlich ist) oder dass sie bereits vor mir hier waren und bereits an der Hauptstraße sind. Ich fahre also dorthin und treffe dort sofort wieder auf meine „Reisegruppe“. Ich versuche nicht weiter, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen.

Wir verabreden, uns um acht Uhr bei SangSu zu treffen, um einen Film anzusehen, allerdings ohne Mélanie, die lieber nach Hause möchte. Und wenn wir schon mal da sind, werden wir von SangSu auch mit den Fotos beglückt, die er Anfang April in Korea auf Heimaturlaub gemacht hat. Außerdem zeigt er uns ein Video, dass ihn gewissermaßen als Moderator auf einer Werbeveranstaltung für Oberschüler seiner Universität zeigt. Das sei vor drei Jahren gewesen, sagt er. Er scheint über eine gewisse Prominenz zu verfügen… aber es ist ohne Zweifel festzustellen, dass er schon damals ein Clown war.


[1] Selbstverteidigungskräfte