Samstag, 18.10.2003 – Das Silber-Imperium schlägt zurück
Heute ist zwar Samstag, aber wir stehen dennoch um 07:00 auf, um – lang erwartet – die brandneue japanische „SailorMoon“ Realserie im Fernsehen zu sehen. Man verwechsle bitte diese Serie nicht mit dem peinlichen US-Produkt. Um 07:30 fängt die Show an, die Videokassette ist bereit. Und… wo fange ich an? Am besten mal da, wo das Wissen des „normalsterblichen“ Newsletter Empfängers aufhört, der nicht weiß, von was ich überhaupt rede. Wer mit dem Thema „SailorMoon“ nichts anfangen kann, weil er/sie noch davon gehört hat oder nie ein paar Episoden gesehen hat, darf mich gerne fragen, was es damit auf sich hat. Ich möchte in meinem Newsletter nicht den Platz mit einem „SailorMoon Guide“ füllen, also bitte ich Interessierte, mich einfach nach Unklarheiten zu fragen. Vielen Dank.
Wir haben die ersten beiden Episoden verpasst, weil in dem Werbeblatt zu lesen war, dass die Serie auf TBS/CBC laufen würde, und den Sender kriegen wir nicht rein. Dann haben wir eine Programmzeitschrift gekauft, die uns verriet, dass wir die Serie auch über das regionale Fernsehen sehen können.
Danach also Spannung bis zum Trommelwirbel:
Der Introsong ist ganz neu, also kein „Moonlight Densetsu“ Klon. Als nächstes ist auffällig, dass man die Computer-Animationstechnik nicht so weit ausnutzt, wie man das könnte (siehe zum Beispiel „Dr. Doolittle“), auch unter schmalen finanziellen Bedingungen. Ja, es ist eine Realserie, aber man hat keine „echte“ Luna (so der Name der Katze der Protagonistin) genommen, der man einfach einen Mond auf den Schädel hätte rasieren (geht nach japanischen Tierschutzgesetzen bestimmt) und nur einen beweglichen Mund hätte programmieren müssen. Nichts dergleichen! Die Katze Luna ist ein Plüschtier (!) (das man übrigens für 1980 Yen im Spielwarenhandel kaufen kann). Wenn Luna sitzt oder steht, wird sie mit einer Hand (!) bewegt, der Katzenbändiger ist dabei natürlich unsichtbar hinter dem Sessel oder unter dem Tisch versteckt, aber dennoch wie im Kasperletheater, damit sie etwas wackelt, wenn sie redet. Wenn sie geht, sind ihre Bewegungen so fließend, dass man sofort sieht, dass es eine Animation der gescannten Plüschkatze ist. Man erkennt sogar die Streifen ihrer Oberfläche. Ein echt positiver Punkt ist allerdings, dass die Stimme des Plüschtiers die gleiche ist, wie anno 1989 in der Animeserie: Han Keiko.
Die Verwandlungen der Senshi sind weniger dramatisch (und auch weniger sexy, wenn ich das bemerken darf) als im Anime, es wird sich weniger gedreht und verrenkt und die Mädchen haben nie weniger an, als das Badeanzug-ähnliche Untergewand des Sailor-Outfits. An dieser Stelle kann ich darauf zu sprechen kommen, dass die Verwandlungen erstmals „echte“ Verwandlungen sind. In „Zivil“ sehen die Mädchen aus wie normale (wenn auch überaus gut aussehende) junge Japanerinnen, und erst durch die Verwandlung tritt die Veränderung der Haarfarben auf. Man erkennt sie also wirklich schwerer, das ist ein Vorteil gegenüber der Animeserie.
Das Zubehör der Senshi wurde zeitgemäß modernisiert. Die Mädchen haben inzwischen Keitai (Handys), natürlich mit Kamera. Wenn sie mit dieser Kamera Bilder von Kleidung machen, können sie sich das gewünschte Outfit an den Leib zaubern. Das können offenbar alle, nicht nur Usagi. Das Artefakt, mit dem sie sich in Senshi verwandeln, scheint mittlerweile auch kein langweiliger Füller mehr zu sein, sondern die Armbändchen, die sie tragen. Zumindest war dies mein Eindruck. Und Ami benutzt einen Laptop neuerer Bauart, aber ich konnte noch nicht ausmachen, ob es sich um PC oder Mac handelt, aber ich halte Apple für wahrscheinlicher.
Die Senshi scheinen neuerdings auch allesamt Nahkämpfer zu sein, vielleicht nicht Merkur, aber Mond auf jeden Fall. Zum Weglachen! Zum Teil Zeitlupenkämpfe wie beim „6-Millionen-Dollar-Mann“. Und die Yôma (die feindlichen Dämonen) sind natürlich das Allerbeste. Die Schauspieler tragen abgedrehte Kostüme und geben nur unartikulierte Laute von sich. Die Yôma im Anime konnten immerhin ihre Namen sagen. Und: Ohne Pantyshots (mehr oder minder kurze, beabsichtigt zufällige Aufnahmen von weißer Unterwäsche) läuft hier gar nichts. Die akrobatischen Nahkämpfe fordern das geradezu heraus, und an entsprechenden Gelegenheiten herrscht kein Mangel. (Es ist allerdings keine echte Unterwäsche, sondern eben der untere Teil der bereits erwähnten Badeanzug-artigen Basiskleidung.) Aber das Ausnutzen der Gelegenheiten macht weniger Spaß als im Anime. Vielleicht werde ich auch zu alt dafür.
Und dann: Tuxedo Mask. Er sieht lustig aus, der Japaner im Smoking. Oh, und er wirft nicht mit Rosen. Vielleicht war das der Regie doch zu gewagt (man beachte den Schwerpunkt eines solchen Objektes, wenn es sich mit der Stielseite in den Boden bohren soll). Er wirft also mit seinem Stock. Und er erscheint auch nicht auf Laternenpfählen oder Hochhäusern oder großen Fensterbrettern, sondern er steht, wie andere Leute auch, auf dem Boden. Und wenn er wieder verschwindet, springt er nicht in Sätzen von 100 Metern davon, sondern er geht von dannen. Zu Fuß. Es ist kaum zu glauben. Ich amüsiere mich königlich.
Königin Beryll ist eine Dame im besten Alter in einem theatralischen Kostüm (mit einem wirklich auffälligen Dekolleté), mit laaaangen Fingernägeln und feuerroten Locken. Jedyte ist natürlich blond, mit leichten Locken, und ein richtiges Milchgesicht. Und natürlich sieht er (für mein Empfinden zumindest) reichlich androgyn aus. Nephlyte sieht neben ihm wie ein Motorradrocker aus. Aber der kommt erst später. Die beiden sehen nicht sonderlich älter als nach 18 oder 20 Jahren aus.
Noch was zu den Hauptrollen. Bisher sind erschienen Usagi, Ami und Rei. SailorV ist zweimal, von Luna verfolgt, durchs Bild gelaufen (Anime-style, mit seitlich abgespreizten Armen, sieht total lächerlich aus). Ich möchte mir das Urteil erlauben, dass die Darstellerinnen sich aber Mühe geben, und was die Darstellung der Charaktere betrifft, machen sie ihre Sache wirklich gut. Die Unterschiede im Gemüt der einzelnen Senshi kommen (bisher zumindest) schön zur Geltung, also Amis Zurückhaltung, Reis Temperament und Würde, und – natürlich – Usagis sonnige Lebenseinstellung. Sie könnte Werbung für Zahnpasta machen. Auf die anderen beiden bin ich gespannt.
Vor allem möchte ich wissen, wie viele Episoden es geben wird. Sollten es 52 sein, kann ich nicht alles sehen und aufnehmen, und wenn es 26 sind, bin ich neugierig, wie weit die Geschichte gehen wird, wenn Nephlyte bereits in Episode 4 auftritt. Ich wage nicht auf das Glück zu hoffen, die Outer Senshi, insbesondere Haruka und Michiru, zu erleben. Auf die Haruka wäre ich sehr gespannt. Oh, und natürlich auf ChibiUsa.
Mein Eindruck bisher: Die Serie ist, wie gehabt, für unkritische kleine Mädchen und für knochenharte SailorMoon-Fans geeignet. Man muss ein echter Fan sein, um an dieser Realserie Spaß zu haben, wenn man älter als zwölf Jahre alt ist (und ich bin ein echter Fan). Alternativ dazu kann man natürlich auch erwachsen sein und einfach nur Freude an hübschen Mädchen haben, zusammen mit der Fähigkeit, alles andere ignorieren zu können.
Ich nehme die Serie auf, aber ich bezweifle, dass ich die Tapes vervielfältigen kann, weil mein Videogerät zuhause in Deutschland kein NTSC aufnehmen kann. Ich kann nur abspielen. Wenn sich eine Möglichkeit findet (z.B. Digitalisierung), bin ich gerne bereit, Kopien zu machen. Aber das Internet ist ja groß und weit…
Ich empfehle jedem SailorMoon Fanclub, Vorführungen zur Aufnahmeprüfung zu machen. Wer nicht nach 15 Minuten schreiend davonläuft oder mit inneren Blutungen vom Stuhl fällt, ist ein wahrer Fan und hat sich den Zugang zu den inneren Kreisen der Gemeinde verdient. 😉 Ich werde jedenfalls weiterhin am Samstagmorgen aufstehen und einschalten. Yay!
An dieser Stelle muss ich mich wirklich und zum wiederholten Male fragen, warum die Produzenten japanischer Realserien nicht die aktuellen technischen Möglichkeiten ausnutzen? Es muss ja nicht der letzte Schrei sein, das kostet schließlich auch entsprechend Geld, aber mit dem technischen Stand vom, sagen wir, Ende der Neunziger Jahre könnte man sich doch relativ günstig ausrüsten, oder etwa nicht? Die Spezialeffekte in „Knight Rider“ waren ja zum Teil besser, als das, was mir in aktuellen Serien in Japan geboten wird. Will das japanische Publikum (so jung es vielleicht in bestimmten Fällen sein mag) das so sehen, wie es gezeigt wird? Oder wird hier vorgeführt, dass niemand nach Verbesserungen verlangt, um keinem der Verantwortlichen zu nahe zu treten? Und diese Verantwortlichen halten die Technik offenbar billigst, um möglichst viel Geld aus der Sache zu holen. Ich muss mich weiter bemühen, das zu verstehen.
Wie auch immer. Die TV-Zeitschrift offenbart mir weitere interessante Neuigkeiten. Anlässlich der Volleyballweltmeisterschaft 2003 (ja, das ist das Stichwort!) wird bitte was neu veröffentlicht? Ich glaube kaum, was ich da alles sehe – im positiven wie im negativen Sinne. „Attack No. 1“, in Deutschland bekannt als „Mila Superstar“ wird, digital überarbeitet, auf DVD veröffentlicht! Der Schuber beinhaltet 18 (ACHTZEHN) DVDs, mit insgesamt 2644 Minuten Spielzeit. Und der Hammer dabei: Das Paket kostet
9 4 . 8 0 0 YEN !
Und das sind (am 18. Oktober 2003) umgerechnet etwa:
7 1 0 EURO !!
Also… bei aller Liebe… da rutscht einem das Herz in die Hose. Ich warte doch lieber auf die Taiwan-Version in wenigen Monaten. Vielleicht kommt man da ran. Bei dem üblichen Preis für Taiwan-Versionen dürfte die Sache nicht mehr als 55 E kosten. Da warte ich doch gerne ein bisschen…
Hm. Zuletzt aber noch eine weitere Filmkritik. Wegen der langen Liste von hochgradig talentierten Sprechern (deren Auflistung den wenigsten unter meinen verehrten Lesern etwas sagen dürfte) wollte ich in Japan eine Gelegenheit nutzen, mir „Crayon Shin-chan“ anzusehen. Eine Serie, die mir in Deutschland nicht zusagt und von der ich derzeit wage, zu behaupten, dass man ein Idiot sein muss, wenn man sie sich freiwillig länger ansieht.
Meine Chance kam schneller, als ich dachte. Heute Abend lief einer der Movies im Fernsehen und ich habe ihn mir angeschaut. Der Titel: „Crayon Shin-chan – Arashi wo yobu MO-RE! Otona Teikoku no Gyakushû!“
Grob übersetzt: „Crayon Shin-chan – Mo-re ruft den Sturm! Das Imperium der Erwachsenen schlägt zurück!“
Verbesserungen sind mir willkommen. Ich habe z.B. keine Ahnung was „Mo-re“ (in Katakana-Schreibung) bedeutet. Vielleicht ein Name, der mir entgangen ist.
Ich habe eigentlich nicht viel von dem Film erwartet. „Crayon Shin-chan“ ist auf Deutsch freilich für Proleten, so mein Eindruck auf RTL2. Aber ich wurde vom Originalton angenehm überrascht (und ich betone, dass es sich hier um meine persönliche, subjektive Wahrnehmung handelt). Erstens war der Film lustig, ohne vulgär zu sein, sieht man davon ab, dass Shin-chan (eigentlich „Shinnosuke“) wieder Gelegenheit erhielt, seinen Hintern zu präsentieren und von einem fahrenden Bus herab auf eine Windschutzscheibe uriniert. Zweitens war der Hintergrund durchaus ernst. Ich hatte den unbestimmten Eindruck, dass der Autor vielleicht eine Spur zu viel „The Tribe“ gesehen hat.
Die Story sieht so aus: Eine Organisation mit unklaren Motiven und einem Pärchen an der Spitze verpasst den Erwachsenen eine Art Psychodroge (bitte nicht zu wörtlich nehmen), die sie wieder zu Kindern macht, zumindest im Geist. Die Verlockung ist offenbar die Sorglosigkeit und die Freuden des Kindseins, im Gegensatz zu der Verantwortung und der Arbeit, die das Leben als Erwachsener so mit sich bringt. Die Erwachsenen werden in ihrem entrückten Zustand gewissermaßen entführt (gelockt mit Musik, nach Art des Rattenfängers von Hameln, nur mit Kleintransportern) und in ein riesiges Gebäude gebracht, in dem eine Art „Heile Welt“ für sie aufgebaut wurde, in der sie Kinder sein, bzw. die „guten alten Zeiten“ leben dürfen. Die echten Kinder sind also erst einmal auf sich alleine gestellt und die stärkeren unter ihnen merken schnell, dass es materielle Vorteile bringt, die Supermärkte zu besetzen, weil dann die anderen zu ihnen kommen müssen, wenn sie essen wollen. Als dann schließlich Strom, Gas, und Wasser ausfallen, machen sich Shinnosuke und seine Freunde auf den Weg, die Eltern wieder zurückzuholen.
Am Ende gibt es eine schöne Verfolgungsjagd mit dem Bus, der von fünf Kindern gleichzeitig gesteuert wird (werden muss) und der Fahrzeugflotte der Organisation, deren Mitglieder mit Luftgewehren und Spielzeugwaffen auf den Bus schießen… niemand kommt zu Schaden, sieht man von Hunderten Autos ab. Den Höhepunkt bildet die Flucht der Familie den Tokyo Tower hinauf.
Der Kopf der Organisation hat durchaus uneigennützige Motive, aber leider habe ich nicht mehr verstanden, als ich einleitend bereits erwähnt habe. Als er seinen Plan scheitern sieht, will er mit seiner Partnerin Selbstmord begehen, aber an der Kante auf der Beobachtungsplattform des Turms überlegt sie es sich anders und sagt, dass sie nicht sterben möchte. Also auch keine Toten. Gut so. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass ich das jemals tun würde, aber ich empfehle diesen Film.
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