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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

3. März 2024

Mittwoch, 03.03.2004 – Revanche eines Ungarn

Filed under: Japan,My Life,Spiele — 42317 @ 7:00

Der Winter ist zurück, es schneit seit der Nacht, am frühen Morgen und in den Tag hinein, und es ist unerhört kalt. Ein letztes sibirisches Aufbäumen, muss ich annehmen. Und hoffen.

Ich stehe um 08:00 auf und gehe zusammen mit Melanie um 09:15 ins Center, um ihr aus ihrer MP3-Sammlung eine CD neu zu brennen, weil sie sagt, ihr Diskman spiele nur die Hälfte davon. Das Center erhält währenddessen gleich zwei neue Drucker, weil der alte zu viele Fehler produziert hat. Ich hätte es lieber gesehen, wenn man das Netzwerk mal gründlich überarbeitet hätte. Dann gehe ich zur Post und zur Aomori Bank, weil verschiedene Dinge bezahlt sein wollen und verschwinde dann im Physikgebäude, um mich der Tagesroutine hinzugeben. Nebenbei bereite ich das Rematch gegen Misi vor und beginne dann die Anfertigung weiterer Newsletter. Ich staune auch nicht schlecht, als ich feststelle, dass ich gestern nicht den 09. Januar, sondern den 10. Januar beschrieben habe – ich habe den neunten überblättert und meine eigene Überschrift völlig missachtet. Ich schreibe zwei Berichte, also zum 09. und zum 11. Januar.

Danach naht auch schon der Höhepunkt des Tages – Misis Revanche des Gefechts um Gersheim. Und ab hier gilt ebenfalls: Wer keine Spielbeschreibung lesen will, kann den Rest überspringen – bis auf einen kleinen Abschnitt vielleicht, der sich mit dem Abend nach dem Spiel befasst.
Wir spielen also wieder um Gersheim, diesmal mit 2000 Punkten pro Spieler. Er verteidigt den Ort, ich greife aus Richtung Niedergailbach an. Mein Konzept besteht aus einem mit Panzern unterstützten Infanterieangriff; zwei Artilleriebeobachter (155 mm) mit ausreichend Munition sollen am Waldrand auf der Anhöhe Stellung beziehen und die deutschen Verteidigungspunkte einebnen. Die Infanterie würde vorrücken und sofort nach Ende des Bombardements zum Angriff übergehen und die überlebenden Verteidiger im Schock erwischen, unterstützt von den beiden Churchill VII Panzern, deren Aufgabe es sein soll, die deutschen Panzer auszuschalten; zwei M7 Priest Selbstfahrlafetten sollten für punktgenaue Artillerieunterstützung der Infanterie sorgen.

Aber wie man weiß, überlebt kein Plan den ersten Feindkontakt. Um genau zu sein, überlebt mein Plan mein höchsteigenes Kartenkonzept (und die auf Grund der Softwarebeschränkungen immer noch sehr sinnfreie Landschaftsgestaltung) nicht. Die (von mir ja selbst entworfene) Aufstellungszone der Deutschen schließt die Anhöhe um Wachalls Haus vor dem Kalkwerk (auf der gegenüberliegenden Anhöhe) mit ein und Misi war so frei, zwei oder drei PaK 75 mm dort zu postieren. Natürlich kann man von dort aus meinen Anmarschweg, die Straße nach Niedergailbach, ganz hervorragend einsehen. In Realität handelt es sich dabei um ein paar wenige Kilometer, aber auf der Spielkarte sind es schätzungsweise gerade mal 900 Meter.

Nach der ersten Minute sind alle meine gepanzerten Fahrzeuge zerstört, noch bevor die Fahrer die Chance hatten, das Gaspedal zu berühren. Der vorderste Churchill ist immerhin 75 Meter weit gekommen, bevor ihn die PaK in die Flanke erwischte. Das hat einen aufgesessenen Beobachter getötet. Der andere überlebt, wird aber zwei Minuten später von einer 20 mm Kanone in der Nähe der heutigen Gesamtschule mit besten Grüßen von Thyssen und Krupp im Plastiksack nach Hause geschickt. Die Infanterie rückt vor und gerät unter heftiges Feuer. Was zur Hölle ist da los? Es sind zu wenige Einschläge pro Minute, um von einer abgesetzten Artilleriestellung zu kommen.
Es stellt sich heraus, dass parallel zur Niedergailbacher Straße am Ortsrand mindestens ein Puma, ein Luchs und ein Tiger Stellung bezogen haben und ein lustiges Zielschießen veranstalten.

Wieder ein Gestaltungsfehler meinerseits, was die Aufstellungszonen betrifft. Die Karte ist mit 1040 mal 1040 Metern zu klein, um dem Verteidiger ein derart großes Gebiet als Aufstellungszone zu überlassen. Und am Tretbecken steht nicht etwa eine, sondern gleich zwei 20 mm Kanonen. Das alles macht den Angriff zu einem Selbstmordkommando im Bataillonsrahmen. In Realität würde man einen Rückzug durchführen oder Luftunterstützung anfordern, aber die Option bietet sich mir nicht. Ich warte auf meine Verstärkung. Ich habe nämlich ausprobieren wollen, ob man die Verstärkungsmarkierungen überall hinstellen kann, anstatt nur in die eigene Aufstellungszone. Und das geht!
In Runde 10 landen zwei Kompanien US Fallschirmjäger auf der Fläche rechts der Blies, wo heute das Lager vom Pallmann steht. Ei, das hat ihn immerhin überrascht! Ich kann die Häuser an der Brücke einnehmen, mit etwa 15 % Verlusten und ich werde sie eine Zeitlang halten können. Sogar eine 8,8 und eine FlaK-Vierling habe ich dort, am Runden Brunnen, kalt erwischt. Aber dieser Kampf ist nicht mehr zu gewinnen, nicht ohne Panzerkräfte.

Dass ich den Schwerpunkt des Angriffs auf die linke Bliesseite gelegt habe, hat sich doppelt als fatal herausgestellt: Nicht nur, dass die deutschen Kanonen auf dem Hügel gegenüber ein prächtiges Sichtfeld haben, nein, ich war auch so dämlich, zu ignorieren, dass das Zentrum der deutschen Verteidigung die Brücke sein würde – anstatt mir also Bewegungsraum auf der Reinheimer Seite zu besorgen, wo auch zwei der drei einzunehmenden Geländepunkte liegen, habe ich beschlossen, meine zwei britischen Kompanien durch das Nadelöhr der Bliesbrücke zu quetschen, um an die Siegpunkte auf der anderen Flussseite zu gelangen! So dämlich kann doch eigentlich keiner sein. Es wird acht Uhr und wir brechen ab. Ich ersuche Waffenstillstand und bekomme ihn.

Ich muss die deutsche Aufstellungszone gewaltig einschränken. Und vor allem weiß ich eines: Wenn ich noch einmal eine Karte mit frei zu wählenden Truppen spiele, dann werde ich mir keinerlei Gedanken mehr über Realismus machen und nur Panzer auf den Plan stellen, mit einem Zug Infanterie, um die Siegpunkte zu halten und einem oder zwei Artilleriebeobachtern, um die gegnerische Infanterie genau daran zu hindern.

Misi geht also, während ich noch einen Augenblick bleibe und meine elektronischen Postfächer abklappere und auch bei Animetric kurz vorbeischaue, bevor ich nach Hause zurückkehre. Melanie hat Spaghetti mit Fleischsoße gemacht und etwas Kuchen gekauft (von dessen Verzehr ich in Zukunft absehen werde, weil er so künstlich schmeckt wie er aussieht). Sie hat heute auch die ersten Leihvideos mit Kopierschutz gesichtet, aber es lässt sich nicht erkennen, warum diese Videos einen Schutz haben und die anderen nicht.
Wir schauen uns noch die Aufnahme von „Gakkô e ikou“ von gestern an und beenden den Tag, also Geschirrspülen, Müll beseitigen und Tagebuch schreiben. Um 23:40 ist der Tag vorbei.