Montag, 21.06.2004 – Montag, Montag
Nach Yamazakis Unterricht setze ich mich ins Center, lese ein paar Strips „Kevin & Kell“ und unterhalte mich eine Weile mit Marc, der offenbar gerade an einer Kanji-Analyse existierender Namensschreibungen mitarbeitet und sich über die neuerdings erlaubten Namensbestandteile lustig macht. Man kann seinen Kindern in Japan neuerdings die verrücktesten Namen geben. Sachen wie „Käfer“ oder „Krebs“ (die Krankheit) sind in der Liste vorzufinden. Ich glaube, sogar das Kanji für „Furz“ ist dabei. Das Parlament begründet die Entscheidung mit der Eigenverantwortung der Eltern für ihre Kinder. Ich glaube, dass in den 90er Jahren ein Ehepaar ihren Sohn „Akuma“ („Teufel“) nennen wollte, war ein Meilenstein in dieser Diskussion, die nun offenbar auf diese Art und Weise beendet worden ist.
Marc ist an einer Verlängerung seines Aufenthalts, den ich ihm vor wenigen Tagen anbieten konnte, interessiert. Er wolle noch dies und das realisieren und scheint voll bei der Sache zu sein. Allerdings würde aus seinem Antrag auf Stipendium nichts werden, da das hiesige Gremium beschlossen habe, mittellose Chinesen primär und vor (angeblich) wohlhabenderen Europäern zu unterstützen. An sich klingt es sehr gut, dass man Leute finanziell unterstützt, die es nötig haben. Aber… wenn ich mich so umsehe unter den hier anwesenden Chinesen, dann finde ich auf Anhieb keinen, der nicht schon einen richtigen Job oder nicht zumindest Eltern mit Geld hat. Da wären ja zuerst einmal die Leute, die bereits einen Abschluss haben und hier eigentlich nur zur Fortbildung sind. Die haben zuhause einen Job, eine gesicherte Existenz, sei es nun als Arzt oder Pharmazeutiker oder Computerfachmann. Die sind zumindest nicht arm. Vielleicht nicht so wohlhabend wie ihre Kollegen in Europa, den USA oder Japan, aber nicht arm. Natürlich haben wir auch Chinesen ohne diese existenziellen Vorzüge hier. Aber auch die sehen zumindest nicht arm aus: Die tragen alle Designer- und Markenkleider, haben die neuesten Laptops und Handys, sind ausgestattet mit Accessoires der neueren Generation, wie zum Beispiel mehrere Gigabyte starken, transportablen Festplatten und all dem. Wenn ich deren technischen Stand ansehe, könnte ich glatt neidisch werden (wenn ich denn Interesse an diesem Zeug hätte). Aber ich habe wirklich noch keine armen Chinesen hier gesehen. Ich dagegen, der „wohlhabende Europäer“, bin arm wie eine Kirchenmaus.
Ich beende die Feinarbeit an meinem Kampfbericht und überreiche Eve die 50 DIN A4 Seiten Papier, Times New Roman 11, Zeilenabstand 1,5. Die Feinarbeit hat das Volumen dann doch deutlich über die von mir geschätzte Obergrenze von 40 Seiten gebracht. Eve braucht sich damit nicht zu beeilen, weil zumindest so lange Zeit ist, bis Frank seine Notizen ins Englische übersetzt hat (anstatt sie gleich auf Englisch zu schreiben).
Den Rest der notwendigen Zeit verbringe ich in der Bibliothek und fahre eine Stunde früher als üblich nach Hause, weil ich Melanie versprochen habe, mit ihr zusammen den ersten „Harry Potter“ Film anzusehen. Sie hat die beiden verfügbaren Teile für jeweils eine Woche ausgeliehen, um sie sich entsprechend oft ansehen zu können. Ich werde also über kurz oder lang (eher „kurz“) dazu kommen, auch den zweiten Teil noch zu sehen.
Der Film erweist sich als zumindest nicht schlecht, für junge Jugendliche gemacht und ein wenig außerhalb meiner Interessensphäre. Ich finde es gut, den Film gesehen zu haben, das war weder Zeit- noch Geldverschwendung, aber ich würde dafür keinen Platz in meinem Regal bereitstellen wollen.
Übrigens ist für heute Abend ein Taifun angekündigt worden. Oder eigentlich eher für heute Nacht. Irgendwann nach Mitternacht soll das Schauspiel beginnen und ich bedauere ein wenig, dass ich dann schlafe.