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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

4. Juni 2024

Freitag, 04.06.2004 – Sandalen auf heißem Sand

Filed under: Filme,Japan,Musik,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

In der Mittagspause bringe ich meine eben abgeholte Immatrikulationsbescheinigung zu Prof. Fuhrt, der mir verspricht, sie heute Abend nach Trier zu faxen.

Der Unterricht von Kuramata-sensei fällt heute aus, weil der Verantwortliche der Hauswirtschaftsabteilung keine Zeit hat. Es heißt, das angesetzte Reiskochen werde auf unbestimmte Zeit verschoben. Ich nutze die Zeit, um ins Ito Yôkadô zu fahren. Ich möchte noch die eine oder andere CD kaufen, bevor ich das Land verlasse, und Melanie ebenfalls. Ich kaufe also „Sotsugyô“ von „ZONE“ und, weil es mir ins Auge fällt, auch „Anime Trance 2“. Wenn ich „Animetal sammele, warum nicht auch „Anime Trance? Ich frage an der Theke nach den „Animetal Marathon“ CDs #2, #3 und dem „Lady Marathon“, muss aber erfahren, dass es von dieser Serie nur noch die CD #3 zu kaufen gibt, alle anderen sind bereits außer Produktion. Bei der dritten CD handelt es sich um ein „Ultraman“ Special, aha… das sagt mir jetzt natürlich reichlich wenig, aus musikalischer Sicht gesehen. Ich weiß nur, dass „Ultraman“ eine Serie ist, die man nicht unbedingt gesehen haben muss. Der Held verwandelt sich mit Sonnenenergie in einen Riesen und kämpft gegen Monster in der Größe von Gozilla oder so…
Bei solchen Gelegenheiten werde ich gern gefragt, warum ich die Superheldenserien so schlecht finde, mir aber aktuell „SailorMoon“ anschaue. Diese Serie sei doch ebenso schrottig, was Regie und Spezialeffekte betrifft? Einfache Antwort: Das hat ganz klar hormonell bedingte Gründe. Was nutzt es auch, das abzustreiten? Aber ich bin auch ein Fan des Originals. Und ich habe auch Gründe, die in der Handlung liegen. Ich finde zum Beispiel sehr interessant, auf welche andere Weise die Geschichte erzählt wird, und wie anders die Beziehungen verschiedener Charaktere untereinander gestaltet wurden.
Wie dem auch sei, ich würde die „Animetal“ Reihe schon gerne komplett haben, also werde ich Hiroyuki bei Gelegenheit bitten, ein Auge auf die Läden in Tokyo zu haben.

Der Unterricht von Ogasawara-sensei findet natürlich statt und nach Schluss möchte ich noch die eine oder andere Sache in Erfahrung bringen. Warum z.B. hat sie „Satôkibi Batake“ als Lied ausgesucht? Sie sagt, weil ihr das Lied gefalle und sie die CD gerade in der Hand gehabt habe. Also keine tiefgründigen Hintergedanken. Ich drücke mein Bedauern darüber aus, dass dieses Lied so schrecklich melancholisch klinge und frage, ob sie „Shima Uta“ kenne. Ja, entfernt, sagt sie. Ich solle die CD einfach mal mitbringen.
Des Weiteren interessiert mich, warum ein koreanischer Film, dessen Name sich mit den chinesischen Schriftzeichen für „Bushi“ schreibt, in Japan „Musa“ gelesen wird (was sich eigentlich ein bisschen anders schreibt). Sie erklärt, dass die beiden Begriffe theoretisch synonym seien, dass aber das Wort „Bushi“ in Japan zuerst den Gedanken an „Samurai“ wecke; „Musa“ dagegen sei „ein starker Kämpfer“, aber nicht unbedingt ein Samurai. Da der Titel direkt aus dem Chinesischen stamme, mache der koreanische Titelgeber diese Unterscheidung nicht. In meinen Worten ausgedrückt: Die dargestellten Personen sind Ausländer und können daher nicht mit einem Begriff beschrieben werden, der etwas einzigartig Japanisches ausdrückt!
Zuletzt möchte ich mir zwei Kanji-Kombinationen erklären lassen, die sich beide „Zenzai“ lesen – also so, wie der übliche Deutsche den japanischen Lehrer, den „Sensei“, betitelt, bzw. ausspricht. Zum einen handelt es sich dabei um „zuvor begangene Verbrechen“. Bei einem Gewohnheitsverbrecher also um die Straftaten, die er vor der aktuell untersuchten begangen hat. Zum anderen handelt es sich bei „Zenzai“ um eine Spezialität aus der Gegend von Osaka. Was daran so speziell sein soll, verstehe ich nicht, weil es sich dabei um eine Schüssel mit süßer Bohnenpaste handelt, wie man sie für gewöhnlich in Brot oder in Reisteig einwickelt. Offenbar isst man da unten dieses Zeug auch pur. Außerhalb von Kansai, der Ebene um Osaka, gibt es ebenfalls „Zenzai“, aber mit der Variation, dass Stücke von Reisteig (Mochi) in die Paste geschnitten werden.

Ich treffe dann Melanie am Center und wir fahren ins Kino. Wir sehen uns „Troja“ an. Die männlichen Hauptrollen finde ich allesamt gut besetzt, aber die Frauen erscheinen mir arg farblos, vielleicht abgesehen von der einkassierten Cassandra. Dass Orlando Bloom den Paris gespielt hat, war ebenfalls eine gute Wahl (auch wenn es sicherlich noch bessere gegeben hätte), aber ich musste am Ende doch lachen und mich fragen, ob er die Rolle nicht deshalb bekommen hat, weil er dann wieder mit Pfeil und Bogen hantieren kann – es fehlt eigentlich nur noch, dass er in zehn Jahren in der 2813ten „Robin Hood“ Verfilmung die Hauptrolle spielt. Paris überlebt also, trifft noch schnell Aeneas und verschwindet dann scheinbar spurlos in der Weltgeschichte. In der Originalerzählung ist er bei der Eroberung von Troja so sang- und klanglos umgekommen, dass Homer gerade mal eine oder zwei Zeilen dafür aufwendete. Paris war offenbar gutaussehend, aber nicht das Ebenbild eines Mannes – wie anders könnte ich Homer interpretieren, der sinngemäß sagt, dass die Helena ganz froh war, wieder zu ihrem Gatten zurückkehren zu können. Und dafür, dass die Helena einen erotischen Ruf genießt, wie er sonst nur der Kleopatra oder Mata Hari zukommt, hätte ruhig eine geeignetere Darstellerin als Diane Kruger herhalten können.

An sich ist der Film nicht schlecht. Ich finde nur, dass man sich zu viele Freiheiten genommen hat, um die beiden Seiten quasi als „Gut gegen Böse“ zu stilisieren. Der Hektor ist z.B. viel zu ritterlich geworden, damit er Achilles besser kontrastieren kann. Dabei war Hektor genauso ein Metzger – hat er in der Vorlage nicht ebenfalls den erschlagenen Patroklos hinter seinem Streitwagen her in der Gegend herumgeschleift?
Darüber hinaus hätte es mir nicht schlecht gefallen, das wahre Ende des Agamemnon zu sehen, anstatt diese „Happy End“ Version, die man in dem Film zu sehen bekommt. Der Mann hat Cassandra mit nach Hause genommen und wurde dafür von seiner eifersüchtigen Frau und deren Erfüllungsgehilfen umgebracht. Aber zur Verteidigung von Clytemnestra sei gesagt, dass da nicht nur Eifersucht eine Rolle spielt – Agamemnon war auch so frei, vor seiner Abreise nach Kleinasien ihre Tochter Iphigenie den Göttern zu opfern, um so einen günstigen Wind für die Überfahrt zu erbitten. Und das tragische Element dabei ist, dass die Iphigenie von den Göttern gerettet wurde, indem sie sie im Moment ihres „Todes“ an einen fernen Ort entrückten. Natürlich kann ich mich irren – ich habe den dicken Wälzer vor mehr als zehn Jahren zuletzt gelesen.
Wirklich lustig fand ich die Zeitkomprimierung. In „Gladiator“ war ja der „Blitzritt“ des Helden Maximus nach Spanien schon ein Grund zum Schmunzeln, aber in „Troja“ wird das noch viel extremer: Da landen die Griechen am Strand, dann wird zwei, drei Tage lang gekämpft, dann folgt die Kampfpause während Hektors Trauerfeiern und dann wird Troja erobert – dem unbedarften Zuschauer erscheint das wie eine Sache von vielleicht zwei Wochen. Soweit ich mich erinnere, hat die Belagerung Trojas in der Ilias etwa zehn Jahre gedauert, und in diesem Zeitraum wurden erst einmal alle mit Troja verbündeten Städte nacheinander von den Griechen zerstört.
Aber wenn wir schon dabei sind, kann man doch die Fortsetzung gleich in Auftrag geben – hat nicht Odysseus gerade seinen unvorsichtigen Fuß in sein Schiff gesetzt? Die „Odyssee“ wäre doch jetzt der nächste, logische Schritt, oder nicht? Ich bin sicher, dass Sean Bean eine gute Figur in der Rolle macht. Stattdessen finde ich einen Bericht in der „Japan Times“, die einige andere Titel (unter dem Motto „Die Rückkehr der Sandale“) ankündigt. Jetzt kann ich mich natürlich mangels Notizen nicht mehr erinnern, um was es im Einzelnen geht. Da war u.a. von einer Neuverfilmung von „Spartakus“ und „Alexander“ die Rede. Na, warum nicht.

Wir wollen nach dem Film was essen und mir ist nach Pizza. Und wenn man in Hirosaki Pizza essen will, sollte man dafür ins SkattLand nach Nishihiro fahren. Vor dem Eingang erspähe ich die erste Kakerlake, die ich in meinem Leben live sehe. Aber sie ist „nur“ so groß wie mein Daumen. Zertreten soll man sie ja nicht, weil ihre Eier so am Schuh kleben bleiben und sich bis in die eigene Wohnung verteilen können.
Im SkattLand hängt ein Angebot für 400 Yen aus, das da heißt „Eiersalat mit Ume-Mayo-Dressing“. Was bitte soll denn das sein? Eiersalat mit Mayonnaise ist klar, aber was haben Pflaumen daran zu suchen? Ich wage nicht, das Gericht zu bestellen, außerdem wollte ich eh eine Pizza (oder auch zwei) essen. Vielleicht probiere ich diese abenteuerlich klingende Mischung später einmal.