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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

4. Juli 2024

Sonntag, 04.07.2004 – Arbeitszeitanpassung

Filed under: Japan,Musik,My Life,Zeitgeschehen — 42317 @ 7:00

Strahlendes Wetter haben wir heute – und das, ohne zu heiß oder schwül zu sein. Aber warm ist es dennoch.

Ich verlasse die Bibliothek um etwa 17:00 und lasse mir von Melanie den Auftrag geben, ihr aus dem Ito Yôkadô drei CDs mitzubringen, weil ich eh selbst noch hinfahren will. Meine Bonuskarte ist voll und ich bekomme auf meinen Einkauf 2000 Yen Rabatt – ich nehme „Sailorfuku to Kikanjû“ mit, für nur noch 2700 Yen.
Einer Laune folgend fahre ich dann ins Book Off und überlege mir, mir eine kleine Sammlung von Original-CDs von „X-Japan“ anzulegen, aber wenn ich mir die Preise hier so betrachte, dann belasse ich es lieber bei der „Last Live“ CD (die hier „nur“ noch 3500 Yen kostet, anstatt den Neupreis von 5000 Yen) und denke auf der Balladensammlung noch ein bisschen rum. Das sind aber eigentlich zwei Titel, die sein müssen. Später, später…

Ebenfalls einer Laune folgend, biege ich von der Hauptstraße in den „Hirosaki Sport Park“ ab, der, für die Größenverhältnisse dieser Stadt, seinen Namen auch verdient. Hier befinden sich mehrere Sportplätze, für Ballsport und Leichtathletik, einer der Plätze hat auch eine Tribüne (mit überdachter VIP Loge) und es gibt auch ein Baseballstadion. Nicht zuletzt steht da sogar eine große Halle, in der auch Sumo-Kämpfe stattfinden können. Dem entsprechend hat man vor der Halle die Statue eines solchen Ringers aufgepflanzt, aber ich kann seinen Namen auf die Schnelle nicht entziffern.
Ansonsten gibt es hier Grünflächen mit viel Spielraum für Kinder, mit Büschen und Bäumen drum herum. Leider sind einige der „Attraktionen“ wegen technischer Mängel geschlossen, und es sieht nicht aus, als ob man sie so schnell wieder in Betrieb nehmen würde. Aber man merkt nicht, dass man sich nur 150 m von der sechsspurigen Hauptstraße entfernt befindet. Ich finde das Areal sehr entspannend und bleibe ein paar Minuten.
Direkt am Sportpark befindet sich ein Minibahnhof (also ein Bahnsteig, der irgendwie unmotiviert in die Gegend gepflanzt aussieht) an der Strecke nach Kuroishi. Ich überquere den Schienenstrang, fahre einfach Richtung Süden, ohne genau zu wissen, wo ich bin, und mache eine Aufnahme vom Iwaki-san, der als schwerer, schwarzer Klotz vor der Sonne steht.

Iwaki-san

Ich komme an einer Baustelle vorbei, die Einfahrt steht sperrangelweit offen. Innerhalb befindet sich ein Rohbau, dem Schild zu Folge handelt es sich um ein (zukünftiges) Bürogebäude. Solche Baustellen haben auf mich immer einen großen Reiz ausgeübt (und sei es der Reiz des Verbotenen), also gehe ich einfach mal hinein. Der Boden um den Bau herum ist vollständig von schweren Stahlplatten bedeckt, so erspart man sich Verschmutzung durch Schlamm oder Staub, je nach Wetter, und man muss auch die Straße vor der Baustelle nicht sonderlich pflegen. Innerhalb des beinahe stockfinsteren Gebäudes gibt es noch keine Treppen, also verlasse ich es nach Besichtigung des Erdgeschosses wieder.

Man kann sich in Hirosaki unmöglich verfahren, so lange man sich ungefähr an die gewünschte Richtung hält, also schlage ich eine grob südwestliche Richtung ein und folge einer Hauptstraße in Richtung Stadt, deren Grenzen ich beim Verlassen des Sportparks überschritten habe. Am wenig einladend aussehenden „Hotel Bricks“ (ein furchtbarer Backsteinbau, wie der Name schon sagt) betrete ich dann wieder bekannten Boden, fahre die Hauptstraße weiter entlang und lande wieder am GEO. Wenn ich schon da bin, kann ich mir auch gleich die Öffnungszeiten merken. Melanie hat vor ein paar Tagen die Meinung geäußert, dass es sich sicherlich um einen 24h-Laden handeln müsse, weil man ja Sachen leihen könne. Dem ist nicht so, wenn auch auf völlig unerwartete Art und Weise: „Geöffnet von 10:00 bis 25:00“ steht auf einem Schild an der Tür. Das nenne ich mal optimale Arbeitszeitorganisation. Ich mache auch gleich ein Bild davon.

Öffnungszeiten des GEO

Ich folge der Straße dann weiter in Richtung Nakano und passiere unterwegs einen stehenden Lautsprecherwagen der Kommunistischen Partei Japans, deren Sprecher die Machenschaften verschiedener LDP-Politiker und Regierungsmitglieder anprangert, die über Jahre hinweg keine Beiträge in die gesetzliche Krankenkasse gezahlt haben, darunter auch der beliebte Ministerpräsident Koizumi. Die übrigen Wahlkampfhelfer, etwa acht an der Zahl, stehen mit Spruchbändern und Plakaten auf der Fahrspur und winken den Vorbeifahrenden zu. Ich bin amüsiert und winke zurück. Krachmacher – um nichts anderes handelt es sich hier und der Lautsprecher macht seinem Namen alle Ehre – würde in Deutschland vermutlich niemand wählen. In Japan tun das, gemessen am offiziellen Wahlergebnis, offenbar auch nur wenige.

Ich brauche Getränke und fahre in den Beny Mart. Vom Parkplatz aus höre ich Getrommel und Flöten, und in diesen Tagen, wo ständig Schreinfeste stattfinden, denke ich zuerst an eine solche Veranstaltung. Ich suche die Geräuschquelle, in der Hoffnung, auf einem Schreinfest mal etwas zu sehen, was einen kulturellen Wert hat, anstatt ausschließlich einen großen kommerziellen und vielleicht einen mittleren sozialen. Aber meine Untersuchung führt mich nur zu einer kleinen Halle, in der sich eine übende Schülergruppe befindet, offenbar eine Vorbereitung für das Neputa-Fest in wenigen Wochen.