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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

10. September 2011

King of Kylltal (Teil 11)

Filed under: Arbeitswelt — 42317 @ 11:12

Die elf Stunden Schlaf, die ich von Freitag auf Samstag am letzten Augustwochenende gebraucht habe, kamen nicht von irgendwoher, in der Woche war was los.

Am Montag lief das Band an und Kalaschnikow war noch nicht da – was Grund zur Besorgnis gab, denn Kalaschnikow ist nach Kelvin der zweite, der schon vor Fünf ins Depot rollt, und wenn der unpünktlich ist, hat es einen driftigen Grund.
Gegen sechs Uhr kam er dann ans Band gelatscht, noch mit der Warnweste bekleidet, sein Auto war bei Staffelstein mit Keilriemenschaden stehen geblieben, keine Ahnung, wie er nach Trier gekommen ist. Da meine Gerolsteintour montags eh nicht viel fordert, wurde sie zwischen Bitburg und Prüm aufgeteilt, Kelvin fuhr Bitburg und Kalaschnikow mit meinem Auto Prüm, und ich nahm erst mal nur Pakete vom Band. Ich sollte mit Konrad (Name geändert) mitfahren, aber der war nach der Beladung auf einmal verschwunden, also begleite ich die LKW-Tour von Mike: IT-Haus, Softexpress und irgendein Kaff in der Eifel, wo jemand sich per Kleinanzeige im Internet eine Holzspaltmaschine gekauft hatte.

Das Ding wog 340 kg und stand frei auf einer Palette, also ungesichert und unverpackt, was einige Kreativität beim Sichern dieses Ladestücks erforderte, also Abstellung in der hinteren rechten Ecke, Palettenstapel links, Haltestange vorne, und wir rückversicherten uns beim Depotchef, dass bei Schäden der Versender haftet (denn auch wir müssen uns beim Empfang einer Ware vergewissern, dass ein Paket ordentlich verpackt und zumindest äußerlich unversehrt ist).
Der Kunde war auch erstaunt über die “nackte” Maschine, weil ihm der Verkäufer zugesichert hatte, die Maschine werde verpackt. Immerhin hatte er noch 900 E dafür gezahlt, bei einem Neupreis von über 2000 E, da könnte man ja eigentlich etwas Polsterung erwarten.

Zusätzlich nahmen wir einen Keilriemen für Kalaschnikows Sprinter mit, der ja immer noch an der Autobahnauffahrt stand. Ich warf nur einen Blick auf den Keilriemen und sah auch als Laie sofort, dass das Ding nicht neu war. Kalaschnikow würde begeistert sein.

Ein Stück hinter dem Hof des Holzspalters blieben wir am Straßenrand stehen und warteten auf den “Eifeltornado”. Der warf einen ebenso kurzen Blick auf den Keilriemen: “Der ist ja gebraucht!?”
Mike zuckte mit den Schultern. “Musst Dich bei Peter beschweren.”
“Wie lang soll der denn halten?”
“Bis nach Bitburg zum Ersatzteilhändler?”
Wir tauschten an der Stelle nicht nur den Keilriemen aus, sondern auch mich. Ich sollte bis zur Auffahrt Staffelstein mitfahren und beim Wechseln des Riemens helfen. Zuerst mussten wir noch bei Kalaschnikow zuhause vorbeifahren, damit er sein Werkzeug holen kann, und irgendwie kam ich mir vor, als habe man einen Chefarzt zu einem Haustermin gebeten, als ich das Sammelsurium an Hilfsmitteln betrachtete, das da ins Auto wanderte. Nebenbei lernte ich seine Frau und seine beiden Kinder kennen, einen Jungen von vielleicht fünf (“Justin”) und ein Mädchen um die sieben Jahre, die noch nicht wussten, was los war.
“Wir müssen noch nen Keilriemen an meiner Kiste wechseln.”
“Dann hast Du ja Glück, dass Du gute Kollegen hast,” sagte das Mädchen strahlend und ich musste so ein bisschen darüber lächeln, denn das Wort “Kollegen” war mir in dem Alter nicht unbedingt geläufig. Mein Vater erzählte zwar hin und wieder Anekdoten aus Sägewerk und später aus dem Ersatzteillager, aber wenn er von Kollegen sprach, verwendete er individuelle Namen und nicht diese Sammelbezeichnung. Ich denke mal, daraus ableiten zu können, dass Kalaschnikow im Allgemeinen positiv über uns als Kollektiv spricht, und das freut mich schon irgendwie.

Dann fuhren wir nach Staffelstein und im Auto lief eine einzige CD rund, eine eigene Zusammenstellung von deutschsprachigen Liedern, bei denen es um das Transportwesen geht, man könnte auch einfach “Truckerlieder” sagen. Im Gedächtnis geblieben sind mir nur die “120 Schweine nach Beirut” von Mike Krüger, und der Rest verursachte mir immerhin kein Ohrenbluten. Kalaschnikow ist gelernter Kfz-Mechaniker, was zu seiner Zeit wohl noch “Kfz-Instandsetzer” hieß, zu einer Zeit, wo die Ausbildung noch so ziemlich alles mit einbezog, anstatt sich in viele kleinere Spezialisierungen aufzuspalten, und war danach jahrelang im internationalen Fernverkehr gefahren, zwischen Lissabon und Kiew, hauptsächlich Frankreich und Spanien. Den Zöllnern in Spanien brachte er immer Bier von Aldi mit, die darauf total abfuhren und sich schon von weitem freuten, wenn sie seinen Sattelzug heranrollen sahen, was seinen Schmuggel mit Schnaps, Zigaretten und Kaffee erleichterte. Da ich ja “Reiseliteratur” mag, höre ich mir solche Anekdoten natürlich gern an.

Um kurz nach Vier waren wir dann vor Ort und begannen mit der noptwendigen Operation. Zuerst: Neues Warndreieck aufstellen, das alte war plattgefahren worden und seine zersplitterten Einzelteile lagen über knapp hundert Meter verstreut auf dem Seitenstreifen. Der alte Keilriemen sah aus wie ein Bündel schwarzer, gekochter Spaghetti.
Direkt vor dem Keilriemen befindet sich der Ventilator, der wiederum mit einer Plastikschale abgedeckt ist. Man kann diese Plastikschale lockern, aber nicht so ohne weiteres herausnehmen. Immerhin kann man nach dem Lockern der Verkleidung die Hand an die Führungsrollen des Keilriemens heranbringen. Zuerst muss der Spanner fixiert werden, damit der neue Riemen auf die Rollen gelegt werden kann, und nach einigem Hin und Her gelang es, eine große Nuss zu verklemmen. Dann ging er zu meinem Sprinter und sah sich die Gurtführung an, die auf den ersten Blick etwas verwirrend wirkt. Ganz einfach war es wegen der Enge dennoch nicht, und das Vorhaben gelangt auch erst im zweiten Versuch, und da war es bereits Fünf und unsere Hände hatten die Farbe von rosig zu schwarz gewechselt.

“Und? Wie war`s?” fragte Kelvin am anderen Morgen.
“Wir beide hatten schon Spaß,” antwortete Kalaschnikow.
“Ja, Sonne, blauer Himmel… hat nur der Strand gefehlt.”

Ich sprach mit Peter über die Möglichkeit, das Jobcenter einen LKW-Führerschein bezahlen zu lassen, denn DJ wird gegangen und insgesamt braucht unser Laden zwei LKW-Fahrer – denn Mike soll eigentlich als Disponent arbeiten und nicht als Fahrer. Peter wäre es also ganz Recht, wenn ich 7,5 t fahren könnte, weil er weiß, dass ich ein gewissenhafter Fahrer bin, was wohl besser ist, als einen ganz neuen Fahrer einzustellen, dem man ohne seine Eignung wirklich zu kennen gleich das wertvolle Vehikel in die Hand drückt.
Ich meine, LKW-Fahrer haben weit weniger Stress: Die müssen sich nicht am Band die Augen nach Paketen ausglotzen, sondern bekommen ihre Paletten zugeteilt, von denen sie ein Dutzend für eine kleine Handvoll Kunden gemütlich mit Hubwagen in den Laderaum und woanders wieder raus schieben, und zu guter Letzt steht z.B. Elmo, der bei Speicher, also 25 km weit weg, wohnt, zu einer Zeit auf, wo ich bereits das Haus verlassen muss, und dafür kriegt er auch noch ein paar Hundert Kröten mehr – ich will das auch!

Moment mal – DJ “wird gegangen”?
Ja, in der Tat… ich bedauere das natürlich, aber aus rein geschäftlicher Sicht kann ich es nachvollziehen, denn Sascha hat sich in den vergangenen Wochen immer wieder üble Konzentrationsfehler geleistet, wie Abholer zu vergessen, in die völlig falsche Richtung zu fahren, oder das 2500 E teure Rolltor der Halle zu schrotten, weil er es nicht weit genug aufgemacht hat. Jetzt gibt es natürlich Leute, die Witze über ihn machen, was für eine Null er doch sei, aber ich teile diese Meinung nicht. DJ ist an den Wochenenden damit beschäftigt, sein Haus zu renovieren und er kommt an Montagen oft völlig unausgeschlafen ins Depot – ich glaube, der ist schlicht überarbeitet, weil er sich nicht genügend ausruht.

Dienstag und Mittwoch liefen dann gemütlich ohne besondere Vorkommnisse, aber Kalaschnikow kündigte am Mittwoch an, dass er Freitag krank geschrieben sein werde.
“Du nimmst am Freitag mein Auto,” sagte er zu mir.
“Warum das denn?”
“Ich will nicht, dass einer von den Chaoten das fährt… sonst krieg ich am Ende nur noch Ersatzteile wieder.”
Ich will nicht leugnen, dass ich wegen dieser Aussage ein bisschen stolz war – ich erarbeite und pflege ja meinen Ruf, und der ist eigentlich ganz gut, soweit es um meine Verlässlichkeit geht.
Nachdem ich vor wenigen Wochen einen Montag frei hatte, kam ich am Dienstag drauf ins Depot und konnte halt erst dann die Nachnahmekasse bei Milli (Name geändert) im Büro abgeben.
“Ich hab mich gestern gefragt, wo Du bleibst,” sagte sie zu mir, “ich hab mich schon gefragt, ob Du verschlafen hast, dachte mir dann aber, nee, der Dominik verschläft doch nicht.”

Dienstag und Mittwoch also ruhig, aber gegen Ende der Woche legte die Sache zu. Ich bin nicht mehr ganz sicher, was an dem Donnerstag faul war. “Wort und Bild” war’s jedenfalls nicht, stattdessen deckten sich die Zahnärzte in Speicher mit allem möglichen Zeug ein, von Papierhandtüchern bis zum Desinfektionsmitteln, ich hatte ein Dutzend FedEx Pakete und Umschläge für den Luftstützpunkt Spangdahlem, und der “Landesbetrieb für Mobilität Rheinland-Pfalz” in Gerolstein erhielt 29 Pakete mit neuen Aktenordnern. Das Auto war ausnahmsweise voll bis zur Türkante.
Dem enstprechend viel Zeit verschlang Speicher, eine halbe Stunde mehr als üblich. In Spangdahlem musste ich allein 15 Minuten mit Telefonieren verbringen, bis ich alle Empfänger benachrichtigt hatte, und danach wartete ich eine halbe Stunde, um dann nur zwei Pakete losgeworden zu sein, weil da zwar welche am Telefon sagten, sie schickten jemanden ans Tor, aber dann kam keiner (was vorkommt, wenn kein Laufbursche oder auch kein freies Fahrzeug gefunden wird), und mir das mitzuteilen, ist ja leider nur schwer möglich, nachdem ich mal aufgelegt habe.
Um 14:05 Uhr am HIT-Markt in Gerolstein, wo “Warenannahme bis 14 Uhr” an der Tür steht, aber der zuständige Herr L. ist da toleranter als seine Kollegen vom Hagebau gegenüber.

Knapp zwei Stunden später, um zehn vor Vier, kam ich am “Landesbetrieb” an, und fürchtete schon, verschlossene Türen vorzufinden – bei staatlichen Betrieben weiß man ja nie. Ich hatte aber Glück und wurde an den Hintereingang verwiesen.
“Die Frau X. macht Ihnen auf.”
Leider stand da auch bereits ein Sprinter einer Baufirma, die Schönheitsreparaturen im Gebäude ausführte; egal, es ging auch so, und die Frau X. besorgte eine Rollkarre. Ich stürzte mich in den Laderaum, scannte Pakete und stellte die ersten vier auf den Wagen. Während die Angestellte die ins Gebäude fuhr, scannte ich weitere Pakete und stellte sie hinter das Auto, stieg wieder ein uns scannte weiter, in der Annahme, dass Frau X. selbständig die nicht schweren Pakete auf den Rollwagen stellen und ins Lager fahren würde – aber weit gefehlt. Die stand nur stumpfsinnig in der Gegend rum und sah gelangweilt nach Bäumen und Wolken! Ich durfte also regelmäßig meine Arbeit im Wagen unterbrechen, um auszusteigen und auf das Wägelchen zu laden. Als das Scannen dann abgeschlossen war, stapelte sich ein knappes Dutzend Pappkartons noch hinter der Hecktür, von denen ich dann erstmal zwei nahm und sie in der gewohnten Tradition der Arbeitskette Frau X vor die Füße stellte, damit sie sie zwei Schritte weiter auf den Stapel mit den anderen Kisten stellen konnte. Aber als ich mich zum Gehen wandte, um weitere Kisten zu holen, bemerkte sie “Sie könnten sie auch gleich auf den Stapel stellen.” Da schwoll mir der Kamm auf ungeahnte Größe, aber der Gedanke, sie zu erwürgen, kam mir, anders als bei Frau Bohlen vor wenigen Jahren, noch nicht. Da weiß man gleich wieder, was für Leute man mit seinen Steuergeldern bezahlt!

Das schönste kam aber erst zum Schluss. Kurz nach Niederstadtfeld leuchtete die Kraftstoffanzeige auf, das heißt, ich konnte noch mit 50 km Reichweite rechnen und ein Blick auf den Navi zeigte mir die Tankstelle Eifel West in 17 km Entfernung an. Inklusive der Umwege, die ich noch zu fahren hatte, sollte das hinhauen. Vorher ging es nämlich nach Manderscheid, zum Blockhüttenweg. Dabei handelt es sich um eine Reihe von Häusern direkt neben der Hauptstraße, aber versteckt in einem Waldstück direkt unterhalb der Burg. Der Weg ist schmal, links und rechts verblieb mir insgesamt vielleicht noch ein halber Meter, kennt man ja. Aber das machte nicht viel, denn die Straße war zumindest teilweise asphaltiert, weswegen mich auch nicht erschreckte, dass der Weg nach der ersten Hälfte recht steil nach unten abknickte, und der Kunde, der vorletzte des Tages, wohnte natürlich im letzten Haus.

Ich gab die Lieferung ab und wollte wieder fahren – allerdings hatten die Steigung und die feuchte Straße was dagegen. Die Hinterräder fanden keinen Halt und drehten durch, und als ich verbranntes Gummi riechen konnte, gab ich das Unterfangen auf. Ich musste wieder um Hilfe bitten.
Eine internationale Familie präsentierte sich mir. Der Herr des Hauses war Deutscher und stellte sich als Klaus vor; er machte von seinem Äußeren her den Eindruck eines neureichen 68ers, zumindest war das mein erster Eindruck. Seine Frau musste ich für eine Nordwestafrikanerin halten, wegen Hautfarbe, Gesichtszügen und ihrem zum französischen Akzent neigenden Englisch. Von den vier Kindern, von denen mir erzählt wurde, sah ich drei, einen Jungen von vier Jahren, der gemischt, aber klar getrennt, also ohne mitten in einem Satz zu wechseln, Deutsch und Englisch sprach, ein Mädchen von etwa fünf oder sechs Jahren mit dem gleichen linguistischen Phänomen, und eine hübsche junge Frau von 16 oder wenig mehr Jahren, die mir ein Glas kaltes Wasser reichte, an der das rückenfreie T-Shirt und ihr ästhetischer Gang auffällig waren (und damit meine ich nicht sowas wie das fast schon vulgäre Hüftschaukeln vieler Italienerinnen im gleichen Alter, die ich in Rom und Neapel gesehen habe).

Interessant war das ganz klar europäische Aussehen der Kinder, denn der Nachwuchs gemischt-ethnischer Paare, den ich bisher gesehen habe, zeugte bislang immer von der Schwäche europider Gene, die sich z.B. in Sachen Hautfarbe normalerweise den afrikanischen, und bei der Augenform oft den asiatischen Genen unterordnen – für mich ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Geschichte vom weißen Herrenmenschen nur ein Märchen ist, das Wunschdenken einiger Verzweifelter, die in ihrem Dasein als globale Minderheit eine mehr oder minder göttliche Mission zu erkennen glauben und deren Rassismus eigentlich eine Form von Angst ist, von der sie umgebenden Mehrheit geschluckt zu werden. Hier also die Ausnahme, die die Regel bestätigt?

Aber zurück nach Manderscheid. Klaus sagte mir, dass er mit seiner Familie nur zweimal im Jahr für ein paar Wochen hier sei und er daher nicht die Beziehungen habe, um schnell jemanden zu finden, aber er werde mal mit dem Pächter der Burg reden. Nach insgesamt einer halben Stunde kamen zwei weitere junge Frauen die Straße herunter, hinter ihnen zwei Herren um die Fünfzig in einem Unimog mit Stahlseil. Und hoch gings den Berg… von oben rollte ich dann die verbliebenen 200 m rückwärts zur Hauptstraße, bedankte mich, und fuhr Richtung Autobahn.

Aber irgendwie zog das Auto nicht richtig. Konnte das am niedrigen Tankstand liegen? Der sechste Gang hatte überhaupt keine Kraft mehr, mit dem konnte ich auf gerader Strecke gerade noch die Geschwindigkeit halten. Drückte man aufs Gaspedal, hatte man Gefühl, mit angezogener Handbremse zu fahren. Aber auch nach der Füllung des Tanks stellte sich keine Verbesserung ein – stattdessen leuchtete nun die Motorwarnanzeige. Ich rief Peter an und teilte ihm die Lage mit.
“Dann bring das Auto morgen zum Depot, lass es vor der Tür stehen. Ich besorg dann aus Koblenz ein Ersatzauto.”
Zum letzten Kunden in Eisenschmitt bin ich dann erst gar nicht mehr gefahren.

Bis ich dann zuhause war, war es 2015 – ich konnte also noch schnell was essen, duschen und dann ins Bett fallen, und ich dachte mir noch: “Ach, morgen ist Freitag, der wird den heutigen Donnerstag wohl kaum toppen.” Aber der Freitag toppte den Donnerstag.

Freitag Morgen. Kalaschnikow abwesend wegen Krankenschein. Kelvin abwesend, weil er den Ersatzwagen aus Koblenz holen musste. Und der neue Fahrer, den der Kurde vor ein paar Tagen eingeführt hatte, ist auch spontan zuhause geblieben:
“Ich dachte ich spinne… sagt der zu mir, ich geh mal aufs Klo, und schreibt mir ne halbe Stunde später ne SMS, dass er nich mehr kommt.”
Drei Mann weniger am Band, und alle am gleichen Ende – meinem Ende. Mike sprang ein, zusammen holten wir Pakete für die Touren Prüm, Bitburg, Gerolstein, Frühdienst, IT-Haus und Soft-Express vom Band. Wir mussten öfter das Band anhalten, weil wir nicht hinterherkamen. Wir können ja nicht unendlich Pakete am Band stapeln, die müssen auch mal gescannt und grob geordnet werden. So chaotisch war meine Anordnung noch nie. Weiter unten am Band beschwerten sich die anderen lautstark: “Was macht Ihr da oben? Pennt Ihr oder was?” Ist ja ganz klar: Wenn das Band steht, werden auch die nicht fertig, und auch die haben ihre Expresse, die sie schaffen müssen. Wir taten, was wir konnten, aber zwei Mann für fünf Touren sind zu wenig. Wir riefen Elmo ans Band, aber der war keine große Hilfe, weil er keine Erfahrung damit hat, vorbeirollende Pakete blitzschnell nach ihrer Postleitzahl zu untersuchen, und er kennt die Postleitzahlen auch nicht auswendig. “Mann, da wird einem ja schwindlig von!” sagt er nach 15 Minuten. Ich lache ihn aus: Das Band ist Gewöhnungssache, mir kommt es weitaus weniger schnell vor als noch vor zwei Monaten. Im Nachhinein muss ich sagen, dass es sinnvoller gewesen wäre, ihn das Zeug für die LKW-Touren scannen und stapeln zu lassen, aber scheinbar kam in dem Moment keiner drauf.

Kelvin kam schließlich dazu und die Sache entspannte sich, kehrte sich gewissermaßen ins Gegenteil: Die Trierer Fahrer hielten nun ihrerseits wegen Überlastung mehrfach das Band an, wir am “Oberlauf” hätten uns beinahe gelangweilt, wenn Kelvin nicht einen Berg von Paketen zu scannen gehabt hätte – über 220 Stück, die weitgehend ungeordnet an seinem und an Jürgens Stellplatz herumlagen. Igor (Name geändert), der Vorarbeiter der Bandaufleger, kam mehrfach mit strafendem Blick zu uns herüber und beobachtete die Trierer Fahrer kritisch.
“Was ist denn los da unten?”
“Ihr legt zu eng auf!”
“Ja ja,” sagte Mike, “ne große Klappe haben sie…”
“… und wenn’s mal stressig wird, fangen sie an zu heulen,” fügte ich grinsend hinzu, denn die meisten Leute am Band würden glänzende Forschungsobjekte für Geschlechterstudien im Bereich Männlichkeitsrituale abgeben, wie lautes Rülpsen, liberaler Umgang mit Kraftausdrücken, zotige Witze und vulgäre Sprache auch gegenüber weiblichen Angestellten, wie
“Kann ich ne Tasse Kaffee haben?”
“Warte, ich hol Dir eine runter.” (vom Regal natürlich)
“Wie? Du holst mir einen runter?”
Auch, wenn sie’s nicht ernst meinen, ist es dennoch sexuelle Belästigung, oder?

Aber wie dem auch sei, wegen des personellen Engpasses dauerte es bis Viertel vor Zehn, bis ich endlich aus dem Depot kam, und ich übernahm meinen “alten” Wagen, mal wieder, von Konrad.
In Speicher “Allgemeine Verkehrskontrolle”, bei einem Paar, das so unterschiedlich daherkam, wie die beiden Tierärztinnen in der Maarstraße: Eine nette und sympathisch wirkende Blondine einerseits, und ihr Kollege, dessen Mundwinkel der Schwerkraft folgten. Die wollten aber zum Glück nur Führerschein und Fahrzeugpapiere sehen und interessierten sich nicht für Gefahrgut oder die Ladung allgemein, kosteten mich also nur zwei oder drei Minuten. Die kaputte Bremsleuchte bemerkten sie nicht. Nichtsdestotrotz rief ich gleich wieder bei Peter an.
“Peter, ich komme mir vor, als ob ich im gleichen Auto wie gestern sitze.”
“Warum das denn?”
“Es ist eine Bremsleuchte kaputt und die Motoranzeige ist auch an.”
“Scheiße…”
Christian hatte nichts davon gesagt, dass diese Warnleuchten an waren, und ich würde mir derlei eigentlich wünschen, wenn man mir ein Auto übergibt – und nicht nur ich.

Mike übernahm an dem Tag zwar Spangdahlem, dafür musste ich hoch bis nach Ormont fahren, wo ich meinen Kunden nach seinem Feierabend nur zufällig antraf, weil er sich spontan dazu entschlossen hatte, an seinem Arbeitsplatz noch zu tanken. Und dann nach Eisenschmitt, wo ich ja am Donnerstag nicht mehr gewesen war.

Ankunft zuhause schließlich um 1915, und da musste ich noch rüber nach Tarforst, weil dort ein Abholer eingetragen war, Empfänger: “VitalAire”, eine Firma, die alles verkauft, was mit Atemgas zu tun hat, also zum Beispiel Sauerstoffflaschen, Atemgeräte, entsprechendes Zubehör und so weiter. Nur hatte sich diese Woche ergeben, dass Abholaufträge doppelt erteilt wurden, dass ich also bei Kunden zum zweiten oder dritten Mal innerhalb weniger Tage klingelte, die dann von nichts wussten. Der Kunde in Tarforst war nicht zuhause, ich warf ihm also einen Zettel ein, mit dem ich ihn bat, sich mit dem Depot in Verbindung zu setzen, falls er keine Abholware hatte.

Aus Kalaschnikows Plan, mir sein Auto zu überlassen, war übrigens nichts geworden, am Ende saß dann doch wieder der Kurde drin – der in der Zeit, die er bei Transoflex arbeitet, bereits ein paar Hundert Euro wegen verursachter Schäden hat löhnen müssen. Ihm ein Auto zu überlassen, und gerade das von Kalaschnikow, ist also ein bisschen wie Russisches Roulette.

Freitag Abend hatten wir dann noch einen Spielabend, während dem auch “Zombie Fluxx” gespielt wurde, aber davon ein ander mal.