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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

17. September 2011

King of Kylltal (Teil 12 und Ende)

Filed under: Arbeitswelt — 42317 @ 11:55

Letzter Montag im August: Kalaschnikow hatte noch immer Krankenschein wegen einer Lungenentzündung, high on antibiotics. Das bedeutete, dass entgegen der Regel, dass Montage ruhig verlaufen, die Paketladung dreier Einsatzgebiete auf zwei verteilt werden musste und aus irgendeinem Grund war die Versandmenge spürbar höher als gewöhnlich.
Die LKWs waren überlastet, was mir eine Palette für Gerolstein bescherte, die allein 540 kg wog, und in Landscheid hatte jemand ein Dutzend Pakete bestellt, die jeweils über 10 Kilo wogen und ein Einzelvolumen von etwa 50 x 50 x 20 cm hatten. Und die passten am Ende nicht mehr rein, zwei mussten draußen bleiben, und darüber hinaus standen da noch die Sendungen für Zemmer und Orenhofen. Also Landscheid raus und Zemmer und Orenhofen rein, Landscheid musste dann doch der LKW fahren. Allerdings war eines der Landscheider hinter die Palette gefallen und unmöglich wieder rauszukriegen, ohne die Palette wieder zu entladen, das würde ich dann am Folgetag per ABL (das heißt per Unterschrift auf altmodischem Papier) zustellen. Der Sprinter war mit mehr als 1500 kg Zuladung überladen, das Trittbrett hinten hing noch knapp über meinem Knöchel.

Dann rief mich der Depotchef noch zu sich. Was ich über eine Zustellung für einen Elektroladen in Niederkail wisse, der Kunde habe sich darüber beschwert, dass ich nun schon die zweite Alternativzustellung getätigt hätte, obwohl er doch zuhause gewesen sei. Zum Glück war der Fall mir gegenüber bereits durch Nachbarn des Kunden geklärt worden.
Der Empfänger heißt Quade, und für mich liest sich das spontan englisch, also [kweid]. Der Laden findet sich in der Brückenstraße 5, die Brückenstraße geht nahtlos in die Karl-Kaufmann-Straße über und die Brückenstraße 5 befindet sich verwirrenderweise am Anfang der Straße – jeder hätte das Haus also erstmal für die Nummer 1 gehalten und nach dem dritten Haus links Ausschau gehalten.
Fährt man die Straße entlang, ist das dritte Haus tatsächlich die Nummer 5 – aber die Karl-Kaufmann-Straße 5. Dort befindet sich kein Name an allen drei Klingeln, und auf den Paketlabels steht in keiner Silbe etwas von einem Elektrofachgeschäft geschrieben, sondern nur der Name des Empfängers, was perfekt nach einem Privatkunden aussieht. Als ich bei einer jungen Nachbarin klingelte, um die Pakete loszuwerden, sagte die “Ach, für den Keith? Das nehm ich an.” Meine Vorstellung vom amerikanischen Empfänger wurde also zweifelsfrei bestätigt – scheinbar.

Seltsam wurde es ein paar Tage später, als die selbe Adresse zwei Fernseher erhielt, aber ich hatte ja keinen Grund, an der bisherigen Sachlage zu zweifeln.
Die Fernseher gab ich bei einer anderen Nachbarin ab, die nach meiner Weiterfahrt die Adresse noch einmal überprüfte. Sie bemerkte den Fehler und wies mich tags drauf darauf hin, als ich rein zufällig ein Paket für ihre Schwester hatte und gegenüber hielt. Der eigentliche Empfänger der Fernseher beschwerte sich beim Depot und heißt nicht [kweid] sondern [‘kwade]. Die Sache war also bereits geklärt und ich konnte dem Chef versichern, dass sich das Missverständnis nicht wiederholen werde.

Die Reorganisation der Einsatzgebiete brachte nicht nur die erwarteten Probleme mit sich. Umgestellt wurde nicht mitten in der Woche am 1. September, sondern erst am ersten Montag im September. Bis dahin durfte ich noch einmal nach Kirchweiler fahren, wo die Kundin noch immer verschnupft war, weil Peter seine Notiz der Zahlenkombination ihrer Garage unauffindbar verlegt hatte. Diese Art von Schlamperei begeistert natürlich niemanden, aber man kann auch übertreiben.
Als der Fall neu war, bat ich sie um die Zahl, aber sie war zu dem Zeitpunkt sehr verärgert und “auf dem Sprung”, sagte, dass sie keine Lust habe, mir diese Information jetzt zu geben, stieg in ihr Auto und fuhr davon. Danach war Kelvin einmal dort, und wie man hört, hat er ihr bei der Gelegenheit wegen ihrer nachtragenden Art so deutlich die Meinung gegeigt, dass er zum Chef zitiert wurde und sich einen Verweis einfing. Immerhin erzählte er aber in der Folgezeit, dass die Frau ihn mit ausgesuchter Freundlichkeit behandele.

Anders bei mir. Bei der nächsten Gelegenheit hatte ich 14 Pakete und sie war nicht zuhause. Dennoch erklärte sich eine Nachbarin bereit, die Sendung anzunehmen und ich warf der Kundin eine Mitteilung in den Briefkasten, in der ich sie höflich bat, mir die Geheimzahl per SMS schicken oder mich anzurufen. Und dann war ich eben in meiner letzten Woche Kylltal/Gerolstein noch einmal dort, mittwochs, und sie hatte sich nicht gemeldet – das stank sogar mir gewaltig, denn ich konnte am allerwenigsten dafür, dass sie zuhause bleiben musste, um Lieferungen entgegenzunehmen.
Sie war zuhause, zum Glück, guckte mich beim Öffnen der Tür an wie ein schmollendes Reh und fragte unter Übergehung der üblichen Begrüßungsformel: “Ich dachte, ich bekäme meine Lieferungen ab diesen Monat von Koblenz aus?” Ich gebe zu, dass ich ihr in diesem Moment am liebsten den Hals umgedreht hätte, versuchte mich aber an einem gewinnenden Lächeln und teilte ihr mit, dass die Änderungen aus organisatorischen Gründen erst ab kommenden Montag eintreten würden.
Und dann kam es, dass freitags noch einmal eine Lieferung für sie kam. Ich sagte Mike, was ich davon hielt, mich noch einmal mit dieser Person abgeben zu müssen, und am Ende fuhr Kelvin die Ladung.

Ärgernis am Rande: Die Empfangstheke am Haupttor der Air Base Spangdahlem bekommt ein neues Telefon. Was ja gut ist, weil diese alte Gurke, die man da bislang verwenden musste, um Kunden anzurufen, sicherlich aus den frühen 80ern stammte – allerdings wurde das alte Telefon entfernt, ohne dass sofort ein neues installiert wurde. Und das bedeutet, dass ich jedes Mal, wenn ich Spangdahlem anfahre, mein eigenes Geld vertelefonieren muss, um meine Pakete loszuwerden, und das kann ja wohl nicht sein. Vielleicht sollte ich auch sagen “müsste”, denn in den allermeisten Fällen der letzten Zeit übernimmt Mike die Basis und ich fahre nur die Adressen im Dorf an, Garber, Penrose, Indelicato, und wie sie alle heißen.

Ich selbst wurde dann am Montag ohne Umschweife ins kalte Wasser gestoßen und bekam eine reduzierte Tourreihenfolge mit knapp über 40 Stopps und Hilfe beim Einladen – dafür bin ich Mike dankbar, aber es änderte nichts daran, dass ich mangels Orts- und Situationskenntnis von Montag bis Donnerstag erst nach 20 Uhr nach Hause kam. Da reichte die Zeit noch für ein schnelles kaltes Essen wie Cornflakes oder zwei belegte Brote, und geduscht habe ich in dem Zeitraum auch nur zweimal, ein feuchter Lappen musste genügen.
Aber ich hatte auch kleine Erfolgserlebnisse: Zwar kam ich am Donnerstag ebenfalls spät nach Hause, aber anders als an den Tagen zuvor waren alle Pakete ausgeliefert, und am Freitag schaffte ich die Heimkehr bereits gegen Sieben Uhr – obwohl ich im Schnitt mehr Pakete fahre, als auf der Gerolsteintour. Und in dieser Jahreszeit zeigt sich ein Vorteil des Überlandfahrers: Mittagessen und Nachmittagssnacks wachsen einem vom Wegrand her fast in den Mund. Die Bäume tragen zentnerweise Äpfel und Birnen. Man muss nur mal kurz anhalten und die Hand ausstrecken und schon ist das Mittagessen gesichert.

Und damit endet die Kylltalserie. Ich habe über eine Fortsetzung, bzw. einen Titel für dieselbe, nachgedacht, bin aber noch zu keinem Ergebnis gekommen. Und weiter schreiben “muss” ich ja, weil gerade ein neues Einsatzgebiet neue Eindrücke vermittelt, die man kommunizieren kann – und darin liegt ja der Zweck dieses Blogs.