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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

16. Dezember 2007

Der Abschluss dieser Arbeitswoche…

Filed under: Arbeitswelt — 42317 @ 19:54

Ich habe seit Donnerstag jeden Tag den ganzen Tag im Teppichladen gearbeitet.
Für Samstag, gestern, hatten sich Kunden angekündigt, die einen 3×4 m großen Teppich für ihr Wohnzimmer wollten, nachdem sie vor Kurzem festgestellt haben, dass der Kasmir Seide, der bislang da lag, nur ein Kashmir Kunstseide ist. Das Material hatte seine Geschmeidigkeit und seinen Glanz eingebüßt, also sollte ein neuer Teppich her, am besten einer, der zu dem 1,50×2,00 m Sarough daneben passt, das heißt entweder ein weiterer Sarough oder ein Keshan.

Es handelte sich um anspruchsvolle Kunden mit einer Menge Kies, von daher bestand die Aufgabe darin, ab Donnerstag nicht nur alle Teppiche der entsprechenden Größe vom Stapel abzubauen und bereitzulegen, sondern auch noch die Paletten unter den Teppichen (die dem Schutz vor Wasser dienen sollen, indem sie die Teppiche 10 cm über den Boden heben) zu renovieren und die abgebauten Teppiche komplett flach in den Eingangsbereich zu legen und mit dem Staubsauger zu reinigen.

Teppiche dieser Größenordnung sind in der Regel schwer. So 30 Kilo bringen die wohl auf die Waage. Wegen der Sperrigkeit müssen sie zu zweit getragen werden, und das heißt, ständig Kniebeugen zu machen, weil man ja nicht aus dem Rücken heben soll (im Teppichgeschäft nicht weniger ungefährlich als beim Klaviertransport), aber weil so ein Teppich auch zu einem 100×70 cm Paket gefaltet in der Mitte durchhängt, kriegt der Rücken halt doch was davon mit. Weniger meine Knochen als eher meine “Rucksackmuskeln” oberhalb des Hüftknochens, die sich immer meldeten, wenn ich mit einem 30 kg schweren Rucksack unterwegs war, bevor ich mich an die Lasten gewöhnt hatte.

Der Stapel im Eingangsbereich war am Donnerstag Abend dann 50 cm hoch, und für den kulminierten Wert hätte man ein luxuroös eingerichtetes Einfamilienhaus kaufen können.

Der Freitag ging dann komplett dafür drauf, den Stapel neu zu sortieren. Erstens mussten die rausgelegt werden, die für die Kunden in Frage kamen, zweitens befanden sich in dem Stapel Teppiche, die eigentlich nicht hinein gehörten, und drittens dürfen alte/feine Teppiche nicht so tief liegen, damit sie nicht so viel Last auf den Faltkanten haben, die können nämlich brechen. Also wurden einzelne Stücke weiter nach oben geordnet.

Samstag kamen dann die Kunden.
Und nicht nur die. Ich hatte echt das Gefühl, im Weihnachtsgeschäft gelandet zu sein. Zuerst kam ein einzelner Amerikaner, ich schätzte ihn auf Anfang bis Mitte Zwanzig, der ein Geschenk für seine Schwester suchte und einen 120×100 cm Kelim für 300 E mitnahm. Das war der wohl jüngste Kunde, den ich in dem Laden je gesehen habe.

Die Hauptkunden kamen dann um 1415 Uhr und ließen sich acht oder neun Teppiche zeigen, von denen sie dann fünf aussortierten. und das war eine Angelegenheit von über einer Stunde. Wenn man zum Juwelier geht, um einen Ring zu kaufen, steckt man sich verschiedene an den Finger, um zu sehen, wie’s aussieht, dann kann man den einen wieder runternehmen und einen anderen aufstecken, dann einen weiteren, dann wieder zum ersten zurückkehren, und es wird keine fünf Minuten dauern, sofern man das Beratungsgespräch ausklammert.
Mit Teppichen dieser Größenordnung ist das ein bisschen anders. Ich war schon heilfroh, dass wir die in Frage kommenden Stücke bereitgelegt hatten, dennoch mussten sie nach vorne getragen und aufgelegt werden, dann wieder entfernt und durch den nächsten ersetzt werden, das alles mehrfach hin und wieder zurück in verschiedenen Reihenfolgen.

Mittendrin kamen noch andere Kunden. Weniger betuchte, aber auch diese hatten sich immerhin ein Limit im mittleren vierstelligen Bereich gesetzt. Und die wollten einen ebenfalls speziellen Stapel sehen. Im oberen Stockwerk befindet der sich, und in ihm findet man Teppiche, die breiter sind als Läufer, aber ebenso lang, also von vier Metern an aufwärts bis acht Meter Länge bei einer Breite von maximal 150 cm, und das alles im alten (ab 75 Jahre) bis antiken (150 Jahre+) Bereich. Die Teppiche sind leichter als die 3×4, aber wegen der Länge und des Alters muss man vorsichtig mit ihnen umgehen, das erfordert ebenfalls zwei Leute, die vorführen, aber Halina und ich können uns ja nicht verdoppeln.

Aber die Vorführung unten kam schon bald zu ihrem Ende. Das Ehepaar hatte vier Teppiche ausgesucht, die wir dann vor Ort, in der Wohnung, auslegen sollten, um ein endgültiges Urteil zu finden. Ich hatte ein bisschen gehofft, dass wir das noch am Samstag Abend machen könnten, aber es sollte nicht sein. Die Kunden wollten die Vorlage am Sonntag Morgen um 11 Uhr.

Im oberen Stockwerk ging es dann ohne Verschnaufpause weiter, aber es ging auch flotter, als ich dachte, aber dann hatten wir gerade noch Zeit, den Bus mit den Teppichen für die Vorlage zu beladen. Der hintere Bereich des Ladens sieht wegen des Stapeldurchsuchens immer noch aus wie nach dem Besuch des Kammerjägers, aber aus verschiedenen Gründen muss das Aufräumen bis Mittwoch warten.

Die Vorlage sollte an einer Adresse stattfinden, die in Reichweite eines Spaziergangs von meiner Haustür entfernt liegt, also würde ich nicht erst in die Stadt fahren müssen.
Um 1120 Uhr beim Kunden ging der Spaß dann los – und der fing damit an, dass Halina auf Wunsch der Chefin aus Zeitgründen den nicht benötigten Schlüssel vom PKW nicht in den Schlüsselkasten zuhause, sondern ins Handschuhfach des Transporters getan hatte.
Als nächstes hatte ich den Schlüssel des Transporters in die Jackentasche gesteckt, anstatt wie üblich in die Hosentasche, weil die Jacke darüber hinaus lang ist.
Nachdem alle Teppiche im Hausflur des Kunden waren, war mir klar, dass die Arbeit anstrengend werden würde, und außerdem, dass jener Kunde eine sommerliche Temperatur an seiner Heizung eingestellt hatte, also zog ich die Jacke aus, legte sie in den Bus und machte die Tür zu.

Grande Catastrophe. Beide zentralen Schlüssel für beide Fahrzeuge, Wohnung und Laden waren damit im Bus eingesperrt. Man musste also das Fahrzeug wieder aufbekommen. Ein Ersatzschlüssel befand sich in einer Metallkassette im Laden. Ein Ersatzschlüssel für den schwer gesicherten Laden befand sich in der Wohnung. Ein Ersatzschlüssel für die Wohnung und ein Ersatzschlüssel für den PKW befand sich bei Halinas Schwester Eli.

Der Kunde erklärte sich also bereit, uns mit seinem PKW in die Paulinstraße zu fahren, wo Eli in einem Hotel arbeitet. Mit ihrem Schlüssel war sichergestellt, dass wir einen fahrbaren Untersatz hatten, und dass wir in die Wohnung kamen, wo der Ersatzschlüssel für Laden und Alarmanlage im Schlüsselkasten hing. Im Laden wurde schnell die Metallkassette geborgen, in der der Ersatzschlüssel für den Bus war. Allerdings befand sich der Schlüssel für die Metallkassette an einem der Schlüsselbunde, die in eben jenem Bus eingeschlossen waren. Also packten wir uns eine Beißzange und zerstörten damit die Halterung des Splints, der die Metallkassette an ihrem Scharnier zusammenhielt. Da musste offenbar nichts Teures geknackt werden.

Eine Untersuchung des geborgenen Schlüssels zeigte aber, dass er leicht verbogen war, auf Grund eines Sturzes vor Jahren. Also spannten wir den Schlüssel in den Schraubstock und bogen ihn so grade, wie es möglich war. Ganz wie neu wurde er nicht, also mussten wir darauf hoffen, dass wir den Bus damit aufbekommen würden. Ein Schlüsselnotdienst am Sonntag ist bestimmt nicht billig.

Aber der Schlüssel tat seine Arbeit und die beiden Schlüsselbunde konnten befreit werden. Die Vorführung konnte weitergehen.

Die Teppiche hatten eine Preisreichweite von 17.000 bis 50.000 Euro. Und wir, also Halina und ich, waren zweieinhalbe Stunden damit beschäftigt, die Teppiche auszulegen, die Möbel draufzustellen, wieder runterzunehmen, den Teppich einzufalten, den nächsten auszulegen, die Möbel wieder zu postieren, usw., in wechselnder Reihenfolge, vor und zurück. Da ist mir doch ordentlich warm bei geworden, und gleichzeitig musste ich den Kunden ständig daran hindern, die Arbeit zu machen, für die ich bezahlt werde. Es bringt mir böse Blicke vom “Management”, wenn ich dem Kunden seinen Willen und damit Arbeit überlasse.

Um 1400 Uhr war die Entscheidung gefallen und 27.000 E verblieben auf dem Parkettboden. Den Kashmir brachten wir nach oben und legten ihn in einem Arbeitszimmer aus.

Ich hätte es natürlich gerne gesehen, wenn wir ein lächerliches Prozent des Kaufpreises als Trinkgeld bekommen hätten, aber nach getaner Arbeit bekam jeder von uns einen Zehner. Ich will mich nicht beschweren, es ist besser als nichts, aber ein bisschen schwach kommt’s mir doch vor, beachtet man das finanzielle Potential, das in dem Haus offensichtlich war.

Ich spüre die Arbeitstage ganz deutlich am Leib und bin froh, dass diese Woche vorbei ist.
Jetzt gibt’s am Dienstag noch 40 E für ein Experiment, das mich wieder einige Brusthaare kosten wird (11 Elektroden hat man mir angekündigt) und Aufräumen im Teppichladen ist für Mittwoch festgelegt.