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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

15. Februar 2009

Antiquitäten in Luxemburg, 2009

Filed under: Arbeitswelt — 42317 @ 19:44

Ich muss über die Messen eigentlich nicht immer schreiben, denn prinzipiell läuft da ja immer das gleiche, und von der Messe selbst bekomme ich ja nichts zu sehen, außer im schnellen Vorbeigehen.

Irgendwo muss bei den Vor- und Nachbereitungen dieses Jahr allerdings der Wurm drin gewesen sein, und ich kann nicht einmal sagen, wo. Die Vorbereitungen, also das Aussuchen geeigneter Ware, deren Erfassung und Verladung, dauerte ebenso lang wie sonst auch, allerdings war unschwer festzustellen, dass wir nur halb so viele Teppiche mitnahmen, als sonst üblich, und auch die gewöhnungsbedürftigen Buddhastatuen, die wir auf Kommission im Laden haben, blieben genau dort. Die einzige Verzierung, die mitgenommen wurde, war eine Schnitzerei aus Teak.

Ah ja, da war doch was! Natürlich… die Holzleisten, an denen die Teppiche aufgehängt werden, sollten neu gestrichen werden, und das zog sich ein bisschen länger, als ich erhofft hatte. In Abwesenheit von technischen Hilfsmitteln, abgesehen von zwei Brettern als Unterlage und einem Pinsel, und handwerklicher Eignung fiel mir keine bessere Lösung ein, als die Bretter halb-und-halb zu streichen, das heißt, zuerst eine breite und eine schmale Seite, trocknen lassen, dann die andere breite und die andere schmale Seite, zuzüglich der Außenkanten, wieder trocknen lassen. Der wasserlösliche Lack versprach, innerhalb von etwa einer Stunde trocken zu sein, aber damit war’s ja wohl nichts. Um 1715, also eine dreiviertel Stunde vor Feierabend, war sonnenklar, dass der Lack keineswegs so zeitig trocken werden würde, dass ich alle Bretter am selben Tag behandeln konnte.

Stattdessen trat die ältere Tochter des Hauses mit der Bitte an mich heran, ihre Hausarbeit zum Thema Büchner auf Fehler durchzusehen. Das dauerte dann bis sieben Uhr und ich glaube, dass die Arbeit zu dem Zeitpunkt weitgehend rot war. Nicht, dass ich von Büchner übermäßig viel verstehen würde, aber wenn es um Ausdrucksweise, Wortwahl, Wiederholungen, und Verständlichkeit geht, kann ich sehr wohl einen Kommentar dazu abgeben. Ich habe allerdings davon abgesehen, diese Tätigkeit als Arbeitszeit zu berechnen. Man ist in dem Laden immer fair zu mir gewesen, also will ich es auch sein.

Die Bretter brauchten dann also einen Tag länger, und wofür mir keine Lösung eingefallen ist, war das Problem, wie ich die letzte schmale Kante ohne Lackschaden hinbekommen würde. In den Brettern befinden sich nämlich Schraubhaken, oder wie auch immer das Zeug heißt – man schraubt sie ins Holz und befestigt das Brett damit an einer Aufängung an der Wand. Diese Haken mit Gewinde sind leider länger als die beiden Unterlagen dick sind,  mit denen ich die neu lackierten Flächen vom Arbeitstisch trennte. Mit einer trockenen, breiten Seite konnte ich die Bretter jedenfalls nicht auflegen, weil dann der Platz auf dem Tisch nicht gereicht hätte, also musste ich die frisch gestrichene Kante auf die Unterlage aufsetzen, und das absehbare Ergebnis war, dass der Lack verklebte und zum Teil noch offene Flächen existieren. Sie sind allerdings nicht groß und zu meinem Glück verschwinden die Bretter eh hinter den Teppichen, die verpfuschte Arbeit würde also niemand sehen.

Die Messe dauerte dann von Freitag bis in den Montag hinein, dann wurde abgebaut. Ein kurzer Spaziergang zwischen den Ausstellungsflächen zeigte allerlei Antikes, oder auch nicht antikes. Da war ein Stand, der goldene und schwarze Möpse (Hunde), und daneben noch einmal ebensolche Pinguine ausstellte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Dinger ebenso alt wie hässlich sind. Silber, hochpoliert bis zur Erblindung hier, dort reichlich gewachste Möbel, von deren Wachsgeruch einem schlecht werden könnte, dazwischen zwei Aussteller mit Ikonen, also Darstellungen von Heiligen, auf Bretter aufgemalt, aus Russland. Einen konkurrierenden Teppichstand gibt es ebenfalls seit Jahren, allerdings hat sich das Ehepaar auf afghanische Yomout spezialisiert, während der Großteil unserer alten Ware aus dem Kaukasus stammt.

Als auf der Fahrt nach Luxemburg ein paar Schneeflocken durch die Luft tanzten, dachte ich mir noch nicht viel dabei, aber als der Aufbau dann begann, hatten wir schlagartig Saarbrücker Verhältnisse, um es mal so zu nennen.  Die Teppiche mussten abgedeckt werden, was bis zum Anhänger auch gut ging, aber dort mussten wir die Plane anheben, und der ebenfalls vorhandene, böige Wind tat sein bestes, die Abdeckplane wegzupusten. Und bei jedem Gang nach draußen sammelte sich auf dieser Plane genügend Schnee, um mindestens drei Schneebälle zu formen.

In der zweiten Hälfte des Abends ließ der Schneefall allerdings mit dem Wind nach und es begann zu nieseln, was auch nicht so dolle war. Immerhin waren die Zufahrten des Messegeländes und auch die Autobahnen hervorragend gestreut. Zum Glück war ich wegen der Arbeit der vergangenen Tage nicht dazu gekommen, den Transporter zu waschen… das hätte ich nach dem Wetter nämlich gleich noch einmal machen können, um das Salz von den Oberflächen zu spülen. Der Wetterbericht hatte vor Schnee gewarnt, allerdings war es das erste Mal, dass es zur Luxemburger Messe geschneit hatte. Zur Herbstmesse dann also Sturm und Hochwasser?

Die Rückfahrt nach Trier ging also zügiger von sich, als das im November aus Richtung Saarbrücken der Fall gewesen war. Die Chefin zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ergebnis der Messe, ich interpretiere also, dass zwei oder drei Exemplare verkauft worden sind – was bei der Art der Ware einige Monatsmieten bedeutet – und wohl auch einige andere Aufträge zur Beschaffung oder Reparatur ausgehandelt werden konnten.

Zurück in Trier das übliche Ausladen. Möglichst schnell und halbwegs ordentlich, damit in den kommenden Tagen die Liste abgehakt werden konnte, um die Teppiche dann wieder in ihre Stapel einzuräumen.
Theoretisch sollte das bei der relativ geringen Warenmenge nur einen Tag dauern, allerdings ergab es sich, dass man uns am Tag darauf gewissermaßen die Bude einrannte, weshalb das alles nicht so fertig wurde, wie es sollte, aber immerhin war das Ergebnis, dass ein paar weitere Tausend Euro als Umsatz erwirtschaftet werden konnten. Ein Ehepaar zum Beispiel suchte ein großes Stück für ein großes Wohnzimmer und hatte im Vorbeigehen am Laden zufällig das Exemplar entdeckt, für dessen Ausstellung sich Halina entschieden hatte, obwohl die Chefin eigentlich der Meinung war, dass er viel zu groß sei (3,50 x 2,50), um ernsthafte Chancen zu haben, verkauft zu werden. Aber da ging er hin und kam nicht wieder.

In dieser Reihe von Ereignissen beeindruckend auch der geschäftliche Besuch bei einem pensionierten Trierer Zahnarzt mit einer wirklich imposanten Aussicht auf die Altstadt und einem ganzen Stall voll Enkelkinder. Der hatte vor 30 Jahren einen Großeinkauf getätigt und wollte nun Reparaturen und Wäsche vornehmen lassen. Der Adlerkazak alleine, der da so unschuldig an der Wand hängt, hatte anno dazumal 100.000 Deutsche Mark gekostet, und auch die übrigen Stücke waren von bester Qualität. Wer hat hierzulande auch schon einmal von einem armen Zahnarzt gehört?
Sein Wohnzimmerafghane von über vier mal drei Metern zeigte Anzeichen von Mottenfraß (Motten lieben Afghanen, verschmähen aber andere Teppiche weitgehend), und zu allem Unglück stellte er ebenda auch fest, dass der Teppich morsch ist – vermutlich das Ergebnis eines undichten Weihnachtsbaumtrogs. Also, alles einpacken, im Hof ausbreiten, desinfizieren, wieder einpacken, und zur Wäscherei damit.

Jetzt sollte der Alltagsbetrieb wieder einsetzen. Allerding ist für April mal wieder ein Vortrag in der Teppichgalerie geplant, und wenn ich mich nicht irre, dann kam das so:
Vor langer Zeit hielt sich ein Student der FH, Abteilung Kunst, bei uns auf und hatte Erlaubnis, ein paar Teppiche zu fotografieren. Er wollte die Muster irgendwie verwerten. Binnen Jahresfrist folgten diesem Besuch zwei Vorträge der Chefin in der FH, in denen sie auf die Symbolik der alten Teppichmuster einging. Diese Vorträge inspirierten die FH-Künstler scheinbar sehr und es folgte eine ganze Reihe von Projekten. Ich glaube, diese Projekte sollen dann im April vorgeführt werden. Das erhältliche Vorabmaterial sieht auch nicht uninteressant aus, also bin ich sehr gespannt, was ich zu gegebenener Zeit darüber berichten kann.