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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

30. November 2008

Die Saarbrücker Antiquitätenmesse – backstage (Teil 2)

Filed under: Arbeitswelt — 42317 @ 23:30

Nach einem Samstag geruhsamer, normaler Arbeit mit Teppichen – also Staub saugen und auch sonst die Ordnung und Präsentierbarkeit aufrecht erhalten – ging’s dann am Sonntag wieder nach Saarbrücken. Eigentlicher Plan: Abfahrt um 1630. Im Hinblick auf das schneeverdächtige Wetter wurde per Telefon dann aber doch lieber 1530 ausgemacht. Im gleichen Gespräch erfuhr ich, dass die Chefin wegen des nächtlich verstärkten Schneefalls am Freitag Abend nicht nach Trier zurück, sondern nur bis zur Familie nach Dillingen gefahren war – wo Brüder, Mutter, und Großmutter im selben Haus leben. Wie genau das Wohnmobil dann nach Trier gekommen ist, während der BMW am Samstag Morgen zur Messe fuhr, ist mir nicht erklärt worden. Wahrscheinlich wurde die ältere Tochter per Bahn nach Dillingen bestellt, um das Auto abzuholen.

Ich holte Halina also um 1530 ab und fuhr gemütlich nach Saarbrücken. Die Schneedecke war abseits der Fahrbahn zwar geschlossen, aber nur einen oder zwei Zentimeter hoch. Kein Grund zur Panik. Wir würden bequem um 1700 in Saarbrücken sein, ohne die durchschnittliche Geschwindigkeit über 100 km/h heben oder bedeutend darunter senken zu müssen. Während der Fahrt erfuhr ich dann die wichtigsten Eckpunkte der Vernissage zur Eröffnung der Antiquitätenmesse 2008: Schätzungsweise ein Dutzend Leute war gekommen, das heißt, am Freitag Abend waren mehr Aussteller als Besucher da. Und diejenigen, die gekommen waren, waren die, die den Zug genommen hatten. Die Autofahrer waren im Hinblick auf die Wetterlage scheinbar lieber zuhause geblieben. Und dann war da ja noch die Gräfin. Das war natürlich keine Gräfin, sondern eine Schauspielerin, die in einem barocken Kostüm mit einer ebenso barocken Perücke steckte. Sie hielt also eine kleine Rede, flanierte über die Ausstellungsfläche, plauderte mit Anwesenden und ließ sich mit ihnen fotografieren, verteilte Autogramme, und nahm es mit Humor, dass sie in der Kluft scheinbar sehr schwitzte.

Wir waren dann in der Tat um etwa 1700 vor Ort und stellten den Bus auf den Parkplatz vom Arbeitamt. Die Schranke vor dem Kongresszentrum würde erst um 1800 geöffnet. Aber mit einem gemütlichen Umsehen bis dahin war es auch nichts. Da ja nun wirklich kaum was los war, Schätzungen sprachen von etwa drei Dutzend Besuchern am gesamten Wochenende, begannen wir gleich mit der Inventur, das heißt, wir überprüften, ob das, was wir mitgenommen hatten, auch noch da war. Zu einem Verkauf war es leider nicht gekommen. Und Inventur hieß in diesem Moment, dass ich mit der Chefin Teppiche und Dekoration durcharbeitete, während Halina sich am Stand eines freundlichen, älteren, englischen Herrn (der lediglich das Konzept von “Du” und “Sie” nicht durchschaut hatte) dessen Angebot von Jagdmessern besah. Von meinem laienhaften Blickwinkel betrachtet, würde ich die Handwerkskunst doch als beeindruckend einschätzen. Sehr schöne Holzgriffe, sehr handlich, blitzender Stahl, sehr schön geschliffen, und er kann zu seinen Messern so viele Geschichten erzählen, wie das bei uns bei den älteren Teppichen der Fall ist.

Am heutigen Tag wurde gedrängelt – “Wir müssen bis um 1800 mit der Inventur fertig sein, damit wir den Bus reinfahren und sofort einladen können!” – aber das bin ich ja gewohnt. Natürlich klappt das mit dem Zeitlimit nicht, aber den Bus stellen wir dennoch vor die Tür. Ein klarer Vorteil gegenüber Luxemburg: Da steht der Wagen auf dem Parkplatz und man muss ein Stück bis dahin gehen. Das schadet meinen Beinen nicht, aber wenn das Wetter nass ist, muss man die Teppiche abdecken, weil es sein kann, dass die Feuchtigkeit sie modern lässt. Beim Aufbau kann man den Anhänger noch in die Halle schieben, ausräumen, und wieder rausfahren, bevor die übrigen Stände sich zu sehr ausgebreitet haben und kein Durchkommen mehr ist. Beim Abbauen müsste man also warten, bis Platz ist, und soviel Geduld am Stück habe ich in diesem Haus noch nie gesehen, wenn es darum geht, die Zelte abzubrechen und Feierabend zu machen. In Saarbrücken gibt es am Eingang sogar ein kleines Vordach. Wir waren schnell genug und kriegten einen nahen Stellplatz. Wir konnten aus der Tür heraus sofort einladen.

Allerdings fing es um kurz vor Sechs ganz heftig an zu schneien. Der Schnee berührte kaum die Ware, dank des Vordachs, aber über die Straßen mussten wir uns Sorgen machen – ich wollte ungern über eine verschneite Autobahn fahren müssen, und wie ich bereits sagte, hat der BMW noch keine Winterreifen. Das Einladen ging zügig voran und um halb Acht holte ich den BMW ebenfalls auf den Parklplatz der Halle, nachdem ich ihn von etwa 15 cm Schnee befreit hatte. Ein kurzer Test auf dem Parkplatz gab mir Gewissheit, dass der Wagen über eine Antischlupfregelung (ASR) verfügt, die Automatikschaltung sollte also keine zu großen Probleme machen.

Während wir die letzten Gegenstände nach draußen brachten, fragte mich der nette Engländer, ob er mich für zwei Minuten ausleihen könne. Würde ich gerne zulassen, aber ich musste ihn an die Chefin verweisen, die alles ruckzuck fertig haben und nach Hause wollte. Warum er sie nicht fragte, sondern wortlos an ihr vorüber ging, und seinen Stand alleine weiter auseinanderschraubte, weiß ich nicht. Ich hätte ihm in fünf Minuten helfen können, länger würde unser Einräumen nicht dauern. Denn bislang dachte ich, dass ich in Saarbrücken zurückbleiben und mit dem Zug nach Hause fahren müsste, weil der Plan geäußert worden war. Wegen der zu erwartenden Straßenverhältnisse (in Saarbrücken war in drei Stadtteilen der Busverkehr zusammengebrochen) wollte die Chefin nicht nach Trier zu fahren, sondern in Dillingen übernachten. Ich war extra darauf hingewiesen worden, meine Zugfahrkarte mitzunehmen. Das wäre praktisch, weil meine Freundin ebenfalls in Saarbrücken war, um ihren Vater zu besuchen, und wir hätten gemeinsam nach Hause fahren können.

Natürlich war das ein Denkfehler, denn das würde für zwei Autos nur einen Fahrer lassen, und den BMW (in dem nur Buddhastatuen gelagert waren) in Saarbrücken zu lassen, war keine Option. Ich sollte also nach Dillingen mitfahren und würde dann zum Bahnhof in Saarlouis gebracht. Somit sah ich den englischen Messerfachmann nie wieder.

Die fahrt ging los, mit 30 durch die Stadt, mit 40 bis 50 über die Autobahn. Streufahrzeuge sah ich nur auf der Gegenfahrbahn. Scheinbar fuhren wir vor “unseren” her. Aber es war gemütlich. Ich fühlte mich wie in einer Flugsimulation auf einem zu leistungsschwachen Rechner: Nach Vorgabe der Richtung konnte man bei laufendem Spiel an den Kühlschrank gehen, sich einen Snack herausnehmen oder eine Tasse Tee trinken. Leider hat der BMW weder das eine noch das andere, aber eben so in scheinbarer Zeitlupe (45 km/h sind nicht langsam!) schlich die in der Dunkelheit kaum sichtbare Landschaft an mir vorbei. Wir brauchten also entsprechend lang für die etwa 30 km nach Dillingen und wurden dort vor der Tür vom Schnee schippenden Bruder, dem ohne Bart, in Empfang genommen. Sofort tauschte man Beschwerden über das Wetter aus und erinnerte sich an vergangene Horrorfahrten, zum Beispiel im Schneegestöber nach Hamburg, mit Bullenhitze im Wohnmobil und den Insassen in T-Shirts.

Ein Blick auf die Uhr sagte, dass es kurz nach Neun war. Ein Zug für mich würde um etwa Elf abfahren. Das wäre dann doch eine lange Wartezeit. “Sollen wir riskieren, nach Trier zu fahren?” fragte mich die Chefin. Oh, ich bin da zu allem bereit, so lange der BMW hier stehen bleibt und wir die Strecke durchs Saartal fahren. Die ist zwar ein paar Kilometer länger, hat aber keine nennenswerten Steigungen, nach dem Wechsel auf die B51 mal abgesehen von einem Anstieg bei Mettlach und einem weiteren bei Konz. Wir sattelten also die Hühner erneut, ließen den BMW in Dillingen und fuhren mit Wohnmobil und Anhänger weiter, bis auf Halina, die es vorzog, zu bleiben. Eigentlich sagte sie, sie habe am Montag um 1400 eine Verabredung… scheinbar war sie der Meinung, dass ihre Schwester früh genug runterkomme, um sie abzuholen. Ich hätte da Zweifel, aber mir soll es Recht sein. Sehr bequem wäre es im Wohnmobil für eine weitere Person eh nicht.

Ich fuhr mit der Chefin also allein Richtung Trier. Sie erzählte von weiteren Reisen in chaotischem Wetter (z.B. Strecke Straßburg-Trier in sechs Stunden, oder 40 km Stau am Elbtunnel), von Problemen mit Automatikschaltung, als es noch keine ASR gab, und vom Niedergang der Saarbrücker Antiquitätenmesse.
“Vor dreißig Jahren war das in Saarbrücken eine Riesensache, während Luxemburg lediglich ein besserer Trödelmarkt war. Der industrielle Niedergang im Saarland hat sein Stück dazu beigetragen,” sagt sie. “Aber in Saarbrücken war auch sonst immer mal was los, was uns das Geschäft vermiest hat… Schneechaos gab’s schonmal, dann Autobahn dicht wegen Hochwassers auf der Fahrbahn, und einmal einen deftigen Bergarbeiterstreik mit einem Protestzug von Saarlouis bis Saarbrücken Stadtmitte.” Ich kann mir allerdings denken, dass sich die Luxemburger Messe ebenfalls als “wetterfühlig” erweisen dürfte, denn der Senninger Berg am Luxemburger Flughafen hat’s ebenfalls in sich.

Die beiden Steigungen der B51 brachten wir problemlos hinter uns. Nur die mangelnden PS-Zahlen des Wohnwagens machten sich bemerkbar, außerdem war kaum sonst jemand unterwegs, was auch ganz gut war, denn die Chefin fuhr unkonzentriert genug, um hin und wieder zu vergessen, das Licht bei Gegenverkehr abzublenden, und das plötzlich lauter erscheinende Motorgeräusch ließ nichts Gutes vermuten – wir würden später, bei Tageslicht, feststellen, dass sich, nachdem wir das Endstück des Auspuffrohrs vor ein paar Tagen mühsam entfernt und ersetzt hatten, am vorderen Teil desselben eine angeschweißte Halterung gelöst hat und wir jetzt auf Höhe der Beifahrertür ein daumengroßes Loch hatten. Immerhin gab es keine größeren wetterbedingten Schwierigkeiten.

Um 2300 waren wir dann am Ziel, röhrend wie ein Porsche, der nach Pferdestärken schreit. Jetzt musste der Hänger noch ausgeladen werden. Weggeräumt wurde aber noch nichts. Wir legten alles einfach in den Laden und achteten darauf, dass die empfindlicheren Stücke kein Gewicht tragen müssen. Dennoch sah es nachher ziemlich chaotisch aus. Die kommende Woche dürfte noch einige Arbeitsstunden parat haben. Um etwa halb Eins war der Hänger leer und grob gereinigt, er sollte also sofort ins Industriegebiet West gebracht werden, zu der Firma, bei der er gemietet worden war. Abgabetermin wäre Acht Uhr morgens, und die Chefin bezweifelte, dass sie die Laune hätte, nach diesem Wochenende in nicht einmal sieben Stunden wieder aufzustehen, also machten wir das jetzt noch.

Mit dem Hänger rückwärts aus der Einfahrt zu fahren, die 20 cm breiter ist, als der Transporter, traute sich keiner von uns so recht zu, also schoben wir den Hänger rückwärts raus und drehten ihn auf dem Vorplatz, damit das Wohnmobil vorbeipasste und der Hänger nur noch angekuppelt werden musste. Das ist bei einem zweiachsigen Hänger aber gar nicht so einfach. Da musste also mitten in der Nacht noch der Hänger herumgezerrt werden, weil wir keinen Platz zum Manövrieren hatten. Dabei bin ich noch mal kräftig ins Schwitzen gekommen.

Der Hänger wurde also ebei seinem Besitzer abgestellt und ich nach Hause gefahren, wo ich um kurz nach 0100 die Tür hinter mir schließen konnte.
Meine Freundin nicht hier?
Dann würde sie wohl noch bis morgen in Saarbrücken bleiben. Dann wäre aus der erhofften gemeinsamen Heimfahrt ja in keinem Fall was geworden.

Ich hatte seit längerem nichts mehr gegessen, seit knapp 12 Stunden nicht, also holte ich das mit einem Käsebrot nach und sah mir meine elektronische Post noch durch…

Eine Antwort zu “Die Saarbrücker Antiquitätenmesse – backstage (Teil 2)”

  1. […] dachte ich mir noch nicht viel dabei, aber als der Aufbau dann begann, hatten wir schlagartig Saarbrücker Verhältnisse, um es mal so zu nennen.  Die Teppiche mussten abgedeckt werden, was bis zum Anhänger auch gut […]

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