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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

27. März 2008

Die Welt bei Wer-Kennt-Wen

Filed under: My Life — 42317 @ 21:28

Auf Einladung einer Freundin und rheinland-pfälzischen Patriotin bin ich vor einigen Monaten zu dem Internet-Netzwerk “Wer-Kennt-Wen” gekommen, und ich habe es bislang nicht bereut. Man kann nach Namen und Orten suchen und so alte Bekannte finden, indem man ihnen eine “Ich kenne (Name)” Anfrage schickt (oder, falls man wegen langjähriger Trennung und unzureichenden Informationen zur Person nicht sicher ist, indem man nur auf ihrer WKW-Profilseite auftaucht – weil das System dem User Zugriffe auf seine Seite meldet).

Ich habe alte Kontakte mit ehemaligen Schulkameraden erneuert und habe auch verschwunden geglaubte Bundeswehrkameraden aufgetrieben (von denen mir einer noch das Äquivalent von 17 Euro schuldet). Ich bekomme wegen meiner Mitgliedschaft dort nicht mehr SPAM Mails als zuvor, und aus den AGB konnte ich auch keine Weiterleitung von Daten zu Werbezwecken herauslesen (ein gründlicherer Leser könnte mich vielleicht korrigieren, wer weiß?).

Neuerdings spüre ich allerdings einen gewissen sozialen Druck. Ich bekomme Anfragen von Leuten, die lediglich irgendwann mal am Rande meines Bewusstseins aufgetaucht sind.

Zum Beispiel von der Mutter einer Frau, mit der ich in den Kindergarten und in die gleiche Grundschule (im Jahrgang darunter allerdings) gegangen bin. Mit der Tochter habe ich in meinem ganzen Leben keine zwei Sätze geredet (an die ich mich erinnern könnte), ganz zu schweigen von ihrer Mutter, die ich einmal bewusst wahrgenommen habe, als ich in meinem Heimatort Werbeprospekte verteilte, um mein Taschengeld aufzubessern.

Oder von dem Bruder einer Nachbarin und Klassenkameradin, die ich kenne, seit ich laufen kann. Aber ihren Bruder? Ich habe eine dunkle Erinnerung an eine Zusammenkunft im Vorgarten des Hauses jenes Nachbarn vor etwa 25 Jahren, ich glaube, dass es sich bei jenem Bruder um jene Person handelt, die mein Interesse am Lippenpfeifen so richtig ins Rollen gebracht hat. Ich glaube mich zu erinnern, aber ich weiß es nicht mit Bestimmtheit.

Ich weise solche Anfragen zurück, auch wenn ich es nicht gerne tue, darum bemüht, nicht unfreundlich zu sein. Bin ich hochmütig? Bin ich zu sehr in mich gekehrt? Ich “netzwerke” nicht mit Leuten, die ich nur einmal im Leben gesehen habe, das sind Leute, die ich nicht kenne, es sind Fremde. Mir reicht nicht, im gleichen Ort zu wohnen (oder gewohnt zu haben) oder gemeinsame Bekanntschaften zu haben. Ich will nur Leute in meiner Kontaktliste, die ich auch KENNE, mit denen ich bewusste Gemeinsamkeiten habe, und – das sei mir gegönnt – die ich auch sympathisch finde.

Ja, aber ich könnte diese Leute doch noch kennen lernen?
?????????????? Nein, ich lerne Leute gerne von Angesicht zu Angesicht kennen. Kontakte, die über das Internet zustande kommen, sind flüchtig, wenn gemeinsame Interessen nicht offensichtlich sind, sie sind bedeutungslos, wenn sie keinen persönlichen Hintergrund haben. Ich selbst habe Leute in meiner Sammlung von Adressen, die ich nie persönlich getroffen habe. Aber die Kontakte sind auf Grund gemeinsamer Interessen entstanden, wurden gepflegt, so weit möglich, und einer gewissen Studentin in Konstanz fühle ich mich deshalb bis heute nahe.

Was sollte ich mit “toten” Kontakten in meiner Liste von WKW Bekanntschaften? Mit Leuten, von denen ich nicht mal weiß, worüber ich mit ihnen reden soll, weil es keine Grundlage dafür gibt? Ich fürchte, ich werde deshalb im Laufe der Zeit noch mehr Absagen schreiben. Es gefällt mir nicht, weil Leute sich hochmütig zurückgewiesen vorkommen oder gar verletzt fühlen könnten, aber wenn man eine Entscheidung getroffen hat, sollte man auch konsequent sein (obwohl ich mich durch ein der Anfrage beigefügtes Anschreiben gerne in meiner Entscheidung beeinflussen lasse).