Code Alpha

Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

12. Juni 2011

King of Kylltal (Teil 5)

Filed under: Arbeitswelt — 42317 @ 16:15

Die Routine erweitert sich, der Spaß rückt weiter in den Vordergrund. Ein paar organisatorische Dinge muss ich allerdings noch besser in den Griff bekommen. “Apotheken Umschau” in Kombination mit einer Expresslieferung in Gerolstein – immer noch ein Zeitkiller, den ich durch besseres Packen angehen muss. Dazu kommen noch abgelegenere Lieferorte wie Dudeldorf oder Bleckhausen, die sich nicht in “runde” Touren einbinden lassen, sondern eine Ausbeulung in der Route verursachen. Daran wird sich nichts ändern, aber ich könnte es durch bessere Selbstorganisation ein wenig kompensieren.

Wichtiges Element dabei ist das Scannen der Pakete bei der Abnahme vom Band. Bei Unsicherheit muss man die im System angegebenen fehlenden Sendungen unter den bereits vorhandenen Paketen suchen, und zwar bevor man sie einlädt. Letzte Woche hatte ich einen Eimer mit Würzmittel für ein griechisches Restaurant übersehen, er stand also im eingeräumten Auto, war aber mangels Scan als fehlend angezeigt; rauskramen hätte zu viel Zeit gekostet und es musste eine Behelfslösung gefunden werden. Dazu kam es, weil mein Scanner nicht immer piept, wenn er scannt, der hat seine besten Tage hinter sich, das bedeutet, ich merke nicht unbedingt, wenn der Scanner den Barcode nicht als etwas lesbares erkennt. Wenn das Gerät “etwas” erkennt, aber nicht als Barcode, erhalte ich eine Fehlermeldung auf dem Display, aber sowohl erfolglose als auch erfolgreiche Scans, wenn er also alles richtig oder gar nichts scannt, gehen nicht mit einem optischen Signal einher, die Unterscheidung kann man nur anhand des gedachten Geräuschs machen, das nicht immer so will, wie ich es brauche. Das Kabel der Ladestation ist jedenfalls hin, das ist einem Kabelbruch zum Opfer gefallen, das heißt, das erste, was ich am Morgen mache, ist ins Büro zu gehen und mir aus dem “VOLL” Stapel einen der wenigen vollen Akkus zu nehmen. Zwei bis vier liegen da in der Regel rum, und wenn ich keinen kriege, muss ich nach Stromausfall alle Pakete mittels der so genannten Rollkarte ausliefern, das heißt Unterschrift des Kunden auf Papier und manuelle Dateneingabe des darüber sicherlich nicht gerade glücklichen Büropersonals.
Gutes Scannen am Morgen spart mindestens zehn Minuten Zeit, gutes Einräumen in sinnvoller Stoppreihenfolge kann sicherlich bis zu einer Stunde sparen, die man im Laufe des Tages nicht mit Umräumen und Suchen im Laderaum verbringt. Ortskenntnis spart ebenfalls bestimmt eine Stunde Zeit, denn man muss sich vorstellen, dass man bei über 100 Paketen zwischen 40 und 60 Stopps hat, und wenn man jedesmal eine Minute oder so mit dem Navi verbringen muss, kann man sich ja ausrechnen, wie viel Zeit dabei über den Tag flöten geht. Der Kauf der Straßenkarte hat mir jedenfalls schon einige Zeit gewonnen.

Andere Neuigkeiten beziehen sich zum einen auf einen kurzzeitigen Wagenwechsel, weil Montag und Dienstag zu wenig Fracht für mich da war, um mit dem Sprinter zu fahren. Ich bekam daher einen Vito, ebenfalls von Mercedes Benz. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich die Handbremse gefunden hatte, da es sich um eine Fußbremse handelt. Man tritt sie mit dem linken Fuß fest und löst sie mit Hilfe eines Zuggriffs mit der linken Hand… außerdem zeigte die Tachonadel die Geschwindigkeit in km/h an, während die LCD-Anzeige mir die mph, Meilen pro Stunde, präsentierte… warum auch immer. Die Höchstgeschwindigkeit ist höher als beim Sprinter, aber ich fahre eh nicht schneller als 120, mal abgesehen von Überholmanövern. Störend fand ich auch die ungewohnte Fußstellung am Gaspedal, was sich als verkrampfter Unterschenkel bemerkbar machte. Außerdem war zuwenig Luft in den Reifen (wobei ich nirgendwo den üblichen Aufkleber mit den notwendigen Druckangaben fand und mich nach meinen eigenen Erfahrungswerten für diese Art von Auto richtete) und rechts vorne ist das Profil an der Außenseite stark abgefahren… es quietschte in einigen Kurven, die ich mit dem schwereren Sprinter sonst problemlos fahren konnte. Die Motorhaube bekam ich überhaupt nicht auf. Ich fand nur einen Hebel, der in Frage zu kommen schien, unter der Lenksäule, den ich runterdrückte, aber an der Haube tat sich nichts. Vermutlich handelte es sich lediglich um den Feststellhebel für den Lenkradwinkel. Das Wasser für die Waschanlage reichte jedenfalls glücklicherweise.

Weiterhin befindet sich unter unseren Kunden ein Hersteller von Schutz- und Arbeitskleidung, und ich brauchte dringend neue Schuhe, da die Fersen der alten, die ich, ich glaube, zu Weihnachten 2008 bekommen habe, völlig durchgelatscht waren. Ich kaufte daher ein Paar halbhohe Arbeitsschuhe der Sicherheitsstufe 2 für 110 Euro (und mein Dank geht an Alex, der mir diesen notwendigen Kauf noch vor meiner ersten Gehaltszahlung durch eine Leihgabe möglich gemacht hat). Sie sehen gut aus, sind bequem, und haben den erforderlichen Zehenschutz in Form gleich zweier integrierter Stahlkappen. Kettensägensicherheit und Durchtrittschutz, wie sie die Stufe 3 bietet, brauche ich nicht, aber die Stahlkappen sind im Depot Vorschrift (ohne dass der Arbeitgeber auch nur einen Zuschuss beim Kauf dieser speziellen Schuhe gewährt), und da ich den ganzen Tag in den Schuhen verbringe, ist Bequemlichkeit ein Muss. Die alten Stiefel ließ ich gleich im Laden und der Angestellte versprach, sie für mich in den Container zu werfen. Die taugen nicht mal mehr für die Schuhspende. Ich übe mich derzeit auch bewusst darin, den Fuß anders aufzusetzen, damit die Abnutzung der Sohlen nicht so punktiert einseitig ist, an der Ferse hinten rechts. Aber es ist schwer, den persönlichen Gang zu ändern.

In dieser Woche stand ich auch am Haupttor des Flughafens Spangdahlem und bat die (deutschen) Angestellten des “Pass & ID Office”, die Empfänger zu kontaktieren, denn die müssen rauskommen, weil ich nicht rein darf. Oft steht auf den Paketen nur die Nummer eines Gebäudes und die Zimmernummer, aber kein Name, und die wenigsten Absender schreiben eine Telefonnummer drauf. Da stand ich also und hatte ein Päckchen, als dessen Empfänger “Louis Little Dog” angegeben war. Ein Scherzkeks scheinbar, der Haustierbedarf verschickte. Daneben aber eine Mobilfunknummer, und man sagte mir, dass es vom Telefon dieses Büros aus nicht möglich sei, Mobilfunknummern überhaupt anzurufen. Ich rief den Kunden also selbst an, sprach aber erst mal auf die Mailbox.
Später rief mich der Kunde an und sagte, er sei Louis Little Dog, scheinbar, damit ich den Bezug zwischen Anruf und Päckchen herstellen konnte. Der Anrufer sagte, es sei wichtig, die Lieferung zu erhalten, weil es sich um das Geschenk zu einer Abschlussfeier am Samstag handele (für einen Hund?), und versprach, am kommenden Tag, Freitag, gegen elf Uhr am Eingang zu sein, da ich in der Regel um diese Zeit dort bin, und ich versprach, ihn kurz anzurufen, sobald ich in der Nähe war.
Tags drauf rief er mich zwischen 0930 und 1000 selbst an und fragte, ob das mit elf Uhr klappe, ich war zuversichtlich, trotz “Apotheken Umschau” und 12-Uhr-Express nach Gerolstein – letztendlich kam ich um Elf an, drückte ihm zehn Minuten später sein Paket in die Hand und düste dann nach Gerolstein, wobei ich alle anderen Lieferungen zwischen Spangdahlem und dem Expressempfänger aus Zeitgründen ignorieren und nach hinten verschieben musste, weil ich für die Strecke Spangdahlem-Gerolstein etwa 45 Minuten benötige. Außerdem teilte mir der Empfang mit, dass heute ein besonderer Tag (“Act of Duty Day” oder sowas) sei, an dem man eh niemanden im Büro antreffen würde.
Wie dem auch sei, ich traf den Kunden und er zeigte mir ein Ausweisdokument, auf dem “Louis Little Dog” stand. In dem Moment rechnete ich schon damit, dass gleich jemand hinter anderen geparkten Autos hervorspringen und mich bei der Versteckten Kamera willkommen heißen müsste und fragte ihn herrlich spontan, ob seine Eltern ihn vielleicht hassten. Hm, der Blick in seinen Augen sprach von Entgeisterung, aber eine Sekunde später sagte er, dass dies tatsächlich sein Name sei und zeigte mir die Rückseite seiner Sportjacke: Er war ein Abkömmling amerikanischer Ureinwohner aus North Dakota. Ich war völlig perplex, zum einen wegen des irrsinnigen Hergangs dieser ganzen Geschichte und zum anderen wegen meines eklatanten Mangels an diplomatischem Taktgefühl, das von meinem Unverständnis gegenüber der Empfängerangabe und der überraschenden Auflösung vollig weggespült worden war. Der Typ heißt tatsächlich so und “Little Dog” ist sein Familienname.