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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

19. Juli 2009

Keine Action News

Filed under: My Life — 42317 @ 19:28

Ein Brand in unserem Mietshaus, am Freitag Abend so um halb Elf.
Holt die Feuerwehr!
Schmeißt die Leute raus!
Lasst sie ne Stunde draußen stehen!
Löschen und Lüften!
Und wieder rein mit Ihnen!

Dem Treppenhaus haftet immer noch so ein Grillaroma an… das angebrannte Zeug wurde bereits nach draußen gestellt, über die Ursache hat noch keiner ein glaubhaftes Wort verloren, und prinzipiell ist es mir auch egal.
“Es könnte ein Kurzschluss am Kühlschrank gewesen sein,” sagen die, die den Kühlschrank draußen haben stehen sehen. Ich bin ja froh, dass nichts Schlimmes passiert ist und niemand zu Schaden kam, aber diese einzig bisher aufgestellte Vermutung ist dann ja doch völlig langweilig, von daher wurmt mich immer noch mehr, dass unser Brettspiel unterbrochen wurde, dass ich mich habe kleinkriegen lassen, eine völlig ausweglose Situation doch zu Ende zu spielen, und dass ich den ganzen Samstag über wegen einer Stunde weniger Schlaf so richtig zu nichts zu gebrauchen war. Immerhin habe ich keine Kratzer in Autos gemacht, kein Leitungswasser verschwendet, und auch sonst keine Minuspunkte auf der Arbeit gesammelt. Immerhin habe ich es fertiggebracht, in Entscheidungslosigkeit über mein Abendessen beides in mich hineinzubekommen: einen großen Teller gebratener Nudeln mit Käse UND ein Kilo Joghurt. Eins davon war zu viel, aber was mal drin ist, soll bitte auch drin bleiben, bzw. auf dem natürlichen Wege wieder rauskommen.

Aber zurück zum Freitag Abend: Eine richtig entspannte Sache, inklusive einer Japanerin, die im Nachthemd umherrannte. Die wirkte natürlich weniger entspannt in dem Augenblick, aber lustig war es auf jeden Fall. Oder vielleicht sollte ich sagen, dass sie was anhatte, was einem Nachthemd ungeheuer ähnlich sah, so genau kann man bei modernen japanischen Bekleidungsgewohnheiten nie sein. Da standen dann also ein paar Dutzend der Anwohner im Hof, während den Aussagen anderer Leute zu Folge noch mehr an der Vorderseite rumstanden. Es hat zwar dann und wann ein bisschen genieselt, aber geregnet hat es nicht, und die Temperatur war zu ertragen. Die Stimmung war gelöst und grenzte ans Fröhliche. Kein vergleich mit dem Brand im Petrisberg, den ich vor langer Zeit, am 22. Januar 2001, erleben durfte. Dort war das ganz anders, da gab’s Spannung, Drama, und Irrsinn, wie ihn das Leben schreibt. Und kalt war’s auch.

Damals hatte sich folgendes zugetragen:

Das Wohnheim Petrisberg kam am Montag, dem 22.01.2001, um 02:02 in den Genuss eines Nachtalarms. Es handelte sich keineswegs um eine Übung oder um einen schlechten Scherz (das war schon vorgekommen), es waren auch nicht die Russen, die anrückten, sondern die Feuerwehr, und es war sogar notwendig. Ungefähr 20,5 Meter Luftlinie von mir weg war es im zweiten Obergeschoss zur angegebenen Zeit zum Ausbruch eines Feuers gekommen, bemerkt von einem “Langzeitlerner”, der angesichts der Rauchentwicklung sofort den Alarm ausgelöst hatte.

Um 02:03 verließ ich das Haus, immer wieder jemanden rufen hörend, dass es diesmal tatsächlich brenne (ich weise darauf hin, dass es da öfters wegen Übermuts Alarm gab).
Der Hinweis, dass es tatsächlich brenne, hatte bei einigen Anwohnern verschiedene Effekte:
Einer hatte beim Hinausgehen einen Feuerlöscher unterm Arm. Seine Begründung: Es hätte ja sein können, dass es im Treppenhaus brenne. An sich ein guter Gedanke, aber erstens war er nicht der erste, der sich durch das Treppenhaus bewegte, hätte es also dort gebrannt, wäre das wohl schon jemandem aufgefallen. Und zweitens: In dem Treppenhaus gab es nichts, was brennen könnte, da war alles aus Stein. Da müsste schon jemand etwas brennbares hingetragen haben, damit es dort brennen kann. Und drittens: Das war gar kein Anwohner, sondern ein Besucher aus dem Wohnheim Tarforst, der wahrscheinlich zu viel “Notruf” gesehen hatte, wenn man denen glauben darf, die ihn schon kannten. Sein Spitzname: “Flächenbrand” (weiß so ziemlich jeder außer ihm).
Warum? Im Sommer 2000 (man erinnere sich: verregnet und kühl) hatten ein paar Leute auf einer Wiese in der Nähe einer Baumgruppe gegrillt. Als ihnen das Holz ausging, holten sie aus der Baumgruppe einen toten, recht großen Ast von etwa 150cm Länge und der Dicke eines durchschnittlichen Unterschenkels. Seine Reaktion: “Um Gottes willen, das könnt Ihr nicht machen! Das Feuer springt über, das gibt ‘nen Flächenbrand!” In panischer Tradition machte er auch vor dem Petrisberg nicht halt und pöbelte die Leute an, die locker zwanzig Meter vom Haus weg standen: “Macht Euch weg da! Das Fenster wird splittern!” Dabei lief er, missgünstig beobachtet, von einer Gruppe zur nächsten und gab seinen Senf zum Thema des Tages (der Nacht) ab. Angeblich hat er jetzt ein paar Feinde mehr auf der Welt…

Ich sah des weiteren ungefähr ein halbes Dutzend Leute (beider Geschlechter), die wohl panisch aus dem Bett gesprungen waren, eine Jacke und Latschen übergeworfen (oder auch nur eine Wolldecke!) und sofort das Haus verlassen hatten, in kurzen Hosen (oder eher Unterwäsche) herumstehen und sich die Seele aus dem Leib frieren. Zwei andere, die ich aufgrund ihrer Sprache dem Osten Europas zuordnete, hatten dem entgegen sogar ihr Bündel gepackt: Einer trug einen dicken, fast überquellenden Koffer bei sich und der andere hatte ein paar Habseligkeiten in sein Bettlaken gewickelt und trug dieses nun auf dem Rücken herum. Ich kam außerdem an zwei (wohl auch osteuropäischen) Mädchen vorbei, die ob dieses Ereignisses dermaßen in Tränen ausgebrochen waren, dass man hätte meinen können, sie seien nicht eben Zeugen eines Zimmerbrandes, sondern Opfer einer Brandschatzung geworden.

Um 02:07 war man erstmals in der Lage, die Flammen zu sehen, die sich in einem der Räume ausbreiteten, bei deren Anblick mein Nachbar wie von der Tarantel gestochen vor dem Gebäude hin und her wuselte und rief: “Verdammt, wo bleibt denn die Feuerwehr?!? Warum brauchen die so lange!?” Wohlgemerkt: FÜNF MINUTEN nach Alarmbeginn.
Ergo: Als der Alarm ausgelöst wurde, hätte Otto Normaldosenbiertrinker den Brand noch mit einem handelsüblichen Feuerlöscher erfolgreich bekämpfen können (und laut Hausordnung sogar MÜSSEN – “mit allen Mitteln”), Türschlüssel Größe 45+ vorausgesetzt.

Eine Bewohnerin des vierten Stockwerkes war wegen des Brandes und der Rauchentwicklung offenbar in Panik verfallen. Sie lebte da oben mit ihrem achtjährigen Sohn und traute sich als einzige nicht aus dem Haus. Um Hilfe rufend wartete sie auf den Lamellen vor dem Fenster darauf, dass sie jemand aus der Flammenhölle retten würde, aber erstens einmal hat sie niemand gehört (dafür waren die Gespräche am Boden und die ganze übrige Aufregung viel zu laut) und es kam auch niemand, um sie zu retten – nicht einmal die Feuerwehr, denen wohl sonnenklar war, dass sie sich zu keinem Zeitpunkt des Hergangs in Gefahr befunden hatte. Von der Panik angesteckt, kotzte der Sohn die ganze Zeit vor sich hin… Die gute Frau beschuldigte später ihre Mitbewohner, sie im Stich gelassen zu haben und zog von einem Tag auf den nächsten aus dem Wohnheim aus, weil sie sich ihres Lebens nicht mehr sicher fühlte. Hoffen wir, dass sie bei ihrem Nachwuchs keine bleibenden Schäden hervorgerufen hat…

Die Feuerwehr traf nach der üblichen Wartezeit von etwa zwanzig Minuten ein, legte erst eine scheinbar zu kurze Leiter an den ersten Stock an (inzwischen ist bekannt, warum!), fuhr anschließend die große Leiter des Löschfahrzeugs aus, zerschlug die Reste der halbgeborstenen Glasscheibe und löschte mit Wasser. Danach wurde das Gebäude und das betroffene Zimmer von Fachleuten und der Polizei noch weiter untersucht und das Treppenhaus so weit als möglich gelüftet.

Warum die kurze Leiter? Ein chinesischer Bewohner des zweiten Stocks hatte ebenfalls Fracksausen bekommen, als er den Rauch im Gang bemerkte, aber anstatt sich zügig über die Feuertreppe in Sicherheit zu bringen (die Gerüchten zufolge exakt gegenüber seines Zimmers einen Zugang hat), entschloss er sich zu dem Husarenstück, sich an einem Bettlaken auf die Sonnenblende des ersten Stocks herunter zu lassen – um dort festzustellen, dass er festsaß, weil er ja nur ein Bettlaken hatte, und ein Sprung von ungefähr sieben bis zehn Metern ist nicht jedermanns Sache, auch wenn’s denn brennt… also kauerte er da in der Ecke, bis die Feuerwehr mit der kurzen Leiter kam und ihm den Abstieg ermöglichte.

Ungefähr um 03:20 (!) kam dann jemand auf die Idee, das (als ungefährdet eingestufte) Geozentrum zu öffnen, damit die Leute nicht auf der kalten, zugigen und verregneten Wiese herumstehen mussten. Darin verbrachte der Großteil der Anwohner die verbleibende Evakuierungszeit, bis die Feuerwehr um 04:11 meldete, das Gebäude dürfe wieder betreten werden. In den darauf folgenden zwanzig Minuten klopfte der Hausmeister noch an verschiedene Türen des ersten Obergeschosses und fragte nach “Tropfeinwirkung” (Schäden durch geschmolzene Plastikteile an der Zimmerdecke) – und gab uns damit unser Wort des Jahres 2001.

Das abschließende Phänomen: Jeder, wirklich JEDER, war im Anschluss in der Küche, um irgendwas zu essen und die Nerven zu beruhigen, einige konnten trotzdem wegen der Aufregung den Rest der Nacht nicht mehr schlafen (ich habe geschlafen wie ein Stein und hatte eigentlich keine Lust, um kurz vor Acht aufzustehen).

Das zäheste Gerücht: Der Bewohner des betroffenen Zimmers, ein bulgarischer Austauschstudent, habe mittags beim Aufräumen seine Elektroheizung zufällig an sein Sofa herangeschoben und die Heizung angelassen, um bei seiner Rückkehr ein warmes Zimmer vorzufinden. Angeblich habe die voll aufgedrehte Heizung das Sofa in Brand gesteckt.

Die vernünftigere Version ist, dass es zwar an der Heizung gelegen habe, aber nicht an der Oberflächentemperatur derselben (es müssten ja sonst ständig Handtücher in Flammen aufgehen), sondern dass es in dem Heizkörper zu einem Kabelbrand gekommen sei.

Ein weiteres Gerücht: Die Polizei ermittle wegen Brandstiftung (höchstwahrscheinlich fahrlässiger Machart). In diesem Zusammenhang findet sich die Sage, der Besitzer des Sofas habe dieses erst am selbigen Tag auf dem Sperrmüll gefunden, etwas feucht zwar, aber als brauchbar befunden, es gereinigt und mit “technischer Unterstützung” zu trocknen versucht. Bleibt die Überlegung, mit was der Kerl wohl das Sofa gereinigt hat… oder ob er auf die Idee gekommen war, eine Rotlicht-Wärme-Lampe zu dicht davor zu platzieren.
Offizielles ist natürlich den Medien zu entnehmen (falls irgendjemand für so was Unwichtiges wertvolle Zeilen im Trierer Volksfreund entbehren will).

Im Nachhinein war auch noch zu erfahren, dass die Tür zum Brandherd zwar abgeschlossen war, der Bewohner aber zwischendurch aufgeschlossen hatte, um einen Blick hinein zu werfen. Doch sah er sich beim Öffnen der Tür mit einer Rauchwolke konfrontiert und drückte sofort den Alarmknopf, anstatt einfach einen Feuerlöscher zu nehmen oder den direkt neben der betroffenen Tür angebrachten hauseigenen Löschschlauch (in dem auffällig bemalten und vor allem roten Blechschrank) zu benutzen. Und der wäre nicht einmal nötig gewesen. Diese Version widersprach dann  der vom “Langzeitlerner”, das der Brand also von einem Gangnachbarn entdeckt wurde, und nicht von dem Bulgaren selbst – dies zur weiteren Verdeutlichung der Tatsache, dass damals nichts bekannt war und auch später nie geworden ist.

Nachdem die Feuerwehr abgerückt war, sah man deutlich die minimale Ausbreitung des Feuers: Das Sofa war verbrannt, ebenso die Gardinen und ein paar kleinere Gegenstände in Fensternähe, der Rest des Raumes war von den Flammen völlig unversehrt. Bett, Schrank, Schreibtisch und alles weitere wies nur Rußschäden auf. Manche Beobachter wagten zu scherzen, dass das Zimmer gegenüber, das die Feuerwehr als Rauchabzug mitverwendet hatte, bei weitem schlimmer aussähe. Die beiden angrenzenden Räume seien wegen “Tropfeinwirkung” und anderer hitzebedingter Schäden angeblich ebenfalls als vorläufig unbewohnbar eingestuft worden.

Daher keine Action News am Weidengraben. Dabei hatte ich im ersten Moment noch geglaubt, es habe mal wieder jemand ein Auto in Brand gesteckt. Aber nein, zum Glück nur ein eher unbedeutender Zimmerbrand.

Dramatischer wäre da schon, auf das kleine Innenschaufenster des Teppichladens hinzuweisen, das vorletzte Woche Freitag irgendjemand eingetreten hat. Ein Wachmann am Zelt des Handwerkermarkts an der Porta sah noch eine Gruppe Leute wegrennen, aber damit hatte es sich schon mit den heißen Spuren. Und selbst wenn ein Wunder geschieht und der Täter gefasst wird: Die Chancen stehen nicht schlecht, dass er seine Zahlungsunfähigkeit erklären und der Laden auf Kosten in vierstelliger Höhe sitzen bleiben wird.

Richtig dramatisch muss allerdings der Glaser gewesen sein, der die neue Scheibe einsetzte. Leider war ich nicht dabei, von daher habe ich mir erzählen lassen, dass der Mann mit minimaler Ausrüstung, wenig Werkzeug, ohne Schrauber, ohne Gehilfen, und mit wenig Selbstorganisation daherkam. Immerhin wurde er irgendwann fertig und für einen Laien sieht die Arbeit auch ganz ordentlich aus, auch wenn sie deutlich länger gebraucht hat, als das große Schaufenster, das allerdings von einer anderen Firma übernommen worden war. An seinen Hinterlassenschaften werde ich allerdings am kommenden Mittwoch noch sitzen, nachdem ich erst zu Feierabend die wundervollen Handabdrücke entdeckte, die er auf unseren Schauvitrinen hinterlassen hat.

Zum Thema Schaufenster hörte ich außerdem, dass es in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag (vorletzter Woche!) in ganz Trier zu vandalistischen Akten gekommen sei, wobei “ganz Trier” hier konkret für “Saarstraße” und “Trier West” steht, wo ein paar Autos beschädigt wurden. Ich habe bei der Pressestelle der Polizei nachgefragt, was denn los gewesen sei, ob es eine offizielle Stellungnahme gebe, aber auf eine Antwort hoffe ich mittlerweile nicht mehr. Wozu haben die eigentlich eine Infoadresse?

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