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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

27. August 2024

Freitag, 27.08.2004 – Wer sucht, der findet

Filed under: Japan,My Life — 42317 @ 10:06

Heute Abend will ich das „Skyline“ Poster bei Nissan abholen. Melanie bekommt das mit und will mich begleiten, weil wir dann im Anschluss Sushi essen können. Ich schlage also vor, dass sie vor dem „Sushi Shôgun“ auf mich wartet.
Was ich dabei vergesse, ist die Tatsache, dass ich noch ins Ito Yôkadô wollte, um den Soundtrack von „Kachô Ôji“ (auch bekannt als „Legend of Black Heaven“) unters Hörgerät zu nehmen (eine Lupe wäre unpraktisch) und mir ein bisschen was von John Sykes anzuhören, der das Titellied zur Serie gespielt hat. Ich habe mich bei Amazon bereits gewundert, warum dessen CDs im Westen so schrecklich teuer sind, und des Rätsels Lösung ist, dass der Mann von Japan aus produziert. Er ist kein „US Import“. Da wundert es mich wenig, dass man für eine CD locker 32 E löhnen muss. Ich gehe eine willkürlich ausgewählte CD durch (die erste CD, auf der sein Gesicht nicht zu sehen ist, weil er einer der wenigen Menschen ist, die ich für hässlich halte) und befinde die Musik als nicht schlecht. Solide Rockmusik mit gut gespielter Gitarre (sofern ich das beurteilen kann), aber auch nichts derart besonderes, dass ich bereits wäre, einen solchen Preis zu zahlen. Der Originalsoundtrack der Serie ist auch nicht schlecht, aber von den 22 verfügbaren Tracks sind nur neun wirklich gut, der Rest besteht aus unwichtiger Hintergrundmusik – und der Soundkrieg „Techno vs. Metal“ aus der letzten Episode ist nicht enthalten. Eine herbe Enttäuschung. Aber ich behalte dennoch den Infozettel. Vielleicht komme ich auf die CD von Sykes zurück, wenn die finanziellen Zeiten mal besser sind.
Dann finde ich endlich, eher zufällig, die Single, die ich seit Wochen suche. Ich bin mir relativ sicher, das Gesicht des Interpreten im Regal erkannt zu haben. Sie heißt „Boku ga ichiban hoshikatta mono“ („Das, was ich mir am meisten gewünscht habe“), von Makihara Noriyuki. Es handelt sich um eine Singleauskopplung aus seinem Album „Explorer“. Er hat das Lied (als Bonus) sogar in einer englischen Version gesungen, und ich bin nicht sicher, ob ich ihn beglückwünschen oder bemitleiden soll. Bei der Aussprache gibt er sich große Mühe, die ist wirklich gut für einen Japaner. Aber leider passen die englischen Silben nicht so recht in das durch die Noten vorgegebene Versmaß, also wird da viel gewurstelt und hineingepresst, damit der Text auch ganz rüberkommt, weswegen das Lied starke Qualitätseinbußen hinnehmen muss. Dafür ist dann aber sogar die obligatorische Instrumentalversion zu gebrauchen, die man für gewöhnlich sorgenfrei überspringen kann, ohne etwas zu verpassen.

Ich komme aber schließlich noch bei Nissan an, gehe durch die Tür und noch bevor ich ein Wort sagen kann, strahlt die Angestellte übers ganze Gesicht und sagt: „Ah, Sie sind der Kunde von Maeda-san, der das Skyline Poster haben wollte!“ Ich habe die Frau noch nie gesehen, ich muss offenbar zum Firmengespräch geworden sein. Ich bestätige also die Bestellung und dann darf ich mich erst mal setzen, bis die Ware irgendwo ausgegraben worden ist. Ich sehe so lange auf den Fernseher, der links von mir am Ende des Raumes hinter der Kinderecke steht. Werbung ist an sich nie sonderlich spannend (wenn auch in Japan oft besser als in Deutschland), aber an einer Stelle bin ja beinahe vom Stuhl gefallen. Da grinst mir aus dem Fernseher das Gesicht von Alex, dem Rumänen, entgegen. Er ist in einer Werbung für ein lokales Onsen zu sehen (= „heiße Quelle zum drin baden“).

Und wer hat dieses Drehbuch bloß geschrieben? Alex geht, in einen himmelblauen Yukata gekleidet, über eine der Brücken im Schlosspark (dort gibt es kein Onsen!), wo ihm ein Einheimischer in der gleichen Kluft entgegenkommt. Alex fragt ihn, wo er hingehe („Doko ni iku n desu ka?“), und der Japaner fällt erschrocken auf sein Hinterteil. Dann streckt Alex seine Rübe mitten in die Kamera und sagt „Ich bin Alex!“ („Alex desu!“). Das erscheint mir reichlich sinnfrei, aber dem Onsen scheint der Exotikfaktor eines Europäers in einem Sommerkimono als Werbeeffekt zu reichen.
Leider ist Alex gerade nicht in Hirosaki. Nicht nur wegen der Werbung… ich musste erfahren, dass er derzeit bei seiner Freundin in der Gegend von Tokyo rumhängt, und damit fällt er als Lagerstätte für Wohnartikel, das ich an Leute abgeben könnte, völlig aus. Izham hat keinen Platz. Wenn ich im Center nicht noch was biegen kann, habe ich keine Ahnung, was ich mit dem Zeug in der Wohnung machen soll, außer es wegzuwerfen.

Nachdem ich also Alex im Fernsehen bewundert habe, dauert es noch ein paar Minuten, bis die Verkäuferin zurück ist – und mir sagt, dass ich noch einen Augenblick warten solle. Noch ein wenig später kommt dann ein anderer Verkäufer mit einem riesigen, langen Paket (einen Meter lang, wie es aussieht) und nimmt das großräumig aufgerollte Plakat daraus hervor. Nun ja, es ist das, was ich haben wollte. Es kostet auch nicht 600 Yen, sondern nur 525. Nicht der ultimative Unterschied. Ich erhalte eine Quittung, verstaue das Paket so gut als möglich in meinem Rucksack (also so, dass es nicht beim Fahren rausfällt) und verabschiede mich. Diesmal bekomme ich keine Ehrenwache beim Rausgehen. Die sind alle mehr mit sich selbst beschäftigt. In der Kundenecke sitzen zwei Angestellte, und die Angestellte und vier Mechaniker in roten Overalls machen was weiß ich was.

Dann komme ich endlich zum Sushi Shôgun. Ahem, Melanie wartet bereits seit etwa einer Stunde. Dicke Luft. Es tut mir leid. Besser kann ich die Situation jetzt nicht machen. Dann essen wir wild drauflos, und ich glaube, so viel Sushi habe ich schon lange nicht mehr gegessen. Am Ende weiß ich selbst gar nicht mehr, wie viele Teller da eigentlich stehen. Die Angestellte zählt 18 Stück allein bei mir, womit ich Nan theoretisch geschlagen habe – allerdings kamen bei ihr ja auch noch ein Teller Krabbensuppe und irgendeine weitere Sonderbestellung plus Nachtisch dazu. Diese Thailänderin erscheint unschlagbar.

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