Mittwoch, 25.08.2004 – „Risiko“ versus „Diplomacy“
Nachdem ich wieder den ganzen Tag vor dem Bildschirm verbracht habe, bin ich am Abend zu einer Partie Risiko bei Izham eingeladen, zusammen mit den „üblichen Verdächtigen“: Chris, Baqr und Misi, dazu kommen allerdings noch Andrea und Irena. Man spielt hier noch die „alte“ Variante – also das Brettspiel. Das allerdings in der Luxusversion, in der die sternförmigen Steine durch Infanterie-, Artillerie und Kavalleriefiguren ersetzt worden sind. Ich erinnere mich, vor vielen, vielen Jahren eine solche Ausgabe meinem alten Kameraden Frank geschenkt zu haben (gekauft zusammen mit Sebastian), was aber unglücklicherweise mit Franks Erwerb eines Strategiebrettspiels namens Shôgun zusammenfiel (man spielt einen Samuraiclan im 16. Jh. und kämpft um die Vorherrschaft in Japan), also wurde es nie gespielt. Was mich auf den Gedanken bringt, dass es interessant sein könnte, eben jenes „japanische“ Spiel noch einmal zu spielen – nachdem ich ja inzwischen mehr Einsicht in die Hintergründe habe.[1]
Zurück ins heutige Hirosaki: Eigentlich wollte ich Misi bei dieser Gelegenheit meine CD-ROMS überlassen, aber ich war spät dran und wollte das später noch irgendwie hinbekommen, was natürlich nicht geklappt hat, und außerdem hatte ich bis zum Morgen noch keine Liste des Bestandes angefertigt. Ich mache ihm also das Angebot, nach Spielende einfach mit mir zu kommen und die Disketten in Empfang zu nehmen. Das lehnt er allerdings ab, weil er mit seinem Computer noch irgendwas zu tun habe. Na denn.
Wir bauen das Spiel auf. Baqr nimmt die Farbe Gelb, weil es dem Sand in Ägypten nahekommt, Izham spielt Grün, weil er immer Grün spielt (und es wird gewitzelt, dass er Grün nimmt, weil es die Farbe des Jihad ist) und ich nehme Schwarz, weil es mein Name ist. Die anderen nehmen Rot (Chris), Blau (Andrea) und Lila (Irena), ohne besonderen Grund. Misi ist es zu eng am Spieltisch, also setzt er sich lieber vor den Computer und spielt „Battlefield Vietnam“.
Mir wird schon bald wieder sonnenklar, warum ich das Brettspiel nicht sonderlich schätze: Der Würfel, also der Zufall des Glücks, hat einen zu großen Einfluss auf das Kriegsgeschehen. Nachdem ich einen Zug lang Herr über ganz Asien war, verliere ich die Entscheidungsschlacht in Siam, als der nach Australien zurückgedrängte (und ein wenig gelangweilte) Izham über die Straße von Malakka zurück auf den Kontinent strebt. Er verfügt über 16 Divisionen, ich über 14, und am Ende verliere ich 14:5, weil ich nur Mist gewürfelt habe. Dabei sieht das Spiel schon vor, dass der Verteidiger eine Runde bereits gewinnt, wenn er nur die gleiche Zahl wie der Angreifer würfelt. Unter realistischen Bedingungen würde ich annehmen, dass meine Armee, deren Kern durch ganz Asien marschiert war, über weitaus mehr Erfahrung verfügt als Izhams Truppen, die er während meiner Expansion nach Südwestasien in Australien und Indonesien quasi aus Nichts völlig neu aufgebaut hatte. Ganz zu schweigen davon, dass man nicht mal so einfach mit einer Überlegenheit von nur knapp mehr als 10 % über eine Meerenge hinweg angreifen kann.
Aber egal, ich habe verloren. Ich habe zwar eine Absprache mit Chris, was die Absteckung unserer Interessensphären (Asien und Europa) betrifft, aber er nutzt meine Schwäche aus und setzt mir von seiner Kolonie Alaska aus zu, und im Nu ist Asien wieder verloren. Dass Chris sich nicht an die Absprache gehalten hat, kann ich ihm nicht einmal übelnehmen, da es sein zufällig gezogener Auftrag war, den Schwarzen Spieler, also mich, zu besiegen. Ich hatte mich auch mit Baqr abgesprochen, und er hat sich daran gehalten. Er sollte mein „Afrikanischer Schild“ gegen die Expansion Andreas von Südamerika her sein, aber diese Aufgabe erfüllte er relativ schlecht, da er seine Truppen hübsch gleichmäßig verteilte, anstatt eine schlagkräftige Hauptarmee zu unterhalten. Obwohl… bei einem Glücksspiel wie diesem spielt das eh keine so große Rolle wie in der strategischen Variante, die ich auf der Playstation spiele.
Das für mich völlig normale Verhandeln mit meinen Grenznachbarn (im Nebenraum bzw. vor der Haustür) stößt bei der Allgemeinheit allerdings auf Ablehnung. Irena sagt, das sei dämlich. Wenn ich Verhandlungen möge, solle ich doch „Diplomacy“ spielen. Man will also nur die Würfel entscheiden lassen, was ich weitaus dämlicher finde, als mal schnell zwei Minuten mit jemandem vor die Tür zu gehen, ein bisschen über die Einflusssphären zu verhandeln und so dem Glück ein wenig unter die Arme zu greifen. Dann spielen wir eben die Kinder-Variante…
Baqr wird also von Andrea niedergemacht, und Irena kann sich auch nicht lange halten. Das Spiel wird abgebrochen, nachdem Andrea Afrika und die beiden amerikanischen Kontinente unter Kontrolle hat und der Disput in Europa und Asien (Izham gegen Chris) eine koordinierte Verteidigung gegen die Frau mangels Lizenz zum Verhandeln nicht zulässt.
[1] Es hat sich in den 20 darauffolgenden Jahren nicht ergeben, „Shôgun“ zu spielen, obwohl es im Regal steht – Frank hat es mir geschenkt. Denn man braucht nicht nur interessierte Spieler (das geringere Problem), sondern auch viel Zeit, weil ein Nachmittag mit aller Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen wird, um den Bürgerkrieg schlüssig zu Ende zu spielen.
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