Sonntag, 15.08.2004 – Ans Meer! Ans Meer!
Wenn ich schon in Japan bin und keine Ahnung habe, wann ich die nächste Gelegenheit haben werde, dann will ich auch mal im Pazifik geschwommen sein! Also packen wir in aller Frühe unseren Kram und machen uns um 08:15 auf den Weg zum Busbahnhof, wo wir beinahe den Bus verpassen, weil wir mit der enigmatischen Ticketmaschine auf Anhieb nicht alleine klarkommen. Aber der Fahrer hält für uns noch einmal und schon befinden wir uns auf dem dreistündigen Weg zur anderen Seite der Insel, nach Hachinohe, 3000 Yen pro Person für hin und zurück.
In der Stadt selbst ist die Küste mit Industrie verbaut, also fragen wir am Busbahnhof, wie wir denn an einen brauchbaren Strand kämen. Dazu müssten wir in die Stadt Tanesashi fahren, aber weil der Bus dorthin nicht hier am Busbahnhof abfahre, müssten wir zuerst in die Innenstadt zurücklaufen, etwa 300 m weit. Und das ist vielleicht eine lustige Bushaltestelle! Vor allem dann, wenn man Probleme mit der Sprache hat. An der Haltestelle selbst steht nämlich „Mikka Machi“ („Stadt des dritten Tages“) geschrieben, und an dem Reisezentrum direkt dahinter „Yôka Machi“ („Stadt des Achten Tages“). Zwei unterschiedlich lautende Ortsbezeichnungen am selben Platz… ich halte das für etwas verwirrend. Aber gut, ich habe diese Verwirrlichkeit schon bemerkt, als wir zum ersten Mal daran vorbeigefahren sind und war darauf vorbereitet.
Das genannte Reisezentrum beherbergt auch gleichzeitig einen lokalen Radiosender, in dessen Studio man von der Straße aus hineinsehen kann. Wir fragen dort eine junge Frau, wie wir denn nach Tanesashi kämen. Sie sagt, wir müssten erst mit der Linie 20 bis zur Endstation nach Same fahren, und dann ein paar Meter weiter in den 100-Yen-Bus nach Tanesashi umsteigen, der bis direkt an den Strand fahre. Damit sind also insgesamt weitere 900 Yen für den Transfer von Hachinohe an den Strand (und wieder zurück) fällig.
Ein paar Minuten später sind wir dann endlich da – Pazifikküste, Nordjapan! Es badet sich sehr angenehm in diesem Meer. Das Wasser ist nicht zu kühl, es schmeckt ausschließlich nach Salz und nach nichts anderem, und vor allem schwimmt kein Unrat darin. Für meinen Geschmack könnten die Wellen etwas höher sein, aber an solchen Orten herrscht bestimmt sowieso Badeverbot. Die Wellen sind dennoch kräftig genug, um einen Menschen von 95 kg ganz heftig an den Strand zu spülen – und Sandpapier trägt seinen Namen nicht umsonst. Aber so gut hat es mir schon lange nicht mehr im Wasser gefallen.
Von der vielen Sonne in Hirosaki ist hier nicht viel übrig. Es ist bewölkt, aber warm, was mir auch ganz lieb ist, weil ich ja erstens baden möchte und zweitens meinen Sonnenbrand an den Armen nicht noch steigern möchte. Der hält sich noch in relativen Grenzen. Ich merke eigentlich nur was davon, wenn ich an der Haut an meinen Unterarmen und meiner Stirn reibe. Nach einer Stunde fängt es dann an zu regnen, aber das stört mich wenig. Erstens bin ich eh nass und zweitens ist es in dieser Situation im Wasser wärmer als draußen. Allerdings regnet es natürlich auch auf unsere Rucksäcke mit dem Zeug drin, das eigentlich trocken bleiben soll. Und wir haben nicht ewig Zeit, da wir jeweils rechtzeitig unsere Busse wieder kriegen müssen, um nicht mit einem Minimum an Geld hier an der Ostküste festzusitzen.
Melanie ist natürlich inzwischen auch wieder kalt, wie üblich, und vom Schaukeln der Wellen sei ihr schlecht (was ich aber nicht zuletzt auf das Salzwasser zurückführe, das man ja in kleinen Mengen dabei zu sich nimmt), also packen wir zusammen.
Da beginnt der Spaß erst so richtig. Ich habe nämlich keinen Gedanken an Ersatzklamotten verschwendet. Die Shorts, die ich zum Baden getragen habe, kann ich auswringen und die weite Armeehose dann anziehen, aber Unterhosen trage ich in diesem Stadium nicht mehr, weil sich in denen eine ganze Baggerschaufel voll Sand angesammelt hat. Sogar in den Seitenstreifen der Shorts steckt Sand, durch welche Öffnungen auch immer der da rein gekommen sein mag.[1] Ich habe lediglich den Sand in meinen Hosentaschen erfolgreich entfernen können, bevor ich das Wasser verlassen habe. Das alles dauert seine Zeit, und der Wasserschlauch vor der Toilette leistet ganz gute Dienste. Als wir dann schließlich fertig sind, nehme ich noch eine Handvoll Sand in einer Plastiktüte mit.
Wir steigen kurz vor der Abfahrt in den 100-Yen-Bus und fahren zurück nach Same, und dort müssen wir dann die richtige Bushaltestelle für den Rückweg nach Hachinohe suchen. Mehr durch Zufall bemerken wir, dass die Busse hier an der Endstation eine kleine Runde fahren und ein Stück weiter vorne wieder auf die Hauptstraße einbiegen. Sie fahren dann die von uns aus gesehen übernächste, und nicht die nächste Bushaltestelle an, die uns ein schrecklich mageres Bild von Rückfahrtmöglichkeiten vermittelt hatte. Ich habe mir bereits Sorgen gemacht. Wir warten also vor der richtigen Haltestelle zehn Minuten lang auf den Bus, und das Dach der Haltestelle schützt uns vor dem Platzregen, der in diesen Minuten niedergeht.
Zurück in Hachinohe wissen wir dann zwar, an welcher Haltestelle wir in den Expressbus zurück nach Hirosaki steigen müssen, wir wissen, wie sie heißt, aber wir müssen sie erst suchen, weil uns der genaue Standort nicht bekannt ist. Die Haltestelle heißt „Jû-ichi-nichi Machi“, also „Stadt des elften Tages“. Irgendjemand hat sich das Benennen der einzelnen Bezirke offenbar sehr einfach gemacht. Nachdem das dann aber geklärt ist, suchen wir einen Platz zum Essen, und dazu müssen wir die Hauptstraße verlassen. Dort habe ich nur einen „Mo’s Burger“ gesehen, und da kann man beim besten Willen nicht essen. Wir finden ein Ramen-Restaurant, das unseren Bedürfnissen voll und ganz entspricht. Wir warten dann noch 15 Minuten lang auf den Bus und fahren gen Hirosaki, wo wir um 21:00 eintreffen.
[1] Den Rest dieses Sandes trug ich noch 20 Jahre später in derselben Hose mit mir herum, was dem Ganzen einen sehr nostalgischen Charakter gibt.
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