Mittwoch, 11.08.2004 – Du da, im Radio…
Heute bin ich „eingeladen“, bei einem Programm des lokalen Radiosenders „Apple Wave“ mitzuwirken. Mit dabei sind Dr. Hugosson, Prof. Tsurumi (der die Umwelt-NPO leitet, wo wir letztlich die Aktivierung der Klimaanlage bewirkt haben), MunJu (die erst vor der Tür des Senders zu uns stößt), KiJong, Nun und meine Wenigkeit. Von KiJong mache ich noch schnell ein Foto, bevor es dafür zu spät ist, und es wird das letzte sein, das ich für mein Posterprojekt machen werde.
Das Studio ist geradezu winzig. Es gibt einen Büroraum von vielleicht 30 qm, dazu drei kleine Aufnahmestudios. Das größte davon, der Hauptsenderaum, ist schätzungsweise 2,5 x 3 Meter groß. Nach einer kurzen Vorbesprechung über die Inhalte (es wird keine Live-Aufnahme) werden wir in einen kleinen Aufnahmeraum gebracht, vielleicht 4 qm groß. Zuerst sollen wir uns, nach Ansage der Radiosprecherin, selbst vorstellen, kurz sagen, was uns nach Japan getrieben hat und beschreiben, was uns an Japan besonders aufgefallen ist. Danach folgt die zweite Runde und wir sollen die Müllsituation und -handhabung in Japan mit der in unseren Heimatländern vergleichen. Die kleine Gesprächsrunde wird am 19.08. um 16:30 gesendet, und zuerst machen wir eine Probeaufnahme, um zu sehen, ob die Zeit für das reicht, was wir sagen wollen und ob man eventuell irgendwo Einschnitte machen muss. Wir überschreiten die festgesetzte Zeit von 25 Minuten zwar um zwei Minuten, aber das sei nicht schlimm, wir könnten alles so lassen.
Der größte Teil wird in Japanisch gehandhabt und ich bin da der bedeutendste Zeitverschwender, da ich gleich nach meiner Selbstvorstellung beim Thema „Auffälligkeiten in Japan“ dazu übergehe, den Müll in den japanischen Wäldern und die Schrottautos in den so genannten Naturschutzgebieten zu geißeln. Es folgen ein paar nachfolgende Fragen spontaner Natur, auf die ich mich nicht habe vorbereiten können, also falle ich um und wechsele, wenn auch erlaubt, schandhaft ins Englische, was von Dr. Hugosson übersetzt wird.
Die beiden Koreanerinnen sprechen ausschließlich Japanisch, weil ihnen die Englischoption weitgehend fehlt und es für sie auch weniger notwendig ist, wie mir scheint. Nun redet einen abenteuerlichen Mix aus Englisch und Japanisch, der mich sehr amüsiert. Englische Wörter und Satzteile in japanischer Grammatik! Mich wundert schon beinahe, dass sie die Übersicht darüber behalten kann, was sie eigentlich alles sagt.
Interessant fand ich dabei, dass man in Thailand (meist auf dem Land) seinen Hausmüll offenbar einfach irgendwo vergräbt, während sich gleichzeitig Bürgerinitiativen dagegen sträuben, offizielle Müllhalden einzurichten, wo man nur kann. Die Industrie ihrerseits gibt Abfall und minderwertiges Material aus der Produktion zu günstigen Preisen oder umsonst an die Bevölkerung ab, damit sich die Leute selbst was draus basteln können! Das ist das seltsamste Müllvermeidungskonzept auf industrieller Ebene, von dem ich je gehört habe. Aber eigentlich fördert man dadurch die illegale Müllentsorgung mit Hacke und Spaten – ganz abgesehen von dem, was man einfach so im Hof verbrennt.
Es war eine interessante Erfahrung, im Radio zu sein. Aber ich fürchte, dass kaum jemand was davon mitbekommen wird – es hört ja kaum jemand Radio, und wenn, dann nur mit halbem Ohr. Ich sagte ja bereits, dass es hier in der Gegend vielleicht zwei Radiostationen gibt, die man klar empfangen, und eine dritte irgendwo weiter weg, von der man bei der Sendersuche nur spürt, dass sie da ist. Ich diskutiere das im Anschluss mit einer der Angestellten, die das alles nicht so eng sieht. Der Sender ist klein und die Werbeeinnahmen reichen aus, um die Gehälter zu bezahlen. Ich nehme ganz einfach an, dass es sich finanziell nicht lohnt, noch mehr Radiostationen zu eröffnen, die um Sponsoren buhlen müssen. Man gibt ja als solcher kein Geld für Werbung aus, wenn kaum jemand was von der Werbung wahrnimmt. Wir werden zuletzt noch eingeladen, noch einmal zu kommen, bevor wir nach Hause fliegen. Aha, das wäre dann in meinem Fall also im Verlauf der kommenden beiden Wochen. Dann verabschieden und trennen wir uns.
Ich mache einen Abstecher in die hiesige Filiale einer Krankenversicherung und besorge mir dort ein Werbeposter der Versicherung: Ueto Aya in einem Pandakostüm. Ein besseres Bild von ihr wird es so schnell nicht geben, weil sie nämlich eigentlich das ist, was man auf gut Deutsch einen „Hungerhaken“ nennt. Aber sie hat ein hübsches Gesicht und das Pandaposter sieht niedlich aus. Eigentlich wollte ich beide Versionen des Posters haben (mit zwei verschiedenen Posen, einmal vor einem roten, einmal vor einem weißen Hintergrund), aber es war nur eines, das rote, verfügbar. Macht nichts, ist besser als keines. Ich ziehe mich ins Physikgebäude zurück und verschwinde zwischendurch kurz ins Center, um neue Musik auf meinen Memorystick zu laden. Dort treffe ich Melanie und Ricci, die annähernd täglich hier vorbeischauen, um ihre Post zu überprüfen.
Abends essen wir „selbst gemachtes Tempura“, was aber lediglich heißt, dass wir Gemüsestücke in einer Panade wälzen und dann frittieren. Nichts Besonderes also, und nichts spezifisch Japanisches – das Gericht, das man hier unter dieser Bezeichnung kaufen kann, kommt nämlich aus Portugal. Wohl ein Kulturimport aus dem späten 16. Jahrhundert.
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.