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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

27. Juli 2024

Dienstag, 27.07.2004 – Formalitäten!

Filed under: Japan,My Life,Uni — 42317 @ 7:00

Unser Nachbar von gegenüber hat eine echte Begabung dafür, uns am frühesten Morgen zu wecken. Allerdings tut er das ausnahmsweise nicht mittels einer Autowäsche. Sein uns bislang bekannter Hund ist offenbar tot oder sonst irgendwie verschwunden und auch gleich durch einen kleinen Welpen ersetzt worden. Und der junge Hund begrüßt ab 04:00 den neuen Tag, indem er bellt und winselt und sonst allerlei Geräusche macht, als werde er gerade geschlachtet. Dieser Vorgang zieht sich hin bis um 07:00, also über drei Stunden, während denen es bestenfalls möglich ist, in einen flachen Schlaf von ein paar Minuten zu fallen, bevor man wieder geweckt wird. Ich stehe also reichlich früh auf und schreibe an meinem Tagebuch. Melanie macht die erste Unterrichtsstunde blau, indem sie die ganze Zeit über hinter mir sitzt und „Der Gefangene von Azkaban“ liest.

Vor dem Unterricht gehe ich noch schnell meine Post durch und sehe mich einem organisatorischen Problem in Trier gegenüber. Ich muss darauf hoffen, durch Mithilfe von „Agenten“ in Trier einen Platz im Phonetikkurs von Ms. Oakeshott zu bekommen, um nicht ein weiteres Semester in der Anglistik damit zu verlieren. In Trier hat man es sich in der Anglistik ja offenbar einfallen lassen, die Kurseinschreibungen am Ende des Semesters vorzunehmen, und das unter Abschaffung der Bevorzugung höherer Semester. Am Dienstag bin ich allerdings noch nicht wieder in Trier und kann mich dem entsprechend auch nicht selbst einschreiben. Ich habe Sebastian darum gebeten und er hat nörgelnd zugestimmt, das alte Waschweib. Allerdings schockt er mich auch gleichzeitig mit der Mitteilung, dass man eine Immatrikulationsbescheinigung vorzeigen muss, um seinen Namen auf die Liste setzen zu können. Wenn ich das recht verstehe, setzt das voraus, dass man die Bescheinigung für das kommende Semester bereits hat, in dem der Kurs stattfinden soll, oder wie sehe ich das? Ich schreibe an Bill Argent, aber der kann mir nicht viel weiterhelfen, also bin ich auf das Wohlwollen der ewig gestressten und frustriert aussehenden Angela Oakeshott angewiesen, die zu E-Mails ein Verhältnis hat wie ein Asket zum Schweinebraten… na Mahlzeit. Trotzdem schreibe ich ihr ein paar erklärende Zeilen. Besser, dass sie es später liest als gar nicht. Man kann mir immerhin nicht vorwerfen, dass ich es nicht versucht hätte.

Kondô-sensei stellt uns heute als den letzten Vortragenden unserer Unterrichtsreihe einen weiteren Herrn Shibutani vor, der allerdings nur zufällig ebenso wie der beleibte Shamisenspieler vor wenigen Wochen heißt. Der heutige Shibutani ist Kaufmann und der aktuelle Vorsitzende der Junioren-Handelskammer, er handelt mit allem möglichen Tee und den Requisiten, die man in Japan dafür so braucht, inklusive des Materials für Sadô, Teezeremonien. Er war übrigens letzte Woche dabei, als wir den Salon besucht haben. Die Besitzerin ist eine Bekannte von ihm und er hat sich bereit erklärt, die Hälfte von uns mit seinem Wagen dorthin zu bringen. Beeindruckenderweise zeigt er heute gleich eingangs auf SungYi und sagt „Sie waren letzte Woche nicht dabei, richtig?“, womit er tatsächlich richtig liegt. Das finde ich beachtlich. Ich glaube nicht, dass ich in der Lage wäre, aus einer zwölfköpfigen Schar von mir völlig unbekannten Leuten, die ich nur einmal gesehen habe, nach einer Woche auf Anhieb den rauszupicken, den ich noch nicht gesehen habe.
Das ist dann aber auch schon ein großer Teil von dem, was ich verstanden habe von dem, was er tatsächlich sagt. Er spricht zwar sehr deutlich, aber ich kann in dieser brütenden Hitze meine Konzentration nicht lange genug aufrecht erhalten, um einem Vortrag von dreißig Minuten zu in japanischer Sprache zu folgen. Ich wage ja kaum, den Tisch zu berühren, auf dem ich normalerweise meine Arme ablege, denn wenn ich das mache, bilden sich binnen einer Minute richtige Pfützen auf der Tischoberfläche. Halte ich die Arme dagegen zu nah am Körper, nässt das T-Shirt durch. Shibutani-san war so schlau, sich ein Handtuch mitzubringen. In seinem Anzug ist ihm garantiert noch wärmer als uns.
Quasi zur Entspannung mache ich während des Vortrags ein Foto von FanFan, weil sie in den letzten Tagen mit zwei kurzen Zöpfen rumlauft, um den Nacken frei zu haben, und sie sieht so noch mehr zum Knuddeln aus als sonst. Ich hätte auch gerne ein Bild von MinJi gemacht, weil sie nämlich ständig einnickt und in der kurzen Phase, bevor ihr Kopf einen Ruck nach unten macht, ein äußerst „intelligentes“ Gesicht zur Schau trägt. Aber leider sind die Köpfe von Nun und FanFan die ganze Zeit im Weg und ich kann keinen passenden Moment erwischen.

v.l.n.r. SungYi, FanFan, Nun

Shibutani muss um 15:00 bereits wieder weg, weil er offenbar eine Verabredung mit Verantwortlichen der Universität hat. Kondô-sensei beendet also den Unterricht, ich gehe ins Center und bearbeite meine Post zu Ende, bevor ich in die Bibliothek wechsele und weiter an meinem Newsletter schreibe. Meine Güte, Zeit ist rar dieser Tage, und ich will nicht einmal behaupten, dass das an verstärkten Lernbemühungen liegen würde.

Ich finde im Forum einen Link zu einem weiteren IQ-Test, der leider einfacher gestrickt ist als der bei „TheSpark“, und auch der „attestiert“ mir einen IQ von 126, womit er sich mit allen anderen deckt, die ich ebenfalls gemacht habe. Außerdem sagt die Endauswertung, ich sei ein „Word Warrior“, ein „Wortkrieger“, redegewandt, diskussionsfreudig und in der Lage, komplexe Satzstrukturen zu erkennen und zu verstehen. Sei das nun wahr oder nicht, mir gefällt das Wort. Sogar besser als Kais Vorschlag, der auf „BookMaster“ lautete, als CB-Funk noch ein Thema war.

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