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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

12. Juli 2024

Montag, 12.07.2004 – Das ewig Gleiche

Filed under: Japan,My Life,Spiele — 42317 @ 7:00

Misi hat heute Geburtstag, er wird 26.

Nach dem Unterricht nutze ich eine sich bietende Gelegenheit, eine Runde „StarCraft“ zu spielen. Ich arbeite mich weiter durch den Editor, der allerdings noch immer ein paar nicht zu erschließende Details enthält, die leider nicht durch die Benutzeroberfläche selbsterklärend wären. Mit dem Editor von „Delta Force“ war es ja nicht anders… für den brauchte ich ebenfalls die Bastelanleitung, um ein eigenes Spiel zum Laufen zu bringen. Ich muss annehmen, dass ich für weitere Detailveränderungen am Gameplay ein Original mit Anleitung benötigen dürfte. Ein Blick nach E-Bay sagt mir auch, dass das nicht allzu viel kosten wird. Danach will ich noch ins Forum und natürlich auch noch meine Post schreiben, bevor ich keine Zeit mehr dazu habe.

Melanie will mit mir zu einem der zahlreichen Schreinfeste gehen, und genau genommen handelt es sich heute um das Schreinfest unseres eigenen Stadtbezirks. Warum also nicht? Ich fahre also hinter ihr her, weil ich keine Ahnung habe, wo genau es stattfinden wird. In dem Moment, wo sie am Fahrradabstellplatz vor der entsprechenden Straße urplötzlich anhält, bin ich natürlich gerade abgelenkt und schiebe eine Viertelsekunde später ihr hinteres Schutzblech sowie den Reflektor mit meiner Radgabel zu einem Haufen Altmetall zusammen. Immerhin kann ich es wieder soweit hinbiegen, dass die Blechreste nicht am Reifen scheuern, aber der Reflektor ist hin.

Das Schreinfest ist ebenso spannend wie alle anderen auch. Für die alten Männer ist es eine Gelegenheit, zusammen kräftig zu bechern, und für Kinder ist es eine Gelegenheit, sich mit Spielsachen einzudecken, die bestimmt zwei Wochen lang interessant bleiben, bevor man sie in eine Kiste stopft. Uh, Eis in Neonfarben…
Ich hätte nichts dagegen, auf einem Schreinfest mal etwas zu sehen, was auch wirklich etwas mit dem betroffenen Schrein zu tun hat, aber irgendwas läuft da immer schief. Stattdessen nur „Volksfestkultur“ einer Art, die mir auch zuhause ebenso wenig gefällt. Allerdings sind die „Attraktionen“ in Japan sogar noch weniger nach meinem Geschmack. Neben der Zahl von Ständen für jedes mögliche japanische Budenessen (leckerer als Curyywurst, aber halt auch teuer) und Plastikspielsachen gibt es da die Wannen, aus denen man gegen einen entsprechenden, aber nicht hohen Obolus mit einem papierbespannten Werkzeug, das die Form eines kleinen Tennisschlägers von 5 cm Durchmesser besitzt, Goldfische herausschöpfen kann. Die kann man dann in einer Plastiktüte mit nach Hause nehmen. Allerdings frage ich mich, was man damit dann macht? Für ein Sushi ist so ein Fisch viel zu wenig und die wenigsten Leute hier haben Platz für ein ordentliches Aquarium, also muss ich annehmen, dass der Fisch den Rest seines bemitleidenswerten und kurzen Lebens in einem ausrangierten Wasserglas fristen wird, ohne Luftpumpe und hin und wieder mit neuem, gechlortem Leitungswasser versorgt. Er wird wohl nicht weniger bald vergessen werden wie das Plastikspielzeug.
Ebenso arm dran sind die kleinen Schildkröten, die man aber nicht aus dem Wasser fischen muss. Sie werden in Kisten gelagert, als handele es sich dabei um Schrauben oder Salzkräcker, zu Dutzenden übereinander gestapelt. Erzieht eigentlich irgendjemand den kleinen Japanern den Respekt vor der lebenden Kreatur an? Ich habe Zweifel. Wenn dem so wäre, würden die herangewachsenen Eltern diese Unsitte ja nicht unterstützen und der Markt würde zusammenbrechen. Ich lache weiter ins Gesicht des Essayisten[1], der in seinen Aufsätzen doch tatsächlich geschrieben hat, dass Japaner die Umwelt so lieb hätten, angeblich veranschaulicht durch die Verquickung von Shintoismus und Buddhismus. Meines Erachtens handelt es sich dabei um eine Legende, genährt durch nationale Propaganda und die Tatsache, dass Shintoismus eine Naturreligion ist und der Buddhismus zumindest das Töten von Kreaturen verbietet, die in der Lage sind, Schmerzen zu fühlen. Ich frage mich, ob jener Essayist jemals in Japan gewesen ist.


[1]   … dessen Namen ich leider vergessen habe…

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