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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

17. Juni 2024

Donnerstag, 17.06.2004 – Die Welt ist klein

Filed under: Japan,Musik,My Life — 42317 @ 7:00

Yamazaki-sensei wollte für heute eine Kurzbiografie irgendeiner historischen Persönlichkeit geschrieben haben, und weil ich sie gerade wegen eines Artikels im Spiegel (im Internet) zur Hand hatte, habe ich die von Reinhard Heydrich genommen, komprimiert auf eine Seite im DIN A4 Format: Geboren 1904, hervorragender Violinist und Pianist, wegen unehrenhaftem Verhalten als Funkoffizier aus der Marine entlassen, Eintritt in die SS, Aufbau des Reichssicherheitshauptamts und des Sicherheitsdiensts ab 1931, „Verwalter“ von Böhmen und Mähren ab 1941, 1942 durch ein britisches Kommando eliminiert. „Reichsprotektor“ (von Böhmen und Mähren) habe ich als Vokabel nicht finden können, weil das alte Lexikon aus den Vierzigern, das Hiroyuki mir vor seiner Abreise geschenkt hat, in Gersheim liegt. Da steht das Wort bestimmt drin…

Dann verbringe ich einige Zeit in der Bibliothek.

Um 17:00 gehen wir bei Daijô-san essen, also Melanie, Marc und meine Wenigkeit. Wie üblich ein tolles Essen, nur ist meine Portion etwas klein geraten, weil Aal etwas Besonderes ist und ich auch nicht unbedingt mehr als 1000 Yen für ein Essen ausgeben will, also nur ein „Mini Menü“ mit Aal, Reis, eingelegtem Gemüse und Miso. Daijô-sensei erweist sich ein weiteres Mal als liebenswürdiger Gastgeber und setzt sich mit einer Schachtel zu uns an den Tisch. In der Schachtel befinden sich alte Fotos – aus Frankfurt am Main, 1985. Daijô-sensei war damals nach Deutschland gereist, um das 14. Internationale Jazzfestival zu besuchen. Ich habe von einer solchen Veranstaltung noch nie gehört, und meine Landsleute hier am Tisch ebenfalls nicht, aber er versichert uns, dass das Musikertreffen noch immer stattfinde und eines der bedeutendsten auf der Welt sei.
Es ist deutlich zu erkennen, dass er seinem Dialekt sehr verhaftet ist… er redet an sich Hochsprache, hat aber immer wieder Ausrutscher in seinen Ausführungen, die uns das Verständnis schwieriger machen. Wir müssen erst umdenken, welche umgangssprachlichen Laute wir durch welche hochsprachlichen Laute ersetzen müssen. Zusammen mit der Tatsache, dass ich Hochsprache auch nur dann verstehe, wenn man sie mir nicht allzu schnell vorsetzt, komme ich ins Schwitzen, um ihm folgen zu können. Der Meister (Shamisen, nicht vergessen!) gibt sich aber Mühe, und ich bin ihm dankbar dafür, anders als der Chef vom Skatt Land, der grundsätzlich Dialekt redet und ich froh sein kann, wenn ich seinen Redefluss als „Japanisch“ identifizieren kann.

Im Anschluss fahre ich noch ins Ito Yôkadô, um mich nach meinen „Project A-Ko“ CDs zu erkundigen. Ergebnis: Keine Chance, nicht mehr lieferbar. Immerhin seien die Scheiben zwischen 1986 und 1989 erschienen, da könne man nichts bis nicht mehr viel erwarten. Schade… dann muss ich diese „Frühwerke“ von Tomizawa Michie und Shinohara Emi leider abschreiben.

Ich kehre in die Bibliothek zurück. Kurze Zeit später schreibe ich mich, weil man mich nett darum gebeten hat, in ein weiteres Forum ein: „Love is a Paradox“. Die Motivation des Initiators ist leicht zu erkennen… das Liebesleben dieses verliebten 15-jährigen aus Malaysia (den ich aus dem Animetric Forum kenne) verläuft nicht so, wie er das gerne hätte. Aber er ist ein sympathischer Kerl, also warum nicht. Er verwendet ein Bild seiner Angebeteten als Avatar… wirklich niedlich. Seine einzige Schwäche ist die unkontrollierte Einbindung von „lol“ in seinen online Schriftverkehr. Ich habe das, irritiert, bereits bemängelt, aber er sagt selbst, dass er das nicht hundertprozentig unter Kontrolle habe. Was soll’s auch, so lange ich verstehe, was er schreibt? Ah ja, und ich bin Mitglied #9. Das bedeutet, dass es derzeit mehr Moderatoren als Mitglieder gibt. Dann werden die Diskussionen ja erst einmal übersichtlich bleiben.

Nach Anbruch der Dunkelheit leiste ich mir den Luxus, meine Mutter in Deutschland anzurufen. Auf der Karte, die ich für meine Gespräche nach Trier und Homburg gekauft habe, ist noch Guthaben für etwa 10 Minuten vorhanden, also warum nicht… für wichtige Geburtstage kann man das schon machen. Jetzt könnte mein Vater mich übernächsten Monat natürlich fragen, warum ich ihm nicht den gleichen Luxus angedeihen lasse… das begründe ich natürlich in erster Linie finanziell, aber andererseits werde ich eine Woche nach seinem Geburtstag eh wieder zuhause sein.

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