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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

10. Juni 2024

Donnerstag, 10.06.2004 – Alternativhistorik

Filed under: Japan,Militaria,My Life,Zeitgeschehen — 42317 @ 7:00

Yamazaki-sensei hat einen intelligenten Plan gefasst (ganz ohne Ironie), wie er die Leute am Einschlafen während des Unterrichts hindern kann: Er lässt die Aufsätze nicht mehr zuhause schreiben, sondern schon während des Unterrichts beginnen. Immerhin beschäftigt das das Hirn weit mehr, als drögen theoretischen Vorträgen über Grammatik zu lauschen. Die gerade aktuellen Kurzbiografien sind auch nicht weiter kompliziert. Eine Meinungsdiskussion mit ihrem Für und Wider gestaltet sich stilistisch weitaus schwieriger.

Nach dem Unterricht sitze ich stundenlang im Center herum und verschiebe Dateien auf den „richtigen“ Rechner, so bis etwa um 16:00. Währenddessen kommen und gehen eine Menge Leute, wie z.B. SungYi, der ich erklären muss, dass ein Win98 Computer die Kamera nicht erkennt, wenn sie nicht vorher die Treiber installiert. Sie solle  es besser mit einem XP Rechner versuchen, weil in dem Betriebssystem ja alles Mögliche schon drin ist.
BiRei ist auch eine Weile da und erklärt, dass sie sich fest vorgenommen habe, irgendwann nach Deutschland zu reisen, um mal zu sehen, wie’s da so aussieht, für den Fall, dass sie uns besuchen dürfe. Als ob ich da je was dagegen haben könnte…

Ich verbringe noch einige Zeit online mit Lesen und lande unweigerlich bei kriegerischen Daten. Ich habe vor einigen Jahren bereits eine Dokumentation über den chinesischen Bürgerkrieg der 30er Jahre gesehen, und natürlich kommt man dabei nicht um Chiang Kai-shek herum. Die Aufnahmen zeigen ihn beim Inspizieren von Truppen. Die Männer auf dem Video waren eindeutig Chinesen, trugen aber ganz klar die Uniform der deutschen Wehrmacht, markant Feldgrau; der Schnitt der Jacken ist ebenso unverwechselbar wie der Stahlhelm. Ich habe erst jetzt endlich die Antwort auf die implizite Frage gefunden („Wie zur Hölle kommen Chinesen in deutsche Uniformen???“), obwohl man nicht von mir behaupten kann, ich würde zu wenige Bücher zu diesem Thema lesen (und es sind noch nicht so viele, wie ich gerne konsumieren würde), und die Antwort kam von www.feldgrau.com (es handelt sich um eine Seite in englischer Sprache). Dort findet man die folgende Vorgeschichte zu diesen Bildern: Das Deutsche Reich hatte bereits 1921 mit China (mit der Partei Chiang Kai-sheks) diplomatische Beziehungen aufgenommen und unterhielt von 1927 bis 1938 einen militärischen Beraterstab vor Ort. Der Chef dieses Stabes von etwa 50 Mitarbeitern war (unter anderen) kein geringerer als General von Seeckt, der zur Zeit der Weimarer Republik Chef der Heeresleitung gewesen war. Ursprünglich war geplant, dass das Deutsche Reich (nunmehr das Dritte) die komplette National-Chinesische Armee in Stärke von 3,7 Millionen Mann bis zum Anfang der Vierziger Jahre ausrüsten und vor allem ausbilden sollte. Man traute den Chinesen aber nicht viel zu und verfolgte den Plan eher halbherzig, und wegen des Geldes. Die deutsche Regierung verständigte sich aus ideologischen (= nicht von Vernunft geleiteten) Gründen aber lieber mit Japan und der Beraterstab wurde zurückgezogen (und der Hitler-Stalin-Pakt von 1939 verprellte dann wiederum die Japaner, wegen des Bruchs der Antikomintern-Vereinbarung). Bis 1938 waren nur acht Divisionen in den Genuss einer deutschen Ausbildung gekommen – die allerdings dann die Elite der nationalen Armee Chinas wurden. Der Bruch mit China kostete Deutschland seine Hauptquelle für Wolfram – ein Metall, dass für moderne industrielle und militärische Zwecke unverzichtbar ist.

Das Szenario eines mit China (und damit gegen Japan) verbündeten Deutschen Reiches erscheint mir interessant. Hätten wir dann die Amerikaner im Atlantik bekämpft, um im Pazifik mit ihnen gemeinsame Sache zu machen?[1] Klingt abwegig. Ich wage aber zu bezweifeln, dass die pazifischen Ereignisse von 1941 ihren Lauf genommen hätten, wenn der japanische Großangriff auf China (südlich der Mandschurei) von 1937 auf deutsch ausgebildeten und ausgerüsteten Widerstand getroffen wäre… man erinnere sich, dass Japan an den Sowjets bereits zu Beginn des Krieges schwer zu knabbern hatte, zu einem Zeitpunkt, als mit der Wehrkraft (theoretisch) noch alles in Ordnung war. Die Sowjets (unter der Führung Schukows) fügten der japanischen Kwantung Armee im Mai 1939 heftige Verluste an der mongolischen Grenze zu – während die deutsche Invasion 1941 gegen eben jene Sowjets eine zunächst verheerende Wirkung entfaltete. Was hätte eine deutsch ausgebildete chinesische Armee also möglicherweise erreicht? Bei der Vielzahl von Ursachen und Wirkungen, die aus dem Zweiten Weltkriegs erwachsen sind, hätte es die politische Landschaft auf dem Globus nachhaltig verändert, vor allem im Hinblick darauf, dass Chiang Kai-Shek auch möglicherweise mit Mao Ze-Dong fertig geworden wäre.

Ich gehe noch in die Bibliothek, halte mich aber nicht lange auf. Ich spiele nur meinen heutigen Spielzug gegen Frank und schreibe meinen Bericht dazu. Die Entwicklung der Lage zwingt mich, um Waffenstillstand zu ersuchen – noch kann ich nämlich behaupten, nicht besiegt zu sein, also akzeptiere ich das Unentschieden.


[1]   Natürlich nicht – ohne ein Bündnis mit Japan hätte das Deutsche Reich vermutlich nicht mit einer Kriegserklärung an die USA reagiert.

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