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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

29. Mai 2024

Samstag, 29.05.2004 – Gib’s ihm!

Filed under: Japan,My Life,Spiele — 42317 @ 7:00

Melanie hat uns also auf eine Liste setzen lassen, damit wir an dem Ausflug in den Apfelpark teilnehmen können. Zu unser aller Unglück regnet es aber am Morgen. Melanie ruft daher gleich nach der Öffnung der Bibliothek ihre Post ab und findet, wie bereits vermutet, die Absage vor. Währenddessen befinde ich mich noch auf dem Weg zur Universität. Melanie kommt mir an der Polizeistation entgegen und sagt Bescheid. Das ändert natürlich an meiner Fahrtrichtung nichts, da es mich eh zur Bibliothek zieht. Der Regen am Morgen sorgt allerdings den ganzen Tag über für ein sehr schwüles Klima, das übermäßige Bewegung sehr unangenehm macht.

Ich sehe also meinen ganzen Tagesplan gefährdet. Es war ja geplant, dass BiRei nach dem Ausflug bei MinJi reinläutet, um ihr zu sagen, dass wir bereit zum Losfahren seien. Nach der derzeitigen Lage werde ich BiRei aber erst gar nicht zu Gesicht bekommen, und ich habe keine Ahnung, wo die beiden jeweils wohnen. Ich glaube nur, dass MinJi im Kaikan wohnt. Ich könnte also die Briefkästen durchgehen – aber ich habe wiederum keine Ahnung, wie sie ihren Namen, „Choi MinJi“, auf Japanisch schreibt. Sollte mich der Regen am Morgen jetzt einen (den?) Höhepunkt der Woche kosten?
Aber das Problem erübrigt sich um fünf nach halb Drei: MinJi ist hier und sitzt an einem Rechner drei Meter von mir entfernt. Gut, dann kann ich ja in Ruhe mein Zeug fertig schreiben und muss nur darauf achten, dass sie mir nicht „entwischt“. Um kurz nach halb Fünf gehe ich zu ihr hinüber und kläre sie über die Lage auf. Sie schreibt also BiRei eine Nachricht und die antwortet, dass sie um kurz nach Fünf am Haupttor sein könne.
Leider stellt MinJi zehn Minuten vorher fest, dass sie nicht, wie üblich, mit dem Fahrrad hergekommen, sondern mit einem Auto gebracht worden ist, also will (muss) sie erst ihr Fahrrad holen.
Mein erster Gedanke: „Sie kann mein Fahrrad nehmen, um schneller zu sein.“
„Und was mache ich dann mit zwei Fahrrädern?“ Ah, ja… wo sie Recht hat, hat sie Recht.
„Dann gehen wir zusammen mein Fahrrad holen, ja? BiRei kommt die gleiche Straße runter gefahren, wir können sie also nicht verpassen und keiner muss hier warten.“
Also schiebe ich mein Fahrrad neben ihr den Berg hoch und wir treffen BiRei tatsächlich auf dem Weg.
„Was ist mit Melanie?“ Die Frage musste auftauchen.
„Sie ist wieder nach Hause gefahren heute Morgen. Offenbar hat sie es vergessen.“ Allerdings muss ich zugeben, dass ich Melanie gegenüber den Sachverhalt „Sushi, Samstag, 17:00“ etwas deutlicher hätte hervorheben können.
BiRei wartet also an Ort und Stelle, MinJi geht ihr Rad holen und ich düse nach Nakano, um Melanie zum Essen zu holen, trotz des gestern für den Ausflug gemachten und daher noch ungenutzten Kartoffelsalats.
Melanie ist aber nicht da. Ich vermute, dass sie mehr als minder zum Vergnügen ins Ito Yôkadô gefahren ist. Ich fahre also wieder zum Haupttor der Universität und muss doch tatsächlich noch drei Minuten auf meine Begleitung warten. Ich schildere die Sachlage und die beiden sind sich einig, nicht ohne Melanie gehen zu wollen. Also schlage ich vor, dass wir alle zusammen nach Nakano fahren und dort auf Melanie warten.
Die ist allerdings in der Zwischenzeit wieder zuhause eingetroffen und wir können um Sechs die Fahrt zum Sushi Shôgun beginnen, nachdem ich MinJi mit einem Glas Wasser und ein paar Eiswürfeln wieder „einsatzfähig“ gemacht habe.

Wir müssen zehn Minuten warten, dann sind vier Stühle frei. Ich halte mich mit dem Essen zurück, weil ich auch noch ein bisschen Kartoffelsalat essen möchte, damit der nicht schlecht wird. MinJi zeigt uns ein paar alte Fotos von ihr und ihr Bild aus der Oberschule kommentiere ich mit „Da drauf siehst Du aus wie ein Yankee!“ Zur Erklärung: „Yankees“ sind im Japanischen „böse“ Schulmädchen, also solche, die auf verschiedene Arten und Weisen gegen Regulierungen verstoßen, sei es, dass sie ihre Kleidung modifizieren oder mit unorthodoxen Frisuren und Haarfarben aufwarten.

Eine knappe Stunde später gehen wir wieder, und weil der Tag noch jung und BiRei noch nie im Sakurano gewesen ist, besichtigen wir das Kaufhaus. Das Anschauen von Kleidern mit gesalzenen Preisen hält sich jedoch in Grenzen, und nachdem ich mir mit MinJi ein paar Minuten von „Majô no Takkyûbin“ („Kiki’s Delivery Service“) angeschaut habe, der Film läuft auf einem Bildschirm in der Kinderecke, fahren wir in den vierten Stock hoch, wo sich die obligatorische Spielabteilung befindet. Wir spielen zwei Runden Shufflepuck zu viert (das heißt, man versucht einen Puck auf einem Luftpolster in das gegnerische Tor zu schießen) und lassen ein paar Fotos von uns vor dem riesigen „Neputa“ Lampenschirm machen, von dem hier ebenfalls ein Exemplar zu finden ist.
Schließlich stellt MinJi klar, dass sie tatsächlich das Zeug zum Yankee hat und spielt „Ashita no Joe“. Es handelt sich ebenfalls um einen Box-Automaten, allerdings ist das Spielprinzip hier etwas anders als im Ito Yôkadô, wo man ganz einfach nur einen Kolben so hart wie möglich schlagen muss.
Auf dem Bildschirm hier ist ebenfalls ein Kampf zu sehen. Manchmal erscheint ein waagerechter Pfeil auf dem Monitor, der bedeutet, dass man sich in diese Richtung wegducken soll. Ansonsten ist da eine Art Gerüst angebracht, und an diesem Gerüst befinden sich vier klappbare Plastikknöpfe, an jeder Seite zwei und etwa so groß wie eine Faust, und oben ist ein weiterer angebracht. Der hat grob die Form eines Kopfes. Wenn nun einer der vier Knöpfe ausfährt, muss man ihn so schnell wie möglich wieder in seine Verankerung schlagen, und wenn man auf dem Bildschirm eine entsprechende Anweisung sieht (Pfeil nach oben), muss man dem „Kopf“ einen Kinnhaken verpassen. Das Ganze muss mitunter ziemlich flott gehen. Ob die Schlagkraft von Bedeutung ist, kann ich nicht beurteilen, aber MinJi hat sichtlichen Spaß an dem Prügelspiel, das recht anstrengend zu sein scheint.
Vor allem dann, wenn man selbst niedergeschlagen wird, muss man sich ins Zeug legen, weil man dann mit den Fäusten so schnell wie möglich auf eine Schlagfläche an der unteren Kante des Gerüsts trommeln muss, damit Joe sich auf dem Bildschirm wieder aufrafft. Sie verliert den zweiten Kampf aber allen Bemühungen zum Trotz und geht vor dem Automaten theatralisch klagend in die Knie. Leider habe ich ausgerechnet davon kein Foto gemacht. Ich war beim Anschalten nicht schnell genug. Sie nennt ihr Verhalten „kowai“ („zum Fürchten“), aber jeder andere würde es wohl als „kawaii“ („niedlich“) betiteln.
Wir fahren wieder Richtung Heimat und trennen uns an der Eneos Tankstelle am Totemachi Square. Offenbar bin ich doch noch zu meinem Höhepunkt der Woche gekommen.

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