Freitag, 28.05.2004 – Spuren im Schlamm
Ich verbringe den Morgen mit Vokabeln und Datentransfer, die vorletzte „Airmaster“ CD kann ich fertigstellen. Auf die letzte muss ich noch warten, weil niemand die Episode Nummer 26 anbietet. Es die vorletzte Episode, und da ist für gewöhnlich am meisten los, deswegen möchte ich nur ungern darauf verzichten. Ich sollte einigen Teams eine entsprechende Mail schreiben, aber für gewöhnlich sind die allergisch gegen Bestellungen, und die höchste persönliche Meinung habe ich von Leuten, die Mails noch nicht einmal der Höflichkeit halber beantworten, nicht.
Kuramata-sensei, frisch vom Friseur gekommen, verkarrt uns zur chronologisch nächsten Sehenswürdigkeit: Eine Yayoi-Ausgrabungsstätte. Bei Yayoi handelt es sich um die Zeitperiode nach Jômon. Die Periode ist angesiedelt von 300 v. Chr. bis 300 n. Chr. und ihre herausragenden Merkmale sind organisierter Reisanbau und der Gebrauch der Töpferscheibe. Wichtig für diese Zeit war auch die Verhüttung von Eisen und Bronze.
Eigentlich gibt es nicht schrecklich viel zu sehen. Man hat etwa einen Quadratkilometer alter Reisfelder ausgegraben, während von der Siedlung nur die Bodenvertiefungen der Häuser übriggeblieben sind, und einige Gräber. Bemerkenswert ist, dass man bis zur Entdeckung dieses Ortes 1982 nicht glaubte, dass es zur Yayoi Zeit so hoch im Norden Reisanbau gegeben hat. Man ging bis zu jenem Zeitpunkt davon aus, dass das Klima für die Möglichkeiten des damaligen Ackerbaus zu kühl gewesen sei. Aber dennoch wurde hier erfolgreich Reis geerntet.Allgemein machten der Reisanbau und dessen Lagerung die Bildung größerer Siedlungen möglich, da der Reis das seit der Jômon Periode übliche Jagen und Sammeln deutlich ergänzte. Das scheint an sich sehr positiv zu sein, allerdings belegen die Funde auch die Nachteile der verbesserten Lebensbedingungen.
Wie es scheint, ging der Reisanbau (und der damit verbundene gestiegene Wohlstand) mit der Entdeckung der Metallverarbeitung eine unheilige Allianz ein, da ab nun die ersten, wenn auch kleinen, Kriege um Anbaugebiete geführt wurden. Auf dem Friedhof gibt es Skelette ohne Köpfe, mit deutlichen Gewaltspuren an der Halswirbelsäule, und woanders fand man ein Skelett, zwischen dessen recht gut erhaltenen Überresten 13 Pfeilspitzen steckten. Es muss also stellenweise heiß hergegangen sein. Reis hat offenbar nicht nur Vorteile. Die verbesserten Lebensbedingungen, der sich entwickelnde Wohlstand, förderten auch die Herausbildung einer deutlicheren hierarchischen Struktur in den Gemeinschaften, und natürlich zeigte sich auch, dass manche Anbaugebiete besser waren als andere. Und wo Menschen aufgrund welcher Umstände auch immer Macht und Gewalt über das Schicksal anderer erhalten, wollen sie diese Macht ausbauen. Da ging er hin, der himmlische Friede der Urgesellschaft.
Die Hauptattraktion der Ausgrabungen sind die Fußspuren, die sich im erhärteten Schlamm erhalten haben. Sie stammen von Menschen, die etwa 1,50 bis 1,60 m groß waren. Daneben gibt es Ausstellungen von Vasen, Arbeitsgeräten und Reiskörnern, ebenso wie Bronzeschmuck und Pfeilspitzen. Bronze wurde ausschließlich zu Schmuckzwecken verwendet, wie uns der Angestellte erzählt.
Wir verabschieden uns dann – bis zum Sonntag. Dann machen wir den nächsten Trip in dieses Dorf, wenn auch nicht wieder zu den Ausgrabungen. Wir werden uns am Sonntag im „Ta-ue“ üben – im Reis pflanzen. Ich hoffe, dass es nicht regnet, das könnte das schlammige Feld richtig unangenehm machen.
Wir kommen pünktlich zum nächsten Unterricht wieder zurück und Ogasawara-sensei hat den Plan gefasst, die Kommunikation innerhalb der Klasse zu erhöhen, indem sie jede Übung von jemand anderem „moderieren“ lässt. Ich bekomme die längste ab und muss den Inhalt erst einmal selbst verstehen, was die Sache natürlich in die Länge zieht, aber der Kommunikation sehr dienlich ist, weil ich dauernd irgendwelche Fragen an die Leute stellen muss, um zu verstehen, um was es hier eigentlich geht.
Auch Shin soll eine Übung leiten, was wegen seiner Art zu sprechen für allgemeine Erheiterung sorgt. Han bricht darüber in Tränen aus (zumindest kann ich keinen anderen kausalen Zusammenhang erkennen), und das nicht vor Lachen, das hier sieht ernst aus. „Vielleicht schämt sie sich dafür, dass alle über den armen Kerl da vorne lachen und ihm das vielleicht nicht einmal bewusst ist?“ sagt Melanie dazu. Ich will das nicht ausschließen, obwohl mir eine derart heftige Reaktion übertrieben scheint. Es lacht ja niemand laut, aber das Grinsen ist allerorts breit. Allen voran bei Hans Ehemann Jo…
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