Donnerstag, 27.05.2004 – Kill Quentin!
Nachdem also wieder ein Mittwoch überstanden ist, kann die Kugel auch wieder entspannter rollen. Allerdings tut sie das auf so langweilige Art, wie das eben nur an einem Donnerstag möglich ist und mein Unwille gegenüber dem Schreiben „formvollendeter“ Aufsätze, egal in welcher Sprache, könnte kaum größer sein.
Dann wollte ich eigentlich Yui treffen, aber ich habe die Uhrzeit vergessen. Also handele ich schnell, setze mich auf mein Fahrrad und fahre nach Osten, um das Denkodô zu suchen. Ich weiß nur, dass es sich in ungefährer Umgebung des Sakurano befindet, aber nicht mehr. Ich fahre also an dem Kaufhaus vorbei, einfach die Straße weiter runter nach Osten. Und ich finde zuerst das „Power Depot“, ebenfalls ein Laden, der Elektronikzeug verkauft. Na wunderbar, dann habe ich ja den Preisvergleich gerade zur Hand. Aha, 256 MB FlashMemory USB 2.0 gibt es hier für 7990 Yen, also für ungefähr 60 E. Unverschämterweise frage ich den Angestellten, wo denn das Denkodô sei, und er erzählt es mir. An der Ampel links vom Laden rechts abbiegen und drei Ampeln weit nach Süden fahren, da könne ich links ein gelbes Gebäude sehen, und das sei das Denkodô.
Am Denkodô stelle ich mein Fahrrad lieber in den Schatten. Heute ist es nicht nur sonnig, sondern auch noch richtig warm dazu. Auf dem Sattel könnte man bestimmt ein Spiegelei braten, ohne beabsichtigte Anspielungen. Aber das Denkodô erweist sich preislich als zweite Wahl: Das gleiche Produkt kostet dort 8490 Yen und die Auswahl ist deutlich kleiner – auf Wiedersehen. Ich fahre zurück ins Power Depot und kaufe die Ware dort.
Ah, zweiteilig: Das Gehäuse ist der Stecker, der den herausnehmbaren Speicherstein mit dem Computer verbindet. Ich könnte also einen Speicherstein mit mehr Platz hineintun, ohne gleich ein komplettes Teil kaufen zu müssen – falls es in Deutschland ein vergleichbares Produkt gibt. Aber 256 MB reichen mir erst mal völlig aus. Ich denke, es wird noch zwei oder drei Jahre dauern, bis größere Dateien die Norm werden.
Ich fahre ins Center zurück und warte auf Yui. Ich installiere schon mal die Treiber auf den entsprechenden Computern und erfahre dabei die ersten Probleme. Als die Verkäuferin sagte, der Treiber sei „drin“, dachte ich, der Treiber wäre vielleicht bereits auf dem Memorystick gespeichert und mache so eine Installations-CD überflüssig, weil ich auf den ersten Blick keine habe entdecken können und deshalb nachfragte. Was sie allerdings mit „drin“ gemeint hat, war „in dem kleinen Karton“. Es handelt sich um eine kleine 8 cm CD-ROM, die ich beim Auspacken völlig übersehen habe. Und unsere Laufwerke hier stehen alle aufrecht… das heißt, ich muss den Computer kippen, damit die CD gelesen werden kann. Zu meiner übergroßen Freude nimmt einer der drei Win98 Rechner den Treiber nicht an und ein weiterer reagiert überhaupt nicht, wenn man etwas in seinen USB-Port hineinsteckt. Vermutlich völlig zerschossen, da das bis vor kurzem mit Misis Speicher noch funktioniert hat. An meinem Teil kann es nicht liegen, denn wenn ich den Stick in die anderen Computer stecke, werde ich nach den Treibern gefragt und bei diesem Müllrechner hier geschieht noch nicht einmal das. Okay, dann eben nur einer von dreien. Ich brauche einen Plan!
Der Plan: Ich tausche meinen Speicherstein temporär gegen den von Misi, um meine Daten von Rechner Zwei auf Rechner Eins zu transportieren, auf dem mein Gerät ja läuft, tausche dann wieder zurück und verschiebe weiter auf Rechner Vier, auf dem ich wegen Windows XP keinen Treiber zu installieren brauche und der den notwendigen Brenner hat. Man kann sich das Leben kaum komplizierter machen. Warum haben nicht gleich alle Rechner Brennerhardware? Hätte mir den Erwerb des Memorysticks erspart.
Yui erscheint schließlich auf der Bildfläche und wir gehen in die Halle. Da ich nur meine Beispielsätze noch einmal durchgehen will und es ja nur um zwei Lektionen geht, braucht die Sache nicht lange und wir streichen den vorsorglich ausgemachten Termin am Wochenende. Mir scheint, ich habe am Samstag eh viel vor, wie mir im Laufe des heutigen Tages langsam klar wird. Melanie hat uns für einen Fahrradtrip in den „Hirosaki Apfelpark“ eintragen lassen. Sie war irgendwie mit einem organisierenden Lehrer ins Gespräch gekommen, der meinte, dass es ja nicht angehen könne, dass wir keine japanischen Freunde hätten (kann ich mich beschweren?) und der Ausflug sei wie geschaffen, das zu ändern, weil nicht nur Ausländer, sondern auch japanische Studierende daran teilnähmen. Melanie hat weniger japanische Kontakte als ich, und das ist nicht unwesentlich dem Zustand zuzuschreiben, dass sie keinen Tutor hat. Außerdem zeigt sie in solchen Dingen noch weniger Initiative als ich, weil ich weniger Bedenken habe, auch mangelhafte Sprachkenntnisse zu verwenden.[1] Das „Learning by Doing“ liegt ihr nicht so. Also gut, dann also Apfelpark.
BiRei ist auch auf der Liste, und dass sie sich über meine Teilnahme so freut, mindert mein Gefühl, hier von Aktionismus überrumpelt worden zu sein, doch ein wenig. Außerdem habe ich ihr und MinJi ja einen Sondertermin zum Sushi-Essen versprochen, was diesen Samstag stattfinden soll. Die Leute, die letzte Woche bereits dabei waren, habe ich nicht wieder gefragt und der Rest hat wegen aller möglichen Nebenjobs keine Zeit. Bei anderen liegt es an mangelnder Kommunikation: Yukiyo und Masako schreiben mir, dass sie meine Mail zum letzten Sushi-Termin heute erst gelesen hätten – also einige Tage nach dem Termin. Wozu haben die einen Mailaccount, wenn sie ihn nicht nutzen? Ich informiere sie über den neuen Termin, aber wenn ihre Lesefrequenz so bleibt, dann ist es mindestens Montag, bis sie über den Samstag Bescheid wissen. Wir einigen uns mit MinJi, dass BiRei sie anruft, sobald wir von dem Ausflug zurück sind, weil sie nicht in den Ausflug zum Apfelpark mit eingebunden ist.
Den Rest vom Tag verbringe ich dann in der Bibliothek.
Am Abend wartet Melanie mit einem Film auf mich: „Kill Bill“. Ich wollte ihn auch schon längst mal sehen, um selbst zu erfahren, „über was alle reden“. Der Film soll ja angeblich so toll sein. Ich hatte aber auch schon gehört, dass „Otôto Sempai“ Pierre den Film in der Luft zerrissen und ihm nur wegen des angeblich genialen Schlusses noch die Note „4“ gegeben habe. Und als dann der Abspann läuft und ich aus dem Sessel aufstehe, weiß ich plötzlich, wie sich mein Freund Sebastian gefühlt hat, als er damals nach der Vorführung von „Versus“ aus seinem Sessel aufgestanden war und gesagt hatte (O-Ton):
„Also so eine Scheiße hast Du mir ja seit zehn Jahren nicht mehr gezeigt!“
„Versus“ ist, meiner Meinung nach, wenn auch nicht gerade ein Meisterwerk der Filmkunst, was ich zugebe, auf jeden Fall cool. Aber „Kill Bill“ ist so ziemlich das mieseste Filmprodukt, das ich seit langer Zeit gesehen habe. „Ninja Resurrection“ (ich rede von dem vor ein paar Wochen beschriebenen Realfilm) war so schlecht, dass man darüber lachen konnte, aber „Kill Bill“ schafft noch nicht einmal das – eine absolute Nullnummer!
Die Einbindung so genannter (im wahrsten Sinne des Wortes nur „so genannter“) Animesequenzen ist schlicht lachhaft, auch wenn diese Formulierung jetzt paradox erscheint. Wer das für Anime hält, sollte sich mal nach Alternativen umsehen. Der Stil ist sehr amerikanisch (Stil „Japanimation“, das US Imitat japanischen Stils) und die grafische Qualität ist noch oberübel dazu. Und dann diese unglaublichen Mengen an Kunstblut, die in den Kämpfen den ohnehin übertriebenen Animationssequenzen in keiner Weise nachstehen! Es sprudelt und spritzt aus allen Arterien, dass ich mir vorkomme wie in „Nightmare on Elm Street“. Diese Maßlosigkeit reißt den Film endgültig in den Abgrund. Ich glaube, Tarantino hat definitiv die falschen Anime gesehen. Ich rechne das seinem persönlichen Geschmack an.
Ah, von wegen „persönlicher Geschmack“ in Bezug auf Quentin Tarantino: Nach diesem Film habe ich den starken Verdacht, dass Tarantino Fetischist ist – mir scheint, er steht auf Füße. In „From Dusk till Dawn“ spielten Füße eine erotische Rolle, und auch hier bekommt man von der einen oder anderen Darstellerin eine entsprechende Kameraeinstellung.
Ha, und ich habe noch gar nicht das Japanisch erwähnt! An sich finde ich es löblich, wenn man sich darum bemüht, in Szenen, die in Japan spielen, die Darsteller auch Japanisch reden zu lassen, aber dieser Akzent lässt mir die Ohren bluten – und dabei bin ich noch nicht einmal Japaner. Ich glaube, die werden diese wenn auch nett gemeinten Versuche eher zum Totlachen finden.
Mit was für einer Fluggesellschaft fliegt unsere Heldin da eigentlich, in deren Maschinen man Schwerter mitnehmen darf? Und was ist an dem Schluss so toll? Das tot geglaubte Kind lebt noch, damit ist die Fortsetzung vorprogrammiert und es ist das Kind von Bill. Na toll, ich verneige mich in Ehrfurcht!
Aber ich will auch zwei positive Dinge über den Film sagen: Erstens war es eine gute Idee, nach dem Gemetzel in dem Lokal die Verwundeten im Hintergrund jammern und stöhnen zu lassen, auch nachdem der Kampf bereits vorbei war. Das trägt zum Realismus bei. Actionfilme verfahren meist noch wie die alten Kriegsfilme – da gibt’s nur Tote und ohnmächtige Verwundete. Zweitens war es schön, den alten Sonny Chiba noch mal zu sehen. Seit „Sengoku Jieitai“ sind ja bereits ein paar Jahre vergangen… der Mann hat zugenommen.
[1] Ich habe außerdem weniger Bedenken, einfach so Leute anzusprechen, wenn ich es in einer Fremdsprache tue. Ich bin sonst nicht bekannt dafür, einfach so auf Leute zuzugehen, ohne vorher einen Schnaps zur Entspannung getrunken zu haben.
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