Samstag, 22.05.2004 – Sushi bis der Arzt kommt
Ich sehe mir gleich am Morgen „SailorMoon“ an, um nicht wieder tagelang hinterherhängen zu müssen, weil ich keine Zeit dafür habe: Usagi fasst den Plan, Mamoru nach London zu folgen. Die falsche Schlange Mio (habe ich bereits erwähnt, dass sie passend zur Rolle hinterlistig und falsch aussieht?) lädt sie dazu ein, doch als Assistentin beim Fernsehen zu arbeiten und vermittelt sie an einen jungen Schauspieler. Ihre Aufgabe soll es sein, auf dessen Dackel aufzupassen und generell hinter ihm her aufzuräumen. Wenn ich das recht verstanden habe, heißt es, der Schauspieler werde demnächst nach London fliegen und sie könne als seine Assistentin mitkommen. Natürlich läuft die Assistentengeschichte darauf hinaus, dass Usagi der Dackel entwischt und sie mitten in die Live-Aufnahme hineinstürzt, um ihn wieder einzufangen. Neue Vokabel: „Live Aufnahme“ = „Nama Hôsô“.
Meiner Meinung nach wurde mit der untertreibenden Darstellung ihrer Intelligenz, ihrer Begriffsstutzigkeit, etwas übertrieben, als sie eine Weile perplex vor der Kamera herumsteht und offenbar nicht begreift, was das Fuchteln und Winken der Crew zu bedeuten hat oder wie sie das Schild mit der Aufschrift „Nama Hôsô“ interpretieren solle.
Natürlich entpuppt sich der Schauspieler als „Besessener“, mit einem Monster infiziert, das schließlich hervorkommt und Usagi angreift – was es auch schon hätte tun können, als die beiden allein zusammen in seiner Ankleide waren und sie das Pipapopipi von dem Köter vom Boden aufgewischt hat. Der Yôma staucht sie ein bisschen zusammen, aber sie wird natürlich gerettet – von Mamoru! Man sollte besser sagen „von Prinz Endymion“, der in seiner weißen Opernuniform wirklich lächerlich aussieht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Darsteller nur ein halbes Hemd ist und die Polster lediglich seine Schultern verbreitern – um das Doppelte! Und seit wann trägt Endymion eigentlich Weiß? Die schwarze Rüstung aus der Animeserie sah viel martialischer (= besser) aus.
Man kann also mittlerweile davon ausgehen, dass die abschreckend aussehende Mio auf sehr direkte Art und Weise mit der im Vergleich direkt ansehnlichen Königin Beryll im Zusammenhang steht.
Zoisyte und Nephlyte haben auch inzwischen den „Club der Getreuen des Endymion“ gegründet, und es zeigt sich, dass auch Kunzyte sich sehr wohl an diese Vergangenheit erinnert, aber er nimmt seinem ehemaligen Boss übel, dass er es nicht geschafft hat, den vernichtenden Angriff der Bösen auf das Mondreich abzuwehren, und schmollt deshalb. Nur Jedyte, der die mehr oder weniger konspirative Versammlung beobachtet, hat keine Ahnung, von was die drei da reden und verpetzt Zoisyte bei der strengen Königin mit der angenehmen Stimme, worauf der arme Zoisyte natürlich sofort gezüchtigt wird. Ja, so geht’s bei denen zu…
Ich fahre in die Bibliothek. Es ist bewölkt. Aber solange es am Nachmittag, auf dem Weg zum Sushi Shôgun und wieder zurück, nicht regnet, ist mir das egal. Ich schreibe also bis um 16:20 und fahre dann zum GEO, wo Mei uns treffen wollte. Misi kommt auch mit, er verzichtet heute auf das Paragliding. Um 16:30 trifft Melanie am GEO ein und sagt, Mei sei sofort zum Sakurano gefahren, zum „Shopping“, wie sie sagte. It est: Spazierengehen im Kaufhaus, Kleider angucken und Preise schrecklich finden. Wir fahren also zu dritt los und warten vor dem Sushiladen. Bis um 17:00 kommen Wiirit und Nan, dann Mei, das Ehepaar Han und Jo, schließlich Izham (aus Malaysia, ein Moslem, der aussieht wie ein Klischee-Jesus) mit einer jungen Frau, die ebenfalls von seiner Universität kommt. Die Temperatur ist angenehm kühl, nur Mei beschwert sich, dass ihr kalt sei.
Wir gehen hinein, es ist auch schon Fünf. Kurz darauf stößt Irena zu uns, die mir angekündigt hatte, dass sie zu spät kommen werde – sie wollte auf das Paragliding nicht verzichten. Um etwa halb Sechs kommen dann die letzten: Alex, Chris, Mélanie, der Japaner, den ich auf Daves Abschiedsparty getroffen habe, und eine Japanerin mit Namen Ayako, die gerade vor wenigen Tagen erst aus Korea zurückgekommen ist. Ich habe sie noch nie zuvor gesehen, sie scheint mit Izham bekannt zu sein, und ich glaube, dass der schon eine ganze Weile in Japan ist und nicht zu denen gehört, die im letzten Oktober erst gekommen sind.
Wir bleiben eine Stunde und ich verspeise 13 Teller. Danach fühle ich mich sehr satt. Mei hat bereits nach sechs Tellern genug und meint, dass sie „zum Platzen voll“ sei – der Ausdruck scheint auch im Japanischen gängig zu sein. Alle anderen haben, +/- 1 Teller, genau so viel gegessen, wie ich prophezeit hatte. Nan allerdings… diese eher schlanke Thailänderin, die schlägt mich um drei Teller, schlürft auch noch ganz gemütlich eine Krabbensuppe dazu und spült das Ganze mit einem großen Bier runter! Aha… wie es scheint, trägt sie ihre „Heineken“ Mütze nicht umsonst. Aber wo stopft sie das ganze Zeug eigentlich hin???
Wir gehen schließlich und ich bedanke mich für das Kommen. Melanie möchte noch ins Ito Yôkadô und ich begleite sie. Dort nehme ich die Gelegenheit wahr, eine CD für eine Bekannte zu bestellen.
Zuhause sehen wir uns „Doraemon“, „Atashin’chi“ und „Shin-chan“ an, „Bôbobo“ entfällt heute leider, und zwar aus aktuellem Anlass: Premierminister Koizumi ist nach Nordkorea gereist und hat die Rückführung von Japanern ausgehandelt, die in den vergangenen 40 Jahren vom nordkoreanischen Geheimdienst entführt worden waren. Dabei handelte es sich keineswegs um Wissenschaftler oder Facharbeiter, aus denen man einen direkt greifbaren praktischen Nutzen hätte ziehen können, sondern um ganz normale „08/15 Japaner“.
Da ist zum Beispiel die Rede von einem Ehepaar, das vor über 20 Jahren „von einem Strand in Nordjapan“ entführt worden war. Die beiden waren damals Studenten und sie war schwanger. Mittlerweile haben sie zwei erwachsene Kinder, die beide an der Universität von Pyöngyang studieren und bislang keine Ahnung hatten, dass sie eigentlich Japaner sind – einem Volk zugehörig, dessen teuflische Natur und Hassenswürdigkeit man sie ihr ganzes Leben lang intensiv gelehrt hat.
Den gaaaaanzen langen Abend lang sieht man auf allen fünf hier verfügbaren Kanälen immer wieder die gleichen Bilder. Koizumi mit Kim Yong Il am Verhandlungstisch, die japanischen Opfer, wie sie ins Flugzeug einsteigen und auf der anderen Seite des Japanischen Meeres (bzw. der Koreanischen Ostsee) wieder aus dem Flugzeug aussteigen und in einen Shuttlebus gebracht werden; hin und wieder schiebt man neue Bilder irgendwelcher Pressekonferenzen ein. Möglicherweise ist das wichtig (zumindest für Japaner), aber es den ganzen Abend zu sehen ist schlicht langweilig.
Es würde mich interessieren, mit was Koizumi diese Japaner freigekauft hat. Die Nordkoreaner brauchen ja so ziemlich alles – Nahrung, Devisen, Hochtechnologie, etc., und Kim Yong Il hat nicht das Image von jemandem, der aus reiner Freundlichkeit jemanden aus dem Land lässt.[1]
[1] Wie ich später hörte, hatte Kim das Thema der Herausgabe entführter japanischer Staatsbürger im Zuge eines Wirtschaftsgipfels überraschend selbst angesprochen. Vielleicht war er – fälschlicherweise – davon ausgegangen, dass die japanische Regierung von diesen Aktionen wusste? Die Entführten wurden übrigens als Sprachlehrer für Geheimagenten des Regimes eingesetzt.
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