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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

20. November 2023

Donnerstag, 20.11.2003 – Deutsche Subordinationswollust

Filed under: Japan,My Life — 42317 @ 9:45

Anmerkung:

An dieser Überschrift, geprägt von dem Kabarettisten Henning Venske (*1939), haben einige nicht-deutsche Leser bestimmt etwas „zu knabbern“, wenn ich es so ausdrücken darf…

Aber zum heutigen Text:
Am Morgen komme ich in den Genuss, der bereits erwähnten Yuan Jing Dong bei ihren Bemühungen um die deutsche Sprache zu helfen. Sie studiert Musik, mit dem Ziel, Musiklehrerin zu werden, und sie liebt alte deutsche Lieder – „alt“ nicht im Sinne von „NDW“ (für Leute in meinem Alter ist das „alt“), sondern im Sinne von „zu Händels Zeiten“. Um eben ihre Singleistung zu steigern, möchte sie, dass ich ihre Aussprache verbessern helfe. Auch ihr Lehrer ist Japaner. Das Wort „leider“ möchte ich aus Gründen der Höflichkeit unter den Tisch fallen lassen. Jedenfalls ist das Resultat ihres Deutschunterrichts, dass Konsonanten wie „B“, C“, „D“, „G“, etc. zu „Bä“, „Cä“, „Dä“ und „Gä“ werden, das „e“ darin tendiert gewaltig in Richtung „ä“. Der Unterschied zwischen kurzem „e“ (wie in „Pech“) und langem „e“ (wie in „Schwefel“) ist dem Mann vielleicht nicht klar geworden? Wie dem auch sei, das muss ich abstellen. Wir üben also Kardinalvokale.

Danach stehen alveolares „R“ (bayerisch hinter den Vorderzähnen artikuliert) und uvulares „R“ (hochdeutsch hinten im Rachen artikuliert) im Speziellen, sowie die Unterscheidung von „R“ und „L“ im Allgemeinen auf dem Plan. Auch wenn der Begriff „Ypsilon“ nicht so recht über ihre Lippen rutschen will, was auch nicht so sehr wichtig ist, ist sie mit Motivation bei der Sache.

Am meisten Probleme machen „ö“ und „ü“. Die „deutsche“ Version dieser Laute ist für Chinesen offenbar beinahe unmöglich. Aber – und da zeigen sich die Vorteile des Wissens um die angewandte Phonetik – „e“ und „i“ kann sie aussprechen. Der Sprachwissenschaftler weiß, dass „ö“ nichts weiter ist, als ein „e“ mit Lippenrundung. Gleiches gilt für „ü“. Man sagt „i“, rundet die Lippen, ohne die Zungenstellung zu verändern, und erhält ein „ü“. Der Artikulationsort, also die Zungenstellung im Mund, ist die gleiche, nur die Lippen werden gerundet und so entsteht der Umlaut. Diese Methode fruchtet auch bei ihr, wenn auch langsam.

In der letzten Viertelstunde gehen wir das „Ave Maria“ durch. Wie es aussieht, ist das ihr derzeitig wichtigstes Ziel. Ich werde also in Zukunft, sofern Interesse besteht, meine Bemühungen auf dieses Lied konzentrieren. Den semantischen Inhalt des Stücks versteht sie mangels Vokabelkenntnis nicht, aber schließlich gibt es auch genügend deutsche Animefans, die ganze Titellieder auswendig können, ohne zu wissen, was sie da eigentlich singen. Also werde ich zusehen, dass sie das Lied hinbekommt.

Yuan erzählt mir, dass sie zuhause in einer Zeitung gelesen habe, dass 90 % der deutschen Studenten ein Instrument spielen würden oder könnten. Ich kratze mich am Hinterkopf und kann diese Theorie nicht bestätigen. Wenn ich schätzen dürfte, würde ich der deutschen Studentenschaft vielleicht 50 % zutrauen. Aber ich habe zu dem Thema auch noch keine repräsentativen Umfragen durchgeführt. Yuan war es übrigens, die von Deutschland als dem Land der „Kultur und Musik“ so angetan war. Soll sie ruhig. Ich finde Deutschland kulturell nicht so besonders aus anderen Staaten Europas herausragend, aber von außen betrachtet mag ihre Ansicht stimmen. „Dichter und Denker“, oder eben „Richter und Henker“, sind oft vertretene Ansichten über Deutsche, je nachdem, wo der Betrachter herkommt und wann oder ob sein Land zuletzt mit Deutschland einen Krieg ausgetragen hat… es verschiebt sich mal in die eine oder die andere Richtung.
Nach dieser Stunde mutiere ich wieder zum Schüler und lasse mich von Yui in und über Japanisch belehren.

Heute ist auch der Tag, an dem wir eine weitere Sendung über deutsche Sprache aufgenommen haben. Melanie ging davon aus, dass es sich um eine andere, als die letzte handeln müsse, aber… es ist die gleiche. Also wird anscheinend nur mit Hilfe von Schund gelehrt, was Deutsch betrifft. Die Amerikaner können das doch auch – warum nicht also auch Deutsche? Die Amerikaner zeigen in ihren Shows zum Beispiel simple Singspiele („The mouse went up the clock, hickory dickedee dock…“), um japanischen Kindern die Laute des Englischen näher zu bringen. Und was zeigen die deutschen Deppen? Antikriegsdemos in Berlin, ein paar Bilder vom Krieg im Irak, kritische Kommentare zur Rolle der Medien in der Propaganda und anschließend Aufnahmen von der Olympiade 1936 in Berlin!! O-Ton: „Adolf Hitler scheute weder Kosten noch Mühen, um die Olympischen Spiele 1936 zur Verherrlichung des Körperkultes des Nationalsozialismus auszunutzen.“ Und da ist er schon, unser wohl bekanntester Österreichimport, der Gefreite und Führer in Großaufname. Was sind denn das für Themen in einer Kindersendung??? Welch wichtige Vokabeln die da präsentieren! „Verherrlichung“, „Körperkult“ und „Nationalsozialismus“ sind keine Vokabeln, die ein sieben Jahre alter Japaner unbedingt wissen muss. Wenn er mal doppelt so alt ist, kann man darüber reden, ja… aber das sind dann immer noch keine Vokabeln, aus denen man auf einer internationalen Party eine lockere Konversation entfalten kann!

Die bringen nur negative Themen, sieht man von Fußball („Stadion, Team, Sitzplatz, Bundesliga“) und dem Beitrag über das Wäschereimuseum zum Beispiel ab. Wenn ich mein kleines Kind vor den Fernseher setze, damit es sich ein bisschen Sprachbildung nebenher beschafft, dann will ich bestimmt nicht, dass es in einer solchen Sendung einen Abrams Kampfpanzer im Einsatz zu sehen bekommt!!! Fehlt nur noch, dass irgendwann Bilder aus den Konzentrationslagern über den Bildschirm flimmern…
Mich wundert immer weniger, dass die halbe Welt glaubt, jeder Deutsche habe in seinem Wohnzimmer ein Bild von Hitler hängen, oder zumindest eine Büste von demselben auf dem Kaminsims… Ich will nicht mehr! Von so viel Bockmist vergeht einem der Appetit! Ich will mir das Deutsch-sein nicht vermiesen lassen – vielleicht bin ich nicht stolz darauf, Deutscher zu sein, aber ich bin zumindest sehr froh, Deutscher zu sein. Es gibt auch unangenehmere Orte, an denen man geboren sein kann, denke ich. Ich frage mich ernsthaft, ob die Linkspropaganda, die der rotgrüne Siegfried da betreibt, nicht gegen meine Menschenwürde und die aller übrigen Deutschen verstößt…

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