Sonntag, 26.10.2003 – Großeinkauf und Spaghetti-Party
Der Morgen ist sonnig und angenehm warm. Wir entschließen uns deshalb dazu, unsere Futonbezüge in die Waschmaschine zu stopfen. Leider passen zwei auf einmal nicht hinein, also fangen wir (zu meinem egoistischen Glück) mit ihrem an. Eines der Spannbänder an einer Ecke des Bezuges verfängt sich während des Waschens unter dem Rotor und reibt sich an der Antriebswelle. Der Bezug rotiert natürlich weiter und verdreht somit auch das Spannband. Jetzt ist Öl dran und die Naht ist durch den entstandenen Zug beschädigt. Das Ding sollte zur Reparatur und in die Reinigung. Immerhin ist es nicht kaputt und kann noch verwendet werden.
Angesichts dieser Tatsache zögere ich, meinen Bezug ebenfalls zu waschen und hänge Melanies Bezug draußen auf das Balkongitter. Park (Nachname, lies „Pak“) SongMin (Vorname), meine koreanische Nachbarin, mit der wir den Balkon gewissermaßen teilen, tut gerade zufällig das gleiche mit ihrer Bettwäsche. SangSu hilft ihr dabei. (Dieser Umstand setzt einen unbewussten Denkprozess meinerseits in Gang, der noch für Verwirrung sorgen wird…) Wir unterhalten uns ein bisschen (ein bisschen holpernd) und die beiden bringen mich (unbewusst) auf die Idee, wie ich meinen Futonbezug vor Schaden bewahren kann: Ich verknote die Bänder miteinander und verhindere so, dass sie unter den Rotor geraten können. Es funktioniert und auch mein Bezug kommt heute noch in den Genuss einer Wäsche.
SongMin fragt mich, ob es in meinem Kochbereich ebenfalls nach Abfluss stinke. Nein, meine Küche sei in Ordnung. Ich bitte sie, mir das Problem zu zeigen und gehe zu ihr rüber. Dabei stelle ich fest, dass sie nicht wusste, dass man den Abflusstrichter aus dem Spülbecken rausnehmen und das Innere somit reinigen kann. Ich fummele das Ding raus und finde einige Hinterlassenschaften von dem Chinesen, der vor ihr in dem Apartment gewohnt hat. Und die stinken tatsächlich. Der Chinese sei berüchtigt gewesen, heißt es, er habe nur selten geduscht und sich auch nicht sehr viel öfter die Haare gewaschen. Ikeda habe ihr erzählt, sagt SongMin, dass er die Wohnung erst einmal habe kräftig lüften müssen, um den strengen Geruch herauszubekommen.
Unter dem Trichter befindet sich ein Wasserfang, um zu verhindern, dass Gerüche aus dem Abfluss in die Wohnung gelangen; dieser ist jetzt zwar gereinigt, aber ich empfehle ihr, zusätzlich eine Schleife in das (flexible) Abflussrohr zu machen und sie mit einer Schnur zu fixieren, um sicher zu gehen.
Bei der Gelegenheit verrät sie mir gleich noch, dass es tatsächlich koreanisches Essen gibt, das nicht in erster Linie nach Knoblauch schmeckt oder so scharf ist, dass man rote Tränen weinen muss. Vielleicht sollten wir in diesem Haus öfters gemeinsam kochen und essen. Und weil sie mir für meine Hilfe danken möchte, schenkt sie mir eine Packung Nori (essbare, getrocknete Algen) aus Korea (geröstet mit Sesamöl und Salz). Man schneidet die Blätter (etwa DIN A4 Größe) in mehrere Teile, einfach mit der Schere, und packt sie dann in Folie, damit sie nicht austrocknen. Zum Essen formt man in seiner Reisschüssel einen kleinen Reishügel, legt das Blatt darauf und klemmt mit den Stäbchen den Reis in dem Blatt ein. Zumindest mache ich das so. Und es schmeckt ganz hervorragend. Das sollte ich für alle diejenigen dazusagen, die jetzt die Nase rümpfen und sagen „Igitt, Algen…“.
Im Anschluss wollten wir eigentlich ins Kaufhaus Ito Yôkadô, aber die Ankunft sollte sich verzögern.
Auf dem Weg liegt ein Laden mit der Bezeichnung „Naisu Dô“, ich habe ihn möglicherweise bereits erwähnt, weil ich ja ein oder zwei „Akira“ Artbooks kaufen wollte. Just an dem Tag, an dem ich mein Geld bekam, machte der Laden aber zu; wie es aussah, stand da eine Inventur oder so was an. Es wurde umgeräumt und aufgeschrieben und all das, und davor stand ein Schild, dass am 25.10. die Wiedereröffnung sein sollte. Für den 25. und den 26.10., also heute, sind Sonderverkäufe angekündigt worden, und heute habe ich Zeit. In dem Laden stehen zwei oder drei Kramkisten auf dem Boden. Man kann an der Kasse eine kleine Tüte bekommen (wie die typischen Apothekentüten in Deutschland) und kann sie mit allem füllen, was man aus den Kisten haben möchte, so viel wie reinpasst – für 100 Yen. Ein Blick in eine Kiste verrät mir, dass da nichts drin enthalten ist, was ich unbedingt haben müsste, aber Melanie ist natürlich begeistert. In der Ecke, wo die Artbooks ursprünglich herumstanden, steht jetzt… was anderes. Also frage ich nach, was denn aus den Büchern geworden sei. Die gebe es nicht mehr. Aber ich solle doch einmal in der Naisu Dô Zentrale nachsehen, da stehe solches Material rum. Die Verkäuferin malt mir auch extra einen kleinen Stadtplan, um mir zu illustrieren, wo dieser Laden denn nun sei. Aha, der liegt eigentlich auf dem Weg. Nicht auf dem ganz direkten, aber immerhin.
Leider finde ich das gesuchte Artbook dort auch nicht. Aber genügend andere. Der Laden verkauft gebrauchte Ware, der man aber nicht wirklich den Gebrauch ansieht. Als jemand, der deutsche gebrauchte Ware gewohnt ist, würde ich sagen, dass man einwandfreie Ware kauft. Die gebrauchten Artbooks kosten etwa 1000 bis 1500 Yen, es gibt einige, aber nicht sehr viele, die mehr kosten. Das teuerste, dass ich in der Hand hatte, kostete 2300 Yen (Neupreis 3500 Yen). Das war ein Hardcover Artbook eines Anime, den ich nicht kannte (und den ich mir auch nicht merken wollte). Ein Blick auf die Neupreise sagt mir, dass Artbooks in Japan generell nicht so schrecklich viel kosten. In Deutschland bezahlt man für ein und dasselbe Stück (nicht übersetzt) das Doppelte, das Dreifache oder das Vierfache. Irgendjemand macht da viel Geld auf dem Weg ins deutsche Bücherregal.
Das bringt mich natürlich auf den Plan, auch Artbooks zu kaufen, die mich persönlich nicht sonderlich interessieren, deren Inhalt aber in Deutschland eine Fangemeinde haben dürfte, zum Beispiel „Ah! Megami-sama“. Ich habe von dem Manga hier eine wunderschön kolorierte Sonderausgabe der ersten vier Kapitel gefunden. Ach, und einen Scanner haben wir im Center ja auch… dann sollte dem Auktionshandel eigentlich nichts im Wege stehen. Aber ich muss überlegen, ob ich versuchen will, von hier aus zu verkaufen (es lebe das Online Banking!) und Kunden durch Postgebühren zu verschrecken, oder ein Sammelpaket nach Hause zu schicken und dort dann einen entsprechenden Aufschlag zu berechnen. Wahrscheinlich werde ich es einfach mal von hier aus ausprobieren und sehen, wie weit ich damit komme.
Als ich den Laden wieder verlasse, bin ich, ähem, 15000 Yen ärmer, allerdings habe ich dafür auch 15 kg Bücher in Toppqualität bekommen. In Deutschland hätte ich zu diesem Preis vielleicht drei Bücher bekommen.
Jetzt haben wir für den Einkauf im Ito Yôkadô keine Zeit mehr, und außerdem schleppe ich nicht gerade wenig Gewicht in meinem Rucksack herum. Die Zeit spielt deshalb eine Rolle, weil Misi uns am Abend zum Spaghetti essen eingeladen hat. Was er nicht gesagt hat, ist, dass es sich um eine Großveranstaltung handelt. Wir gehen zusammen mit unseren koreanischen Nachbarn los und treffen uns mit drei weiteren Leuten am Tor der Universität, von wo aus Misi uns zu sich nach Hause führt. Als wir ankommen, herrscht bereits reges Treiben. Eine Handvoll Leute sind bereits da und das Essen würde auch in wenigen Minuten fertig sein.
Misi bewohnt ein Ein-Zimmer-Apartment (ebenfalls von Ikeda-san vermietet) und wir quetschen uns in einen Raum von vielleicht 10 oder 12 Quadratmetern. Hier sitzen:
- eine Thailänderin
- eine Chilenin
- eine Slowenin
- zwei Japanerinnen
- drei Koreaner
- vier Franzosen
- ein Rumäne
- zwei Deutsche und
- ein Ungar.
Neun Nationen, vertreten durch 16 Personen, in einem kleinen Raum, und alle können sich miteinander verständigen, oder zumindest „sich verständlich machen“. Ich glaube, es handelt sich um die multikulturellste (Sitz-) Party, die ich jemals besucht habe. An Spaß mangelt es nicht. SangSu macht immer wieder lustige Fehler, die ihn wahrscheinlich noch eine Zeit lang verfolgen werden. Er unterhält sich mit Irena (aus Slowenien) und möchte einen (japanischen) Satz beenden mit „glaub mir bitte”. Aber er kennt den japanischen Ausdruck nicht und fragt Jû. Der sagt ihm, dass „shinjite kudasai“ richtig sei. Aber wegen der allgemeinen Geräuschkulisse versteht SangSu das nicht richtig und sagt „shinde kudasai“: „bitte stirb“. Wir lachen uns halbtot. Und ihm ist das natürlich sehr peinlich. Es liegt aber offenbar ebenfalls in seiner Natur, durch solche Fehler nicht kleinlaut zu werden, er redet munter weiter. Und das ist auch richtig so. Kurz danach spricht er einen der Franzosen an und fragt nach seinem Namen. „Yannick“ sagt der Franzose. SangSu fragt nach: „Yakiniku?“ („Grillfleisch?“).
So gut gelacht habe ich schon lange nicht mehr. Nur Yannick macht den Eindruck, als würde ihn das stören. Ich sage zu ihm, er solle sich nichts daraus machen. Und wenn Yannick „Yakiniku“ sei, dann sei Dominik „Toriniku“ („gegrillter Vogel“). SangSu ist wieder sichtlich beschämt, lacht etwas verlegen. Aber die Laune lässt er sich nicht verderben.
Nachdem wir zusammen zwei Kilo Spaghetti mit roter Soße niedergemacht haben, gehen wir nach Hause, etwa um Mitternacht. Aber das macht auch nicht viel. Morgen ist eh Montag und da ist kein Unterricht in den ersten beiden Stunden nach 08:40. Ich muss erst um 12:40 zum Unterricht, kein Problem also. Und weil das so ist, blättern wir unsere neu gekauften Artbooks einmal durch, um zu sehen, was genau wir da eigentlich haben. Ich habe nicht das Gefühl, mein Geld zum Fenster rausgeworfen zu haben.
Im Einzelnen handelt es sich dabei um
- Tenchi Muyô – Ryô Ôki, Part 1, Gakken Mook Anime V Special
- Tenchi Muyô Perfect Collection, Dragon Magazine Collection
- Shin Seiki Evangelion – Death (True) + The End of Evangelion, Gekijô-han E-Konte Shû
(Es handelt sich dabei um eine komplette Sammlung der Pencilboard (Storyboard) Bilder in der Größe des so genannten „Kleinen Hadamitzky“) - Shin Seiki Evangelion EVE
- Newtype 100 % Collection – Shin Seiki Evangelion
- Hobby Japan Mook – Shin Seiki Evangelion 3D Book
- Ah – Megami-sama! All Color Manga (4 Kapitel, 120 Seiten)
- The Memory of MEMORIES (von Otomo Katsuhiro, es liegt noch eines im Laden)
- Noir – Les Deux Vierges
- You’re under Arrest File X – Kodansha Mook Afternoon Club
- TV Anime – Love Hina – Navigation AniHina Ver.1
- Shôjo Kakumei Utena – Bara no Kakuhoku
Nein, ich führe das nicht einfach aus dem Grunde auf, weil ich angeben will oder anderen Leuten vielleicht den Mund wässrig machen möchte. Es handelt sich hier um mein eigenes Tagebuch, in dem ich in erster Linie für mich selbst Aufzeichnungen mache. Mein Tagebuch ist gewissermaßen eher zufällig „öffentlich“.
Das Evangelion Artbook aus der Newtype Sammlung besitze ich eigentlich schon, also war der Kauf hier eher ein Unfall. Also werde ich es verkaufen. Außerdem fällt es so sehr nicht ins Gewicht. In Deutschland habe ich seinerzeit mehr als 50 DM bezahlt, und hier stand es für umgerechnet ca. 7,50 E im Regal…
Zu Verkaufszwecken fasse ich noch ein „Slayers X“ Artbook ins Auge. Und es gibt auch einige Artbooks der Serie „Rurôni Kenshin“, die bestimmt Käufer finden werden. Außerdem steht da noch ein „Cutey Honey“ Artbook rum, das mich selbst interessieren könnte. Es ist relativ klein und kostet 2000 Yen – aber dafür ist es ein Originaldruck von 1981… ein ander Mal. Ich sollte also daran denken, meinen E-Bay Account wieder zu aktivieren. Die ganzen Artbooks sind hier so billig, dass es sich lohnen könnte.
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