Donnerstag, 16.10.2003 – Ramen auf Rädern
Heute Morgen haben wir festgestellt, dass sich der Gasboiler auch von selbst auspusten kann. Wenn man heißes Wasser auf- oder abdreht, kann es zu einer kleinen Verpuffung des Gases kommen und die Flamme erlischt. Ich musste also im Schnelldurchgang lernen, wie man das Ding wieder anschmeißt, nachdem der Gasmann vor einigen Tagen den Boiler angeschaltet hat, ohne mir zu erläutern, wie man das genau macht. Bei unserem offensichtlich recht alten Modell dreht man den großen Knopf in der Mitte auf Ausgangsstellung (Position 4 Uhr), dann drückt man den Knopf ein und dreht ihn auf etwa 3 Uhr. Dadurch wird eine neue Flamme gezündet. Wenn das Metall, das in die Flamme ragt, dann heiß genug ist, kann man den Drehregler wieder voll aufdrehen.1
Der Unterricht war an heutigen Tag wie gehabt. Aber am Nachmittag fahren wir ins Rathaus. Chisaki, eine Freundin von Yui, war so nett, uns mit dem Auto zum Rathaus zu fahren. Aber das Auto stand bei ihr zuhause und ich habe das Gefühl, dass wir nur wenige Minuten länger gebraucht hätten, wenn wir von der Uni direkt zur Stadtverwaltung gegangen wären. Aber dennoch vielen Dank für ihre Bemühungen. Wir müssen unsere „Alien Registration Cards“ abzuholen. Auf Japanisch „Gaikokujin Tôroku Shômeisho“, ins Englische übersetzt also eigentlich „Foreigner Registration Card“. „Alien“ klingt reichlich seltsam, ist aber der offizielle Terminus. Ich mache ein Bild von dem über dem Schalter angebrachten Schild. Eigentlich wollte Melanie auch noch ein Konto eröffnen, aber dafür wurde es zu spät, weil die Banken offenbar alle um 15:00 dicht machen.
Am Abend stellen wir fest, dass unser Stammlokal einen außerplanmäßigen Ruhetag hat. Das verschafft uns eine besondere Gelegenheit: Auf dem Parkplatz vor der Mittelschule an der Straße nach Süden (in Richtung unseres Apartments) steht an manchen Tagen das irrste Lokal, das ich je gesehen habe.
Ich war darauf vorbereitet, Imbissstände zu finden, die aus einem kleinen Anhänger und einer Sitzbank bestehen, gezogen von einem Moped. Aber das hier hatte ich nicht erwartet. Und es ist besser. Der Besitzer hat einen Kleintransporter umgebaut. Auf der Ladefläche (mit Dach) steht ein Tisch und zwei Sitzbänke, und gekocht wird dort, wo eigentlich die Rückbank sein sollte. Die Heckklappe, also der Eingang, steht offen, eine Plastikplane hält das Wetter draußen, und es regnet mal wieder recht stark. Es gibt Onigiri, normale Ramen, Ninniku (Knoblauch) Ramen und noch zwei andere Gerichte, deren Namen ich mir nicht merken kann. Die Innenseite ist gepflastert mit kleinen Polaroidfotos, Aufnahmen der Kunden, wie ich annehme, zumeist junge Leute. Oben links in der Ecke befindet sich ein kleiner Fernseher von Orion.
Eine Portion normale Ramen kosten 450 Yen, und auch hier gibt es eine ansehnliche Portion dafür. Darin befindet sich Lauch, etwas, das ich für Bambussprossen halte und ein ziemlich großes Stück Schweinefleisch, das auch noch unerwartet fett ist. Und hier gibt es keine Löffel für die Suppe. Also führt man die Schüssel zum Mund und trinkt die Suppe aus. Dafür gibt es hier Servietten, die anderswo wiederum ein wenig fehlen. Der Laden wäre in Deutschland natürlich illegal und würde aus hygienischen Gründen sofort geschlossen, weil der Koch keine Möglichkeit hat, sich die Hände zu waschen, es gibt kein Waschbecken. Er benutzt Desinfektionstücher. Verglichen mit ordnungsgemäßen deutschen Verhältnissen hat der Hygienezustand insgesamt ein „gemütliches“ Niveau. Aber offenbar schaffen es die japanischen Gäste ebenfalls, dieses Essen ohne eine Kolik zu überleben. Und ich werde garantiert noch mehr als einmal da essen.
1 Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Der Gashändler hat natürlich ein Interesse daran, dass Du die kleine Flamme nie abschaltest und somit immer ein bisschen Gas über den Zähler läuft, auch wenn Du es gerade nicht brauchst.
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