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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

8. April 2012

Gaytal-Kamikaze (Teil 8)

Filed under: Arbeitswelt — 42317 @ 18:55

Es ist schwierig, so viele Notizen in Fließtext umzusetzen, wenn man wenig Zeit hat, auch am Wochenende. Die vergangenen Wochenenden wurden zum Großteil dafür verwendet, meine DSA-Chronik auf den neuesten Stand zu bringen, und mittlerweile bin ich so weit, dass ich den ersten Entwurf an den Spielleiter schicken kann, damit er prüft, ob wir irgendwo Unstimmigkeiten drin haben, denn es könnte ja sein, dass ich Orts- und Personennamen falsch aufgeschrieben habe, oder dass meine Darstellung in Einzelheiten von dem abweicht, was tatsächlich gelaufen ist – ich kann nicht immer gleichzeitig Notizen machen, weil die Spielteilnahme manchmal halt meine ganze Aufmerksamkeit erfordert.
Wie dem auch sei: Die Abenteuer der alten Spielgruppe sind in ihrer Rohfassung fertig, was noch fehlt, ist eine Fehlerkorrektur und vielleicht noch etwas plastische Ausgestaltung durch bessere Umschreibungen der besuchten Örtlichkeiten.

Bei dem Thema – Spiele – kann ich auch grob bleiben, denn es ist mir in den vergangenen drei Monaten immerhin zweimal gelungen, einen Spielenachmittag der Arbeitskollegen zu organisieren, wenn auch nie ganz ohne Probleme, weil kurzfristig immer einer absagen musste. Lilly musste ihre Mutter irgendwohin fahren, der fröhliche Winzer musste für seinen Bruder einspringen, der sich den Fuß gebrochen hat, Felix hatte sich eine Erkältung zugezogen. Einmal saßen wir, das heißt, Puck, meine Freundin und ich mit Antonius allein da. Hat auch Spaß gemacht; Antonius hat sich das BANG! Komplettset gekauft und wollte es natürlich auch mal benutzen, und bei der Gelegenheit entdeckte er den neu hinzugekommenen Charakter “Santa Claus” (oder “Claus the Saint”), der zwei Karten mehr zieht, als Spieler am Tisch sitzen und an jeden eine seiner Wahl verteilt. Er zog auch just diese Charakterkarte – und wurde prompt erschossen.
“Ihr habt Santa Claus umgebracht!”
Leider hat es sich im vergangenen Monat nicht ergeben, ein weiteres Mal zu spielen. Vielleicht wird es ja um den Maifeiertag rum was.
In einem Punkt bin ich jedenfalls ziemlich sicher: Ich kann mit den anderen Fahrern durchaus BANG! spielen, das kriegen sie hin (wenn auch mangels regelmäßiger Übung noch etwas holprig), aber ich fürchte, dass ich z.B. Battlestar Galactica nur mit den “DG-Lords” (den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Depots) spielen kann, weil… die Regelverständniskapazität des durchschnittlichen Fahrers für ein derart vielschichtiges Spiel nicht ausreicht. Pandemie würde ich ihnen noch zutrauen.

Als ich eines schönen Tages spät nach Hause unterwegs war, es war schon nach Sechs und dunkel, als ich um den Verteilerkreis fuhr, huschte beim Abbiegen in die Dasbachstraße ein dunkler Schatten vor meiner Schnauze vorbei und ich ging heftig in die Eisen. Irgendein Komiker war auf dem eiligen Weg zur Bushaltestelle Nells Park einfach über die Straße gerannt – dunkle Haare, schwarze Hosen, dunkelblauer Pullover, im Zusammenspiel mit den aus Richtung Ruwer entgegenkommenden Autos (das heißt ihren blendend hellen Frontscheinwerfern) fast unsichtbar.
Kurzum, es entspann sich ein kurzes wütendes Wortgefecht, wer denn Schuld daran sei, dass ich ihn beinahe angefahren hätte. Ich war und bin eigentlich nicht der Meinung, dass 20 km/h zu schnell sind, um diese Kurve zu bewältigen, und es ist ja nicht so, dass ich einfach fahren würde, ohne einen Blick in die Umgebung zu werfen. Wie gesagt: Der Typ war fast unsichtbar unter den gegebenen Umständen. Er sagte, ich müsse langsam fahren und gefälligst richtig hinsehen, ich sagte, er dürfe in dunklen Klamotten nicht einfach auf die Straße rennen, denn wenn da ein großes Fahrzeug mit aktiviertem Blinker auf die Einbiegung zufährt, dann müsse er doch damit rechnen, dass ich auch abbiege, und dann bleibt man als Fußgänger doch lieber mal stehen, anstatt stur auf seinem Vorfahrtsrecht zu beharren und seine Knochen zu riskieren, gerade bei diesen Sichtverhältnissen und in dieser Kleidung!
Der war schon ziemlich sauer und drohte, die Polizei zu rufen. Mir war nicht ganz klar, aus welchem Grund, denn es war ja gar nichts passiert. Aber ich war müde und wollte nach Hause, also beruhigten wir uns beide ein bisschen und ich erklärte mich bereit, ihn zur übernächsten Haltestelle zu fahren, und wir würden die Sache beide vergessen. Im Nachhinein muss ich allerdings sagen, dass es durchaus seinen Reiz gehabt hätte, ihn die Polizei rufen zu lassen, denn er hätte sich vermutlich den größeren Einlauf geholt: Erstens in “Nachttarnkleidung” einfach auf die Straße rennen und zweitens ohne triftigen Grund die Polizei belästigen. Wäre bestimmt interessant geworden.
Immerhin: Ich fahre seitdem solche Abzweigungen mit erhöhter Aufmerksamkeit, gerade im Dunkeln.

An der Spitze eines grob nach Osten zeigenden Dreiecks mit Basis auf der Linie Mettendorf-Neuerburg liegt das kleine Nest Rußdorf. Im vergangenen Jahr hatte ich ein- oder zweimal Kfz-Zubehör an eine Firma dort geliefert und sollte nun im Dezember, drei Monate nach meinem letzten Besuch, vier Reifen hinbringen.
Die angegebene Adresse war verlassen, in dem Sinne, dass die Rollläden der Arbeitshalle heruntergelassen waren und scheinbar niemand da war. Leider war auch im Hause des Chefs niemand anwesend, aber ich erinnerte mich an eine alternative Adresse 200 m weiter, wo ich in einem solchen Fall Sachen abliefern könne: Auch keiner da.
Also wieder zurück zur eigentlichen Adresse, versuchte Alternativzustelung (also beim Nachbarn).
Die erste Nachbarin war eine kleine dickliche Frau, mit Brillengläsern, die den Eindruck machten, als könne man damit reines Sonnenlicht zu Laserstrahlen bündeln. Die Mimik der Dame machte auch den Eindruck, als sehe sie extrem schlecht. Ich fragte sie also, ob sie die Reifen annehmen würde. Sie sah mich zweifelnd und unentschlossen an.
“Ich weiß nicht, vielleicht haben die das gar nicht bestellt…”
“Es sind Reifen, die bekommen doch öfter solche Sachen. Und wenn er es nicht bestellt hat, dann soll er anrufen, dann hole ich das wieder ab.”
“Na gut, dann nehme ich das.”
Ich trug die Reifen die Treppe zum Balkon hoch (wo die Haustür sich befindet), ließ mir ihren Nachnamen nennen und trug ihn in das Display ein.
“Ach, für wen genau ist das denn?”
Ich las ihr den Namen auf dem Adressaufkleber vor.
“Für den A.? Nein, dann nehme ich das doch nicht, der ist nämlich im Oktober gestorben.”
“Vielleicht hat sein Sohn noch auf den alten Firmennamen bestellt?”
“Nein, nein, der hat die Firma verkauft.”
Also trug ich die Reifen wieder runter, mittelmäßig genervt duch das Hin und Her, und wollte sie ins Auto laden, als ein anderer Nachbar die Tür öffnete und mich zu ihm winkte.
“Geben Sie die nur her, ich unterschreibe dafür. Der S. macht mir da keine Schwierigkeiten, falls er die Reifen doch nicht braucht. Der hat das Unternehmen zwar verkauft, arbeitet aber für den neuen Besitzer in Bitburg.”
Ich bedankte mich und setzte mich ins Auto. Blick auf die Uhr: 15 Minuten für diese eine Zustellung – allein vor Ort. Da hatte ich die Zeit, die ich brauchte, um den Umweg zwischen Mettendorf und Neuerburg zu fahren, noch nicht mit eingerechnet, das dürften weitere 15 Minuten gewesen sein.

Im Monat drauf war ich noch einmal da, wegen einer Abholung. Die Witwe des Verstorbenen war da, wusste aber von nichts und konnte mir nach einem kurzen Telefonat mit ihrem Sohn nur mitteilen, dass das Gerät vermutlich in Bitburg abzuholen sei. Ich setzte den Abholstatus also auf “Abholung ohne Ware – keine Ware” und hatte allein an der überflüssigen Fahrzeit in dieses kleine Nest schon wieder eine Viertelstunde verloren.

Übrigens: Wenn jemand Motorsägen oder Entaster oder was für Wald- und Gartenarbeiten braucht – kauft nicht bei Solo. Ich hab jeden Monat einen Garantiefall von Solo als Abholung in Beladung. Garantiefälle von Stihl hatte ich in den vergangenen 11 Monaten exakt zwei. Und das waren keine ganzen Geräte, sondern nur kleinere Einzelteile.
Klar, Stihl ist teuer, aber das zahlt sich aus.

Am Heiligabend hatte ich mich freiwillig gemeldet, die Samstagsfahrt zu übernehmen. Ich wollte sehen, was man da so erlebt, ob viele Privatkunden noch schnell was bestellt hätten, oder ob die Leute anders drauf sein würden. Aber: Nichts von alledem. Ich hatte keine 20 Pakete im Auto, fuhr gerade mal Bitburg-Wittlich-Trier und war nach drei Stunden wieder zuhause, ohne etwas erlebt zu haben, worüber zu schreiben sich gelohnt hätte.
Insgesamt muss ich aber festhalten, dass die Weihnachtszeit etwa sechs Wochen dauert, in denen die Paketzahlen in meinem Zustellungsbereich um bis zu 50 Prozent über dem Normalen liegen, dazu kommt ein dickerer Anteil von Privatkunden in den entlegeneren Ortschaften, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Arbeitszeit. Am Mittwoch vor Weihnachten hörte das mit einem Schlag auf und die Paketzahlen sanken unter die normale Marke, und sie sanken zwischen den Feiertagen erneut rekordverdächtig tief.

Wenn ich schon von Feiertagen rede: Ostern dauert nur eine Woche und Privatkunden halten sich dabei zurück, aber die Frisöre, Apotheken und Tierärzte stocken auf (und natürlich die Warenhäuser und Fachmärkte für Unterhaltungselektronik und Kosmetik, von denen sich aber keine in meinem Gebiet befinden). Die Woche vor Ostern wäre auch vermutlich nicht so extrem geworden, wenn uns nicht Dienstag und Mittwoch zwei LKW-Linien im Stich gelassen hätten. Die kamen so spät, dass es sich nicht mehr lohnte, sie übers Band laufen zu lassen, denn wir müssen ja auch irgendwann mal mit der Zustellung anfangen. Dienstag fehlten mir 20 Pakete, aber damit kann man noch leben. Mittwoch fehlten mir 40 Pakete. Das macht sich deutlich bemerkbar, und hinzu kam, dass am Donnerstag eine Art Torschlusspanik herrschte: 197 Pakete auf meiner Tour, fast das Zweifache des üblichen Satzes, und bei den anderen sah es kaum besser aus. Aber ich fahre nur einen kleinen der großen Sprinter – da passen bestenfalls 160 Pakete der üblichen Größenverteilung hinein.
Gleichzeitig machte die Maschine Zicken, die 560 fuhr sich, als ob der halbe Motor fehlte. Am Morgen, auf der Autobahn nach Ehrang, wollte ich mich daran machen, einen niederländischen Lastzug zu überholen; mittendrin brach auf einmal der Schub weg, Drehzahl und Geschwindigkeit sanken, der Holländer fuhr mit etwa 100 an mir vorbei und davon (haben die etwa keinen Limiter???)
Peter entschloss sich daher, die 440 aus Koblenz kommen zu lassen, das Auto, das der fröhliche Winzer gefahren hatte, bevor es wegen Motorproblemen ausgetauscht werden musste. Nun war ein neuer Motor drin, es würde also seinen Zweck erfüllen. Allerdings musste der Fahrer erst mal herkommen und ich musste meinen ganzen Krempel aus der 560 raus und in die 440 hineinräumen – in ein Modell, das viel weniger Stauraum bietet. Vor allem kostete es Zeit und ich kam erst um Viertel nach Zehn weg (normal ist derzeit 0830). Der einzige Trost bestand darin, dass die vielen Pakete mit zwei oder drei Ausnahmen alle in Ortschaften auf der Haupttour gehörten und ich schaffte es vor sechs Uhr nach Hause.

Nicht nur, dass uns die LKWs im Stich ließen: Der fröhliche Winzer ist krankgemeldet, für den kommen ebenfalls Fahrer aus Koblenz runter. Dass mir dies am Montag alle Pakete für Schweich bescherte, fand ich wegen meiner mangelnden Ortskenntnis und der Art der Pakete nicht so lustig. Unter den Paketen waren zwei Aufsteller für Apotheken, einer in Schweich, die aufrecht transportiert werden müssen, man muss sie eigentlich auf einer Palette geschnallt liefern, aber das hätte nicht ins Auto gepasst. Daneben standen zwei mobile Klimaanlagen von jeweils einem Zentner. Und der Apotheker verweigerte die Annahme, weil er das nicht bestellt habe – na dann: Nach Schweich fuhr ich sofort zurück ins Depot, um den zurückgewiesenen Aufsteller abzugeben, denn mir war sonnenklar, dass das lange schmale und vor allem nicht festgeschnallte Ding den Abend nur als Plastikschrott erleben würde. Antonius und Lilly haben auch nicht schlecht gestaunt, als sie mich um kurz vor Elf in die Halle fahren sahen. Feierabend gegen sieben Uhr abends. Ein richtiger Scheißtag. Glücklicherweise war ich den Rest der Woche von Sondertouren befreit.

In der Eifel liegt im Winter Schnee, das ist nichts neues, ich habe damit gerechnet und mich vorbereitet: eine Sonnenbrille in meiner Sehstärke musste her, aus dünn geschliffenem Glas. Da ich mit dem Hugo Boss Markenmodell, das ich für gewöhnlich auf der Nase trage, sehr gute Erfahrungen gemacht habe, wollte ich das gleiche Modell mit getönten Gläsern – gab’s aber nicht. Boss sei da eigen und nehme Modelle schnell wieder vom Markt, sagte mir die Optikerin. Na gut, dann was anderes. Letztendlich entschied ich mich für eine Ray Ban, für die ich wiederum über 300 Euro hinlegte. Aber wenn die ebenso stabil wie die Boss-Brille ist, dann lohnt sich das auch; mit dem Ding musste ich in den vergangenen zehn Jahren zweimal zum Nachstellen zum Optiker.
Ich musste auch ein drittes Mal hin, das lag aber daran, dass mir bei einer Zustellung ein Paket ins Gesicht knallte, worauf der Nasenbügel an der Schweißstelle abbrach. Ich musste den Tag über also mit der Sonnenbrille fahren, um wenigstens scharf zu sehen, ging in Neuerburg zum Optiker, der mir das Nasenfahrrad für 18 E wieder verschweißte (Peter ersetzte mir die 18 Euro übrigens). Sieht wie neu aus.

Nur ein Problem muss ich bei der Sonnenbrille feststellen: Beim Schliff muss was schiefgegangen sein, denn das Bild wird schärfer, wenn ich den Kopf um knapp 45° nach rechts neige. Sobald ich Zeit dafür habe, werde ich das reklamieren, und das wird vielleicht noch etwas warten müssen, weil ich beim Ausräumen meines motorlahmen Autos natürlich die Sonnenbrille auf der Ablage über der Sonnenblende vergessen habe! Mal gucken, wie lang es dauert, bis ich das Ding aus Plaidt zurückbekomme.

Ein Gutes hatte der Autotausch allerdings noch: Die CD, die ich dem fröhlichen Winzer vor einem knappen halben Jahr geliehen hatte (just in der Woche, wo sein Motor draufging), war noch im Handschuhfach.

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