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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

22. April 2011

Die Randstad-Reise

Filed under: Arbeitswelt — 42317 @ 16:43

Das Arbeitsamt hatte mir Jobangebote geschickt, darunter eines von einer Zeitarbeitsfirma in Wiesbaden mit der Bezeichnung “Jobleister”. In dem Angebot war von Lagerarbeit in einem Lebensmittellager die Rede, und das klang ja nicht uninteressant. Nach Anfrage bei dem Unternehmen stellte sich allerdings heraus, dass von einer dauerhaften Beschäftigung an einem Ort keine Rede sein könne. In der Antwort, die ich erhielt, stand zu lesen, dass der Zeitarbeiter drei Wochen irgendwo eingesetzt würde, die Unterkunft werde gestellt, und im Anschluss ein paar Tage Heimaturlaub erhalte, wobei er sich seinen Einsatzort nicht aussuchen dürfe.
Na wie schön. Das bedeutet, dass sich meine Beziehung auf ein paar Tage im Monat beschränken soll und dass ich von einem Arbeitsplatz zum nächsten wechsele, ohne jemals irgendwo eingegliedert werden zu können? Das heißt ständig neue Nervosität darüber, ob man mit den neuen Kollegen klarkommt, kein soziales Netzwerk und so weiter.
Haben die ne Meise? Ich nehme gern Arbeit an, für die ich umziehen muss, und erst Recht Arbeit, für die ich nicht umziehen muss, aber wie ein Wanderarbeiter ständig zwischen verschiedenen Orten zu pendeln läuft mit mir nicht.

Eine weiteres Angebot dreht sich um die Stelle eines Produktionshelfers in der Herzogenbuscher Straße in Trier, inklusive Link zum ursprünglichen Jobangebot über die Firma Randstad.
Randstad ist ebenfalls eine Zeitarbeitsfirma, die Arbeitskräfte verleiht. Immerhin genießt Randstad unter all den Krisennutznießern noch einen guten Ruf. Nur der mir gegebene Link, der war ungültig.
Ich setzte mich also mit Randstad in Verbindung und man lud mich zu einem Beratungsgespräch ein, damit ich meine Personalien und meine Arbeitserfahrungen und -wünsche vermitteln konnte. Lustigerweise befindet sich Randstad im selben Gebäude wie der Vertreter meiner Haftpflichtversicherung.
Die Trierer Stelle gab es scheinbar nicht mehr, und da ich im Personalbogen angegeben habe, dass ich aus Gewissensgründen keinesfalls in der Tabakindustrie arbeiten würde, fiel JTI, einer der bedeutendsten Arbeitgeber in Trier, schonmal raus.
Aber man konnte mir was anderes anbieten – in Saarwellingen oder in Bitburg. Da ich nicht mobil bin, fiel Bitburg völlig flach. In Saarwellingen könnte ich, dank Heimatnähe, eher arbeiten, weil ich mir zum einen das Auto des Großvaters leihen könnte, um nicht völlig auf Fahrgemeinschaften angewiesen zu sein.
Um das abzuklären, müsste ich allerdings nach Saarwellingen fahren.

Ich habe nur eine grobe Vorstellung davon, wo Saarwellingen überhaupt liegt, also verließ ich mich auf die Angaben der Verbindungssuchmaschine der Deutschen Bahn. Dort hieß es, ich solle mit dem Zug nach Dillingen fahren, dann mit dem Bus nach Nalbach, und in Nalbach in den nächsten Bus umsteigen, der mich nach Saarwellingen bringen sollte.
Ein Anruf bei der dortigen Niederlassung von Randstad ergab, dass ich an der Haltestelle “Schulzentrum” aussteigen solle.

Der Tag der Reise war kühl, eine Art Temperaturloch in der Folge fast sommerlicher Tage im April 2011. Zwischen Merzig und Dillingen regnete es sogar ein wenig, aber bei Ankunft in Dillingen war es trocken. Vorerst.
Der benötigte Bus stand bereits da, ich zahlte 2,70 E und los ging die Fahrt. Kurz vor Nalbach gab es einen heftigen Regenschauer, und mir wurde klar, dass Reisen zu Vorstellungsgesprächen scheinbar immer was dramatisches bieten mussten, um drüber zu schreiben.

Nalbach ist ein kleines Dorf, wo es nicht viele Haltestellen gibt. Ich fragte den Fahrer, wo ich denn in den Bus nach Saarwellingen umsteigen könne, und wurde an die nächste Haltestelle verwiesen. Da stand ich nun, und immerhin regnete es nicht mehr. Auf dem Fahrplan findet sich eine Reihe von Bussen, aber da stehen nur die Endhaltestellen und nicht, über welche Orte sie fahren. Ich bemühte also meine Reisenotizen und suchte die darin angegebene Liniennummer: Eine halbe Stunde Wartezeit tat sich auf.
Etwa einen Kilometer weiter konnte ich den Ortsausgang sehen, und direkt an der Haltestelle war ein Supermarkt. Ich kaufte in aller Seelenruhe was zu trinken, stieg letztendlich in den vorgesehenen Bus, und zahlte erneut 2,70 E.

Und ab diesem Zeitpunkt wurde meine Laune strapaziert.
Saarwellingen liegt bestenfalls zwei Kilometer hinter Nalbach. Statt dreißig Minuten totzuschlagen, hätte ich auch zu Fuß hingehen können! Es gibt in Saarwellingen auch keine Haltestelle “Schulzentrum”, obwohl auf den Plänen für die Schulbusse vor Ort genau das zu lesen ist. Es gibt eine Haltestelle, die nach einer Schule benannt ist, direkt am Ortseingang, aber ich dachte mir, dass wohl keine Haltestelle “Schulzentrum” im Fahrplan stehen würde, wenn es sie nicht gäbe.
Positiv war in diesem Moment zu vermerken, dass in dieser Buslinie ein Bildschirm hängt, auf dem die kommenden fünf Haltestellen angegeben sind.
Eine Haltestelle “Schulzentrum” gibt es tatsächlich nicht, also stieg ich aus, als ich diesen Umstand klar ablesen konnte.

Ich rief bei Randstad an, um zu erfahren, wo ich denn nun hinmusste.
Ein Stück die Straße hoch, links, geradeaus bis zum Supermarkt, links ins Industriegebiet, dann einfach die Straße runter. Leicht zu finden eigentlich, und viel von den knapp zwei Kilometern wären mir nicht erspart geblieben, selbst wenn ich eine Haltestelle vorher ausgestiegen wäre. Hätte ich mich von der Schule aus auf den Weg gemacht, wäre der Fußmarsch allerdings noch ein paar Hundert Meter weiter gewesen.
Gut, ein paar Hundert Meter sind Kinkerlitzchen. Die Fehlinformation störte mich an dieser Stelle mehr als die zwanzig Minuten zu Fuß. Dabei hatte ich noch Glück im Unglück, denn es war ein Graupelschauer, der mich dabei kalt erwischte, und kein Regen. Das traf meine kalten Ohren zwar irgenwie hart, aber immerhin weichte meine Jacke nicht durch.

Schön war’s halt nicht, und dass mich die Umstände nervten, konnte ich, obwohl ich mir Mühe gab, nicht wirklich verbergen – was meine Vermittlerin vor Ort zu der Meinung verleitete, ich würde Ihr die Schuld für irgendwas an der Sache geben.
“Wollen Sie überhaupt hier arbeiten?” fragte sie mich gleich eingangs.
Eine völlig bescheuerte Frage, aber ich kann mich bei genauerer Überlegung auch des Verdachts nicht erwehren, dass man in diesem Beruf oft auch mit Kunden der Jobbörse zu tun bekommt, die sich in Hartz-IV eingerichtet haben und tatsächlich keinen Bock mehr auf Arbeit haben.
“Ja glauben Sie denn, ich würde von Trier aus hier runter gondeln, wenn ich das nicht wollte?”
“Na ja, weil Sie so ein Gesicht machen…”, wobei sie sich an einer Imitation versuchte.
“Ich bin eben durch einen Schauer gelaufen, da macht man schonmal so ein Gesicht.”
“Aber dafür kann ich doch nichts!”
“Das hat auch niemand behauptet. Wenn ich unhöflich war, tut es mir natürlich leid.”
Leuten, die jede Kleinigkeit persönlich nehmen, sollte man so lange in den Hintern treten, bis sie sich diese Paranoia abgewöhnt haben. Ich finde es jedenfalls zum Kotzen.

Aber gut, was hat Randstad denn nun zu bieten?
Zum einen eine Stelle am Fließband bei einem Fordzulieferer. Ein Fahrzeugmodell der Firma wird in den kommenden Jahren am Standort Saarwellingen produziert. Es gibt Leute, die sagen, dass so ein Fließbandjob wie ein Sechser im Lotto sei. So sei das Grundgehalt zwar niedrig, aber durch Schicht-, Nachtarbeit- und Feiertagszulagen komme da einiges zusammen.
Die andere Stelle war Lagerarbeit bei Anterist & Schneider, altehrwürdige Spedition, aber natürlich weit weniger gut bezahlt. Ich gab wahrheitsgemäß an, dass ich am Fließband noch nicht gearbeitet habe und dass ich in Lagerarbeiten über mehr Erfahrung verfüge. Das wurde im Nachhinein scheinbar so ausgelegt, dass ich den Produktionsjob keinesfalls machen wolle, denn von dem war nie wieder die Rede, während ich einige Tage später vom Lager eine schlichte Absage erhielt.

Einer natürlichen Neigung folgend pflanzte ich mich zwecks Rückreise an einer Bushaltestelle auf, die in die Richtung führte, aus der ich gekommen war. Kaum stand ich dort, fuhr gegenüber ein Bus mit der Aufschrift “Saarlouis Hbf” ab. Ich versuchte, mich zu erinnern, ob Saarlouis von Trier aus gesehen denn nun hinter oder vor Dillingen lag… aber ich kam nicht drauf. Ich fahre immer nur durch, aber um die Reihenfolge der Orte hatte ich mir nie Gedanken gemacht.
Eine Weile später kam der Bus, auf den ich wartete, und interessanterweise hielt auch der am Bahnhof von Saarlouis, und zwar nachdem er vorher auch am Dillinger Bahnhof Halt machte. Da ich mir nicht sicher war, ob der Regionalexpress, den ich nehmen wollte, auch in Dillingen hält, bat ich um eine Fahrkarte nach Saarlouis. Die koste aber mehr, als wenn ich in die entgegengesetzte Richtung führe, sagte die Fahrerin – 4,10 E.
Ich gestatte mir ein bitteres Grinsen, denn schließlich hatte ich heute für einen Bruchteil dieser Strecke bereits 5,40 E gezahlt, weil die Fahrplanauskunft der Bahn nicht die beste ist.
Ob ich von Trier nach Saarlouis oder nach Dillingen fahre, macht übrigens keinen Unterschied, denn auch ohne Tagesticket kostet die Fahrt mit Einzelfahrschein das gleiche, warum auch immer. Ist scheinbar nah genug beisammen.
Der Rest von Tag war sonnig, um am Bahnhof konnte ich mich auch wieder von der Jacke trennen.

Ich bekam bei Randstad immerhin einen Schirm geschenkt – vielen ehrlichen Dank. Aber was Positiveres war aus diesem Beratungsgespräch nicht rauszuholen. Wofür bin ich nach Saarwellingen gefahren? Es wurde rein gar nichts besprochen, was sich nicht auch per Mail oder am Telefon hätte klären lassen. Alle Unterlagen hatte ich bereits in Trier ausgefüllt, es gab nichts zu unterschreiben, nichts, was meine Anwesenheit nötig gemacht hätte. Stattdessen sind mir für nichts und wieder nichts Fahrtkosten entstanden, um deren Ersatz ich das Arbeitsamt bitten muss.

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