Code Alpha

Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

10. Juni 2008

So ganz einfach ist das System wohl nicht

Filed under: My Life — 42317 @ 13:35

Am 22. Mai erreichte mich per Anhang ein PDF Dokument, das sich mit dem aktuellen Problem der hohen Benzinpreise auseinandersetzte. Der Autor machte darin den Vorschlag, zwei der größten Tankstellenketten zu boykottieren und Treibstoff stattdessen woanders zu kaufen, z.B. bei freien Tankstellen. Ziel dieser Aktion sollte sein, die betroffenen Mineralölkonzerne durch diesen öffentlichen Druck zu zwingen, ihre Preise zu senken, um wieder Kunden zu gewinnen, und auf diesem Weg einen Preiskampf in die Wege zu leiten, der dem Geldbeutel des Konsumenten zu Gute kommen sollte.

An sich klingt das machbar, und, wer weiß, vielleicht hängt es mit dieser Aktion zusammen, dass am vergangenen Sonntag der Literpreis für Super Plus bei Shell Bliesdalheim bei 1,48 lag und, zum Vergleich, bei der freien Tankstelle Habkirchen bei 1,51 Euro? Aber wer kann das schon sagen… denn letztendlich bleibt ganz klar die Tatsache, dass das System der Preisgestaltung nicht ganz so unkompliziert ist, wie der Autofahrer es aus dem beschränkten Blickwinkel seiner Windschutzscheibe im Vorbeifahren wahrzunehmen glaubt.

Denn es ist ja so, dass die täglich verfügbare Menge an Benzin auf dem Weltmarkt begrenzt ist, und das heißt, dass eine Verschiebung der Nachfrage zu anderen Anbietern dazu führen wird, dass diese auf Grund der unerwartet höheren Nachfrage die auf diese Weise entstehenden Engpässe dadurch decken müssen, den zusätzlichen Bedarf bei dem zu kaufen, dessen Lager gerade weniger belastet sind: beim boykottierten Betrieb.

Aber nicht nur dadurch wird die spontane Aktion untergraben, denn weiterhin ist anzunehmen, dass ein Großteil des Gewinns eines Mineralölkonzerns eben nicht auf dem Konsumentengeschäft (= Autofahrer an Tankstellen) beruht, sondern auf Termingeschäften mit Großunternehmen wie Verkehrsbetrieben, Fluglinien und Reedereien.

Zuletzt beruht die Argumentation des besagten PDF Dokuments darauf, dass der Liter Benzin vor 35 Jahren nur umgerechnet 20 Cent gekostet habe. Das sieht im Vergleich zu den aktuell mehr als 1,50 E nach unglaublicher Raffgier aus, allerdings kann man scheinbar berechnen, dass 1,10 E davon allein auf der Inflation dieses Zeitraums beruhen, und unter Beachtung der steuerlichen Lage kann man argumentieren, dass der Netto-Benzinpreis eben nicht höher ist als damals.

Ich will natürlich niemandem seinen Aktionismus ausreden, wir leben in einem freien Land, aber man sollte sich immer ein realistisches Bild von seinen Einflussmöglichkeiten zu machen versuchen. Von dem Petitionsausschuss des Bundestages und davon, dass man Petitionen offiziell ins Internet stellen kann, weiß zum Beispiel kaum einer was, und sobald einer davon erfährt, wird er/sie mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit das Gesicht geringschätzig verziehen und sagen, das bringe ja eh nichts – aber gleichzeitig an die Wirkung populistischer Ketten-E-Mails zu glauben, ist meines Erachtens paradox. Motzen und Meckern ist am allertollsten, wenn man nicht daran glaubt, etwas damit bewegen zu können. Dann würde ich doch besser gleich die Klappe halten.

Mein Dank an Kai und Andreas für die zu Grunde liegenden Informationen.

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