Eiserne Herzen (2/3)
Der Plan meines zweiten Spielversuchs mit der Sowjetunion war wie folgt:
– Offensives Vorgehen gegen Japan, dabei grobe Wiederholung des Verfahrens aus dem vergangenen Spiel.
– Defensives Vorgehen im Westen unter maximaler Ausnutzung der vermuteten Vorbereitungszeit.
– Offensive im Westen nach Bereitstellung der im Osten nach dem Sieg über Japan frei gewordenen Divisionen.
Es gibt viele Festungswerke auf dem Spielplan, aber nur eines (auf zwei Provinzen verteilt), dessen Wert das Maximum von 10 beträgt: Die Maginot-Linie… an der lächerlich kurzen deutschen Westgrenze. Ich nehme ein Titanenwerk in Angriff: Unter Entblößung der westlichsten Provinzen entsteht eine Festungslinie von Polotsk über Smolensk bis nach Cherson am Schwarzen Meer, das heißt im Norden entlang der Düna, dann dem Dnjepr folgend bis zu seiner Mündung, insgesamt knapp 1500 km. Auf dieser Linie graben sich etwa 170 sowjetische Divisionen ein. Das bedeutet, abgesehen von der Provinz Smolensk genießt die Rote Armee einen dreifachen Verteidigungsbonus, weil sie hinter einem Fluss liegen (+10), weil sie eingegraben sind (+10), und weil sie in den dicksten Bunkern der Welt sitzen (noch mal +10). Die Deutschen dürfen kommen, aber erst sind die Japaner dran. Und für den Zeitpunkt, zu dem die erledigt sind, tritt der nächste Bauplan in Kraft: Der Ausbau des Verkehrsnetzes in allen Provinzen, die in einer Reihe zwischen der Westgrenze der Mongolei und dem Dnjepr liegen, damit die im Osten freigewordenen Divisionen auch schnell an die Westfront kommen. Der Spaß beginnt.
Im September 1939 greifen die Deutschen Polen an und werden spielend mit denen fertig. Wenig später folgt Skandinavien und Frankreich, und ich spiele mit dem Gedanken, den Deutschen in den Rücken zu fallen, während ihre Divisionen in Frankreich gebunden sind. Aber eigentlich habe ich ja ein ganz anderes Experiment vor.
Ich beteilige mich nicht an der polnischen Teilung und bleibe den Finnen gegenüber friedlich. Stalin wollte von denen ja einige Landstreifen im Vorfeld von Leningrad zur Verbesserung der „nationalen Sicherheit“ – die Finnen lehnten ab, Stalin stürzte sich in den katastrophalen Winterkrieg von 1939, und die Finnen reagierten mit dem einzigartigen Ereignis, dass sich eine Demokratie mit einer Diktatur verbündete. Aber ich wollte Ruhe im Norden, wählte unter den angebotenen Optionen also „Nichts tun“ anstatt „Pressebehauptungen“.
Das ist so ein Wort, an dem sich die Amateurhaftigkeit der Übersetzung offenbart. Denn was hatte die Presse damit zu tun? Nichts natürlich. Übersetzen wir „Pressebehauptungen“ zurück ins Englische, wo der Text einmal herkam, dann lesen wir „press claims“ – bimmelt da ein Glöckchen? Oder doch gleich der ganze Kölner Dom?
Zu guter Letzt habe ich im Laufe der Jahre die deutsche Regierung immer wieder beeinflusst – eine ganz normale politische Option. Man zahlt einen Obolus und die Beziehungen zum Zielstaat verbessern sich mehr oder weniger gut. Handelt es sich um einen relativ wirtschaftsschwachen Staat, kann man diesen auch mit großem oder sehr großem Erfolg beeinflussen. Dies hat zur Folge, dass sich dessen Regierungssystem in einem Punkt auf die eigene Linie zu bewegt. Macht man das mehrfach, kann man den Zielstaat politisch völlig angleichen. Da Deutschland aber über ein gewisses wirtschaftliches Niveau verfügt, gelang mir das nicht. Aber immerhin konnte ich die Beziehungen bis auf das Maximum von +200 heben. Nutzt aber nichts. 1941 kommen sie dennoch.
Abgesehen von meiner besonnenen Außenpolitik habe ich auch auf die Säuberungen von 1937 verzichtet, was mir einen ausreichend großen Kreis von Generälen bescherte.
Sehen wir, was im Osten läuft, während noch Bunker und Straßen gebaut werden.
Zuerst garantiere ich die Unabhängigkeit Nationalchinas – das gibt mir einen Kriegsgrund, sobald die Japaner mit dem Säbel rasseln. Verbünden wollen sich die Jungs ja nicht, die ideologischen Unterschiede sind dann wohl doch zu groß. Erklärt man einfach so jemandem den Krieg, steigt die nationale Unruhe zu sehr, was die Wirtschaftsleistung negativ beeinflusst. Es ist immer besser, einen plausiblen Grund in den Zeitungen veröffentlichen zu können, also: So wie ein Hund an Laternenpfähle pinkelt, garantiert ein Staat die Unabhängigkeit eines anderen – dann kann guten Gewissens man auf die Pauke hauen, sobald einer im abgesteckten Revier rumstrolcht.
Spätestens 1938 marschieren die Japaner auf Peking, und die Mandschurei hinterdrein. Also erkläre ich beiden den Krieg und überrolle den Marionettenstaat binnen weniger Wochen, und noch ein wenig später ist Korea sowjetisch rot. Wie üblich ist kurz hinter der chinesischen Grenze Schluss mit dem Vormarsch, weil die Versorgung dort aufhört.
Der Flottenbau läuft auch wieder auf Hochtouren, um viele, viele möglichst moderne U-Boote zu produzieren, damit diese die japanische Flotte aus dem Pazifik fegen. Anders als im letzten Versuch fasse ich diesmal alle Ressourcen in einer möglichst großen Flotte zusammen. Die Pazifikschlacht zieht sich über Monate dahin, und am Ende ist die Kaiserliche Flotte vernichtet, während ich nicht mehr als zehn Boote verloren habe. Dann lande ich wieder in Fukuoka und Kanazawa, erobere Japan und danach eine Reihe von Inseln, Okinawa, Taiwan, Hainan. Irgendwann Ende 1942 greifen die ziemlich flottenlosen Japaner Pearl Harbor an, und ein knappes Jahr später ergeben sie sich den Amerikanern und werden deren Marionettenstaat. Diesmal darf ich meine Eroberungen in Japan allerdings behalten – möglicherweise ein Programmfehler. Im Herbst 43 machen sich also der Großteil der 60 ostasiatischen Divisionen auf den Weg nach Westen, um an der Westfront die Offensive einzuläuten. Wenn man einer Armee, die in Mukden stationiert ist, den Befehl gibt, nach Sewastopol zu verlegen, dann wird die übrigens einen ganz anderen Weg wählen, als den kürzesten, oder den am besten ausgebauten. Niemand weiß warum. Ich lotse die Jungs also von einem Autobahnabschnitt zum nächsten, aber für ein irgendwann vielleicht zu machendes, weiteres UdSSR-Spiel weiß ich, dass man anfangs einer Truppe einen Marschbefehl nach Sewastopol gibt und sich beim Straßenbau auf die Provinzen konzentriert, die dabei als Marschweg angezeigt werden. Das spart auf jeden Fall Zeit, die man in Befehle investieren müsste.
Im Westen waren jedenfalls im Herbst 1941 die Deutschen in der UdSSR einmarschiert, trotz eines blendend guten politischen Verhältnisses. Was einem ein gutes Verhältnis zu seinen Nachbarn bringt, muss mir überhaupt erst mal einer erklären. Es bringt weder Handelsvorteile noch macht es die Beteiligten geneigter, sich an einem militärischen Bündnis zu beteiligen.
Wie dem auch sei, die Verbände der Wehrmacht mögen sich gewundert haben, warum sie auf keinen Widerstand stießen und man sie einfach so ins Land ließ. Es gab dort nichts mehr zu holen. Die Industrieanlagen waren bereits nach Osten verlegt worden.
Dann trafen 180 deutsche Divisionen auf Düna und Dnjepr. Und nichts geschah. Die besahen sich, was sich ihnen da für ein Anblick bot – ein Festungswerk neben dem anderen am gegenüberliegenden Ufer – und blieben, wo sie waren. In den kommenden zwei Jahren wurde kein einziges Gefecht geführt, die Befestigungen waren scheinbar zu Respekt einflößend. Sitzkrieg an der Ostfront, wer hätte das gedacht.
Ende 1943, die rumänische Marine war bereits aus dem Schwarzen Meer vertrieben worden, trafen dann fünf der sechs sowjetischen Fernostarmeen im Südabschnitt ein, vier Armeen zu je neun Divisionen, eine Armee zu zwölf Divisionen. Eine Armee verblieb in Asien, und hielt ein wachsames Auge auf den Chinesen. Auch an der rumänischen Küste gab es interessanterweise unverteidigte Strände, also landete eine Armee dort, wartete auf die nächste, baute den Brückenkopf aus, und so weiter, bis alle Fernostdivisionen angelandet waren. Die Karpaten bereiteten ein paar Schwierigkeiten, aber im Frühsommer 44 war Rumänien geschlagen und die Achsentruppen waren daraufhin nur noch damit beschäftigt, nach Westen zu rennen. Die rote Armee stieß nach Prag vor, dann wurde die Front von Süden nach Norden aufgerollt, dutzende deutsche Divisionen wurden dabei in gigantischen Kesseln von der Größe Jugoslawiens vernichtet, etwa die Hälfte von denen, die die Ostfront einmal gebildet hatten. Die Rote Armee schwemmte auf dem Weg nach Westen alles weg. Einzig die Ostsee konnte ich nicht sichern – die deutsche Kriegsmarine war aus einem anderen Holz geschnitzt als ihr japanisches Pendant. Die modernen deutschen Zerstörer erwiesen sich meinen U-Booten als gewachsen, also blieben die im Kronstädter Hafen und überließen die Sache dem Heer. Und als die Rote Armee dann auf der Linie Freiburg-Stuttgart-Frankfurt-Hamburg stand, kapitulierten die Deutschen – worauf interessanterweise die Amerikaner das übernahmen, was übrig war und armeeweise Soldaten importierten. Lustig dabei war übrigens, auf welche Art und Weise die Luxemburger (Luxemburg besteht spieltechnisch ursprünglich nur aus der Provinz Luxemburg) von dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches profitierten: Sie erhielten die Provinzen Arlons und Reims zugesprochen!
Da das Risiko bestand, dass die USA mich präventiv angreifen würden, musste ich eine Wache zurücklassen, als die anderen nach Süden abdrehten, um den Italienern den Garaus zu machen. Aber auch in Italien war ich nicht schnell genug: In der Toskana angekommen, geschieht ein kleines Wunder – die Amerikaner landen in Italien! Das hatten sie sich in den letzten Jahren scheinbar nicht getraut. Ich kam, als ich sah, dass er siegte, oder was? Die Italiener ergeben sich jedenfalls den Amerikanern, die besetzen schnell die südlichen zwei Drittel. Immerhin habe ich die Häfen Genua und Venedig. Und ich kann mich meinem nächsten Ziel zuwenden… haben sich nicht auch in Spanien die Faschisten eingenistet?
Nach ein paar wenigen Monaten Mittelmeerkrieg erfolgt die Landung in Spanien, und wenn wir schon mal dabei sind, nehmen wir Portugal gleich mit. Man kann Staaten annektieren, wenn man alle Heimatprovinzen erobert hat, und Kolonien zählen nicht dazu. Ergibt sich der Staat, fallen auch die Kolonien an den Sieger. Die Sowjetunion hat nun also ein festes Standbein in Afrika.
Das Spiel geht jeweils erst am 30. Dezember 1947 zu Ende, bis dahin waren es noch mehr als zwei Jahre – was tun? Die Rote Armee beginnt ihre kleine Welttour durch alle Staaten, die keine militärischen Verbündeten haben: Jugoslawien, Bulgarien, Griechenland, Türkei, Persien, Afghanistan, Pakistan – Indien. Die Inder sind in der Tat von den Briten in die Unabhängigkeit entlassen worden, aber ein Bündnis haben sie nicht.
Während Indien in den letzten Zuckungen liegt, tun mir die Nationalchinesen einen Gefallen: Sie greifen meine verbliebene Armee an der mandschurischen Grenze an. Diese eine Armee ist sämtlichen chinesischen Truppen mehr als gewachsen, also soll sie den Angriff zunächst aufhalten. Ich wollte dann von Bangladesh aus in das chinesisch besetzte Tibet einfallen, aber das ging nicht, weil die Gebirgspässe unpassierbar sind. Es gibt keine Landverbindung dorthin durch den Himalaya. Also: Alle Truppen einschiffen und in Dalian anlanden, und dann wurde mit den Chinesen der Boden aufgewischt. Leider erwischte mich das Spielende, bevor ich auch noch in Chunking einmarschieren konnte.
Während dieser Zeit schritt die Modernisierung meiner Truppen natürlich fort: Ich kann auf Interkontinentalraketen und Turbojetbomber umsteigen. Warum allerdings Fliegergeschwader sogar problemlos von Propeller auf Jet umgerüstet werden können, während jegliche Marineeinheiten nach einer Modernisierung völlig neu gebaut werden müssen, bleibt fraglich.
Aber strategische Jetbomber sind ungeheuer effektiv: Sechs Geschwader davon machen jeden Flug- und jeden Seehafen nieder, und erreichen von der Insel Hainan aus auch jeden chinesischen Winkel.
Es ist vorteilhaft, feindliche Flughäfen zu zerstören, weil dann keine Abfangjäger stören.
Wenig Sinn macht es, Industrieanlagen anzugreifen: Natürlich senkt man dadurch die feindliche Rohstoffproduktion, macht gegebenenfalls Handelsabkommen zunichte, senkt dessen IK (Industriekapazität), und erschwert dadurch die Versorgung der Truppen, aber das Problem ist die unglaubliche Wiederaufbauleistung des Spiels. Auch eine auf Null reduzierte Kapazität wird nach zwei oder drei Wochen wieder voll funktionsfähig sein.
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