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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

14. Januar 2008

Die Stixi-Achse

Filed under: Bücher,Japan,Militaria — 42317 @ 15:13

“Deutschland und Japan im Zweiten Weltkrieg” lautet der Titel eines Buches, das man mir zu Weihnachten geschenkt hat, und angesichts der Vertiefung meines Kenntnisstandes zum Thema “Dreierpakt”, bzw. “Achse Berlin-Rom-Tokio”, fühle ich mich extrem dankbar dafür.

Seit Weihnachten habe ich das Buch stückweise während meiner Zug- und Busfahrten gelesen und verwunderliche Dinge entdeckt.

Dass die Achsenmächte keine gemeinsame Kriegsführung hatten, wie das bei den Alliierten der Fall war, war mir ja bekannt, dass die militarische Zusammenarbeit minimal war, wusste ich ebenfalls, oder ich glaubte es zu wissen, denn dass eine militärische Zusammenarbeit überhaupt nicht gegeben war, das wusste ich nicht.

Die politischen Ziele Deutschlands und Japans waren von vorneherein viel zu verschieden, als dass ein Vertrag wie der so genannte “Dreimächtepakt” das Papier wert gewesen wäre, auf dem er gedruckt war. Die Deutschen wollten Lebensraum im Osten, das heißt Kolonialisierung durch Vernichtung der slawischen Bevölkerung, während die Japaner, brutal wie sie dabei waren, ihre “Großoastasiatische Wohlstandssphäre” errichten wollten. Ein kaum weniger rassistisches Konzept, mit dem man Asien von den Weißen befreien wollte. Die betroffenen Völker würden dann zwar asiatische statt europäische Herren haben, aber immerhin war keine ethnische Gruppe per se zur Vernichtung vorgesehen.

In Deutschland regierte Hitler alleine und für den war von Anfang an klar, dass der Hauptfeind die Sowjetunion war. In Japan herrschte eine autoritäre Oligarchie, das heißt, es waren mehrere Meinungen zur Diskussion vertreten, wenn man diese auch auf die Rivalität von Heer und Marine polarisieren kann. Das Kaiserreich war wohl der Antikomintern beigetreten, aber nach zwei relativ kleinen Gefechten mit der Roten Armee, bei denen das japanische Heer etwa eine Division einbüßte, setzte sich die Marine mit ihrem Plan von der Südexpansion durch, obwohl im Fernen Osten anno 1941 ein Truppenverhältnis gegeben war, das es den Japanern erlaubt hätte, die Sowjets einfach von der Landkarte zu fegen.

Das japanische Heer war bis 1943 immer noch daran interessiert, den sowjetischen Fernen Osten anzugreifen, aber nicht nur die eigene Marine verhinderte solche Pläne, sondern auch der alleinige Entscheidungsträger strategischer Fragen bei den Deutschen: Hitler war ausgesprochen gegen ein japanisches Eingreifen gegen die UdSSR. Die Wehrmacht werde das alleine schaffen, davon war nicht nur Hitler, sondern auch der Wehrmachtsführungsstab überzeugt.

Die deutsche Seekriegsleitung auf der anderen Seite befürwortete ein gemeinsam koordiniertes Vorgehen auf den Weltmeeren, aber da hatten die japanischen Admirale was dagegen. Die Kombinierte Flotte würde das alleine schaffen. Sie wurden erst nach der Midway-Schlacht vom Juni 1942 und dem Totalverlust von vier Flugzeugträgern kleinlauter – aber nicht kooperationsbereiter. Entgegen dem Anliegen der deutschen Marine zeigte man in Tokio kein Interesse an einem Tonnagekrieg, sondern zog es weiter vor, U-Boote ausschließlich gegen Kampfschiffe einzusetzen, anstatt gegen Versorgungs- und Transportschiffe. Dass die stärkste Trägerflotte machtlos ist, wenn man ihre Tankschiffe versenkt, ist der Admiralität offenbar nie in den Sinn gekommen.
Warum? Auch diese Frage bleibt bislang unbeantwortet. Ich persönlich glaube nicht, dass es mit dem Bushidô, der Kriegerehre, zusammenhing, dafür habe ich Japaner als zu pragmatisch kennen gelernt.

Gleichzeitig versuchten die Japaner immer wieder, im Krieg zwischen dem Dritten Reich und der Sowjetunion zu vermitteln, was der Deutsche natürlich aus ideologischen Gründen ablehnte. Erst, als der Hammer längst gefallen war, 1944, ging man ernsthafter an ein gemeinsames Wirken heran. Aber zu diesem Zeitpunkt allerdings waren die bislang strittigen Punkte zwischen Stalin, Roosevelt und Churchill beigelegt, und Stalin hatte sich nicht nur der Forderung nach bedingungsloser Kapitulation angeschlossen, sondern sich auch bereit erklärt, drei Monate nach Ende der Kampfhandlungen in Europa gegen Japan in der Mandschurei loszuschlagen. Dabei gibt es Anzeichen, dass bei entsprechendem deutschen Willen noch 1943 ein Sonderfrieden mit den Sowjets realisierbar gewesen wäre.

Alle beteiligten Seiten sahen im Dreimächtepakt nur ein propagandistisches Mittel. Vielleicht haben sich die Italiener mehr davon erhofft, aber deren politischer Einfluss war zusammen mit ihrem militärischen in Afrika dahingeschmolzen. Die Hauptverbündeten, will man sie überhaupt so nennen, hatten jedoch viel zu verschiedene Ziele vor Augen, als dass eine Zusammenarbeit fruchtbar hätte sein können. Im Extremfall, wenn die politischen Manöver der Deutschen einerseits und der Japaner andererseits aufgegangen wären, hätte sich eine Konstellation gebildet, in der Deutschland zusammen mit Briten und Amerikanern gegen Sowjets und Japaner gekämpft hätten.

Dieses interessante Szenario hat sogar einen realen Aufhänger. Und dieser Aufhänger ist das, was ich in dem Buch vermisse. Denn wie kann man die Entwicklungen der Beziehungen Japans und Deutschlands im Zweiten Weltkrieg aufzeigen, ohne im Einleitungskapitel darauf hinzuweisen, dass es eine offizielle Militärmission des Dritten Reiches gab, die sich zur Beratung und Ausbildung der Truppen Chiang Kai-sheks in China aufhielt? Dazu noch zeitweise unter Führung des ehemaligen Chefs der Heeresleitung Hans von Seeckt, also niemand unwichtigem eigentlich. Erst 1938 wurde das Unternehmen eingestellt. Man wandte sich den Japanern zu, ließ die Chinesen fallen und schnitt sich damit von einer bedeutenden Rohstoffquelle ab.
Irgendwo wird in einem Nebensatz erwähnt, dass der deutsche Generalstab traditionell gute Beziehungen nach China gehabt habe, aber das war’s dann auch. Dieses Thema wird generell unter den Teppich gekehrt oder ignoriert, es gibt nur wenige Publikationen dazu.

Der Artikel bei Feldgrau stützt sich auf ein halbes Dutzend, von daher stammt mein Wissenstand, nachdem ich in den TIME LIFE Videos “Das Jahrhundert der Kriege” ganz baff Chinesen unter dem Kommando Chiang Kai-sheks in Wehrmachtsgrau sehen konnte, ohne dass der Kommentator darauf irgendwie einging. Und dann dauerte es bis Winter 2003, bis ich zufällig über die oben genannte Webseite “Feldgrau” stolperte, denn trotz meiner mehr oder minder regelmäßigen Begutachtung entsprechender Literatur in den Auslagen von Buchläden habe ich nie etwas darüber in gedruckter Form gesehen.

Ein interessantes Szenario für Alternativhistoriker?

Japan mit der UdSSR gegen die USA und Großbritannien.
Die USA in Asien mit Deutschland gegen Japan.
Deutschland hält Westeuropa gegen die Briten und bindet die Sowjets auf der Linie Murmansk-Sewastopol.

Hm… “Axis & Allies” braucht ganz dringend einen flexiblen Editor für geostrategische Szenarien. 🙂

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