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Aus dem noch unerforschten Inneren meines Schädels

6. Dezember 2008

Rezession im Anzeigengeschäft

Filed under: Arbeitswelt — 42317 @ 20:16

“REZESSION” titelte der Trierische Volksfreund (TV) am 25. November 2008 auf Seite 1, und präsentierte zur grafischen Untermalung die bundesdeutschen Farben mit Scrabble-Würfeln darauf, die eben jenes Wort bildeten.

Ein Elektronikhändler in der Paulinstraße nahm dies zum Anlass, umgehend seine Werbeanzeigen im TV zu stornieren: “Wenn Sie solche Schlagzeilen bringen, brauch ich bei Ihnen auch keine Werbung mehr zu machen, weil mir dann die Kunden wegbleiben!”

Dem Geschäftsführer sind die Hiobsbotschaften und Prognosen der vergangenen Wochen ganz sicher nicht entgangen, aber scheinbar lehrt ihn sein Geschäft, ein professioneller Optimist zu sein: Er sagt nämlich auch, dass die Leute weiterhin mit ungebrochener Motivation Flachbildfernseher und Kaffeemaschinen für Tausende von Euro kaufen. Er spürt dieser Tage wenig von geschwundener Kauflust, wie ihn die Automobilhersteller beklagen.

Eine Espressomaschine für 4000 Euro – man stelle sich das vor! Wenn man darauf verzichtet, sich jede Woche einmal von einem Taxi zu seinem Lieblingsitaliener kutschieren zu lassen, sagen wir für 10 E hin und zurück, und dort guten Espresso für 5 E zu konsumieren, nur mal angenommen, dann dauert es bei Unterlassung dieser Gewohnheit etwas mehr als fünf Jahre, bevor die Kaffeemaschine anfängt, sich zu rechnen – wenn man davon ausgehen will, dass das Gerät nach Ablauf der Garantiefrist noch mindestens drei weitere Jahre überlebt, und ich habe von Kaffeemaschinen, die wegen ihrer allgegenwärtigen Werbepräsenz als “in” gelten, in der Regel was anderes gehört.

Aus persönlicher Erfahrung muss ich hinzufügen, dass die Leute scheinbar wie wild tolle Fernseher und gefühlt benötigte Kaffeemaschinen kaufen – aber eben keine Teppiche. Dabei gibt es sehr schöne Exemplare für weniger als 4000 E, und die halten so viele Besitzergenerationen, wie Kaffeemaschinen Jahre. Aber Teppiche gelten als spießig, habe ich den Verdacht. Ich führe das nicht zuletzt darauf zurück, dass der durchschnittliche Fernseherkunde eine eher eingeengte Vorstellung von einem Orientteppich hat, den er in seiner Kindheit oder Jugend mal bei einem konservativ anmutenden Onkel im Wohnzimmer gesehen hat. Dabei beschränkt sich die Teppichproduktion doch gar nicht auf den Iran…

Fakt ist jedenfalls, dass ein Teppich ein sehr subtiler Haushaltsschmuck ist, während eine Kaffeemaschine – oder mehr noch ein Fernseher – ein direkt spürbar vorhandener Besitz ist. Wenn ich jemandem meine neue Einrichtung zeige, dann wird derjenige im Normalfall eher den Fernseher und die Surroundanlage bemerken, als den Teppich, auf dem er geht. Wir sind es gewohnt, den Boden unter unseren Füßen als selbstverständlich und daher als wenig beachtenswert einzustufen.

Das heißt, selbst wenn wir die Lücken füllen würden, die im TV durch die Stornierung des Elektrohändlers entstehen, wäre kaum mit mehr Kunden zu rechnen. Ein Teppich für 4000 E ist gefühlt viel teurer als eine unterhaltsame Bildermaschine zum gleichen Preis.